Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Von der Unternehmenseinheit auf der Grundlage der Unternehmeridentität abgesehen (Rechtssatz 1 der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 19/59 U vom 5. Mai 1959, BStBl 1959 III S. 304, Slg. Bd. 69 S. 111) erfordert die Unselbständigkeit einer Personengesellschaft und damit verbunden ihre Gewerbesteuerfreiheit, daß ihre einzelnen Gesellschafter hinsichtlich ihrer Tätigkeit in der Gesellschaft in einem Angestelltenverhältnis zu einem Unternehmer (Kapitalgesellschaft, Einzelfirma, Personengesellschaft) stehen.

 

Normenkette

GewStG § 2

 

Tatbestand

Die Bfin., eine GmbH & Co. KG, betreibt eine Reederei und führt alle damit verbundenen und verwandten Schiffahrtsgeschäfte aus. Sie wurde von der Firma X.-OHG gegründet und gehört zum gleichnamigen Konzern. Umstritten ist, ob sie ein selbständiges Unternehmen oder eine unselbständige Betriebstätte des Konzerns ist. Das Finanzamt zog sie als selbständige Firma zur Gewerbesteuer heran. Die Bfin. behauptet, sie sei unselbständig und seit ihrem Bestehen ein nichtselbständiges Glied der Muttergesellschaft (OHG). Ihre Geschäftstätigkeit werde von der Muttergesellschaft gesteuert. Sie habe nur die Stellung und Funktion einer Betriebstätte in einem einheitlichen gewerblichen Unternehmen. Sie habe keinen eigenen Willen. Das Finanzamt war im Gegensatz hierzu der Ansicht, daß die Bfin. selbständig sei und entsprechend auch nach außen auftrete. Sie sei in den Konzern nicht wirtschaftlich, organisatorisch und finanziell eingegliedert. Sie beschäftige seemännisches Personal. Ein Drittel des Gesamtkapitals befinde sich in konzernfremden (ausländischen) Händen.

Die Berufung war ohne Erfolg. Das Finanzgericht trat dem Finanzamt darin bei, daß die Bfin. selbständig sei. Hierbei stützte es sich insbesondere auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 19/59 U vom 5. Mai 1959 (BStBl 1959 III S. 304, Slg. Bd. 69 S. 111). Unselbständigkeit setze voraus, daß ein Angestelltenverhältnis jedes einzelnen Gesellschafters zu einem Unternehmer vorliege (Entscheidung des Reichsfinanzhofs V 62/39 vom 24. Januar 1941, RStBl 1941 S. 446). Das sei aber bei der Bfin. nicht der Fall. Nach dem Gesellschaftsvertrag seien zwei Ausländer Kommanditisten. Diese beiden Gesellschafter seien in keiner Weise von der Obergesellschaft abhängig. Der Reichsfinanzhof habe wohl in seinem Urteil VI 221/41 vom 10. September 1941 (RStBl 1941 S. 772) die Möglichkeit bejaht, daß eine Personengesellschaft in eine übergeordnete Gesellschaft eingegliedert sei. Dies sei aber bei der Bfin. nicht der Fall. Die Muttergesellschaft trage nicht als Unternehmer und als Arbeitgeber der Bfin. das alleinige Geschäftsrisiko. Als Kommanditistin mit einem Anteil (einer Haftsumme) von 0,5 Millionen DM sei sie dazu auch kraft Gesetzes (ß 171 Abs. 1 HGB) gar nicht in der Lage. Sie erstrebe auch nicht das alleinige Risiko. Wie ein Schreiben an die Oberfinanzdirektion vom 5. Dezember 1953 zeige, sei sie mit allen Kräften bemüht, die in der Seeschiffahrt naturgemäß erheblichen Risiken von sich fernzuhalten. Es sei nicht zu verantworten, führe sie aus, sie als OHG schiffahrtsmäßig in ein unbegrenztes Haftungsverhältnis eintreten zu lassen. Deshalb sei auch eine andere Tochtergesellschaft als Komplementärin der Bfin. gewählt worden. Weiter spreche gegen das alleinige Risiko die Zahl der übrigen Kommanditisten, deren Haftsummen entweder die der Muttergesellschaft überstiegen oder ihr doch recht nahekämen. Die Bfin. betreibe eine neue Reederei und damit eigene Geschäfte. Sie sei keinesfalls verpflichtet, als Angestellte den Weisungen der Muttergesellschaft zu folgen und befinde sich nicht in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis.

Auch Unternehmeridentität nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 19/59 U vom 5. Mai 1959 sei nicht gegeben. An der Bfin. seien die beiden Ausländer beteiligt, die nicht Gesellschafter der Muttergesellschaft seien.

Nach Darstellung der beschwerdeführenden GmbH & Co. KG üben die Gesellschafter der Firma X.-OHG den entscheidenden Einfluß aus. In der KG sei eine von der OHG abweichende Willensbestimmung ausgeschlossen. Werkzeug für die Durchsetzung des unternehmerischen Willens der OHG in der KG sei in erster Linie die persönlich haftende Gesellschafterin der KG, die Firma Y.-GmbH. Diese GmbH sei Organ der OHG; sie sei somit ohne eigenen Willen und lediglich Trägerin des Willens der OHG.

