Leitsatz (amtlich)

Zinsen aus einer schenkweise abgetretenen Eigentümergrundschuld sind keine Schuldzinsen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1967. Wird eine solche Grundschuld einem volljährigen unterhaltsberechtigten Angehörigen geschenkt, so steht der Geltendmachung von Zinsen als Sonderausgaben das Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG entgegen.

 

Normenkette

EStG 1967 § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Nr. 2; BGB §§ 1191, 1196

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer eines selbstgenutzten Einfamilienhauses. Er ließ in Abt. III des Grundbuches eine Grundschuld von 30 000 DM, verzinslich mit 6 % jährlich, für sich als Eigentümer eintragen. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 27. März 1962 schenkte er diese Eigentümergrundschuld seiner volljährigen Tochter, die die Schenkung annahm. Der Kläger beantragte, bei der Einkommensteuerveranlagung 1967 die an seine Tochter gezahlten Zinsen aus der Grundschuld in Höhe von 1 800 DM als Sonderausgaben abzuziehen. Er begehrte ebenfalls einen Pauschbetrag nach § 33 a EStG für den Unterhalt und die Berufsausbildung seiner Tochter für die Zeit vom 1. Januar 1967 bis 30. September 1967.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 1967 die Zinsaufwendungen in Höhe von 757 DM (bis zu 3,5 % des Einheitswerts des Grundstücks) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Es gewährte dem Kläger außerdem einen Freibetrag nach § 33 a EStG von 720 DM. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FA erhöhte vielmehr die Einkommensteuer 1967; denn es ließ die Zinsaufwendungen nicht mehr zum Abzug zu, da sich herausgestellt habe, daß die Grundschuld in keinem Zusammenhang mit den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung ständen und die Zinszahlungen nach § 12 Nr. 2 EStG nicht als Sonderausgaben berücksichtigungsfähig seien. Es erhöhte aber andererseits den Freibetrag nach § 33 a EStG für die Unterstützung der Tochter in den Monaten Januar bis September 1967 auf 900 DM.

Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG führte aus, die Schenkung der Grundschuld sei bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht als Unterhaltsleistung anzusehen. Sie sei nicht als Steuerumgehung unter Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne des § 6 StAnpG zu werten. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger und seine Tochter neben dem Schenkungsvertrag noch ein Darlehen gemäß § 607 Abs. 2 BGB oder die unmittelbare Verzinsung der Grundschuld gewollt hätten. Denn die Grundschuldzinsen seien nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG Schuldzinsen; sie stellten das Entgelt dafür dar, daß die Beschenkte, die Tochter, dem Kläger die Kapitalnutzung belassen habe. Dem Kläger könne jedoch kein Freibetrag nach § 33 a EStG wegen des Unterhalts seiner Tochter gewährt werden. Die Belastung sei dem Kläger nicht zwangsläufig erwachsen, da seine Tochter ein hinreichendes eigenes Vermögen, nämlich die ihr geschenkte Grundschuld von 30 000 DM, besessen habe.

Mit der vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassenen Revision rügt das FA unrichtige Anwendung der §§ 10 und 12 EStG. Es beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.

1. Nach § 1191 BGB kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, daß an den, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme und gegebenenfalls auch Zinsen von dieser Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen sind (Grundschuld). Gemäß § 1196 BGB kann eine Grundschuld auch für den Eigentümer bestellt werden. Eine Eigentümergrundschuld kann wie eine Fremdgrundschuld abgetreten werden. Sie wird dann zur Fremdgrundschuld. Eine Grundschuld ist ihrem dinglichen Inhalt nach von einer etwa bestehenden schuldrechtlichen Forderung unabhängig. Das Grundgeschäft kann in einem Kauf, Tausch oder einem ähnlichen Geschäft bestehen. Das Grundgeschäft für die Abtretung einer Eigentümergrundschuld kann auch eine Schenkung sein. Die Abtretung der Grundschuld ist dann die Erfüllung des Schenkungsversprechens im Sinne des § 518 Abs. 2 BGB, wenn die Grundschuld selbst Gegenstand des Schenkungsversprechens ist (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 33. Aufl., § 1191 Anm. 2 a). Ein solcher Fall liegt hier vor. Nach dem notariellen Vertrag vom 27. März 1962 hat der Kläger seiner Tochter eine Eigentümergrundschuld im Wege der Abtretung geschenkt, und er hat diese Schenkung durch Übergabe des Grundschuldbriefes vollzogen.

