Leitsatz (amtlich)

Übernimmt und tilgt der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH deren Schulden, um die GmbH zu sanieren und vor dem Konkurs zu bewahren, so geschieht dies nicht zwangsläufig im Sinn des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG. Die Rückzahlung der zu diesem Zweck aufgenommenen Darlehen ist daher keine außergewöhnliche Belastung.

 

Normenkette

EStG § 33

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war seit dem Jahr 1950 alleiniger Gesellschafter einer GmbH, die bald nachher in finanzielle Schwierigkeiten kam. Da Bankkredite für die GmbH nicht mehr zu bekommen waren, setzte der Kläger in zunehmendem Maße sein privates Vermögen als Sicherheit ein. Auch sein Schwiegervater verbürgte sich. Schließlich übernahm der Kläger eine Schuld der GmbH von rd. 250 000 DM. Hierfür nahm er selbst mehrere Bankdarlehen auf und verpfändete zur Sicherung seinen durch Erbfolge erworbenen Grundbesitz. Im Jahre 1963 stellte die GmbH ihre Produktion ein. Seitdem betreibt der Kläger ein Einzelhandelsgeschäft. In den Jahren 1965 und 1966 zahlte der Kläger auf die aufgenommenen Darlehen 3 500 DM und 2 958 DM zurück. Diese Beträge machte er bei der Einkommensteuerveranlagung 1965 und 1966 als außergewöhnliche Belastung geltend. Dies wurde vom Beklagten und Revisionskläger (FA) abgelehnt.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG führte aus, auch die Tilgung von zwangsläufig übernommenen fremden Schulden könne eine außergewöhnliche Belastung sein. Die Schuldübernahme des Klägers sei aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig im Sinn des § 33 Abs. 2 EStG gewesen. Sie hätte sich zwar nachträglich als Fehlmaßnahme herausgestellt. Es sei aber glaubhaft, daß die ruinöse Entwicklung der Fabrikationstechnik und der Martkverhältnisse in dem Geschäftszweig der GmbH weder vorhersehbar noch abwendbar gewesen sei. Es sei auch einleuchtend, wenn der Kläger, nachdem er bereits sein ganzes Privatvermögen und das seiner Frau investiert gehabt habe und auch noch entferntere Verwandte wie der Schwiegervater eingesprungen seien, in seinem Verhalten die einzige Alternative zum Konkurs gesehen habe, um seine Existenz und seinen kaufmännischen Beruf nicht zu verlieren. Die Schuldübernahme sei für ihn daher unausweichlich gewesen. Wenn auch nach § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben gehörten, nicht als außergewöhnliche Belastung in Betracht kämen, so lasse sich daraus nicht herleiten, daß alle im geschäftlichen Bereich anfallenden Aufwendungen von der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen seien. § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG habe offensichtlich den Sinn, eine doppelte steuermindernde Berücksichtigung zu vermeiden. Seine Anwendung müsse daher auf solche Aufwendungen beschränkt bleiben, die schon bei der Ermittlung der Einkünfte oder des Einkommens zur Auswirkung kommen könnten. Sei aber, wie im Streitfall, die betreffende Aufwendung als solche zwangsläufig und außergewöhnlich, so müsse § 33 EStG zum Zuge kommen. Die gegenteilige Auffassung setze sich in Widerspruch zum Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Mai 1967 VI R 123/66 (BFHE 88, 551, BStBl III 1967, 489). Dort sei, wenn auch im Sinne eines Ausnahmefalles, die Tilgung eines Existenzaufbaudarlehens, das der Steuerpflichtige zum sich später als Fehlschlag erweisenden Erwerb einer Beteiligung an einer GmbH aufgenommen habe, als außergewöhnliche Belastung anerkannt worden. Die Lage des Klägers unterscheide sich nicht wesentlich vom Fall dieses BFH-Urteils.

Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 33 EStG. Die Schuldübernahme sei nicht zwangsläufig gewesen.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision ist begründet.

Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß die Tilgung von Schulden als außergewöhnliche Belastung in Betracht kommt, wenn eine Schuldaufnahme durch Ausgaben veranlaßt war, die ihrerseits zwangsläufig und außergewöhnlich waren (vgl. zuletzt Urteil vom 18. April 1972 VIII R 12/66, BFHE 106, 187, BStBl II 1972, 757) und nicht zu den Betriebsausgaben oder Werbungskosten gehören (§ 33 Abs. 2 Satz 2 EStG). Das FG ist auch zutreffend davon ausgegangen, daß die Aufwendungen des Klägers nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten anzusehen sind. Als Betriebsausgaben kommen sie nicht in Betracht, weil der Kläger als Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb hatte, und zu den Werbungskosten aus Kapitalvermögen gehören sie nicht, weil sie in erster Linie der Erhaltung des Kapitalvermögens, nicht aber der Erhaltung der Erträge hieraus dienten.

