Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

1.ß 7 b EStG findet auch Anwendung bei einem Neubau, der an Stelle eines abgerissenen Hauses errichtet wurde, dessen Instandsetzung oder Umbau unwirtschaftlich gewesen wäre.

2.Die Abbruchkosten des alten Gebäudes sind Teil der Herstellungskosten im Sinne des § 7 b EStG, sofern diese Aufwendungen nach den Grundsätzen des Urteils I 74/58 S vom 2. Juni 1959 (BStBl 1959 III S. 323, Slg. Bd. 69 S. 162) nicht zu den Erwerbskosten des Grund und Bodens zu rechnen sind.

EStG 1953 § 7 b.

 

Normenkette

EStG § 7b/1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Bf., der Zahnarzt ist, für sein im Jahre 1954 bezugsfertig gewordenes Wohnhaus die erhöhte Abschreibung nach § 7 b EStG beanspruchen kann. Der Bf. hat durch Kaufvertrag vom 28. Dezember 1951 ein Grundstück mit einem im Jahre 1880 erbauten Fachwerkhaus für 24.300 DM erworben, das Haus im Jahre 1953 bis auf das Fundament abgebrochen und auf dem alten Fundament ein neues Gebäude errichtet. Das Finanzamt hat bei der Einkommensteuerveranlagung für 1954 die vom Bf. beantragte Abschreibung gemäß § 7 b EStG abgelehnt. Einspruch und Berufung hiergegen hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht lehnte die Anwendung des § 7 b EStG ab, weil durch die zusammenhängenden Maßnahmen des Abbruchs des alten und der Erstellung des neuen Gebäudes keine Mehrung des Wohnraums eingetreten sei, wie dies § 7 b EStG voraussetze. In dem alten Gebäude, in dem zuletzt eine Schule für Kinder der Besatzungssoldaten untergebracht gewesen sei, seien im Erdgeschoß zwar an Stelle von zwei Zweizimmerwohnungen zwei Säle vorhanden gewesen; durch das Wiedereinsetzen der Trennwände wäre es aber durch verhältnismäßig geringfügige Maßnahmen möglich gewesen, die ursprünglich vorhanden gewesenen zwei Wohnungen wiederherzustellen. Die Behauptung des Bf., im I. Stock hätten sich nur zwei primitive Notwohnungen befunden, treffe nicht zu. Es habe sich nach dem Bauplan vielmehr um zwei vollwertige Dreizimmerwohnungen gehandelt. In dem abgebrochenen Haus sei danach in den beiden Stockwerken und den Mansarden im Dachgeschoß eine Wohnfläche von insgesamt 378 qm vorhanden oder mit geringen baulichen Veränderungen wiederherzustellen gewesen. Das neuerrichtete Haus biete demgegenüber mit 370,48 qm keinen zusätzlichen Wohnraum, zumal von dieser Fläche noch ein Teil auf Praxisräume entfalle. Es könne dahingestellt bleiben, wie lange das alte Gebäude noch ohne durchgreifende Änderung gestanden hätte. Daß seine nach der Schätzung des Architekten vielleicht noch 10jährigen Nutzungsdauer nur mittels umfangreicher und kostspieliger Instandsetzungen hätte verlängert werden können, rechtfertige nicht die steuerliche Begünstigung des Ersatzbaues. Der Bf. könne seine gegenteilige Ansicht, daß ein nach dem Abbruch eines noch brauchbaren Wohngebäudes errichteter Neubau nach § 7 b EStG begünstigt sei, nicht auf die von ihm angeführte Verwaltungsanordnung stützen; denn abgesehen davon, daß diese für Finanzgerichte nicht verbindlich sei, stehe sie im Widerspruch mit den Grundgedanken des § 7 b EStG und sei deshalb nicht zu beachten. Die Auffassung des Bf. würde z. B. dazu führen, daß ein wohlhabender Steuerpflichtiger, der ein baulich einwandfreies Dreifamilienhaus abreiße und an dessen Stelle ein seinen anspruchsvollen Wohnbedürfnissen entsprechendes Einfamilienhaus errichte, von der Vergünstigung des § 7 b EStG Gebrauch machen könne, obwohl der Neubau nur wegen seiner persönlichen Ansprüche erstellt worden sei.

