Leitsatz (amtlich)

1. Die Anwendbarkeit des § 152 AO auf rechtswidrig einbehaltene und abgeführte Lohnsteuerbeträge ist durch das Inkrafttreten des § 42 EStG 1958 nicht berührt worden.

2. Der § 152 AO hat nur zu Unrecht entrichtete Steuerbeträge, der § 42 EStG 1958 jedoch rechtmäßig entrichtete Steuerbeträge zum Gegenstand.

2. Für den Lauf der Ausschlußfrist des § 152 Abs. 3 AO ist die Kenntnis des Steuerpflichtigen von dem anspruchsbegründenden Ereignis auch dann maßgebend, wenn der Steuerpflichtige das Ereignis rechtlich falsch beurteilt.

 

Normenkette

AO § 152; EStG 1958 § 42

 

Tatbestand

Der Kläger erhielt von seinem Arbeitgeber vom Jahre 1955 an zur Alters- und Hinterbliebenenversorgung besondere Zuschüsse, die dem Lohnsteuerabzug unterworfen wurden. Nachdem der BFH im Verfahren eines anderen Steuerpflichtigen im März 1965 entschieden hatte, daß bei diesem derartige Zuschüsse zu Unrecht besteuert worden seien, stellte der Kläger im Dezember 1965 bei dem beklagten FA den Antrag, ihm die Lohnsteuer zu erstatten, die bei ihm aus den Zuschüssen einbehalten und an das FA abgeführt worden war. Das FA lehnte den Antrag insoweit ab, als er sich auf die Lohnsteuerbeträge der Jahre 1955 bis 1963 bezog, und berief sich darauf, daß die Ausschlußfristen nach § 152 Abs. 3 AO abgelaufen seien.

Die daraufhin erhobene Klage wies das FG mit folgender Begründung ab:

1. Für die Jahre von 1958 an kämen als Rechtsgrundlage die als § 42 in das EStG neu eingefügten Vorschriften über den Lohnsteuer-Jahresausgleich in Betracht. Denn im Ergebnis übersteige die im Laufe dieser Jahre einbehaltene Lohnsteuer die bei richtiger Rechtsanwendung auf den einzelnen Jahresarbeitslohn entfallende Jahreslohnsteuer. Die Fristen des § 4 Abs. 5 JAV vom 20. Dezember 1958 (- BGBl I 1958, 972 -) seien jedoch eindeutig verstrichen. Das FG sehe für die Jahre ab 1958 die Spezialvorschrift des § 42 EStG als abschließende Regelung der Erstattungsmöglichkeit von Lohnsteuer an. Es setze sich damit nicht im Ergebnis, wohl aber in der Begründung in Gegensatz zu der bisher herrschenden Praxis und Rechtsprechung.

Bis zur Neufassung des § 42 EStG seien als Rechtsgrundlage für die Erstattung zuviel einbehaltener Lohnsteuer an den Steuerschuldner nur die §§ 150 ff. AO, insbesondere der § 152 Abs. 2 Nr. 1 AO, in Betracht gekommen. Diese Vorschrift habe systematisch nicht in den Zusammenhang gehört, in den sie gestellt sei. Seit dem Inkrafttreten des § 42 EStG 1958 sehe das FG keine Veranlassung mehr, diese Systemwidrigkeit beizubehalten. Der § 42 EStG habe nunmehr die früher gewissermaßen behelfsmäßig geschaffene allgemeinere Regelung verdrängt. Infolgedessen sei die zu § 152 Abs. 2 Nr. 1 AO ergangene, den Wortlaut des Gesetzes stark dehnende Rechtsprechung des BFH (vgl. Entscheidungen VI 136/56 U vom 5. April 1957, BFH 71, 187, BStBl III 1960, 318; VI 90/63 U vom 29. Januar 1965, BFH 82, 8, BStBl III 1965, 251; VI R 27/66 vom 12. April 1967, BFH 88, 402, BStBl III 1967, 434) über den Beginn der Frist des § 152 Abs. 3 AO seit dem Jahre 1958 gegenstandslos. Im Ergebnis werde die gleiche Ansicht von Hübschmann-Hepp-Spitaler (Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 152 AO Anm. 9) vertreten. Allerdings würden dort der § 42 EStG und die JAV lediglich als eine "andere Bestimmung" im Sinne des § 152 Abs. 3 AO für den Beginn der Frist angesehen, innerhalb deren der Erstattungsantrag zu stellen sei. Ähnlich seien wohl bei Tipke-Kruse (Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 1. Aufl., die Anm. 5/6 zu § 152 AO und Vorbemerkung 10/11 vor §§ 150 bis 159 AO) zu verstehen.

