Entscheidungsstichwort (Thema)

Verdeckte Gewinnausschüttung: Landwirtschaftlicher Berufsverband mit landwirtschaftlicher Buchstelle ohne Gewinnerzielungsabsicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Verein, dessen Zweck die Berufsvertretung von Landwirten ist und der zur steuerlichen Betreuung seiner Mitglieder eine landwirtschaftliche Buchstelle als rechtlich nichtselbständige Einrichtung unterhält, braucht nicht auf Gewinnerzielung gerichtet zu sein.

2. Es entspricht deswegen dem Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Vereinsvorstands, wenn dieser die Höhe der von den Mitgliedern zu erbringenden Leistungsentgelte nach dem Kostendeckungsprinzip ermittelt und --bei Vereinnahmung überhöhter Entgelte-- diese Entgelte nach Ablauf des Wirtschaftsjahres an die Mitglieder zurückerstattet.

 

Orientierungssatz

1. Hier: Rückerstattung nicht aufgrund einer Satzungsverpflichtung, sondern nur aufgrund eines Vorstandsbeschlusses.

2. Zur Zulassung als landwirtschaftliche Buchstelle.

 

Normenkette

KStG 1977 § 5 Abs. 1 Nr. 5, § 8 Abs. 3 S. 2; StBerG 1975 § 4 Nrn. 7-8

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Urteil vom 28.10.1997; Aktenzeichen VI 461/92)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein eingetragener Verein, der als solcher gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) von der Körperschaftsteuer befreit ist. Sein Zweck ist die Berufsvertretung von Landwirten. Für seine Verbandstätigkeit erhebt er von seinen (insgesamt etwa 10 000) Mitgliedern Mitgliedsbeiträge.

Er unterhält eine landwirtschaftliche Buchstelle als rechtlich nichtselbständige Einrichtung, die gegenüber den Mitgliedern, sofern diese einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten, Hilfeleistung in Steuersachen durch Erstellung der Buchführung und Steuerberatung erbringt. Nichtmitglieder werden regelmäßig nur betreut, soweit verwandtschaftliche oder schuldrechtliche Beziehungen zwischen Mitglied und Nichtmitglied bestehen. Die Buchstelle schließt mit den einzelnen Landwirten Buchführungs- und Steuerberatungsverträge ab und erhebt für ihre Leistungen Gebühren nach einer eigenen Kostenordnung. Diese Gebühren setzen sich aus einer Grundgebühr und einer Abschlußgebühr zusammen. Die Grundgebühr ist abhängig von der Summe der gebuchten Kontozahlen und von der Höhe des Umsatzes des Betriebes. Für die Höhe der Abschlußgebühr sind der wirtschaftliche Gewinn des Betriebes und die Größe seiner landwirtschaftlichen Fläche maßgebend. Zwar sehen weder die Beratungsverträge noch die Gebührenordnung eine Rückerstattung von Gebühren vor. Da mit der Gebührenerhebung jedoch im wesentlichen nur eine Kostendeckung erreicht werden sollte, beschloß der Vorstand des Klägers allerdings am 4. Oktober 1979, daß im Falle hieraus zu erwartender Überschüsse den jeweiligen land- und forstwirtschaftlichen Betrieben Gebühren erlassen bzw. anteilig Gebührenerstattungen gewährt werden sollten.

In den Streitjahren 1983 und 1984, in denen etwa 2 000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe die Hilfeleistung der Buchstelle in Anspruch nahmen, setzte der Kläger die Gebühren für die Steuerberatung zunächst aufgrund seiner Gebührenordnung fest. Vor Ablauf des jeweiligen Jahres erkannte er, daß die Buchstelle erhebliche Überschüsse erzielen würde. Er traf deswegen ab dem Jahr 1985 Vorkehrungen, um die Entstehung neuerlicher Überschüsse von vornherein zu verhindern. Im Hinblick auf die Streitjahre beschlossen die Geschäftsleitung der Buchstelle und der Vorstand des Klägers hingegen, den buchführenden Betrieben unter bestimmten Voraussetzungen einen Teil der erhobenen Gebühren zurückzuzahlen, und zwar für 1983 jedem Betrieb einen pauschalen Betrag von 220 DM, insgesamt 460 468,80 DM, und für 1984 jedem Betrieb einen Betrag nach Maßgabe eines individuellen Umrechnungsschlüssels, insgesamt 505 013,73 DM (jeweils einschließlich Umsatzsteuer). Nach Abzug dieser Beträge verblieb der Buchstelle noch ein Gewinn von 61 932,13 DM für 1983 und von 85 761,07 DM für 1984.

