Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung von Schuldscheindarlehen bei Anstieg der Marktzinsen - Schuldscheindarlehen sind keine Wertpapiere - Kein sinkender Teilwert ausgegebener Darlehen bei unveränderter Zinsmarge - § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG geht handelsrechtlichen Bewertungsgrundsätzen vor - Teilwertvermutung bei nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Schuldscheindarlehen kann im allgemeinen aus dem Anstieg der Marktzinsen nicht auf einen unter den Anschaffungskosten liegenden Teilwert geschlossen werden.

 

Orientierungssatz

1. Die Tabelle über die Vergleichskurse für nicht notierte festverzinsliche Wertpapiere (hier: BStBl II 1982, 526) ist schon deswegen nicht geeignet, einen aufgrund Marktgeschehens niedrigeren Teilwert zu belegen, weil Schuldscheindarlehen nicht die gleiche Fungibilität wie festverzinsliche Wertpapiere aufweisen. Schuldscheindarlehen sind keine Wertpapiere, sondern gewöhnliche Darlehen, über die nur eine Beweisurkunde ausgestellt ist, die jedoch nicht selbständiger Gegenstand von Rechten ist.

2. In der Kreditwirtschaft kommt der Verzinsung einzelner Kredite geringere Bedeutung zu als der Differenz zwischen dem Zinssatz der ausgeliehenen Gelder und dem Zinssatz der aufgenommenen Refinanzierungsmittel. Solange die Zinsmarge unverändert bleibt, sinkt daher nicht der Teilwert der ausgegebenen Darlehen (Festhaltung an der Rechtsprechung im Urteil vom 24.1.1990 I R 157/85, I R 145/86). Die Überlegungen zur grundsätzlich gleichbleibenden Zinsmarge greifen allerdings dann nicht, wenn ein Kreditinstitut in größerem Umfang inkongruente Geldgeschäfte betreibt. Ob die Grundsätze der Entscheidung vom 24.1.1990 I R 157/85, I R 145/86 auch dann gelten, wenn die Darlehen zur Veräußerung bestimmt sind, kann der Senat dahingestellt sein lassen. Maßgeblich für die Bewertung ist dabei nicht die Veräußerbarkeit der Darlehen, sondern die ihnen vom Kreditinstitut am Bilanzstichtag gegebene Zweckbestimmung.

3. Bei § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG handelt es sich um eine steuerrechtliche Bewertungsvorschrift, die handelsrechtlichen Bewertungsgrundsätzen vorgeht. Auf den Inhalt handelsrechtlicher Abschreibungsbräuche bei der Bewertung von Schuldscheindarlehen kommt es deshalb nicht an.

4. Der Teilwert eines Wirtschaftsgutes liegt zwischen dem gemeinen Wert/Einzelveräußerungspreis als Untergrenze und den Wiederbeschaffungskosten als Obergrenze. Im allgemeinen ist zu vermuten, daß bei nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern der Teilwert im Zeitpunkt der Anschaffung den Anschaffungskosten entspricht und dies im Prinzip auch noch zu späteren Bilanzstichtagen gilt. Eine Teilwertabschreibung kommt insbesondere in Betracht, wenn sich die Anschaffung des zu bewertenden Wirtschaftsgutes als Fehlmaßnahme darstellt oder die seit dem Anschaffungszeitpunkt eingetretene Marktentwicklung für einen gesunkenen Einzelveräußerungspreis bzw. gesunkene Wiederbeschaffungskosten spricht.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3, Nr. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Urteil vom 17.04.1997; Aktenzeichen 6 K 247/91)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Sparkasse, aktivierte derivativ erworbene Schuldscheindarlehen mit den Anschaffungskosten. Darlehensnehmer waren nahezu ausschließlich die öffentliche Hand oder Kreditinstitute. Zum 31. Dezember 1981 schrieb die Klägerin die Darlehen unter Zugrundelegung der Vergleichskurse für die (amtlich) nicht notierten festverzinslichen Wertpapiere (BStBl I 1982, 526) um ca. 10 Mio. DM ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ließ die Abschreibung nicht zu, da --seiner Meinung nach-- ein Markt für Schuldscheindarlehen nicht bestehe und die Werte von Schuldscheindarlehen nicht mit denen festverzinslicher Wertpapiere vergleichbar seien.

