Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsaufgabe bei Vererbung eines landwirtschaftlichen Betriebs an eine Körperschaft des öffentlichen Rechts - Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 EStDV bei Körperschaft des öffentlichen Rechts als Erbin

 

Leitsatz (amtlich)

Setzt ein Steuerpflichtiger eine Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Erbin seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ein, so führt das im Zeitpunkt des Todes zu einer Betriebsaufgabe in der Person des Erblassers.

 

Orientierungssatz

1. § 7 Abs. 1 EStDV findet in diesem Fall bei der Körperschaft des öffentlichen Rechts keine Anwendung.

2. Hier: Bestimmung einer katholischen Kirchengemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG zur Erbin.

3. Erbt eine Körperschaft Betriebsvermögen einer natürlichen Person, ist grundsätzlich § 7 Abs. 1 EStDV anwendbar. Dies gilt auch, wenn Erbin eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, die den übergehenden Betrieb als steuerpflichtigen Betrieb gewerblicher Art i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1 KStG fortführt.

 

Normenkette

EStDV § 7 Abs. 1; EStG §§ 14, 16 Abs. 3; KStG 1977 § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln (Urteil vom 19.02.1997; Aktenzeichen 11 K 5429/90)

 

Tatbestand

Der am 10. Oktober 1986 verstorbene Erblasser (E) bestimmte durch notarielles Testament vom 21. Juni 1979 die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) --eine katholische Kirchengemeinde-- zu seiner alleinigen Erbin. Das Testament enthielt die Auflage, das ererbte Vermögen --nach Abzug der Nachlaßverbindlichkeiten und verschiedener Vermächtnisse-- zur Errichtung eines Altenheims und evtl. weiterer Gebäude für karitative Zwecke zu verwenden.

Zum Vermögen des E gehörte ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb. Die landwirtschaftlich genutzten Flächen wurden verpachtet. Die Aufgabe des Betriebs erklärte E nicht. Die Einkünfte aus der Nutzungsüberlassung wurden als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft behandelt.

Nach dem Tode des E führte die Klägerin das Pachtverhältnis zunächst unverändert fort, bis sie die Grundstücke veräußerte.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) veranlagte den E zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Aufgrund der Anfrage, wie der Erlös aus der Veräußerung des landwirtschaftlichen Betriebs einerseits bei E und andererseits bei der Klägerin zu erfassen sei, nahm das FA eine Betriebsaufgabe des E an. Es ermittelte einen Betriebsaufgabegewinn in Höhe von 1 834 501 DM und änderte den Einkommensteuerbescheid entsprechend.

Nach erfolglos gebliebenem Einspruchsverfahren machte die Klägerin mit der Klage geltend, in der Person des E sei ein Betriebsaufgabegewinn nicht entstanden. Der Betrieb habe durch den Tod des E seine Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen nicht verloren. Er sei unentgeltlich auf die Klägerin übergegangen. Die testamentarische Auflage, den Betrieb zu veräußern, führe nicht zur Entnahme durch den E. Eine Betriebsaufgabe beginne nicht bereits mit dem inneren Entschluß des Steuerpflichtigen, seinen Betrieb aufzugeben, und auch nicht mit seiner Kundgabe nach außen, sondern mit vom Aufgabeentschluß getragenen Handlungen, die objektiv auf die Auflösung des Betriebs gerichtet seien. Derartige Handlungen habe aber erst die Klägerin vorgenommen. Zu berücksichtigen sei, daß E seine Anordnungen jederzeit durch ein anderes Testament habe zurücknehmen können.

Die Erbeinsetzung der Klägerin könne nicht deshalb als Entnahme gewertet werden, weil sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit ihren Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft nicht der Körperschaftsteuer unterliege (§§ 1 Abs. 1 Nr. 6, 4 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG--). Denn das zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des E gehörende Betriebsvermögen sei erst durch die Anwendung steuerrechtlicher Vorschriften in das Hoheitsvermögen der Klägerin gelangt, nicht durch den Todesfall als solchen.