Der Bf. wiederholt mit der Rb. seinen bisherigen Antrag auf Zubilligung der erhöhten Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 b EStG für sein neuerrichtetes Haus, das zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken diene. Der Bundesminister der Finanzen habe im Einvernehmen mit den Finanzministern der Länder festgestellt, daß die Vergünstigung des § 7 b EStG anders als die Grundsteuervergünstigung nicht an das Zweite Wohnungsbaugesetz anknüpfe und die erhöhten Abschreibungen auch bei dem Wiederaufbau von zerstörten oder abgerissenen Gebäuden vorlägen. Auf den Grund des Abbruchs komme es nicht an, wie in einem Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 13. Oktober 1959 (IV B/1 - S 2132b - 13/59, Der Betriebs-Berater 1959 S. 1090) ausdrücklich erwähnt sei; im übrigen habe es sich bei dem abgerissenen Gebäude keineswegs um ein baulich einwandfreies Wohnhaus gehandelt, sondern um ein über 70 Jahre altes Fachwerkhaus, das bereits mehrmals umgebaut worden sei und das praktisch keinen Wert mehr gehabt habe. Das zeige insbesondere der von ihm gezahlte Kaufpreis von 24.300 DM, der bei einem in der besten Lage von X. liegenden Haus nur etwa dem Wert des Bauplatzes entspreche. Das abgerissene Gebäude habe auch keine Wohnfläche von 378 qm gehabt, sondern zuletzt überwiegend schulischen Zwecken gedient. Daß man die Schulräume wieder zu Wohnungen hätte umgestalten können, rechtfertige nicht, die Räume ohne weiteres als Wohnfläche anzusehen. Er habe übrigens zunächst die Absicht gehabt, das Haus wieder in ein Wohnhaus umbauen zu lassen. Nach Freilegung der tragenden Holzteile habe sich jedoch herausgestellt, daß diese trockenfaul und von Holzschädlingen befallen gewesen seien. Außerdem habe sich ergeben, daß das Haus durch die wiederholten baulichen Veränderungen stark gelitten habe, und daß ein Umbau in ein Wohngebäude völlig unwirtschaftlich gewesen wäre. Selbst bei Aufwendung hoher Kosten hätten umgebaute Wohnräume bei dem Zustand des Hauses nur noch eine verhältnismäßig geringe Lebensdauer besessen. Es könne nicht dem Sinn des § 7 b EStG entsprechen, wenn die Steuerpflichtigen durch die Auslegung des § 7 b EStG zu einer unwirtschaftlichen Handlungsweise und sogar zu Fehlinvestitionen veranlaßt würden. Um eine solche hätte es sich jedoch bei dem Umbau des alten Fachwerkhauses gehandelt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung.

Das Finanzgericht geht in der Begründung seines Urteils zutreffend davon aus, daß § 7 b EStG den Zweck hat, die Schaffung neuen Wohnraums durch erhöhte Abschreibungen zu fördern. Die verschiedenen Tatbestände, die nach dieser Vorschrift begünstigt sind und die im Laufe der Jahre durch verschiedene Ergänzungen, Einschränkungen und Erweiterungen geändert wurden, enthalten keine ausdrückliche Regelung für die im Streitfall zu entscheidende Rechtsfrage, ob die Steuervergünstigung auch zu gewähren ist, wenn ein Steuerpflichtiger ein altes Wohnhaus abreißt und an seiner Stelle ein neues errichtet. Der Wortlaut des § 7 b EStG, der lediglich auf die Errichtung neuer Wohngebäude bzw. auf die Schaffung neuen Wohnraums abstellt, enthält keine Bestimmung darüber, ob die Schaffung neuen Wohnraums durch einen Neubau auch dann durch erhöhte Abschreibungen begünstigt sein soll, wenn der Neubau nur durch den Abbruch eines alten Hauses möglich wird, bei dem u. U. noch benutzbare Wohnungen beseitigt werden. Der Wortlaut des § 7 b EStG steht der Zubilligung der erhöhten Abschreibungen in diesen Fällen nicht entgegen. Der Bundesminister der Finanzen hat daraus im angeführten Bescheid vom 13. Oktober 1959 IV B/1 - S 2132 b - 13/59 den Schluß gezogen, daß die Vergünstigung des § 7 b auch bei dem Wiederaufbau von zerstörten oder abgebrochenen Gebäuden zu gewähren ist, ohne daß es dabei auf den Grund der Zerstörung oder des Abbruchs ankommt. Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob diese Beurteilung in dieser Allgemeinheit richtig ist. Es wäre denkbar, daß gegen diese Auffassung - wie auch das Finanzgericht annimmt - Bedenken bestehen können, wenn ein vollwertiges Wohnhaus ausschließlich zu dem Zweck abgerissen wird, um die Durchführung eines Neubaus zu ermöglichen, der den gesteigerten Wohnbedürfnissen des Eigentümers besser entspricht. In derartigen Fällen könnte daran zu denken sein, die Anwendung des § 7 b EStG zu versagen, insbesondere wenn das neue Gebäude weniger Wohnfläche hat als das abgerissene. Wenn sich jedoch ein Steuerpflichtiger entschließt, ein altes baufälliges Haus, das nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten wieder instandgesetzt werden könnte und bei dem es selbst dann noch zweifelhaft wäre, ob es durch kostspielige Ausbesserungsarbeiten noch für einen angemessenen Zeitraum benutzbar gemacht werden kann, kommt die Anwendung des § 7 b EStG in Betracht. Im Streitfall ist aus dem Akteninhalt zu entnehmen, daß das von dem Bf. im Jahre 1951 erworbene Fachwerkhaus sich in einem sehr schlechten baulichen Zustand befunden hat und daß es zweifelhaft war, ob sich ein Umbau noch gelohnt hätte. Unter diesen Umständen war es verständlich, daß der Bf. sich entschloß, das alte Haus abzureißen und einen Neubau zu errichten. Gegen die erhöhte Abschreibung dieses Neubaues gemäß § 7 b EStG bestehen bei dieser Sachlage keine Bedenken.

