Leitsatz (amtlich)

Auch dann, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer ein Wirtschaftsgut nicht bewußt und gewollt unter dem Verkehrswert überlassen hat, kann ein steuerpflichtiger geldwerter Vorteil aus dem Dienstverhältnis angenommen werden, wenn aus den gesamten Umständen bei objektiver Betrachtung zu schließen ist, daß der Vorteil gerade im Hinblick auf das Dienstverhältnis gewährt worden ist.

 

Normenkette

EStG 1965 § 19 Abs. 1, § 8 Abs. 2; LStDV 1965 § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 3 Abs. 1

 

Tatbestand

Der verstorbene Ehemann und Vater der Kläger und Revisionskläger (Kläger) - B - war kaufmännischer Angestellter und Prokurist der A-GmbH (GmbH) in K.

Er wohnte mit seiner Familie seit 1935 in einem der GmbH gehörenden Hausgrundstück in H.

Zu Beginn des Streitjahres 1966 stellte die GmbH, offenbar auf Beschluß des Vorstandes ihrer Muttergesellschaft (AG), ihren Grundbesitz in H, darunter das von B bewohnte Hausgrundstück nebst den anliegenden unbebauten Grundstücken zum Verkauf. Es kam zu Verkaufsverhandlungen, die von mehreren Angehörigen der Konzernleitung geführt wurden und schließlich dazu führten, daß der Ingenieur X in H mit der Schätzung der Grundstücke beauftragt wurde. Er kam in seinem Gutachten zu einem Verkaufswert von 90 000 DM. B hielt diesen Betrag mit Rücksicht darauf für zu hoch, daß er nach der Währungsreform eigene Mittel in das Haus investiert habe und die Kellerisolierung schadhaft sei. Nach weiteren Verhandlungen erhielt er die Grundstücke aufgrund notariellen Kaufvertrags vom 28. April 1966 für 75 000 DM. Da dem Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) dieser Preis zu niedrig erschien, veranlaßte es eine Schätzung durch Bausachverständige der Finanzverwaltung. Sie kamen zu einem Wert von 158 600 DM. Eine vom FA später eingeholte Begutachtung durch die zuständige Geschäftsstelle des Gutachterausschusses für Grundstückswerte gelangte in einem Schätzungsgutachten zu einem Gesamtverkehrswert von 177 600 DM.

In der Differenz von 102 600 DM zwischen diesem Schätzungsbetrag und dem vereinbarten Kaufpreis von 75 000 DM sah das FA steuerpflichtigen Arbeitslohn des B. Die Veranlagung zur Einkommensteuer 1966 wurde entsprechend durchgeführt.

Die Sprungklage blieb erfolglos. Das FG vernahm zwei Mitglieder der Leitung der AG, G und N, und holte ein Gutachten eines Hausmaklers in H ein. Dieser schätzte den Verkehrswert des Grundstücks auf 150 000 DM. Das FG sah die Differenz zwischen 75 000 DM und 150 000 DM als steuerpflichtigen Arbeitslohn an. Es führte aus, der geldwerte Vorteil sei dem Käufer mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zugeflossen; denn nur aus dem Dienstverhältnis und dem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer seit Jahrzehnten bestehenden Mietverhältnis sei zu erklären, daß der Grundbesitz, der "bestmöglichst" verkauft werden sollte, nicht z. B. durch Einschaltung eines Hausmaklers oder durch Zeitungsanzeigen auf dem freien Markt angeboten worden sei. Deshalb habe sich die AG auch nicht um andere Kaufinteressenten bemüht, sondern allein mit B verhandelt. Daß der Kaufpreis allein auf der Basis des von X geschätzten Wertes ausgehandelt worden sei, habe seine Ursache ausschließlich darin, daß die Grundstückseigentümerin den langjährigen Angestellten und Prokuristen und jahrzehntelangen Bewohner ihres Anwesens als allein in Betracht kommenden Käufer angesehen habe, vorausgesetzt, daß er einen angemessenen Preis zahle. Währe B nicht Arbeitnehmer der GmbH gewesen, so wäre es nicht zu Verhandlungen zwischen ihm und den Zeugen G und N und zum Abschluß des Kaufvertrages gekommen. Insbesondere wäre wohl auch mindestens versucht worden, den von X geschätzten Wert von 90 000 DM zu realisieren, zumal in diesem Gutachten die baulichen Schäden bereits berücksichtigt worden seien. Wie der BFH im Urteil vom 21. Juni 1968 VI R 135/66 (BFHE 93, 33, BStBl II 1968, 698) zutreffend ausgeführt habe, lägen bei der Überlassung von Wirtschaftsgütern hinsichtlich des Preisvorteils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vor, wenn der Vorteil gerade im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis gewährt werde. "Gerade im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis" bedeute aber nicht, daß der Vorteil vom Arbeitgeber bewußt gewährt worden sein müsse. Entscheidend sei vielmehr der Umstand, daß B den Grundbesitz von seinem Arbeitgeber zum ausgehandelten Preise erhalten habe, weil er dessen Arbeitnehmer gewesen sei und als solcher seit Jahren darin wohnte, so daß ein anderer Käufer gar nicht in Erwägung gezogen worden sei. Die Frage, ob ein geldwerter Vorteil gewährt worden sei, könne, wie der BFH mehrfach entschieden habe, nur nach objektiven Gesichtspunkten beurteilt werden.