2. Für die Jahre 1955 bis 1957 habe der Kläger seinen Antrag rechtzeitig gestellt, wenn man der Rechtsprechung des BFH über die Auslegung des § 152 Abs. 3 AO folge, wonach die Frist erst zu laufen beginne, wenn der Steuerpflichtige die Tragweite der anspruchsbegründenden Ereignisse erkannt oder schuldhaft nicht erkannt habe. Er habe die Tatsache, daß ihm zuviel Lohnsteuer einbehalten worden sei, erst durch das BFH-Urteil vom März 1965 erfahren, das eine bis dahin offene Frage nun in einem bestimmten, ihm günstigen Sinne entschieden habe. Der Kläger habe überdies diese Frage nicht einmal für existent zu betrachten brauchen, denn schon die Fragestellung, d. h. das Aufkommen von Zweifeln an der Richtigkeit des Steuerabzugs von den Zuschüssen, setze rechtliche Überlegungen voraus, die ein Rechtsunkundiger nur in Ausnahmefällen anzustellen beginne. Die Hinnahme des Steuerabzugs sei demnach keineswegs dem Kläger anzulasten.

Die sich aus der Rechtsprechung des BFH ergebende Möglichkeit, seit vielen Jahren zu Unrecht einbehaltene Steuerbeträge ohne zeitliche Begrenzung zurückzufordern, stehe im Widerspruch zu dem in Verjährungsvorschriften, Ausschlußfristen und im Rechtsinstitut der Verwirkung zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken, daß immer irgendwann eine zeitliche Grenze für die Aufrollung der Vergangenheit zu setzen sei. Dieser Widerspruch brauche hier jedoch nicht gelöst oder beseitigt zu werden, da das FG im vorliegenden Falle noch eine aus dem Steuerrecht ableitbare sachliche Grenze sehe, die dem § 222 AO entnommen sei. Nach dieser Vorschrift seien Bescheide nur abänderbar, wenn "neue Tatsachen" bekannt würden. Hierunter werde stets nur der Sachverhalt verstanden, nicht aber dessen rechtliche Würdigung. In diesem Zusammenhang sei auch der mehr als Erläuterung dienende Absatz 2 des § 222 AO zu sehen. Da der Kläger gewußt habe oder doch jederzeit habe feststellen können, daß er die Zuschüsse erhalten habe und daß sie der Lohnsteuer unterworfen worden seien, habe er, wenn man den Begriff der "neuen Tatsachen" in dem beschriebenen Sinne verstehe, keine solchen Tatsachen mehr erfahren, sondern nur noch eine neue, höchstrichterliche rechtliche Würdigung dieses Sachverhalts zur Kenntnis nehmen können. Es liege also ein Fall vor, der die Berichtigung einer etwaigen Veranlagung zur Einkommensteuer weder nach Nr. 1 noch nach Nr. 2 des § 222 Abs. 1 AO gerechtfertigt hätte. Das FG halte es für diesen Fall für besser, diese aus § 222 AO abgeleiteten Grundsätze rechtlich auch für Lohnsteuerfälle anzuwenden, als zur Korrektur der BFH-Rechtsprechung eine aus dem Gesetz nicht ableitbare zeitliche Begrenzung für vom Steuerpflichtigen nicht erkannte Erstattungsansprüche zu erfinden.