Die Vorentscheidung, die zum gegenteiligen Ergebnis gelangt ist, muß daher wegen unrichtiger Auslegung des § 7 b EStG aufgehoben werden. Die Sache ist jedoch nicht entscheidungsreif, da die Höhe der nach § 7 b EStG zulässigen Abschreibungen bisher noch nicht untersucht worden ist. Bei der Prüfung, in welcher Höhe bei der Veranlagung des Bf. im Streitjahr die erhöhte AfA gemäß § 7 b EStG zu berücksichtigen ist, wird das Finanzamt folgendes zu beachten haben:

Der Begriff der Herstellungskosten, der § 7 b EStG zugrunde liegt, ist der gleiche, der für die Bemessung der AfA nach § 7 EStG gilt (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 138/55 U vom 20. Mai 1957, BStBl 1957 III S. 343, Slg. Bd. 65 S. 285). Als Herstellungskosten, die die Grundlage für die AfA nach § 7 b EStG bilden, kommen danach in erster Linie die für die Errichtung des Neubaus aufgewendeten Baukosten in Betracht. Andererseits sind - entsprechend der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung - die Aufwendungen des Bf. für den Erwerb des alten Hauses nicht zu den Herstellungskosten zu rechnen, und zwar auch nicht soweit sie auf die Fundamente entfallen, die bei dem Neubau verwendet worden sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 2/53 U vom 25. Juni 1953, BStBl 1953 III S. 241, Slg. Bd. 57 S.629, und IV 39/53 U vom 25. Juni 1953, BStBl 1953 III S. 242, Slg. Bd. 57 S. 631).

Ob die Abbruchkosten des alten Gebäudes Teil der Herstellungskosten des Neubaues sind oder nicht, hängt von den tatsächlichen Verhältnissen im Einzelfall ab. Der Bundesfinanzhof hat zu dieser Frage im Urteil I 74/58 S vom 2. Juni 1959 (BStBl 1959 III S. 323, Slg. Bd. 69 S. 162) für Betriebsgebäude grundlegend Stellung genommen. Es bestehen keine Bedenken, die in diesem Urteil aufgestellten Grundsätze auch bei einem zum Privatvermögen gehörenden Gebäude anzuwenden. Danach können die Abbruchkosten als Teile der Erwerbskosten des Grundstücks anzusehen sein, wenn nämlich der Abbruch des alten Hauses ausschließlich deshalb erfolgt ist, um dem Bf. die Möglichkeit zu geben, auf dem Grundstück einen seinen Wünschen entsprechenden Neubau zu errichten. Gegen diese Beurteilung spricht im Streitfall, daß der Bf. ursprünglich die Absicht hatte, das alte Haus umzubauen, was insbesondere dadurch bewiesen wird, daß er einen Bauplan für den Umbau anfertigen ließ und sogar mit den Umbauarbeiten begann. Erst als sich dabei herausstellte, daß die tragenden Holzteile trockenfaul und von Holzschädlingen befallen waren, ein Umbau somit nicht möglich oder mindestens sehr unwirtschaftlich gewesen wäre, entschloß sich der Bf. zum Abbruch des alten Hauses und zur Errichtung eines Neubaus. Unter diesen Umständen ist es nicht angängig, die Abbruchkosten als Teil der Anschaffungskosten des Grundstücks anzusehen. Nach den in dem oben angeführten Urteil I 74/58 S entwickelten Grundsätzen sind sie vielmehr Aufwendungen, die notwendig waren, um den Neubau zu ermöglichen. Steuerlich sind sie deshalb Teil der Herstellungskosten des Neubaus und bilden zusammen mit den für die Errichtung des Neubaus angefallenen Kosten die Bemessungsgrundlage für die AfA gemäß § 7 EStG und damit auch für die gemäß § 7 b EStG. Da die Höhe dieser Aufwendungen bisher noch nicht geprüft wurde, erscheint es zweckmäßig, nicht nur die auf unrichtigen Voraussetzungen beruhende Vorentscheidung, sondern auch die Einspruchsentscheidung aufzuheben, und die Streitsache an das Finanzamt zurückzuverweisen, das unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen die Einkommensteuer für das Streitjahr neu festzusetzen haben wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410110

BStBl III 1961, 354

BFHE 1962, 238

BFHE 73, 238

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