Entscheidungsstichwort (Thema)

Unentgeltliche Übertragung eines wertlosen GmbH-Anteils als Veräußerung - nachträgliche Anschaffungskosten i.S. des § 17 EStG durch Abtretung einer Darlehensforderung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Übertragung eines wertlosen GmbH-Anteils ohne Gegenleistung ist in der Regel eine Veräußerung i.S. des § 17 Abs.1 EStG (Anschluß an das BFH-Urteil vom 5.März 1991 VIII R 163/86, BFHE 164, 50, BStBl II 1991, 630).

 

Orientierungssatz

Tritt der zu mehr als 1/4 an einer GmbH beteiligte Gesellschafter eine Darlehensforderung gegenüber der GmbH (kapitalersetzendes Darlehen) an den verbleibenden Gesellschafter ab, um aus der GmbH ausscheiden zu können, führt der mit der Abtretung verbundene Verlust der Forderung zu nachträglichen Anschaffungskosten i.S. des § 17 Abs. 2 EStG.

 

Normenkette

EStG § 17 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG (Entscheidung vom 12.12.1989; Aktenzeichen III 248/88)

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war mit einer Stammeinlage von 25 000 DM zu 50 v.H. am Kapital der X-GmbH (GmbH) beteiligt. Bis zu seinem Ausscheiden aus der GmbH im Jahre 1982 war der Kläger neben einem anderen Gesellschafter (P) Geschäftsführer der GmbH. Danach war er im Unternehmen der Klägerin tätig.

In der Bilanz zum 31.Dezember 1982 wies die GmbH einen Bilanzverlust von 221 218,62 DM bei einem Verlustvortrag aus 1981 in Höhe von 131 533,12 DM aus. Bis zum 31.Dezember 1984 erhöhte sich der Bilanzverlust auf 300 036,39 DM. Das Betriebsfinanzamt bewertete die GmbH-Anteile zum 31.Dezember 1985 mit 0 DM.

Zur Vermeidung des Konkurses gewährten die Gesellschafter der GmbH 1983 Darlehen in Höhe von 17 796,45 DM (Kläger) sowie 117 304,91 DM (Gesellschafter P). In der Gesellschafterversammlung vom 4./10.November 1983 vereinbarten die Gesellschafter, das Unternehmen fortzusetzen, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um einen Konkurs zu vermeiden und zur Zurückführung des vorläufigen anteiligen Verlustvortrages je Gesellschafter von 73 801 DM zuzüglich aufgelaufener Verluste per 30.Juni 1983 im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten angemessene Beiträge zu leisten.

Der Mitgesellschafter P forderte den Kläger u.a. mit Schreiben vom 21.August 1984 nachdrücklich auf, seine übernommene Verpflichtung, einen Beitrag zur Zurückführung des Verlustvortrags zu leisten, zu erfüllen.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 3.September 1985 übertrug der Kläger seinen Geschäftsanteil von 25 000 DM mit Wirkung ab 1.Januar 1985 (einschließlich Gewinnbezugsrecht) auf den Mitgesellschafter P. Ferner trat der Kläger seinen Darlehensanspruch gegen die GmbH in Höhe von 17 697,45 DM an den Mitgesellschafter P ab. In § 2 des Vertrages wurde festgelegt, daß ein Entgelt für die Anteilsübertragung und die Abtretung des Darlehensanspruchs nicht erbracht werde.

