Entscheidungsstichwort (Thema)

Spediteur als Zollschuldner

 

Leitsatz (NV)

1. Zollschuldner nach § 58 Abs. 2 ZG a. F. ist derjenige, dem das Zollgut freigegeben worden ist; als Adressat der Freigabe kommt nur der Zollbeteiligte in Betracht.

2. Es muß nicht davon ausgegangen werden, daß ein Speditionsunternehmen, das bei der Zollabfertigung tätig geworden ist, von vornherein erkennbar in fremdem Namen gehandelt hat. Sein Tätigwerden wird dem Dritten vielmehr nur dann zugerechnet, wenn dieser dem Spediteur Vollmacht erteilt hat.

 

Normenkette

ZG § 36 Abs. 3, § 58 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 a. F

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt - HZA -) fertigte in der Zeit vom 8. Februar bis 7. September 1979 29 Sendungen mit Geweben aus Baumwolle und Zellwolle zum freien Verkehr ab. Die Zollanträge hatte die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) in 13 Fällen im Auftrag der Firma R., in den übrigen Fällen im Auftrag der Firma B. unterzeichnet. Die Zollstellen gingen zunächst unter Anerkennung der vorgelegten Präferenznachweise jeweils davon aus, daß die Waren zollfrei seien, und erhoben lediglich Einfuhrumsatzsteuer. Mit zwei Steueränderungsbescheiden vom 7. November 1980 in der Fassung der Einspruchsentscheidungen vom 21. und 26. Januar 1982 erhob das HZA Eingangsabgaben nach (787 641 DM Zoll- und 94 854,50 DM Einfuhrumsatzsteuer). Es ging dabei davon aus, daß die bei den Zollabfertigungen zum Nachweis für den Gemeinschaftscharakter der Gewebe vorgelegten Versandpapiere T 2 L und T 2 nicht anerkannt werden könnten und die Klägerin nach § 10 Abs. 3 des Zollgesetzes (ZG) Zollbeteiligter sei, da sie die Zollanträge als Vertreter ohne Vertretungsmacht gestellt habe.

Die beiden Klagen der Klägerin gegen die genannten Bescheide wies das Finanzgericht (FG) mit den Urteilen vom 29. Januar 1985 XI (II) 28/82 Z und XI (II) 29/82 Z mit folgender Begründung ab:

Die Gewebe seien unverzollt freigegeben worden, obwohl nach § 36 Abs. 3 ZG Zoll zu erheben gewesen wäre, weil die Voraussetzungen für die Behandlung als Gemeinschaftsware nicht vorgelegen hätten. Von ausländischen Dienststellen sei unstreitig bestätigt worden, daß die vorgelegten Versandpapiere nicht den Erfordernissen ihrer Richtigkeit und ihrer Echtheit entsprächen. Damit sei der Anschein, daß gültige Versandpapiere vorgelegen hätten, beseitigt oder, wenn man von zunächst gültigen Versandpapieren ausgehe, der erforderliche Bestätigungsvermerk durch die ausländischen Dienststellen widerrufen worden. Die Klägerin sei infolgedessen nicht aufgrund der vorgelegten Versandpapiere davon befreit, den Gemeinschaftscharakter der Gewebe nachzuweisen. Den erforderlichen Nachweis habe die Klägerin nicht erbracht. Die vom HZA mit den Akten vorgelegten Unterlagen sprächen dafür, daß die Gewebe aus Rumänien stammten und sich nie in Italien im freien Verkehr befunden hätten.

Die Klägerin sei auch Schuldnerin der Eingangsabgaben geworden, weil das Zollgut ihr freigegeben oder überlassen worden sei. Insbesondere sei Überlassungsempfänger nicht ihr Auftraggeber oder der Empfänger der Ware gewesen. Die Klägerin habe die Zollanträge im Namen der Firma R. bzw. der Firma B. gestellt. Diese Firmen hätten ihr jedoch keine Verzollungsvollmacht erteilt. Im Auftragsschreiben der Firma R. vom 6. Dezember 1978 habe die Verzollung im Namen der Firma B. erfolgen sollen. Die Firma R. habe dieses Schreiben nicht widerrufen. Weder die Firma R. noch die Firma B. habe der Klägerin oder ihrer Auftraggeberin eine Vollmacht erteilt.

Die Eingangsabgaben seien richtig berechnet worden. Die angefochtenen Bescheide enthielten auch sonst keine Fehler, die ihre Änderung oder Aufhebung erforderlich gemacht hätten.

Mit ihren Revisionen trägt die Klägerin folgendes vor:

Das FG habe die Klagen in erster Linie deshalb abgelehnt, weil sie, die Klägerin, als Vertreterin ohne Vertretungsmacht gehandelt hätte. Das FG habe sich jedoch nicht zu ihren Ausführungen im Einspruchsverfahren über die Duldungs- bzw. Anscheinsvollmacht geäußert. Auf diese Ausführungen werde Bezug genommen. Erteile der Einführer dem Spediteur einen Verzollungsauftrag, ohne eine wörtliche Verzollungsvollmacht zur Vertretung gegenüber der Zollverwaltung zu erteilen, so gelte für die Frage, ob eine Vollmacht erteilt worden sei oder nicht, der objektive Erklärungswert unter Berücksichtigung der bei Spediteuren üblichen Abwicklung der Verzollungsangelegenheiten (§ 122 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Kein Spediteur, der einen Zollantrag im Auftrag einer Importfirma stelle, komme unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessenlage auf den Gedanken, selbst Zollbeteiligter und damit Haftender zu werden, zumal er nur eine äußerst geringfügige Provision für seine Tätigkeit erhalte und keinen Versicherungsschutz bekomme. Bei Berücksichtigung der Interessenlage hätte das FG von einer Duldungs- bzw. Anscheinsvollmacht ausgehen müssen. Die Firma B. habe ausweislich der Ermittlungsakten laufend die Frachten, Zölle und Einfuhrumsatzsteuer bezahlt, wobei sie Kenntnis davon gehabt habe, daß sie, die Klägerin, in ihrem Namen die Verzollungsanträge gestellt habe. Das habe auch die Zollbehörde gewußt. Nur irrtümlich habe sie in einigen Fällen die Zollanträge im Namen der Firma R. gestellt. Des weiteren berufe sie sich auch auf das Urteil des FG Hamburg vom 18. Mai 1983 IV 162/81 (Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern - ZfZ - 1984, 16). Das FG habe auch den Grundsatz der Subsidiarität mißachtet.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie die angefochtenen Bescheide aufzuheben, hilfsweise, das HZA zu verpflichten, erneut über ihre, der Klägerin, Inanspruchnahme zu entscheiden.

Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind nicht begründet.

1. Das HZA hat zu Recht mit den angefochtenen Bescheiden Zoll nacherhoben.

a) Wird Zollgut, das nicht zollfrei ist, entgegen § 36 Abs. 3 ZG unverzollt freigegeben, so entsteht dafür mit der Freigabe eine Zollschuld (§ 58 Abs. 1 Satz 1 ZG i.d.F. vor Inkrafttreten des 17. Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes vom 12. September 1980, BGBl I 1980, 1695). Mit den ursprünglichen Bescheiden wurden die eingeführten Waren - die nach § 5 ZG Zollgut geworden waren - entgegen § 36 Abs. 3 ZG unverzollt freigegeben. Denn es hätte Zoll für die Waren erhoben werden müssen, da für diese, wie das FG - für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) - festgestellt hat, die Gemeinschaftseigenschaft i. S. der Art. 9 und 10 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) nicht feststeht (vgl. auch Beschluß des Senats vom 2. Juli 1987 VII R 112/83, BFHE 150, 240, 242, Nr. 1 der Gründe).

b) Zollschuldner ist nach § 58 Abs. 2 ZG a. F. derjenige, dem das Zollgut freigegeben oder überlassen worden ist. Als Adressat der Freigabe kommt nur der Zollbeteiligte in Betracht (Senatsurteil vom 2. April 1987 VII R 60/84, BFHE 150, 93, 95, mit Hinweisen). Zollbeteiligte war in den streitbefangenen Einfuhrfällen jeweils die Klägerin. Denn da sie nach den - für den Senat bindenden - Feststellungen des FG den Zollantrag für die Firma B. bzw. für die Firma R. gestellt hatte, ohne dazu die Vertretungsmacht zu haben, gilt sie nach § 10 Abs. 3 ZG als Zollbeteiligte.

c) Im Gegensatz zur Auffassung der Revision mußte die Vorinstanz nicht davon ausgehen, daß die Klägerin als ein Speditionsunternehmen von vornherein erkennbar in fremdem Namen gehandelt habe. Stellt ein Spediteur Zollanträge namens eines Dritten, so wird sein Tätigwerden dem Dritten nur zugerechnet, wenn dieser dem Spediteur Vollmacht erteilt hatte; andernfalls gilt der Spediteur - dann Vertreter ohne Vertretungsmacht -, ohne Rücksicht auf seinen Willen, in fremdem Namen zu handeln, selbst als Zollbeteiligter (BFHE 150, 93, 96). Auch auf eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht seitens der genannten beiden Unternehmen kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. Die Berücksichtigung einer solchen Vollmacht verbietet sich jedenfalls deswegen, weil der Vertretene schon bei der Duldungsvollmacht keinen Bevollmächtigungswillen hat; fehlt ein solcher Wille - erst recht bei der Anscheinsvollmacht - so kann der Vertretene nicht in die Stellung als Zollbeteiligter und ggf. als Zollschuldner gedrängt werden (BFHE 150, 93, 97).

Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auf das Urteil des FG Hamburg in ZfZ 1984, 16. Denn dieses FG ist davon ausgegangen, daß in dem von ihm entschiedenen Fall in einem anderen Mitgliedstaat bereits eine Zollschuld entstanden war. Im vorliegenden Fall hat das FG Entsprechendes nicht festgestellt. Der Mangel dieser Feststellungen des FG ist von der Revision nicht angegriffen worden (vgl. im übrigen auch Senatsbeschluß in BFHE 150, 240).

Soweit sich die Klägerin auf das Subsidiaritätsprinzip beruft, will sie wohl zum Ausdruck bringen, daß das HZA verpflichtet gewesen wäre, zunächst nur einen Dritten für die fragliche Zollschuld in Anspruch zu nehmen (vgl. auch Absatz 63 der Dienstanweisung zur Versand-Verordnung, Vorschriften der Bundesfinanzverwaltung - VSF - Z 3510). Die Klägerin verkennt, daß sie im vorliegenden Fall als Schuldnerin und nicht als Haftende in Anspruch genommen wird.

2. Die Ausführungen unter Nr. 1 gelten entsprechend für die Einfuhrumsatzsteuer (vgl. § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1973). Die Befugnis des HZA zur Änderung der ursprünglichen Steuerbescheide beruht auf § 172 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977.

3. Das FG hat entschieden, daß das HZA die Eingangsabgaben richtig berechnet und die angefochtenen Bescheide auch sonst keine Fehler aufweisen. Die Revision hat dies nicht gerügt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415552

BFH/NV 1988, 746

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