Einen wegen hier nicht strittiger Punkte geänderten Bescheid hat die Klägerin zum Gegenstand des Verfahrens erklärt.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1178 veröffentlichten Urteil aus, das FA habe zu Recht eine Betriebsaufgabe in der Person des E angenommen. Die Erbeinsetzung der Klägerin stelle einen die Aufgabehandlung substituierenden Rechtsvorgang dar, weil mit dem Tod des E die im Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven der Besteuerung entzogen würden. Bei der Klägerin als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG) unterlägen weder die laufenden Einnahmen noch die Veräußerungserlöse aus einer Landwirtschaft der Besteuerung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 KStG). Die Entstrickung habe E unmittelbar herbeigeführt. Die Erbeinsetzung sei mit einer Wohnsitz- oder Betriebsverlegung ins Ausland oder dem Wegfall der personellen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vergleichbar. Mit dem Tod des E seien auch die Voraussetzungen für die Ausübung des sog. Verpächterwahlrechts entfallen. Dieses setze voraus, daß Verpächter eine natürliche, unbeschränkt steuerpflichtige Person sei. Körperschaften des öffentlichen Rechts stehe es regelmäßig nicht zu. Deshalb könne die Klägerin --anders als sonst ein Erbe-- nicht in die Rechtsstellung des Verpächters eintreten.

Mit der vom FG --wegen grundsätzlicher Bedeutung-- zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Bundesrechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß der E seinen landwirtschaftlichen Betrieb durch die Erbeinsetzung der Klägerin i.S. von § 16 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aufgegeben hat.

1. a) Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß der Erwerb von Todes wegen nicht zu einer Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe i.S. von § 16 Abs. 1 und 3 EStG beim Erblasser führt; vielmehr führt der Erbe gemäß § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) die Buchwerte fort (vgl. z.B. Senatsurteile vom 17. Oktober 1991 IV R 97/89, BFHE 166, 149, BStBl II 1992, 392, und vom 12. März 1992 IV R 29/91, BFHE 168, 405, BStBl II 1993, 36 sowie den Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. Juli 1990 GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837 unter C. I. 2.). Veräußert der Erbe den Betrieb, dann wird der Veräußerungsgewinn erst in seiner Person verwirklicht (Senatsurteil vom 21. September 1995 IV R 1/95, BFHE 178, 444, BStBl II 1995, 893); dasselbe gilt, wenn der Erbe den Betrieb aufgibt.

b) Erbt eine Körperschaft Betriebsvermögen einer natürlichen Person, ist grundsätzlich ebenfalls § 7 Abs. 1 EStDV anwendbar (BFH-Urteil vom 24. März 1993 I R 131/90, BFHE 171, 185, BStBl II 1993, 799 unter B. 4.; siehe auch BFH-Urteil vom 25. Mai 1962 I 155/59 U, BFHE 75, 231, BStBl III 1962, 351). Dies gilt auch, wenn Erbin eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, die den übergehenden Betrieb als steuerpflichtigen Betrieb gewerblicher Art i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1 KStG fortführt (BFH-Urteil vom 30. November 1989 I R 19/87, BFHE 159, 162, BStBl II 1990, 246). In diesem Fall bleiben die stillen Reserven bei der Körperschaft erhalten, und ist § 7 Abs. 1 EStDV anwendbar.

2. Diese Grundsätze können im Streitfall jedoch keine Anwendung finden.

a) Die Klägerin ist zwar eine Person des öffentlichen Rechts i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG.

Sie ist nach kanonischem Recht (vgl. Can. 515 § 3 Codex Iuris Canonici in Codex Iuris Canonici, Codex des Kanonischen Rechts, lateinisch-deutsche Ausgabe, 3. Aufl., 1989 S. 235) eine eigene Rechtspersönlichkeit; das ist nach Art. 13 des Reichskonkordats vom 20. Juli 1933 (RGBl II, 679) auch für den staatlichen Bereich maßgeblich (so v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl. S. 152; Kirchhoff in Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. S. 671; Hack in Handbuch des Katholischen Kirchenrechts, 1983 S. 394; Halaczinsky, Grundsteuer, Kommentar, 2. Aufl., § 3 Rdnr. 27). Sie ist daher eine Körperschaft des öffentlichen Rechts i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG (vgl. Friesenhahn in Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1. Aufl., Bd. I S. 545 ff., 581), und zwar ohne besonderen Rechtsakt des Staates (siehe aber dazu Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 140, Anm. 31 zu Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung).