Das Finanzgericht (FG) wies --nach Einholung von Auskünften der Deutschen Bundesbank, des Deutschen Industrie- und Handelstages, des Bundesverbandes der Deutschen Banken e.V., des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes e.V. und des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen-- die Klage ab.

Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1168 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Körperschaftsteuer 1981 unter Berücksichtigung der Teilwertabschreibung auf die Schuldscheindarlehen festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet.

A. Die Vorentscheidung ist nicht wegen der von der Klägerin gerügten Verfahrensmängel aufzuheben. Die Entscheidung ergeht insoweit nach Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs.

B. Die Voraussetzungen für eine Abschreibung der Schuldscheindarlehen auf einen niedrigeren Teilwert liegen nicht vor.

1. Nach § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG sind nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen (zu Darlehen s. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Januar 1990 I R 157/85, I R 145/86, BFHE 159, 494, BStBl II 1990, 639; vom 22. Januar 1991 VIII R 7/86, BFH/NV 1991, 451; vom 22. Oktober 1991 VIII R 64/86, BFH/NV 1992, 449). Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG kann der Teilwert angesetzt werden, wenn dieser niedriger ist. Teilwert ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, daß der Erwerber den Betrieb fortführt. Es handelt sich um eine steuerrechtliche Bewertungsvorschrift, die handelsrechtlichen Bewertungsgrundsätzen vorgeht (vgl. § 5 Abs. 6 EStG; BFH in BFHE 159, 494, BStBl II 1990, 639). Auf den Inhalt handelsrechtlicher Abschreibungsbräuche bei der Bewertung von Schuldscheindarlehen kommt es deshalb nicht an.

2. Der Teilwert eines Wirtschaftsgutes liegt zwischen dem gemeinen Wert/Einzelveräußerungspreis als Untergrenze und den Wiederbeschaffungskosten als Obergrenze (vgl. BFH-Urteile vom 6. Dezember 1995 I R 51/95, BFHE 179, 326; vom 6. Juli 1995 IV R 30/93, BFHE 178, 176, BStBl II 1995, 831; vom 17. September 1987 III R 201-202/84, BFHE 152, 221, BStBl II 1988, 488; Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., § 6 Rdnr. 226 f.; Werndl in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 6 B 359). Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung ist im allgemeinen zu vermuten, daß bei nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern der Teilwert im Zeitpunkt der Anschaffung den Anschaffungskosten entspricht und dies im Prinzip auch noch zu späteren Bilanzstichtagen gilt (vgl. BFH-Urteile vom 17. Februar 1993 I R 48/92, BFH/NV 1994, 455, m.w.N.; vom 7. November 1990 I R 116/86, BFHE 162, 552, BStBl II 1991, 342; Werndl in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 6B 377; Schmidt/Glanegger, a.a.O., § 6 Rdnr. 229, m.w.N.).

3. Aus dem Anstieg des Marktzinses kann nicht auf ein Absinken des Teilwerts der Schuldscheindarlehen geschlossen werden.

Behauptet ein Steuerpflichtiger einen von den Anschaffungskosten abweichenden niedrigeren Teilwert, so hat er darzutun, welche Umstände die Annahme eines unter den Anschaffungskosten liegenden Teilwertes rechtfertigen (vgl. BFH-Urteile vom 12. Mai 1993 II R 2/90, BFHE 171, 334, BStBl II 1993, 587; BFH in BFH/NV 1994, 455). Eine Teilwertabschreibung kommt danach insbesondere in Betracht, wenn sich die Anschaffung des zu bewertenden Wirtschaftsgutes als Fehlmaßnahme darstellt oder die seit dem Anschaffungszeitpunkt eingetretene Marktentwicklung für einen gesunkenen Einzelveräußerungspreis bzw. gesunkene Wiederbeschaffungskosten spricht (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. Februar 1993 IV R 40/92, BFHE 171, 422, BStBl II 1994, 224; BFH in BFH/NV 1994, 455; vom 18. Dezember 1990 VIII R 158/86, BFH/NV 1992, 15). Derartige Umstände sind im Streitfall nicht festzustellen.