Mit der Revision beantragen die Kläger, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Steuerbescheid des FA dahin abzuändern, daß die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nur 30 077 DM betragen und daß dementsprechend die Einkommensteuerschuld neu festgesetzt werde. Zur Begründung wird u. a. ausgeführt, selbst wenn man zunächst von der Rechtsprechung des BFH ausgehe, daß nur nach objektiven Merkmalen beurteilt werden könne, ob und inwieweit einem Arbeitnehmer ein Vorteil aus dem Dienstverhältnis gewährt worden sei, sei festzustellen, daß dem FG bei der Anwendung dieser Rechtsprechung des BFH Denkfehler im logischen Ablauf unterlaufen seien. Logisch müsse zuerst geprüft werden, ob überhaupt von seiten des Arbeitgebers ein Vorteil "gerade im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis" (Urteil VI R 135/66) gewährt worden sei. Werde festgestellt, daß die "Vorteilsgewährung" nicht gerade im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis erfolgt sei, entfalle jede weitere Prüfung der Frage, ob dies objektiv oder subjektiv geschehen sei. Wenn der Sachbezug nur bei Gelegenheit des Arbeitsverhältnisses, nicht aber wegen des Arbeitsverhältnisses und aus dem Arbeitsverhältnis erfolge, liege kein verdeckter Arbeitslohn vor. Für den Streitfall habe das FG selbst ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, daß der vereinbarte Kaufpreis von der Tatsache beeinflußt worden sei, daß B Prokurist und langjähriger Angestellter der Grundstücksverkäuferin war. Diese Feststellung beruhe auf der Aussage der Zeugen. G habe bekundet, er habe beim Grundstücksverkauf mit B so verhandelt, wie er es mit jedem Dritten auch getan hätte. Er habe keinen Anlaß gehabt, B etwa deshalb, weil er Prokurist bei einer Tochtergesellschaft war, einen besonderen Vorteil zukommen zu lassen. Die weiteren Ausführungen des FG, die es zu dem Schluß geführt hätten, der geldwerte Vorteil sei dem Käufer mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zugeflossen, seien lediglich Schlüsse und bloße Vermutungen, die nicht von der Sachverhaltsfeststellung getragen würden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Arbeitslohn sind nach § 2 Abs. 1 LStDV alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Einnahmen sind alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen. Es ist gleichgültig, ob es sich dabei um einmalige oder laufende Einnahmen handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und unter welcher Bezeichnung oder Form sie gewährt werden. Zum Arbeitslohn gehören nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 LStDV neben Gehältern, Löhnen, Provisionen und Gratifikationen auch andere Bezüge und Vorteile aus einem Dienstverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des RFH, Obersten Finanzgerichtshofs und BFH gehört zu den "anderen Vorteilen" außer der in § 3 LStDV ausdrücklich angesprochenen unentgeltlichen Überlassung von Gegenständen auch deren verbilligte Überlassung. So hat der RFH schon im Urteil vom 6. November 1929 VI A 1636/28 (RStBl 1930, 106) entschieden, daß dann, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer einen Gegenstand zu einem ungewöhnlich niedrigen Preis verkauft, in Höhe des Unterschieds zwischen dem angesetzten und dem üblichen Kaufpreis grundsätzlich die Zuwendung eines steuerpflichtigen geldwerten Vorteils zu sehen ist. Für den hiernach anzustellenden Preisvergleich kommt es dabei allein auf die Anlegung objektiver Merkmale an; die Einstellung und die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers haben außer Betracht zu bleiben (vgl. u. a. BFH-Urteil vom 2. Oktober 1968 VI R 64/68, BFHE 94, 23, BStBl II 1969, 73). Der BFH hat die angeführten Erwägungen des RFH im Urteil VI R 135/66 dahin präzisiert, daß dann, wenn dem Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber ein Gegenstand verbilligt überlassen wird, zur Annahme eines steuerpflichtigen geldwerten Vorteils aus dem Arbeitsverhältnis erforderlich ist, daß die Gewährung gerade im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis erfolgt. Dabei wird vor allem bei einem großen Wertunterschied zwischen Kaufpreis und Verkehrswert, insbesondere bei wertvollen Gegenständen, in vielen Fällen die Vermutung zunächst klar für das Vorliegen von Arbeitslohn sprechen.