Sie unterhielt mit dem auf sie übergegangenen landwirtschaftlichen Vermögen jedoch keinen Betrieb gewerblicher Art. Einrichtungen der Land- und Forstwirtschaft werden in § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG hiervon ausdrücklich ausgenommen (vgl. auch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 4 KStG Anm. 19; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl., § 4 Anm. 11). Einkünfte aus einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb waren demnach bei der Klägerin nicht steuerpflichtig, so daß auch stille Reserven des E nicht fortgeführt und bei einer späteren Veräußerung der zugehörigen Wirtschaftsgüter der Versteuerung unterworfen werden konnten. Infolgedessen fand auch § 7 Abs. 1 EStDV bei der Klägerin keine Anwendung.

b) Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß der Verstorbene durch die Erbeinsetzung der Klägerin seinen Betrieb in derselben Weise aufgegeben hat, als hätte er ihn an die Klägerin verschenkt.

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Betriebsaufgabe auch dann anzunehmen, wenn der Betrieb durch eine Handlung des Steuerpflichtigen oder durch einen Rechtsvorgang in seiner ertragsteuerlichen Einordnung so verändert wird, daß die Erfassung der im Buchansatz für die Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens enthaltenen stillen Reserven nicht mehr gewährleistet ist (vgl. BFH-Urteile vom 29. Oktober 1981 IV R 138/78, BFHE 134, 339, BStBl II 1982, 381; vom 13. Dezember 1983 VIII R 90/81, BFHE 140, 526, BStBl II 1984, 474, m.w.N.).

Aus diesem Grunde ist die Verlagerung eines Betriebs in ein DBA-Land als Betriebsaufgabe behandelt worden, wenn die stillen Reserven dadurch der inländischen Besteuerung entgehen (BFH-Urteile vom 28. April 1971 I R 55/66, BFHE 102, 374, BStBl II 1971, 630; vom 30. Mai 1972 VIII R 111/69, BFHE 106, 198, BStBl II 1972, 760); ebenso ist eine Betriebsaufgabe angenommen worden, wenn durch eine Wohnsitzverlegung in ein DBA-Land stille Reserven in Wirtschaftsgüter der inländischen Besteuerung entzogen würden (BFH-Urteil vom 13. Oktober 1976 I R 261/70, BFHE 120, 225, BStBl II 1977, 76), wie auch eine Gewinnrealisierung angenommen wurde, wenn durch eine Wohnsitzverlegung in das Ausland die stillen Reserven in einbringungsgeborenen Kapitalanteilen nicht mehr versteuert werden konnten (BFH-Urteil vom 26. Januar 1977 VIII R 109/75, BFHE 121, 63, BStBl II 1977, 283). Von gleichen Grundsätzen ist beim Übergang von der betrieblichen Betätigung zur Liebhaberei (BFHE 134, 339, BStBl II 1982, 381) und bei der Beendigung der gewerblichen Betätigung im Besitzunternehmen infolge Wegfalls der Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung (BFHE 140, 526, BStBl II 1984, 474) ausgegangen worden. Entsprechendes gilt für den Streitfall, in dem der Verstorbene durch die Erbeinsetzung der Klägerin erreicht hat, daß die stillen Reserven seines Betriebs nicht mehr der Besteuerung unterliegen.

Der BFH hat zwar entschieden, daß der Abschluß eines Doppelbesteuerungsabkommens allein nicht zur Entnahme und Betriebsaufgabe führt (vgl. Urteil vom 16. Dezember 1975 VIII R 3/74, BFHE 117, 563, BStBl II 1976, 246). Der Streitfall unterscheidet sich dadurch, daß der Verstorbene durch eigenes Handeln die Entstrickung der stillen Reserven bewirkt hat.

c) Im Streitfall sind auch nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG 1986 erfüllt, unter dem auf eine Auflösung der stillen Reserven und eine Betriebsaufgabe verzichtet werden könnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67185

BFH/NV 1998, 1296

BFH/NV 1998, 1296-1297 (Leitsatz und Gründe)

BStBl II 1998, 509

BFHE 186, 42

BFHE 1999, 42

BB 1998, 1574

BB 1998, 1722

DB 1998, 1696

DStRE 1998, 627

DStRE 1998, 627-628 (Leitsatz und Gründe)

DStZ 1998, 841

HFR 1998, 828

StE 1998, 466

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