Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwand bei städtischen Linienbusfahrern

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Anwendung der Richtlinienregelung über die Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwand bei Berufskraftfahrern auf Linienbusfahrer.

2. Zur Annahme einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1; LStR 1981 Abschn. 22 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 3

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Busfahrer bei den Stadtwerken . . . Im Streitjahr 1982 war er laut Bescheinigung des Arbeitgebers an 243 Tagen mehr als sechs Stunden ununterbrochen mit dem Omnibus unterwegs. In dem Einkommensteuerbescheid 1982 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) antragsgemäß pauschal 5 DM täglich als Verpflegungsmehraufwendungen an. Mit dem Einspruch hiergegen begehrte der Kläger die Berücksichtigung eines pauschalen Verpflegungsmehraufwands von täglich 8 DM. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der der Kläger weiterhin das Ziel verfolgte, 8 DM pro Tag als Verpflegungsmehraufwand zu berücksichtigen, mit im wesentlichen folgender Begründung ab: Die Finanzverwaltung habe in Abschn. 22 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1981 bestimmt, daß es im allgemeinen nicht zu beanstanden sei, wenn der tägliche Verpflegungsmehraufwand bei einem Arbeitnehmer, dessen Fahrzeug seine regelmäßige Arbeitsstätte sei, auf 8 DM geschätzt werde, falls er mehr als sechs Stunden unterwegs sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dienten die Pauschbeträge der LStR der Vereinfachung des Steuerverfahrens und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Eine unzutreffende Besteuerung liege aber vor, wenn nach den konkreten Lebenssachverhalten erfahrungsgemäß ein Aufwand in Höhe der Pauschalen offensichtlich nicht anfalle. Eine pauschale Berücksichtigung von 8 DM täglich wäre im vorliegenden Fall keine zutreffende Schätzung. Es sei nicht ersichtlich, daß bei der Tätigkeit des Klägers als Busfahrer Mehraufwendungen in dieser Höhe tatsächlich entstehen könnten. Wegen der geringen Wartezeiten des Klägers an den Endstationen oder an den übrigen Stationen der Busroute habe er aus zeitlichen Gründen keine Gelegenheit, Mahlzeiten einzunehmen, die gegenüber denen, die zu Hause eingenommen würden, einen Mehraufwand von 8 DM täglich erforderten. Auch im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern habe der Kläger keine Mehrbelastung. Er hätte deshalb im einzelnen darlegen und beweisen müssen, inwiefern ihm ein Mehraufwand erwachsen sei. Da er dies jedoch nicht getan habe, könne seine Klage keinen Erfolg haben.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, die Pauschbeträge des Abschn. 22 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 3 LStR 1981 seien auch auf seinen Fall anzuwenden. Angesichts des Zwecks der Pauschbeträge müsse ihre Nichtanwendung auf Ausnahmen beschränkt werden. Er habe im Vertrauen auf die Vereinfachungsregelung der LStR von der Sammlung von Belegen zwecks Führung eines Einzelnachweises abgesehen. Er dürfe deshalb nicht gegenüber zahlreichen anderen lohn- und einkommensteuerpflichtigen Arbeitnehmern benachteiligt werden, bei denen die Finanzbehörden die begehrten Pauschbeträge anerkannt hätten.

Das Vorverfahren habe im Streitfall nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprochen, weil das FA völlig überstürzt ohne weitere Sachverhaltsermittlung eine Einspruchsentscheidung erlassen habe.

Der Kläger beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und weitere Werbungskosten in Höhe von 729 DM anzuerkennen, hilfsweise das Verfahren an das FA zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen können ohne Einzelnachweis in Höhe von 8 DM bei mehr als sechsstündiger Abwesenheit des Klägers als Werbungskosten berücksichtigt werden.

1. Es bedarf keines Eingehens auf die Rüge, ob das Vorverfahren des FA ordnungsgemäß war, weil die Revision schon aus den nachstehenden Gründen unter 2. Erfolg hat.

2. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 8. August 1986 VI R 195/82 (BFHE 147, 247, BStBl II 1986, 824) entschieden, daß die Regelung in Abschn. 22 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 3 LStR 1981 von den Finanzbehörden und den FG grundsätzlich zu beachten ist.

Der Senat ließ sich bei der Anerkennung der Pauschbetragsregelung der LStR davon leiten, daß dadurch die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gewährleistet werde. Die Richtlinienregelung diene auch der Verfahrensökonomie. Würde sie z. B. nicht angewandt, wenn der Arbeitnehmer preisgünstige Lokale kenne oder sich teilweise selbst verpflege, würde der Vereinfachungszweck, der mit ihr erreicht werden solle, vereitelt. Denn die Finanzbehörden müßten dann jeweils prüfen, ob solche Umstände vorliegen; sie würden derartige Gegebenheiten häufig unterschiedlich beurteilen, wodurch die gewünschte Gleichbehandlung gefährdet sei.

Der Senat hat in dem vorbezeichneten Urteil VI R 195/82 weiter ausgeführt, daß die Richtlinienregelung von ihrem Wortlaut her auch auf Linienbusfahrer anwendbar ist. Dafür spreche nicht zuletzt, daß der Bundesminister der Finanzen, der dem Verfahren VI R 195/82 beigetreten war, sie auf diesen Personenkreis angewendet wissen wolle.

Der BFH hat in dem Urteil VI R 195/82 auch betont, daß Erwägungen der offensichtlich unzutreffenden Besteuerung der Anwendung der Richtlinienregelung grundsätzlich nicht entgegenstünden. Er hat hervorgehoben, daß - dem Vereinfachungszweck der Pauschbetragsregelung entsprechend - eine offensichtlich unzutreffende Besteuerung nur ganz ausnahmsweise angenommen werden solle. Der Umstand, daß ein Arbeitnehmer zum Teil selbstzubereitete Mahlzeiten zu sich nähme, rechtfertige ebenfalls nicht die Annahme einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung, falls der Arbeitnehmer gleichwohl die Pauschbeträge in Anspruch nehmen wolle. Denn auch selbstzubereitete Mahlzeiten könnten einen erhöhten Aufwand erfordern, zumal wenn noch Getränke gekauft werden müßten. Es komme hinzu, daß der Senat bei der Anwendung der Verpflegungsmehraufwandpauschalen z. B. bei Dienstgängen und bei ständig wechselnden Einsatzstellen auch nicht danach differenziere, ob der Arbeitnehmer sich von Selbstmitgebrachtem, in Restaurants oder sonstwo ernähre.

Soweit das FG im Streitfall generell für Linienbusfahrer die Anwendung der Pauschbetragsregelung verneint, steht seine Entscheidung den vorstehend wiedergegebenen Erwägungen entgegen. Soweit das FG meint, der Kläger könne wegen der Kürze der Pausen nicht in Restaurants essen, steht auch dies der Anwendung der Richtlinienregelung nicht entgegen. Denn gerade relativ kurze Pausen können dazu veranlassen, z. B. an Schnellimbißständen oder Kiosken relativ teure Imbisse mit Getränken zu sich zu nehmen.

3. Da das FG von einer anderen Auffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Klage wird stattgegeben.

Die Einkommensteuer 1982 des Klägers errechnet sich danach wie folgt . . .

 

Fundstellen

Haufe-Index 414754

BFH/NV 1987, 163

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