Die Zuwendung eines geldwerten Vorteils kann auch vorliegen, wenn der Arbeitgeber Gegenstände an seinen Arbeitnehmer zu verbilligten Preisen verkauft. Der Vorteil besteht in solchen Fällen im Unterschiedsbetrag zwischen dem vom Arbeitnehmer an den Arbeitgeber gezahlten Preis und dem üblichen Mittelpreis, den der Arbeitnehmer sonst zum Erwerb des Gegenstandes aufwenden müßte. Für den Streitfall bedeutet dies, daß ein geldwerter Vorteil dann anzunehmen ist, wenn der Kläger, falls er nicht Arbeitnehmer der GmbH gewesen wäre, für das Wirtschaftsgut vermutlich einen höheren Preis als den vereinbarten hätte zahlen müssen. Läßt sich nämlich feststellen, daß er einen höheren Preis hätte bezahlen müssen, ist daraus zu schließen, daß die Ursache für den niedrigeren Preis im Arbeitsverhältnis des B lag, der geldwerte Vorteil also "aus dem Dienstverhältnis" zugeflossen ist.

Die Feststellung, ob im Einzelfall bei obejektiver Betrachtung die Überlassung eines Gegenstandes an den Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber unter dem Verkehrswert einen steuerpflichtigen geldwerten Vorteil darstellt, ist Sache der Tatsachenwürdigung, die dem FG als Tatsacheninstanz obliegt. Der BFH ist an die Tatsachenfeststellung und ihre Würdigung durch das FG gebunden, es sei denn, daß gegen diese Feststellungen und gegen die Würdigung zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht werden, insbesondere wenn sie gegen die Denkgesetze oder die Lebenserfahrung verstoßen. Dabei genügt es nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, wenn das FG zu seinem Ergebnis kommen konnte. Daß es hierzu kommen mußte, daß es also das einzig mögliche Ergebnis war, ist nicht erforderlich.

Es kann nicht zweifelhaft sein, daß der von dem Ingenieur X errechnete Schätzwert nicht dem Verkehrswert entspricht. Für die Entscheidung des Streitfalles ist es dabei unerheblich, worauf die - am Verkehrswert gemessene - zu niedrige Schätzung beruht.

Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, genügt die Feststellung, daß dem Arbeitnehmer ein Grundstück unter dem Verkehrswert überlassen worden ist, für sich allein nicht für Annahme eines steuerpflichtigen geldwerten Vorteils aus dem Arbeitsverhältnis. Es muß nach dem BFH-Urteil VI R 135/66 hinzukommen, daß die Gewährung des Vorteils gerade im Hinblick auf das Dienstverhältnis erfolgt ist. Zur Feststellung, ob dieser Sachverhalt gegeben ist, ist nicht erforderlich, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bewußt und gewollt einen Vorteil zuwenden wollte. Es genügt, daß der Vorteil gewährt worden ist und daß bei objektiver Betrachtung anzunehmen ist, hierfür sei das Dienstverhältnis wesentlich maßgebend gewesen.

Im Streitfall hat das FG festgestellt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, daß der Arbeitgeberin nicht bekannt gewesen sei, daß die Grundstücke einen höheren als den von X geschätzten Wert hatten und daß sie B den Grundbesitz nicht unter Preis überlassen wollte. Jedenfalls könne nicht festgestellt werden, daß der vereinbarte Kaufpreis von der Tatsache beeinflußt worden sei, daß B Prokurist und langjähriger Angestellter der GmbH war. Diese Würdigung entspricht dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Sie genügt aber für sich allein nicht zur Verneinung eines geldwerten Vorteils. Entscheidend sind die weiteren Merkmale, aus denen das FG auf eine Vorteilsgewährung aus dem Dienstverhältnis schließt. Die Ausführungen des FG, die es dazu geführt haben, aus weiteren Umständen gleichwohl auf eine Vorteilsgewährung aus dem Dienstverhältnis zu schließen, sind frei von Rechtsirrtum. Es kann den Klägern nicht beigepflichtet werden, wenn sie hinsichtlich dieser Ausführungen einen Denkfehler des FG annehmen. Das FG hat lediglich aus dem gesamten Ablauf der Verkaufsverhandlungen Schlüsse gezogen, die es zur Annahme eines geldwerten Vorteils geführt haben. "Tatsächlich festgestellt" im Sinne des § 118 Abs. 2 FGO und damit für das Revisionsgericht bindend ist der Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde gelegt ist, insbesondere auch die auf belastender Unterstellung beruhenden Feststellungen (ebenso von Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Anm. 27).

Nur solche Feststellungen bzw. Würdigungen hat das FG getroffen. Wenn das FG aus der Beweisaufnahme andere Schlüsse zieht als der Steuerpflichtige, so bedeutet das nur, daß es zu einer anderen Würdigung gekommen ist. Einen Denkfehler vermag der Senat in der dargelegten Würdigung des FG nicht zu erkennen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71218

BStBl II 1975, 182

BFHE 1975, 56

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