Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückverweisung bei ungeklärten Beiladungsvoraussetzungen

 

Leitsatz (NV)

Ist eine notwendige Beiladung unterblieben, muß das Revisionsgericht die Vorentscheidung aufheben und die Sache an das Finanzgericht zurückverweisen. Dies gilt auch dann, wenn die Notwendigkeit einer Beiladung vom Tatsachengericht nicht nachgeprüft worden ist, obwohl der Sachverhalt eine solche Prüfung verlangte (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 22. September 1976 I R 77/75 NV).

 

Normenkette

FGO § 48 Abs. 1 Nr. 2, § 60 Abs. 3 S. 1, § 123 S. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG (KG), ist Rechtsnachfolgerin des Einzelunternehmers L. O., der seinen Betrieb nach der Feststellung des Finanzgerichts (FG) am 22. Dezember 1973 in die Klägerin gegen die Gewährung eines Kommanditanteils einbrachte. L. O. hatte in der Zeit von Februar 1958 bis Oktober 1973 für insgesamt neun Grundstücke Kiesausbeuteverträge abgeschlossen, in denen er sich gegen Einräumung dinglicher Kiesausbeuterechte (beschränkt persönliche Dienstbarkeiten) zur Zahlung von Ausbeutevergütungen verpflichtete. Neben den Ausbeutevergütungen mußten jährlich Flurentschädigungen für die infolge der Ausbeute landwirtschaftlich nicht nutzbaren Flächen gezahlt und die ausgebeuteten Grundstücksflächen wieder aufgefüllt und rekultiviert werden. Von einer Ausnahme abgesehen haben die Grundstückseigentümer die Überlassung der Ausübung der dinglichen Kiesausbeuterechte an die Rechtsnachfolger und Gesamtrechtsnachfolger von L. O. gestattet. Darüber hinaus wurde zugunsten dieses Personenkreises in drei Verträgen die Verpflichtung zur Neubegründung beschränkt persönlicher Dienstbarkeiten vereinbart. Nachdem im Jahre 1978 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung stattgefunden hat, erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) für die zunächst vorläufig (§ 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung - AO -) bzw. unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -) festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie Einheitswerte des gewerblichen Betriebs geänderte Bescheide nach § 164 Abs. 2 AO 1977.

Die Klägerin erhob zwar gegen die Prüfungsfeststellungen keine Einwände, begehrte jedoch die Bildung von Rückstellungen für die Verpflichtung zur Zahlung von Flurentschädigungen.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Einkünfte des Gewerbebetriebs sowie die Einheitswerte des gewerblichen Betriebs unter Berücksichtigung der begehrten Rückstellungen festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt aus formellen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO ist eine Beiladung erforderlich, wenn Dritte an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (notwendige Beiladung). Die Entscheidung, ob die von der Klägerin begehrten Rückstellungen zu einer Minderung der einheitlich und gesondert festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie der Einheitswerte ihres gewerblichen Betriebs führen, kann nur einheitlich für und gegen alle an der Klägerin beteiligten Gesellschafter getroffen werden.

Eine Beiladung hat nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO zu unterbleiben, wenn diesen Gesellschaftern nach § 48 FGO die Klagebefugnis fehlt. Der Senat vermag aufgrund des vom FG festgestellten Sachverhalts nicht zu beurteilen, ob es sich bei den im Streit befindlichen Rückstellungen um eine L. O. persönlich angehende Frage handelt, die dem Bereich seines Sonderbetriebsvermögens zuzuordnen ist (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO, zur bewertungsrechtlichen Bedeutung dieser Frage siehe Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Dezember 1984 III R 35/79, BFHE 143, 87, BStBl II 1985, 236; vom 7. Dezember 1984 III R 82/79, BFHE 143, 97, BStBl II 1985, 239; vom 3. Februar 1967 III 161/63, BFHE 88, 185, BStBl III 1967, 303; vom 24. Juni 1981 III R 49/78, BFHE 134, 157, BStBl II 1982, 2).

Nach den Feststellungen des FG hat L. O. sein vormaliges Einzelunternehmen in die Klägerin gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht. Damit kann im Hinblick auf die als beschränkt persönliche Dienstbarkeiten nicht übertragbaren Kiesausbeuterechte (§ 1092 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) sowohl die obligatorische Überlassung der Ausübung des dinglichen Rechts an die Klägerin (§ 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB) als auch die Aufhebung und Neubestellung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten zugunsten der Klägerin gemeint sein (vgl. Böttcher, Zartmann, Kandler, Wechsel der Unternehmensform, 4. Aufl., 1982, S. 296 ff.). Da die Leistungsverpflichtungen des Ausbeuteberechtigten keine inhaltliche Bestimmung der Dienstbarkeit darstellen, sondern immer nur Bestandteil des schuldrechtlichen Bestellungsvertrags sein können (Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch - Joost, 2. Aufl., 1986, Bd. 4, § 1090 Rdnr. 21, m. w. N.), läßt sich den Feststellungen des FG somit nicht entnehmen, ob die Flurentschädigungsverpflichtungen von L. O. auf die Klägerin übergegangen sind oder ob eine interne Freistellungsverpflichtung im Verhältnis der Klägerin gegenüber L. O. begründet wurde (sog. Erfüllungsübernahme, § 415 Abs. 3 BGB) oder ob L. O. die Verpflichtungen weiterhin persönlich zu tragen hatte. Während die Neubegründung eines Bestellungsvertrages ebenso wie eine Schuld- oder Vertragsübernahme der rechtsgeschäftlichen Mitwirkung der Eigentümer der belasteten Grundstücke bedarf (§ 415 ff. BGB, zur Vertragsübernahme vgl. Palandt / Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 46. Aufl., § 398 Anm. 4), bemißt sich die Erfüllungsübernahme der Klägerin nach der zwischen ihr und L. O. getroffenen konkreten Vereinbarung (MünchKomm-Petzold, a.a.O., § 1059 Rdnr. 5).

Diesen Erwägungen kann der Ausweis der Nutzungsverhältnisse in der Bilanz der Klägerin bereits deshalb nicht entgegengehalten werden, da dieser Umstand weder eindeutige Schlüsse auf die ihm zugrunde liegenden rechtlichen Verhältnisse zuläßt noch die Gewähr für eine zutreffende Beurteilung bietet.

Auf die notwendige Beiladung kann weder verzichtet noch kann sie in der Revisionsinstanz nachgeholt werden (§ 123 FGO, BFH-Urteil vom 28. November 1974 I R 62/74, BFHE 114, 167, BStBl II 1975, 209). Ist eine notwendige Beiladung unterblieben, muß die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden, damit die Beiladung nachgeholt werden kann. Dies gilt auch dann, wenn die Notwendigkeit einer Beiladung vom Tatsachengericht nicht nachgeprüft worden ist, obwohl - wie im Streitfall - der Sachverhalt eine solche Prüfung verlangte (BFH-Urteil vom 22. September 1976 I R 77/75 NV; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 14. Januar 1966 IV C 111/65, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1966, 284). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 24. Juni 1971 IV R 219/68, BFHE 102, 460, BStBl II 1971, 714) ist die materiell-rechtliche Beurteilung des Rechtsstreits durch das FG für die Beiladung unerheblich. Maßgebend ist nicht wie das Gericht, sondern ob das Gericht über eine Frage entscheidet, die einen Mitunternehmer persönlich angeht (BFH-Beschluß vom 27. Oktober 1977 IV B 27/76 NV).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415148

BFH/NV 1988, 161

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