Die vom Kläger bei der Einkommensteuerveranlagung 1967 geltend gemachten Zinsen von 1 800 DM aus der Grundschuld können jedoch nicht als Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1967 vom Einkommen abgezogen werden. Sie sind, wie das FA zu Recht hervorhebt, schon begrifflich keine Schuldzinsen im Sinne dieser Vorschrift. Nach ständiger Rechtsprechung des RFH und des BFH (vgl. insbesondere das Urteil des erkennenden Senats vom 6. Juli 1973 VI R 379/70, BFHE 110, 336, BStBl II 1973, 868) sind Schuldzinsen Leistungen in Geld oder Geldeswert, die ein Schuldner für die Überlassung (Nutzung) von Kapital an den Gläubiger zu erbringen hat. Als Sonderausgaben abzugsfähige Schuldzinsen setzen daher die darlehensweise Überlassung von Kapital voraus. Die Tochter hat dem Kläger im Streitfall kein Darlehen gegeben. Sie hat dem Vater überhaupt kein Kapital zur Verfügung gestellt, sondern lediglich das angenommen, was der Vater ihr geschenkt hat, nämlich die ihr abgetretene Eigentümergrundschuld.

2. Dem Abzug der vom Kläger geltend gemachten Zinsen steht außerdem § 12 Nr. 2 EStG entgegen. Nach dieser Vorschrift können Zuwendungen an eine gegenüber dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gesetzlich unterhaltsberechtigte Person oder deren Ehegatten weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, auch wenn sie auf einer besonderen Vereinbarung beruhen.

Über das Verhältnis dieser Vorschrift zu § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG hat der Senat im Urteil vom 6. November 1970 VI R 94/69 (BFHE 100, 456, BStBl II 1971, 99) ausgeführt § 12 Nr. 2 EStG habe mindestens eine eigenständige Bedeutung, wenn nicht sogar den Charakter einer Ausnahmevorschrift. Der in § 12 Nr. 2 EStG verwendete Nebensatz bringt danach zum Ausdruck, daß der im Vorhandensein einer gesetzlichen Unterhaltsberechtigung liegende Grund für das Abzugsverbot nicht dadurch beiseite geschoben werden kann, daß die Beteiligten den Zuwendungen eine besondere Vereinbarung zugrunde legen. Diese gesetzliche Regelung bezweckt, eine den Zuwendungen zugrunde liegende Vereinbarung nicht zu beachten; sie stellt sich somit als ein Hindernis für eine Umgehung des allein auf das Vorliegen einer gesetzlichen Unterhaltsberechtigung abgestellten Verbots dar. Es kommt mithin nur auf das Vorliegen einer potentiellen Unterhaltsberechtigung, nicht aber darauf an, ob Leistungen tatsächlich in Erfüllung von Unterhaltspflichten erbracht worden sind (vgl. auch Urteil des Senats vom 13. Juli 1973 VI R 222/71, BFHE 110, 167, BStBl II 1973, 776; ebenso BFH-Urteil vom 30. Januar 1974 I R 16/72, BFHE 111, 336).

Das gilt auch für die schenkweise Abtretung der Eigentümergrundschuld, die den Kläger als Grundstückseigentümer gegenüber seiner unterhaltsberechtigten Tochter dinglich verpflichtet, einen bestimmten Geldbetrag nebst Zinsen aus dem Grundstück zu zahlen. Dem steht nicht entgegen, daß nach der Grundsatzentscheidung des Senats vom 6. Juli 1966 VI 124/65 (BFHE 86, 578, BStBl III 1966, 584) ein unentgeltlich bestellter Nießbrauch unter gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen steuerrechtlich anzuerkennen ist, wenn die Beteiligten aus der Nießbrauchsbestellung alle steuerrechtlichen und bürgerlich-rechtlichen Folgerungen gezogen haben. Für die steuerliche Anerkennung eines solchen Nießbrauchs war die Erwägung entscheidend, daß der Nießbraucher als dinglich Nutzungsberechtigter die Erträge aus dem Nießbrauch originär erwirbt. Das ist bei einer Grundschuld nicht der Fall. Der Inhaber einer Grundschuld hat lediglich einen Anspruch auf Zahlung einer Geldsumme und gegebenenfalls auf Zinsen. Das Grundstück haftet ihm zwar dinglich für die Erfüllung dieser Leistungen durch den jeweiligen Grundstückseigentümer. Die Zinsen fließen dem Inhaber der Grundschuld aber nicht automatisch zu.

Eine andere rechtliche Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil die Tochter die Zinsen der Einkommensteuer unterworfen hat. Denn eine unzutreffende Einkommensbesteuerung der Tochter ist kein Grund für eine falsche Einkommensteuerveranlagung des Klägers.

Die Vorentscheidung war aufzuheben, da das FG beim Abzug der Zinsen von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Klage war abzuweisen, weil das FA die Zinsen von 1 800 DM zu Recht nicht zum Abzug zugelassen hat. Ob das FA den Pauschbetrag nach § 33 a EStG von 900 DM dem Kläger zu Recht gewährt hat, läßt der Senat dahingestellt, da eine Versagung des Pauschbetrags zu einer im Rechtsmittelverfahren nach der Finanzgerichtsordnung nicht zulässigen Verböserung zu Lasten des Klägers führen würde.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71383

BStBl II 1975, 502

BFHE 1975, 205

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