Der Kläger begründet seine vom FG ausdrücklich zugelassene Revision wie folgt:

Bestimmungen über den Lohnsteuer-Jahresausgleich und über die Fristen, binnen derer er zu beantragen sei, seien schon vor der gesetzlichen Regelung in § 42 EStG 1958 als Rechtsverordnungen zu behandeln gewesen. Der § 42 EStG 1958 habe durch Abs. 2 Nr. 3 lediglich eine Ermächtigung geschaffen, den Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich an eine Frist zu binden. An den bisher schon im Verordnungswege festgelegten Fristen habe er nichts geändert. Es sei deshalb nicht gerechtfertigt, das in § 42 EStG 1958 zum Ausdruck gekommene Bemühen des Gesetzgebers, das bisherige Verordnungsrecht durch die erforderlichen Ermächtigungsvorschriften abzusichern, dahin zu deuten, daß nunmehr Anträge auf Erstattung rechtswidrig einbehaltener Lohnsteuer einer neuartigen Fristenregelung unterworfen worden seien. Abgesehen davon habe er die Anordnungen höchster Behörden, die Zuschüsse dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfen, für rechtmäßig halten dürfen und keinen Anlaß gehabt, jeweils einen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich zu stellen. Es verstoße daher gegen Treu und Glauben, ihm nunmehr vorzuhalten, daß er gleichwohl solche Anträge hätte stellen müssen. Auch die Auffassung des FG, eine Grenze für die zeitliche Aufrollung des Falles ergebe sich aus § 222 AO, sei rechtsirrig.

Der Kläger hat beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und das FA zur Erstattung der in den Jahren 1955 bis 1963 unstreitig in Höhe von 395 DM einbehaltenen und abgeführten Lohnsteuer zu verurteilen.

Das FA hat beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Zur Revisionsbegründung hat es keine Stellung genommen.

Beide Verfahrensbeteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Wenn ein Arbeitgeber Einnahmen des Arbeitnehmers rechtswidrig dem Lohnsteuerabzug unterwirft, so ist der zu Unrecht einbehaltene und an das FA abgeführte Betrag gemäß § 152 Abs. 1 und 2 Nr. 1 AO zu erstatten. Beim Lohnsteuerabzug wird die Steuer für Rechnung des Steuerpflichtigen entrichtet, ohne daß dieser in eigener Person oder durch einen Vertreter mitwirkt. Der Arbeitgeber ist beim Lohnsteuerabzug nicht Vertreter des Steuerpflichtigen, sondern "Gehilfe" des FA (vgl. Entscheidungen des BVerfGE 19, 226, 240).

Die Anwendbarkeit des § 152 AO auf rechtswidrig einbehaltene und abgeführte Lohnsteuerbeträge ist entgegen der Auffassung des FG durch das Inkrafttreten des § 42 EStG 1958 nicht berührt worden. Die systematische Stellung des § 152 AO gab keinen Anlaß, die Anwendbarkeit der Vorschrift einzuschränken. Der Zweite Teil der AO regelt die Besteuerung und umfaßt die §§ 71 bis 390. Sein Erster Abschnitt, der die §§ 71 bis 159 enthält, bringt Allgemeine Vorschriften, und zwar im Ersten Unterabschnitt Vorschriften zum Verfahren und im Zweiten Unterabschnitt (§§ 97 bis 159) Sachliche Vorschriften. Hier stehen sich unter Nr. I die Vorschriften über den Steueranspruch (§§ 97 bis 149) und unter Nr. II Vorschriften über Erstattungs- und Vergütungsansprüche (§§ 150 bis 159) gegenüber. Es ist durchaus selbstverständlich und folgerichtig, daß der Gesetzgeber in der AO im Rahmen der materiell-rechtlichen Vorschriften zunächst den Steueranspruch des Steuergläubigers und dann den Erstattungs- und Vergütungsanspruch des Steuerpflichtigen behandelt.