In einer weiteren notariellen Urkunde vom gleichen Tage bekannte der Kläger, der GmbH einen Betrag von 6 900 DM aus abstraktem Schuldversprechen zu schulden. Die Beteiligten vereinbarten ferner, daß mit der Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus den Verträgen vom 3.September 1985 sämtliche Ansprüche zwischen dem Kläger und der GmbH sowie dem Gesellschafter P erledigt seien.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1985 machte der Kläger einen Verlust in Höhe von 50 306 DM gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend, den er wie folgt ermittelte:

Kapitalanteile seit Gründung 25 000,-- DM

Gesellschafterdarlehen 17 697,45 DM

Nachschuß 6 900,-- DM

abzüglich Privatnutzung

und Forderungsausgleich 1 900,-- DM 5 000,-- DM

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47 697,45 DM

Anwaltskosten 2 161,74 DM

Notarkosten 446,88 DM

Veräußerungserlös lt. Vertrag 0,00 DM

------------

Verlust gemäß § 17 EStG 50 306,-- DM

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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ließ den geltend gemachten Verlust nicht zum Abzug zu.

Im Einspruchsverfahren trug der Kläger vor, eine Veräußerung seines Anteils sei nicht möglich gewesen, wenn er sich nicht zu zusätzlichen Leistungen verpflichtet und auf die Darlehensforderung verzichtet hätte. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet zurück (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1990, 236).

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts (§ 17 EStG).

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung des FA vom 7.März 1988 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1985, zuletzt geändert durch Verfügung vom 24.Januar 1991, mit der Maßgabe zu ändern, daß ein Verlust in Höhe von 50 306 DM gemäß § 17 Abs.1 EStG berücksichtigt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Mit Verfügung vom 24.Januar 1991 änderte das FA den Einkommensteuerbescheid 1985 gemäß § 172 Abs.1 Satz 1 Nr.2 Buchst.a i.V.m. § 132 der Abgabenordnung (AO 1977) dahingehend, daß der Einkommensteuerbescheid 1985 gemäß § 165 Abs.1 AO 1977 hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge vorläufig ist. Mit Schreiben vom 18.Februar 1991 erklärten die Kläger den geänderten Einkommensteuerbescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils sowie der Einspruchsentscheidung vom 7.März 1988 und unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids 1985 zur Herabsetzung der Einkommensteuer auf 0 DM (§ 126 Abs.3 Nr.1 FGO). Im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsanteils an der GmbH hat der Kläger gemäß § 17 EStG einen Verlust in Höhe von 50 306 DM erlitten.

1. Die Übertragung des Geschäftsanteils auf den Mitgesellschafter P durch die notariell beurkundeten Verträge vom 3.September 1985 (§ 15 Abs.3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) ist eine Veräußerung i.S. des § 17 Abs.1 EStG. Ein Entgelt wurde zwar weder vereinbart noch von P bezahlt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG war Grund dafür die Wertlosigkeit des übertragenen Geschäftsanteils. In diesem Fall kann nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 5.März 1991 VIII R 163/86, BFHE 164, 50, BStBl II 1991, 630) trotz fehlender Gegenleistung grundsätzlich eine Veräußerung i.S. des § 17 Abs.1 EStG angenommen werden.

In dieser Entscheidung hat der Senat ausgeführt, daß die Übertragung eines wertlosen GmbH-Anteils ohne Entgelt ein Grenzfall zwischen Veräußerung (Verkauf) und Schenkung als Hauptfall des unentgeltlichen Rechtsgeschäfts ist (vgl. Palandt/Putzo, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 51.Aufl., § 516 Anm.1). Grundsätzlich entspricht die Übertragung eines Gegenstands ohne Entgelt nicht der typischen Veräußerung und die Übertragung eines wertlosen Gegenstandes nicht der typischen Schenkung (vgl. auch FG Münster, Urteil vom 29.August 1989 VI 5972/88 E, EFG 1991, 124, Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen durch Urteil vom 18.August 1992 VIII R 90/89, nicht veröffentlicht --NV--).