Der Kläger, der mit der Buchstelle als wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb körperschaft- und umsatzsteuerpflichtig ist, behandelte die Rückvergütungen in Höhe der Bruttobeträge als Betriebsausgaben. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) nahm demgegenüber verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) an und setzte die Körperschaftsteuer hiernach fest.

Die dagegen erhobene Klage war erfolgreich. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 783 wiedergegeben.

Seine Revision stützt das FA auf Verletzung von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des FA ist unbegründet. Das FG hat die streitgegenständlichen Gebührenrückzahlungen im Ergebnis zu Recht nicht als vGA angesehen.

1. Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft, aber auch bei einem Verein (vgl. Senatsurteil vom 9. August 1989 I R 4/84, BFHE 158, 510, BStBl II 1990, 237), eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis (Mitgliedschaftsverhältnis) veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 1991 I R 49/90, BFHE 166, 545, BStBl II 1992, 434). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis (Mitgliedschaftsverhältnis) angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft (der Verein) ihrem Gesellschafter (seinen Mitgliedern) einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie (er) bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (Vorstandes) einem Nichtgesellschafter (Nichtmitglied) nicht gewährt hätte (BFH-Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626).

2. Das FG ist unter Anwendung dieser Grundsätze davon ausgegangen, daß den in Rede stehenden Rückerstattungen der an die Buchstelle geleisteten Honorare an die betreffenden Mitglieder des Klägers betriebliche (schuldrechtliche) Erwägungen zugrunde gelegen haben, nicht aber solche mitgliedschaftsrechtlicher Art. Grund hierfür bot dem FG in erster Linie die Annahme, daß der Kläger andernfalls --ohne die Rückerstattungen-- Gefahr gelaufen wäre, seine Zulassung als landwirtschaftliche Buchstelle nach Maßgabe von § 4 Nr. 8 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) zu verlieren.

An der Richtigkeit dieser Überlegungen läßt sich mit dem FA zweifeln. Zwar ist der Bundesgerichtshof (Urteil vom 30. November 1954 I ZR 147/53, BGHZ 15, 315, 322) und --diesem folgend-- auch der BFH (Urteil vom 14. Mai 1969 VII R 11/66, BFHE 96, 33, BStBl II 1969, 713, 715) davon ausgegangen, daß Berufsverbände, die gegenüber ihren Mitgliedern gemäß § 107a Abs. 3 Nr. 7 bzw. § 107a Abs. 2 Nr. 7 der Reichsabgabenordnung in den jeweiligen Fassungen Hilfeleistung in Steuersachen erbringen, grundsätzlich nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind. Die vorgenannten Vorschriften decken sich auch weitgehend mit dem im Streitfall einschlägigen § 4 Nr. 7 StBerG. Das muß jedoch nicht bedeuten, daß ein solcher Berufsverband bei jeder, auch nur vorübergehenden, Erzielung von Gewinnen nicht mehr als landwirtschaftliche Buchstelle fungieren dürfte und mit dem Verlust seiner Zulassung als Buchstelle rechnen müßte. Gewinnschwankungen werden sich auch bei einem Verein, der sich zur Einhaltung eines Kostendeckungsprinzips verpflichtet hat, nicht immer vermeiden lassen. Gleichermaßen werden nicht wirtschaftliche Vereine i.S. von § 21 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), zu denen der Kläger kraft seiner Satzung und Zielsetzung als Berufsvertretung gehört, wohl nicht gehindert sein, einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu unterhalten, solange es sich bei diesem um einen Nebenzweck im Rahmen der ideellen Zielsetzung handelt. Nur dann, wenn dieser Rahmen überschritten ist, kann es zum Entzug seiner Rechtsfähigkeit nach § 43 Abs. 2 BGB kommen. Im Streitfall ist nichts dafür dargetan, daß es sich beim Kläger so verhalten hätte.