a) Die Tabelle über die Vergleichskurse für nicht notierte festverzinsliche Wertpapiere vom 26. April 1982 (BStBl II 1982, 526) ist schon deswegen nicht geeignet, einen aufgrund Marktgeschehens niedrigeren Teilwert zu belegen, weil Schuldscheindarlehen nicht die gleiche Fungibilität wie festverzinsliche Wertpapiere aufweisen. Schuldscheindarlehen sind keine Wertpapiere, sondern gewöhnliche Darlehen, über die nur eine Beweisurkunde ausgestellt ist, die jedoch nicht selbständiger Gegenstand von Rechten ist. Kreditnehmer sind vor allem öffentlich-rechtliche Körperschaften und Unternehmen mit erstklassiger Bonität (Gablers Banklexikon, 11. Aufl., "Schuldscheindarlehen", vgl. auch BFH-Urteil vom 21. Mai 1993 VIII R 1/91, BFHE 172, 42, BStBl II 1994, 93). In diesem Sinne hat auch die Deutsche Bundesbank auf Anfrage des FG mitgeteilt, daß Schuldscheindarlehen nicht als wertpapierähnlich anzusehen seien. Auch der Deutsche Sparkassen- und Giroverband und, dem sich anschließend, der Bundesverband Deutscher Banken haben dem Schuldscheindarlehen nur eine Zwitterstellung zwischen dem Wertpapier als verbriefter Forderung und gewöhnlichen Darlehensforderungen eingeräumt.

Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht zu ihren Gunsten auf das Urteil des BFH vom 28. September 1982 III R 29/77 (BFHE 137, 71, BStBl II 1983, 166) berufen, da es im Urteilsfall um die Bewertung nicht notierter und notierter Pfandbriefe, also um die Bewertung gleichartiger Wertpapiere ging. Ebensowenig erhellen die Bewertungsgrundsätze für (umgeschriebene) Namensschuldverschreibungen und börsengängige Inhaberschuldverschreibungen (BFH-Urteil vom 1. Februar 1989 II R 128/85, BFHE 155, 563, BStBl II 1989, 348), aus welchen Gründen Schuldscheindarlehen wie festverzinsliche Wertpapiere zu bewerten sind.

b) Ein Absinken des Teilwerts der Schuldscheindarlehen unter die Anschaffungskosten kann auch nicht durch den Hinweis auf den zwischenzeitlichen Anstieg des Zinsniveaus dargelegt werden.

Der Senat hat entschieden (BFHE 159, 494, BStBl II 1990, 639), daß in der Kreditwirtschaft der Verzinsung einzelner Kredite geringere Bedeutung zukommt als der Differenz zwischen dem Zinssatz der ausgeliehenen Gelder und dem Zinssatz der aufgenommenen Refinanzierungsmittel. Solange die Zinsmarge unverändert bleibt, sinkt daher nicht der Teilwert der ausgegebenen Darlehen. Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest (zustimmend z.B. auch Mathiak, Deutsches Steuerrecht 1990, 691). Die unveränderte Zinsmarge besteht unabhängig davon, ob die Darlehen vom steuerpflichtigen Kreditinstitut originär ausgegeben oder derivativ erworben wurden. Sollten die Marktzinsen zum 31. Dezember 1981 gestiegen sein und sollten daher bei Neuvergabe höhere Zinsen erzielt werden können, so stünden dem auch höhere Refinanzierungskosten gegenüber. Aus dem bloßen Anstieg des Marktzinses kann daher ein Absinken des Teilwerts nicht abgeleitet werden. Eine Fiktion dergestalt, daß die bereits in den Schuldscheindarlehen angelegten Mittel noch zur Neuanlage zur Verfügung stehen (sog. Opportunitätsnachteil, vgl. Lehmann, Der Betrieb 1990, 2481), läßt § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht zu. Der Erwerber ist an die getroffenen Dispositionen gebunden. Die Teilwertabschreibung führt allenfalls zu einer Verlustantizipation (Groh, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 1991, 297, 299), nicht aber zur gewinnmindernden Berücksichtigung fiktiv entgangener Gewinne (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 9. November 1991 I R 68/92, BFHE 176, 239, BStBl II 1995, 336).