Der § 42 EStG 1958 bringt in keiner Weise zum Ausdruck, daß er den Geltungsbereich des § 152 AO einschränken will. Er behandelt im übrigen eine grundsätzlich andere Materie als der § 152 AO. Während dieser die "zu Unrecht", also ohne Rechtsgrundlage gezahlten Beträge zum Gegenstand hat, geht der § 42 EStG 1958 von einem rechtmäßigen Lohnsteuerabzug aus. Er greift nur ein, wenn sich herausstellt, daß die im Laufe des Kalenderjahres gemäß § 41 EStG bei den einzelnen Lohnzahlungen rechtmäßig einbehaltene Lohnsteuer insgesamt die auf den Jahresarbeitslohn entfallende Jahreslohnsteuer übersteigt. Durch ihn sollen lediglich Nachteile ausgeglichen werden, die der rechtmäßige Lohnsteuerabzug bei den einzelnen Lohnzahlungen während des Kalenderjahres im Verhältnis zur Berechnung der Lohnsteuer vom Gesamtbetrag der Lohnzahlungen bewirken kann. Die Tatsache, daß der § 152 AO nur zu Unrecht entrichtete Steuerbeträge, der § 42 EStG 1958 jedoch rechtmäßig entrichtete Steuerbeträge zum Gegenstand hat, wird auch von Hübschmann-Hepp-Spitaler (a. a. O.) und von Tipke-Kruse (a. a. O., 2. bis 4. Aufl., § 152 AO Rdnr. 4) übersehen. Vor der gesetzlichen Regelung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs durch den § 42 EStG 1958 war allerdings streitig, ob auch rechtmäßig einbehaltene Lohnsteuerbeträge im Sinne des § 152 AO als "zu Unrecht entrichtet" anzusehen seien, wenn die nach dem Jahresarbeitslohn errechnete Lohnsteuer niedriger war als die Summe der Abzugsbeträge (vgl. Tipke-Kruse, a. a. O.). Der Gedanke, den § 152 AO auch auf solche rechtmäßig einbehaltene Lohnsteuerbeträge anzuwenden, hatte aber seinen Grund allein darin, daß das Gesetz keine Regelung des Problems enthielt, ob der Lohnsteuerschuldner nach Ablauf des Jahres verlangen kann, auf den Gesamtbetrag der Lohnzahlungen nachträglich die ihm günstigeren Sätze der Lohnsteuerjahrestabelle anzuwenden. Der § 42 EStG 1958 hat somit lediglich eine Gesetzeslücke geschlossen und kann daher entgegen der Auffassung von Tipke-Kruse (a. a. O.) nicht als lex specialis zu § 152 AO angesehen werden.

Es kann dahinstehen, ob die im Rechtsstreit eines anderen Steuerpflichtigen ergangene Entscheidung des BFH vom März 1965 eine ausreichende Grundlage für die Auffassung bot, die in Rede stehenden Zuschüsse seien auch beim Kläger zu Unrecht dem Lohnsteuerabzug unterworfen worden. Denn selbst wenn man dieser Auffassung folgt und annimmt, daß der Kläger gemäß § 152 Abs. 1 und 2 Nr. 1 AO einen Anspruch auf Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Beträge erworben hatte, erweist sich die auf § 152 Abs. 3 AO gestützte Ablehnung des vom Kläger erstmals im Dezember 1965 für die Lohnsteuerabzugsbeträge aus den Jahren 1955 bis 1963 gestellten Erstattungsantrags durch das FA als rechtmäßig.

Dem Wortlaut des § 152 Abs. 3 AO zufolge erlischt der Anspruch auf Erstattung, falls nichts anderes bestimmt ist, wenn er nicht bis zum Ablauf des Kalenderjahres geltend gemacht wird, "das auf die Entrichtung folgt". Die Vorschrift ist bereits vom RFH in den Urteilen VI 315/40 vom 22. Januar 1941 (RStBl 1941, 210) und VI 130/42 vom 9. Oktober 1942 (RStBl 1942, 981) dahin ausgelegt worden, daß der Lauf der Ausschlußfrist erst beginnt, wenn der Erstattungsberechtigte die anspruchsbegründenden Ereignisse erkennen konnte und mußte. Dieser Auslegung hat sich der erkennende Senat in seinen Urteilen VI 136/55 U vom 5. April 1957, VI 90/63 U vom 29. Januar 1965 und VI R 27/66 vom 12. April 1967 (a. a. O.) angeschlossen, weil eine enge, wortgemäße Auslegung der Vorschrift zu unbilligen Ergebnissen führen würde, wenn der Erstattungsberechtigte ohne eigenes Verschulden erst spät von der Rechtswidrigkeit der Steuerentrichtung erfahren hat und darum den Erstattungsanspruch nicht früher geltend machen konnte (Entscheidung VI 90/63 U vom 29. Januar 1965, a. a. O.). Gesetze sind zwar grundsätzlich nach ihrem Wortlaut und nach dem Sinnzusammenhang auszulegen, in den sie hineingestellt sind. Eine Abweichung vom Wortlaut ist jedoch zulässig und geboten, wenn dadurch zugunsten des Steuerpflichtigen ein unsinniges Ergebnis vermieden wird (vgl. BVerfGE 1, 299; 11, 126, 130; 13, 261, 268; BFH-Urteile VI 162/55 U vom 14. Februar 1958, BFH 66, 539, BStBl III 1958, 207; VI 319/60 U vom 6. Dezember 1961, BFH 74, 328, BStBl III 1962, 126; II 196/61 U vom 26. Juni 1963, BFH 77, 227, BStBl III 1963, 402, und IV 26/62 S vom 21. Februar 1964, BFH 78, 490, BStBl III 1964, 188).

