Entscheidungsstichwort (Thema)

Sinngemäße Anwendung der Abzugsbeschränkung des § 4 EStG auf Werbungskosten von nichtselbständig Tätigen mit variablen Bezügen

 

Leitsatz (NV)

1. Nach der Rechtsprechung des BFH ist der Begriff des “geschäftlichen Anlasses” in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht identisch mit demjenigen der “Veranlassung durch den Betrieb” i.S. von § 4 Abs. 4 EStG, sondern nur ein spezifizierter Unterfall.

2. Erfolgt die Bewirtung aus “betrieblicher Veranlassung”, nicht aber aus “geschäftlichem Anlass”, was bei der rein betriebsinternen Arbeitnehmerbewirtung durch den Arbeitgeber der Fall ist, unterliegen die Aufwendungen demzufolge nicht der in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG vorgesehenen Abzugsbeschränkung.

3. Für die in § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG angeordnete sinngemäße Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG auf Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ist der Begriff des “geschäftlichen Anlasses” ebenfalls nicht identisch mit der für § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG geforderten “beruflichen Veranlassung”.

4. Aufwendungen für solche Mitarbeiter, die dem Arbeitnehmer unterstellt sind und die durch ihre Zu- und Mitarbeit Einfluss auf die Höhe seiner variablen Bezüge haben können, sind demnach als beruflich aber nicht geschäftlich veranlasst anzusehen, weshalb sie der sinngemäß anzuwendenden Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG nicht unterliegen.

 

Normenkette

FGO § 126 Abs. 2; EStG § 12 Nr. 1 S. 2, § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln (Urteil vom 22.02.2007; Aktenzeichen 10 K 3447/06; EFG 2007, 916)

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr (2004) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war als angestellter Abteilungsleiter tätig. Hierfür erhielt er ein festes Bruttogehalt. Daneben erzielte er eine variable Vergütung, die nur bei erfolgreicher Arbeit der vom Kläger geleiteten Abteilung ausgezahlt wurde. Der Anteil der variablen Bezüge am Bruttoarbeitslohn des Klägers betrug in den Jahren 2003 bis 2005 durchschnittlich rund 25 %. Der Kläger richtete am 9. Dezember 2004 eine Weihnachtsfeier aus, an der ausschließlich 21 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seiner Abteilung teilnahmen.

In der Einkommensteuer-Erklärung für das Streitjahr machte der Kläger die Aufwendungen für die Bewirtung in Höhe von 468 € als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit geltend, die vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) nicht berücksichtigt wurden.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 916 veröffentlichten Gründen statt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat zu Recht die Bewirtungsaufwendungen des Klägers als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.

1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Hierzu können nach § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG auch Bewirtungsaufwendungen eines Arbeitnehmers zählen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegen Werbungskosten dann vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen ein Veranlassungszusammenhang besteht. Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Beruf zusammenhängen und subjektiv zu dessen Förderung erbracht werden (z.B. BFH-Urteil vom 1. Februar 2007 VI R 25/03, BFHE 216, 522, BStBl II 2007, 459, m.w.N.). Ob der Steuerpflichtige Aufwendungen aus beruflichem Anlass erbringt oder ob es sich um Aufwendungen für die Lebensführung i.S. von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG handelt, muss anhand einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, die in erster Linie dem FG als Tatsacheninstanz obliegt, entschieden werden (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteile in BFHE 216, 522, BStBl II 2007, 459; vom 12. April 2007 VI R 77/04, BFH/NV 2007, 1643; vom 24. Mai 2007 VI R 78/04, BFHE 218, 177, BStBl II 2007, 721, jeweils m.w.N.).

Für die Beurteilung, ob Aufwendungen für eine Feier beruflich oder privat veranlasst sind, ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH in erster Linie auf den Anlass der Feier abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 216, 522, BStBl II 2007, 459, m.w.N.). Indes ist der Anlass einer Feier nur ein erhebliches Indiz, nicht aber das allein entscheidende Kriterium für die Beurteilung der beruflichen oder privaten Veranlassung der Bewirtungsaufwendungen. Ein gewichtiges Indiz für die Zuordnung von Aufwendungen zum beruflichen Bereich kann auch der Umstand bilden, dass der Steuerpflichtige variable, vom Erfolg seiner Arbeit abhängige Entlohnung erhält (vgl. BFH-Urteile vom 18. Oktober 2007 VI R 43/04, BFH/NV 2008, 357, und in BFHE 218, 177, BStBl II 2007, 721). Denn in einem solchen Fall hat es ein Arbeitnehmer in größerem Umfang selbst in der Hand, die Höhe seiner Bezüge zu beeinflussen. Ob eine Bewirtung ausdrücklich als Belohnung für diejenigen Mitarbeiter in Aussicht gestellt wird, die sich nachweisbar durch besondere Leistungen ausgezeichnet haben, ist dabei nicht entscheidend. Entgegen der Auffassung des FA ergibt sich eine solche Einschränkung des Werbungskostenabzugs auch nicht aus der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BFH-Urteil in BFHE 216, 522, BStBl II 2007, 459).

2. Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des FG, bei den streitbefangenen Aufwendungen handele es sich dem Grunde nach um Werbungskosten, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG hat seine Würdigung, die Bewirtungsaufwendungen des Klägers seien beruflich veranlasst, darauf gestützt, dass die Bewirtung nicht im Zusammenhang mit einem persönlichen Ereignis gestanden und der Kläger (auch) variable Bezüge erzielt habe, die zu einem nicht unwesentlichen Teil von den Leistungen seiner Mitarbeiter abhängig gewesen seien. Auf dieser Grundlage ist das FG zu dem Ergebnis gelangt, dass die Einladung dazu gedient habe, die dem Kläger unterstellten Mitarbeiter zu belohnen und anzuspornen. Diese Würdigung ist möglich. Sie verstößt weder gegen Denkgesetze noch Erfahrungssätze, so dass der Senat hieran mangels zulässiger und begründeter Revisionsrügen gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile in BFHE 216, 522, BStBl II 2007, 459; in BFH/NV 2007, 1643).

3. Das FG ist zu Recht auch davon ausgegangen, dass die Bewirtungsaufwendungen des Klägers der Höhe nach unbegrenzt als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Denn die Bewirtung erfolgte im Streitfall zwar aus beruflichem, nicht aber aus "geschäftlichem Anlass".

a) Nach der für Betriebsausgaben maßgeblichen Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG (in der im Streitjahr geltenden Fassung) dürfen Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass den Gewinn nicht mindern, soweit sie 70 vom Hundert der Aufwendungen übersteigen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren Höhe und betriebliche Veranlassung nachgewiesen sind.

Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile vom 18. September 2007 I R 75/06, BFHE 219, 78, BStBl II 2008, 116, und vom 19. August 1999 IV R 20/99, BFHE 190, 158, BStBl II 2000, 203) ist der Begriff des "geschäftlichen Anlasses" nicht identisch mit demjenigen der "Veranlassung durch den Betrieb" (§ 4 Abs. 4 EStG) bzw. der "betrieblichen Veranlassung", sondern ein spezifizierter Unterfall. Der BFH hat sich damit der Ansicht der Verwaltung und Literatur (siehe hierzu BFH-Urteil in BFHE 219, 78, BStBl II 2008, 116, m.w.N.) angeschlossen, dass --entsprechend der schon vor Inkrafttreten der Vorschrift durch das Steuerreformgesetz 1990 bestehenden Rechtslage-- nur die rein betriebsinterne Arbeitnehmerbewirtung keiner Abzugsbeschränkung unterliegt (vgl. hierzu auch Schmidt/Heinicke, EStG, 27. Aufl., § 4 Rz 542, m.w.N.); die Möglichkeit des unbeschränkten Abzugs über den Bereich der Arbeitnehmerbewirtung hinaus besteht bei der jetzigen Rechtslage nicht.

b) Für die in § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG angeordnete sinngemäße Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG auf Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geht der erkennende Senat davon aus, dass der Begriff des "geschäftlichen Anlasses" auch nicht mit dem in ständiger Rechtsprechung des BFH zur Definition der Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) verwendeten Begriff der "beruflichen Veranlassung" identisch ist. Dies hat für Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zur Folge, dass die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG (auch) nicht greift, wenn ein Arbeitnehmer aus beruflichem Anlass Aufwendungen für die Bewirtung von Arbeitskollegen trägt. Dies gilt insbesondere für solche Mitarbeiter, die ihm unterstellt sind und die durch ihre Zu- und Mitarbeit Einfluss auf die Höhe der variablen Bezüge des Bewirtenden nehmen. Derartige Umstände führen nach Auffassung des erkennenden Senats nicht dazu, dass bei sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG die Bewirtung aus der Sicht des (leitenden) Arbeitnehmers "geschäftlich veranlasst" ist. Denn ein solcher Arbeitnehmer verhält sich insoweit wie ein bewirtender Arbeitgeber. Ein Arbeitgeber will seine Arbeitnehmer, die durch ihre Arbeitsleistung zum wirtschaftlichen Erfolg des Betriebs beitragen, durch eine Bewirtung zu nachhaltiger und engagierter Mitarbeit motivieren. Nicht anders verhält sich ein Arbeitnehmer, der insbesondere ihm untergeordnete, beim gleichen Arbeitgeber beschäftigte Arbeitnehmer bewirtet, um den wirtschaftlichen Erfolg der von ihm geleiteten Abteilung zu sichern und damit jedenfalls mittelbar seine variablen Bezüge zu erhalten oder zu steigern. Deshalb ist auch bei sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG auf Werbungskosten die Abzugsbeschränkung auf die Bewirtung von Personen bezogen, die nicht Arbeitnehmer des gleichen Arbeitgebers sind.

c) Nach diesen Maßstäben kommt die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG nicht zum Tragen. Nach den Feststellungen des FG nahmen an der Weihnachtsfeier ausschließlich im gleichen Betrieb tätige Mitarbeiter (Arbeitskollegen) des Klägers teil. Damit bestand für die Bewirtung nur ein beruflicher, nicht jedoch ein "geschäftlicher Anlass".

 

Fundstellen

Haufe-Index 2055307

BFH/NV 2008, 1997

EStB 2008, 438

StX 2009, 22

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