Das FG hat aber zu Unrecht die Zwangsläufigkeit der Schuldübernahme durch den Kläger bejaht. Es hat angenommen, daß der Kläger die Schulden der GmbH übernommen hat, um den Konkurs der GmbH abzuwenden und sein Vermögen, das er bis dahin der GmbH zur Verfügung gestellt hatte, zu retten. Diese Würdigung ist bedenklich, denn aus dem Vorbringen des Klägers ist zu entnehmen, daß die Schuldübernahme erst im Jahre 1965 erfolgt ist, während die GmbH ihre Produktion bereits im Jahr 1963 eingestellt und der Kläger im gleichen Jahr das Einzelhandelsgeschäft eröffnet hat. Schon aus diesen Gründen ist zweifelhaft, ob die Schuldübernahme dem vom FG angenommenen Zweck dienen konnte und sollte. Die Zweifel werden noch dadurch verstärkt, daß sich der Schwiegervater für die vom Kläger übernommene Schuld der GmbH verbürgt hatte, so daß nicht auszuschließen ist, daß der Kläger die Schuld nur übernommen hat, um seinen Schwiegervater aus der Bürgschaft zu befreien. Es kann aber dahinstehen, ob dies zutrifft, da die Zwangsläufigkeit der Schuldübernahme auch bei Vorliegen der vom FG angenommenen Voraussetzungen zu verneinen ist.

Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß der Kläger rechtlich nicht verpflichtet war, die Schuld der GmbH zu übernehmen. Auch sittliche Gründe bestanden hierfür nicht. Entgegen der Auffassung des FG kann die Zwangsläufigkeit der Schuldübernahme aber auch nicht aus tatsächlichen Gründen anerkannt werden; denn der Kläger hat die Schuld der GmbH aus freiem Entschluß übernommen. Nach seinem Vortrag bestand für ihn die Möglichkeit, entweder den Konkurs der GmbH anzumelden oder mit der Schuldübernahme den Versuch einer Sanierung der GmbH zu wagen. Wenn er von der Möglichkeit einer Konkursanmeldung keinen Gebrauch machte, sondern den Weg des Sanierungsversuches wählte, so beruht dies auf einer nach Abwägung des Für und Wider getroffenen unternehmerischen Entscheidung. Wenn der Kläger hierzu geltend macht, er habe sein bis dahin in die GmbH eingebrachtes Vermögen retten wollen, so ist dies unerheblich, weil es sich hierbei um Aufwendungen auf sein Vermögen handelt, die - von seltenen Ausnahmen abgesehen, zu denen der Streitfall nicht gehört - nicht als außergewöhnliche Belastung in Betracht kommen. Für die Zwangsläufigkeit reicht es auch nicht aus, daß der Kläger behauptet, er sei zur Schuldübernahme gezwungen gewesen, um seine Existenz auch für die Zukunft zu retten. Wenn auch solche Überlegungen die Entscheidung des Klägers, die Sanierung der GmbH mit der Schuldübernahme zu versuchen, erheblich beeinflußt haben mögen, so waren sie dennoch nicht derart zwingend, daß der Kläger in seiner Entscheidung nicht mehr frei war; denn letztlich waren für den Sanierungsversuch allein unternehmerische Überlegungen bestimmend, nämlich ob sich ein erneuter Kapitalaufwand lohnte oder nicht.

Der Kläger kann sich auch nicht auf die Entscheidung des Senats VI R 123/66 berufen, da deren Sachverhalt nicht mit dem Streitfall vergleichbar ist. In jenem Fall hatte ein nach mehrjähriger Kriegsgefangenschaft schwerkrank heimgekehrter 57 Jahre alter Steuerpflichtiger, der früher selbständiger Gewerbetreibender war, die Möglichkeit eines Existenzaufbaues nur noch darin gesehen, mit einem Darlehen aus dem Härtefonds des Lastenausgleichs GmbH-Anteile zu erwerben. Nur wegen dieser besonderen Umstände hat der Senat damals ausnahmsweise eine Zwangsläufigkeit der Schuldaufnahme aus tatsächlichen Gründen bejaht. Ähnliche Verhältnisse lagen beim Kläger aber nicht vor; denn seine Existenz war - wie auch die Eröffnung des Einzelhandelsgeschäfts bereits im Jahr 1963, also vor der Schuldübernahme zeigt - auch ohne Fortbestehen der GmbH nicht gefährdet. Außerdem hätte dem Kläger ohne Schuldübernahme auch das ererbte Grundvermögen unverpfändet zur Verfügung gestanden.

Da das FG den Begriff der Zwangsläufigkeit im Sinn des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Streitsache ist entscheidungsreif. Wie bereits dargelegt, ergibt sich aus dem vorliegenden Sachverhalt, daß die Übernahme der Schulden der GmbH und die damit zusammenhängende Darlehensaufnahme nicht im Sinn des § 33 EStG zwangsläufig waren, so daß auch die Rückzahlung eines Teils des Darlehens in den Streitjahren nicht als außergewöhnliche Belastung anzusehen ist. Die Klage war somit abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70932

BStBl II 1974, 516

BFHE 1974, 274

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