3. Im einzelnen kann dies aber dahinstehen. Das Urteil der Vorinstanz ist im Ergebnis aus anderen Gründen zu bestätigen.

Nach den tatrichterlichen Feststellungen, die auch von der Revision nicht in Frage gestellt werden und die den erkennenden Senat binden (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), ist davon auszugehen, daß die Tätigkeit des Klägers im Rahmen des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes nicht darauf ausgerichtet ist, Gewinne zu erzielen (s. auch § 14 der Abgabenordnung --AO 1977--); er begnügt sich mit einer Deckung seiner Selbstkosten. In Einklang hiermit haben seine maßgeblichen Gremien bereits im Jahre 1979 den Beschluß gefaßt, etwaige künftige Gebührenüberschüsse den jeweiligen land- und forstwirtschaftlichen Betrieben zu erlassen bzw. anteilig an diese zu erstatten. Nach Maßgabe dieses Beschlusses ist in den Streitjahren verfahren worden, insbesondere erfolgten die Rückerstattungen nach einem Verteilungsschlüssel, der an den jeweiligen, der Buchstelle erteilten Aufträgen orientiert war und keine mitgliedschaftliche Veranlassungen erkennen ließ. Überdies wurde die Gebührenordnung entsprechend angepaßt, um in den Folgejahren erneute Gebührenüberschüsse zu vermeiden.

In Anbetracht dessen sind die Rückerstattungen steuerlich nicht zu beanstanden. Anders als eine Kapitalgesellschaft braucht ein Berufsverband in Gestalt eines Vereins nicht auf Gewinnerzielung gerichtet zu sein. Ein solcher Berufsverband bezweckt vielmehr die Betreuung seiner Mitglieder, so daß es ausreicht, wenn der Vereinsvorstand die Höhe der von den Mitgliedern zu erhebenden Leistungsentgelte nach dem Kostendeckungsprinzip ermittelt. Folglich ist bei der Beurteilung der Frage, ob eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) durch das Mitgliedschaftsverhältnis veranlaßt ist, auf das Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Vereinsvorstands abzustellen, der diesem Zweck des Vereins entsprechend handelt. In diesem Sinne hat der Senat im Hinblick auf eine Genossenschaft entschieden (Urteil vom 11. Oktober 1989 I R 208/85, BFHE 158, 388, BStBl II 1990, 88; vgl. auch Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, Anhang vGA zu § 8 Stichwort Non-Profit-Gesellschaften; Achenbach in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, Anhang zu § 8 KStG Stichwort Non-profit-Unternehmen), und auch bei einem Verein ohne weiteres die Bildung einer Rückstellung für Entgeltsrückerstattungen zugelassen (Urteil vom 28. Juni 1989 I R 86/85, BFHE 157, 416, BStBl II 1990, 550). Der Streitfall unterscheidet sich von diesem letzten Fall lediglich dadurch, daß hier nicht aufgrund einer Satzungsverpflichtung, sondern nur aufgrund eines Vorstandsbeschlusses rückerstattet wurde. Dieser Unterschied bleibt indes unbeachtlich. Ausschlaggebend kann nur sein, daß es dem Verein hier wie dort um die Einhaltung der Kostendeckung ging. Dies aber wurde vom FG festgestellt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 56259

BFH/NV 1999, 563

BStBl II 1999, 99

BFHE 187, 18

BFHE 1999, 18

BB 1999, 147

BB 1999, 516

BB 1999, 516-518 (Leitsatz und Gründe)

DB 1999, 123

DStRE 1999, 111

DStRE 1999, 111-113 (Leitsatz und Gründe)

HFR 1999, 280

StE 1999, 39

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