Der Lauf der Frist für den Antrag auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Steuerbeträge begann im vorliegenden Fall jeweils mit dem Steuerabzug. Denn nur dieser kann als das Ereignis angesehen werden, das im Falle seiner Rechtswidrigkeit einen Erstattungsanspruch begründet hat. Durch das Urteil des BFH vom März 1965 konnte allenfalls nur nachträglich festgestellt werden, daß Zuschüsse der in Rede stehenden Art von Rechts wegen nicht dem Lohnsteuerabzug unterlagen und ein gleichwohl vorgenommener Abzug einen Erstattungsanspruch begründet hatte. Einen Erstattungsanspruch konnte das Urteil selbst nicht begründen. Das FG hat bereits festgestellt, daß der Kläger mindestens in der Lage war, jederzeit den Zufluß und die Besteuerung der Zuschüsse zu erkennen. Der Kläger hat in bezug auf diese Feststellung keine Revisionsgründe vorgebracht und darüber hinaus sogar zum Ausdruck gebracht, daß ihm der Zufluß und die Besteuerung der Zuschüsse von Anfang an stets bekannt waren. Der Maßgeblichkeit des Steuerabzuges für den Fristbeginn stand nicht der Umstand entgegen, daß der Kläger den Steuerabzug zunächst für rechtmäßig hielt und auch für rechtmäßig halten durfte. Denn im Rahmen des § 152 Abs. 3 AO geht eine unrichtige rechtliche Beurteilung des anspruchsbegründenden Ereignisses zu Lasten des Steuerpflichtigen (BFH-Entscheidung VI R 27/66 vom 12. April 1967, a. a. O.). Es ist daher unerheblich, daß der Kläger erst durch das BFH-Urteil vom März 1965 zu einer Prüfung der Rechtmäßigkeit des Steuerabzuges veranlaßt wurde. Wenn also der in den Jahren 1955 bis 1963 vorgenommene Steuerabzug rechtswidrig war, erloschen die Ansprüche auf Erstattung der Abzugsbeträge gemäß § 152 Abs. 3 AO jeweils mit Ablauf des auf den Abzug folgenden Kalenderjahres.

Da nach der Rechtsprechung des BFH für den Lauf der Ausschlußfrist des § 152 Abs. 3 AO die Kenntnis des Steuerpflichtigen von dem anspruchsbegründenden Ereignis auch dann maßgebend ist, wenn der Steuerpflichtige das Ereignis rechtlich falsch beurteilt (vgl. BFH-Entscheidung VI R 27/66 vom 12. April 1967, a. a. O.), besteht kein Anlaß, aus anderen Vorschriften eine zusätzliche Begrenzung für Ansprüche auf Erstattung von Lohnsteuerabzugsbeträgen abzuleiten. Gegenüber dem Versuch des FG, für solche Ansprüche eine "sachliche" Grenze aus § 222 AO abzuleiten, ist im übrigen darauf hinzuweisen, daß diese Vorschrift eine durch schriftlichen Bescheid abgeschlossene Veranlagung voraussetzt und somit von einer mit dem Lohnsteuerabzug nicht vergleichbaren Verfahrenslage ausgeht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69446

BStBl II 1971, 428

BFHE 1971, 527

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