Die Überlegungen zur grundsätzlich gleichbleibenden Zinsmarge greifen allerdings dann nicht, wenn ein Kreditinstitut in größerem Umfang inkongruente Geldgeschäfte betreibt (BFH in BFHE 159, 494, BStBl II 1990, 639). Den Nachweis inkongruenter Geldgeschäfte hat die Klägerin für ihren Fall aber nicht geführt. Ihre Ausführungen in der Revision beschränken sich darauf, die Möglichkeit inkongruenter Geldgeschäfte aufzuzeigen, nicht aber diese zum streitigen Bilanzstichtag 31. Dezember 1981 zu belegen. Den von der Klägerin zitierten Überlegungen von Groh (StuW 1975, 344, 345) läßt sich schon deswegen nichts zugunsten der Klägerin entnehmen, da diese sich mit der Diskontierung unverzinslicher Forderungen befassen.

c) Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die Grundsätze seiner Entscheidung in BFHE 159, 494, BStBl II 1990, 639 auch dann gelten, wenn die Darlehen zur Veräußerung bestimmt sind. Nach den insoweit bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) beabsichtigte die Klägerin nicht, die Schuldscheindarlehen zu veräußern. Maßgeblich für die Bewertung ist dabei nicht die Veräußerbarkeit der Darlehen, sondern die ihnen von der Klägerin am Bilanzstichtag gegebene Zweckbestimmung (vgl. z.B. § 247 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches; Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, 4. Aufl., § 247 HGB Rdnr. 21). Dieser ist auch der gedachte Erwerber des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG unterworfen. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es daher nicht darauf an, daß die Schuldscheindarlehen nach den vereinbarten Kreditkonditionen abgetreten werden konnten.

Waren danach die Schuldscheindarlehen nicht zur Veräußerung bestimmt, so kann ihr Wert auch nicht aus dem --zufälligen-- Bilanzstichtagswert abgeleitet werden. Erst bei einer nachhaltigen Wertminderung kann in solchen Fällen von einem Absinken des Teilwertes ausgegangen werden (vgl. BFH in BFHE 152, 221, BStBl II 1988, 488). Dem entsprechen auch die vom FG eingeholten Auskünfte der Deutschen Bundesbank, des Deutschen Industrie- und Handelstages und des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Selbst wenn der Senat daher den Überlegungen der Klägerin zu den Vergleichswerten festverzinslicher Wertpapiere folgen würde, so wäre ein nachhaltiges Absinken nicht nachgewiesen (vgl. Tabelle über Vergleichskurse für nicht notierte festverzinsliche Wertpapiere zum 1. Januar 1983, BStBl I 1983, Sondernummer 1/1983 S. 133).

 

Fundstellen

Haufe-Index 67371

BFH/NV 1998, 1419

BFH/NV 1998, 1419-1420 (Leitsatz und Gründe)

BStBl II 1999, 277

BFHE 186, 230

BFHE 1999, 230

BB 1998, 1885

BB 1998, 1885 (Leitsatz)

BB 1998, 2520

BB 1998, 2520-2521 (Leitsatz und Gründe)

DB 1998, 1944

DStRE 1998, 699

DStRE 1998, 699-700 (Leitsatz und Gründe)

DStZ 1998, 838

HFR 1998, 901

StE 1998, 562

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