Für die Entscheidung, ob eine Veräußerung oder unentgeltliche Übertragung des Geschäftsanteils gegeben ist, kann nicht immer nur darauf abgestellt werden, ob ein Entgelt vereinbart und gezahlt wurde oder nicht. Sinnvoll und üblich ist ein Entgelt nur, wenn ein entsprechender Vermögenswert übertragen wird. Ist ein solcher Vermögenswert nicht vorhanden, bleibt auch für ein Entgelt normalerweise kein Raum. Verhielten sich daher die Beteiligten bei der Übertragung eines wertlosen Geschäftsanteils wie Kaufleute, müßte regelmäßig eine unentgeltliche Übertragung angenommen werden. Das hätte zur Folge, daß der Steuerpflichtige, der den Wertverlust des Geschäftsanteils erlitten hat, bei Übertragung seines Anteils regelmäßig keine Möglichkeit hätte, den Verlust im Rahmen des § 17 EStG zu realisieren. Dieses Ergebnis widerspricht dem Zweck des § 17 EStG. § 17 EStG erfaßt sowohl im Falle der Veräußerung des Anteils (Abs.1) als auch der Auflösung der Gesellschaft (Abs.4) den Gewinn wie den Verlust. Grundsätzlich hat das auch bei dem Steuerpflichtigen zu geschehen, der den Gewinn erwirtschaftet oder den Verlust erlitten hat. Es ist kein Grund ersichtlich, warum das Gesetz dies in Fällen wie dem vorliegenden nur dann und auch dann nur z.T. zulassen sollte, wenn trotz Wertlosigkeit ein (wirtschaftlich relevantes, vgl. Carl, Finanz-Rundschau --FR-- 1992, 431, 436) Entgelt vereinbart wird. Auf diese Weise würden die Steuerpflichtigen zu wirtschaftlich unvernünftigen Gestaltungen gezwungen. Der Senat geht daher davon aus, daß in derartigen Fällen in der Regel eine Veräußerung i.S. des § 17 Abs.1 EStG gegeben ist (vgl. auch Abschn.44 Abs.1 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 1987). Jedenfalls erscheint ihm zweifelhaft, ob die Beteiligten grundsätzlich zwischen Veräußerung und unentgeltlicher Übertragung (Schenkung) wählen können (vgl. aber Söffing, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- F 3, 7960).

§ 17 EStG will den Inhaber eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft i.S. des Abs.1 dem Gewerbetreibenden (Mitunternehmer) angleichen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10.Dezember 1969 I R 43/67, BFHE 98, 30, BStBl II 1970, 310). Daher steht die Rechtsprechung zur Unentgeltlichkeit im Rahmen des § 16 EStG der Auffassung des Senats nicht entgegen (vgl. aber Carl, FR 1992, 431, 436). Würde ein Kommanditist seinen Gesellschaftsanteil in einer vergleichbaren Situation der Gesellschaft ohne Entgelt übertragen, so hätten sich die Verluste der Gesellschaft bereits zuvor bei ihm anteilmäßig ausgewirkt (vgl. z.B. Urteil des FG des Saarlandes vom 17.Oktober 1985 I 225/83, rkr., EFG 1986, 74), der Erwerber würde nicht die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers, sondern den um die Verluste geminderten Buchwert der Beteiligung zugrunde legen (§ 7 Abs.1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung --EStDV--).

Im Streitfall sind die genannten Voraussetzungen einer Veräußerung i.S. des § 17 Abs.1 EStG gegeben. Nach den unangegriffenen Feststellungen des FG war der übertragene Geschäftsanteil wertlos. Gründe für eine unentgeltliche Zuwendung, z.B. persönliche Beziehungen zwischen den Beteiligten, sind nicht festgestellt und erkennbar.

2. Neben dem Verlust des Geschäftsanteils kann der Kläger den Verlust der Darlehensforderung als nachträgliche Anschaffungskosten i.S. des § 17 Abs.2 EStG geltend machen. Die Abtretung der Darlehensforderung an den verbleibenden Gesellschafter P ist der Veräußerung des Gesellschaftsanteils zuzuordnen, denn sie erfolgte im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung der beiden Gesellschafter in den Verträgen vom 3.September 1985.