 

Entscheidungsgründe

Der Rb., die im wesentlichen ihr Vorbringen bei den Vorinstanzen wiederholt, muß der Erfolg versagt werden.

Der Senat verbleibt bei den Grundsätzen des Urteils I 19/59 U vom 5. Mai 1959. Eine Personengesellschaft kann nicht Organ im Sinne des § 2 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG sein. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes. Die Bestimmung ist auf Kapitalgesellschaften beschränkt.

Eine natürliche Person muß Angestellte eines Unternehmers sein, damit das unter ihrer Leitung stehende Unternehmen Betriebstätte dieses Unternehmers sein kann. Bei einer Personengesellschaft müssen die einzelnen Gesellschafter diese Voraussetzung erfüllen. Die Würdigung des Finanzgerichts, das sich mit dieser Frage auch in tatsächlicher Richtung eingehend befaßt hat, weist keine Verstöße im Sinne des § 288 AO auf. Wie das Finanzgericht bereits ausgeführt hat, ist steuerlich für die Beurteilung der Art der Einkünfte die Eintragung der Bfin. in das Handelsregister nicht entscheidend. Es besteht aber die Vermutung, daß eine in das Handelsregister eingetragene Gesellschaft ein Gewerbe betreibt (siehe hierzu Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I 65/51 U vom 28. September 1951 / 29. Januar 1952, BStBl 1952 III S. 99, Slg. Bd. 56 S. 252; I 351/56 U vom 16. September 1958, BStBl 1958 III S. 462, Slg. Bd. 67 S. 492; I 141/57 U vom 4. November 1958, BStBl 1959 III S. 50, Slg. Bd. 68 S. 130).

Im Streitfall hat die Bfin., wie das Finanzgericht im einzelnen dargelegt hat, diese Vermutung nicht widerlegt. Wie bereits ausgeführt, ist dem Finanzgericht auch darin beizupflichten, daß ein Angestelltenverhältnis einer Personengesellschaft voraussetzt, daß die einzelnen Gesellschafter im Angestelltenverhältnis zu dem Unternehmer stehen.

Mit Recht hat das Finanzgericht auch Unternehmeridentität und Unternehmenseinheit abgelehnt. Letztere würde neben einer entsprechenden wirtschaftlichen Verbindung voraussetzen, wie in dem Urteil I 19/59 U im einzelnen dargestellt ist, daß alle Gesellschafter der KG an der Obergesellschaft beteiligt sind, und zwar im gleichen Verhältnis wie bei ihr selbst. Es ist tatbestandsmäßig nicht umstritten, daß zwei Kommanditisten (die Gesellschafter aus dem Ausland), denen ein erheblicher Betrag des Kapitals der KG zusteht, an der Obergesellschaft nicht beteiligt sind.

Es trifft wohl zu, daß das Urteil VI 221/41 vom 10. September 1941 bei der Verneinung der Selbständigkeit und damit der Gewerbesteuerpflicht einer Personengesellschaft insbesondere in Verbindung mit den Ausführungen von Veiel in Steuer und Wirtschaft (StuW) 1937 Spalte 850 nicht ganz eindeutig ist. Es spricht davon, daß Unselbständigkeit "in der Regel" ein Angestelltenverhältnis voraussetze. Eingehend wird die Begründung hierfür in dem Aufsatz von Veiel gegeben. Es muß jedoch beachtet werden, daß Veiel auch die Unternehmenseinheit auf der Grundlage der Unternehmereinheit als Organverhältnis bezeichnet. Er erkennt aber unter Verweisung auf die Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 1196/31 vom 12. Oktober 1932 (StuW 1932 Nr. 1145) ausdrücklich an, daß nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs die Personengesellschaft nicht Organ einer Kapitalgesellschaft sein könne. Trifft dies aber zu, so muß auch ein Organverhältnis zu einer übergeordneten Personengesellschaft abgelehnt werden. Es ist denkbar, daß eine Personengesellschaft im Angestelltenverhältnis eine Betriebstätte einer anderen Personengesellschaft führt. Des weiteren besteht die Möglichkeit der Unternehmenseinheit. Bereits der Reichsfinanzhofs, dessen Rechtsprechung Veiel im einzelnen wiedergibt, hat im Ergebnis die Unternehmenseinheit auf der Grundlage der Unternehmereinheit anerkannt. Daß auf diese Weise das von einer Personengesellschaft betriebene Unternehmen Betriebstätte (Filiale) eines größeren Unternehmens mit den gleichen Gesellschaftern sein kann, spricht bereits das Urteil I 19/59 U vom 5. Mai 1959 aus. Im Streitfalle sind aber die Voraussetzungen für eine derartige Unternehmenseinheit, wie bereits oben ausgeführt, nicht erfüllt.

Die Rb. wird deshalb als unbegründet zurückgewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409841

BStBl III 1960, 518

BFHE 1961, 722

BFHE 71, 722

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