Nach den Feststellungen des FG war die Hingabe des Darlehens durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt. Der Kläger und sein Mitgesellschafter P hatten ihre Darlehen 1983 zur Verhinderung des Konkurses der GmbH gewährt. Den Wertverlust des somit kapitalersetzenden Darlehens könnte der Kläger im Rahmen der Veräußerung seines Anteils oder der Auflösung der Gesellschaft (§ 17 Abs.1 und 4 EStG) als Anschaffungskosten geltend machen (vgl. dazu BFH-Urteile vom 2.Oktober 1984 VIII R 36/83, BFHE 143, 228, BStBl II 1985, 320; vom 16.April 1991 VIII R 100/87, BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234).

Ob die Darlehensforderung im Zeitpunkt ihrer Abtretung an den Gesellschafter P wertlos war, hat das FG nicht ausdrücklich festgestellt. Einer Zurückverweisung an das FG zur Nachholung dieser Feststellung bedarf es aber nicht. Auch wenn die abgetretene Darlehensforderung noch einen Wert hatte, würde der mit der Abtretung verbundene Verlust der Forderung beim Kläger zu nachträglichen Anschaffungskosten i.S. des § 17 Abs.2 EStG führen, denn die Abtretung der Forderung war durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt.

Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger die Forderung abgetreten, um aus der Gesellschaft ausscheiden zu können. Der Kläger hat im finanzgerichtlichen Verfahren unwidersprochen vorgetragen, daß die Veräußerung der Anteile nicht möglich gewesen wäre, wenn er sich nicht zu zusätzlichen Leistungen verpflichtet hätte. Es kann offenbleiben, ob und in welchem Umfang der Kläger durch die Absprachen mit dem Gesellschafter P zu Leistungen an die GmbH verpflichtet war. Es genügt in diesem Zusammenhang, daß er die Forderung an P abgetreten hat, um von seinen möglichen Verpflichtungen befreit zu sein.

3. Auch die (abstrakte) Verpflichtung zur Zahlung von (6 900 DM ./. 1 900 DM *=) 5 000 DM ist den Anschaffungskosten der Beteiligung i.S. des § 17 Abs.2 EStG zuzuordnen. Der Kläger ist die Verpflichtung nach den Feststellungen des FG aus den gleichen Gründen eingegangen, aus denen er die Darlehensforderung an P übertragen hat. Danach beruht auch diese Schuld auf dem Gesellschaftsverhältnis.

Der Senat zählt diese Verpflichtung, wie auch die Abtretung der Darlehensforderung, nicht zu den Veräußerungskosten i.S. des § 17 Abs.2 EStG. Sie stehen nicht in sachlicher Beziehung zu dem Veräußerungsgeschäft (vgl. BFH in BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234, zu 1. f; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 11.Aufl., § 17 Anm.23), sondern zu möglichen alten Verpflichtungen des Klägers als Gesellschafter der GmbH.

Unerheblich ist, ob der Kläger seine Verpflichtungen aus dem Schuldversprechen im Streitjahr erfüllt hat. Auf den Abfluß der Aufwendungen gemäß § 11 Abs.2 EStG kommt es im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 17 Abs.2 EStG nicht an; entscheidend ist vielmehr, ob nach den Grundsätzen der Gewinnermittlung ein Ertrag oder Aufwand zu berücksichtigen wären (vgl. BFH-Urteil vom 2.Oktober 1984 VIII R 20/84, BFHE 143, 304, BStBl II 1985, 428).

4. Die geltend gemachten Anwalts- und Notarkosten sind als Veräußerungskosten gemäß § 17 Abs.2 EStG zu berücksichtigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64343

BFH/NV 1992, 82

BStBl II 1993, 34

BFHE 169, 90

BFHE 1993, 90

BB 1993, 198

BB 1993, 198-199 (LT)

DB 1992, 2475-2476 (LT)

DStR 1992, 1646 (KT)

DStZ 1992, 767 (KT)

HFR 1993, 110 (LT)

StE 1992, 616 (K)

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