Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlaß von Säumniszuschlägen

 

Leitsatz (NV)

Das FA ist bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Steuerpflichtigen regelmäßig nicht verpflichtet, mehr als die Hälfte der verwirkten Säumniszuschläge zu erlassen.

 

Normenkette

AO 1977 § 227 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war selbständig im Bereich der Unternehmensberatung tätig. In den Jahren 1983, 1986, 1989 und 1992 gab er die eidesstattliche Versicherung ab. Ein Mitte 1995 durchgeführter Vollstreckungsversuch des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt -- FA --) blieb fruchtlos.

Mit Schreiben vom 25. August 1995 beantragte der Kläger den Erlaß der Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 1986 bis 1994, weil er seit Jahren zahlungsunfähig sei. Das FA erließ am 3. Januar 1996 die Hälfte der zum damaligen Zeitpunkt entstandenen Säumniszuschläge aus sachlichen Billigkeitsgründen, weil der Kläger seit Mitte 1988 -- dem Zeitpunkt der Fälligkeit der den Säumniszuschlägen zugrundeliegenden Umsatzsteuer -- zahlungsunfähig und überschuldet gewesen sei. Den auf einen vollständigen Erlaß gerichteten Einspruch des Klägers wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 19. August 1996 als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies das FA darauf, daß nach Tz. 3 c des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 17. Januar 1994 (BStBl I 1994, 106) im Falle der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zwar der Druckmittelcharakter der Säumniszuschläge entfalle, der übrige Zweck der Säumniszuschläge -- Ausgleich für den entstandenen Verwaltungsaufwand -- jedoch weiterhin gegeben sei. Ein Erlaß aus persönlichen Billigkeitsgründen scheide aus, da hierdurch die finanzielle Situation des Klägers angesichts weiterer Außenstände bei anderen Gläubigern nicht verbessert werden könne.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 530 wiedergegebenen Gründen statt.

Mit der Revision macht das FA Verletzung des §227 der Abgabenordnung (AO 1977) geltend. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien Säumniszuschläge sowohl ein Druckmittel zur pünktlichen Zahlung als auch -- ähnlich Zinsen -- eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung. Ferner sollten Säumniszuschläge auch den angefallenen Verwaltungsaufwand ausgleichen. Ermessensgerecht sei daher auch in den Fällen der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung nur ein Teilerlaß der Säumniszuschläge. Der säumige Steuerzahler sei jedenfalls in der Höhe durch Säumniszuschläge zu belasten, in der im Falle der Aussetzung der Vollziehung oder Stundung Zinsen angefallen wären.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß die bis zum 19. August 1996 verwirkten Säumniszuschläge in voller Höhe zu erlassen seien.

Gemäß §227 Abs. 1 AO 1977 können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, zu denen auch Ansprüche auf Säumniszuschläge gehören (§37 Abs. 1 i. V. m. §3 Abs. 3 AO 1977), ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

Die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme ist eine Ermessensentscheidung, die gerichtlich nur in den durch §102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gezogenen Grenzen nachprüfbar ist (Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS- OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603). Nach §102 FGO ist die gerichtliche Prüfung des den Erlaß ablehnenden Bescheides und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.

Die Ablehnung des vom Kläger begehrten vollständigen Erlasses der Säumiszuschläge durch das FA war nicht ermessensfehlerhaft. Der Tatbestand der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit rechtfertigt für sich allein keinen vollständigen Erlaß wegen sachlicher Unbilligkeit. Denn Säumniszuschläge dienen auch als Gegenleistung für das Hinausschieben der Fälligkeit und zur Abgeltung des Verwaltungsaufwandes. Deshalb sind die -- wie im Streitfall geschehen -- regelmäßig nur zur Hälfte zu erlassen, wenn sie ihren Zweck als Druckmittel verfehlen. Wegen der Begründung im einzelnen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die BFH-Urteile vom 29. August 1991 V R 78/86 (BFHE 165, 178, BStBl II 1991, 906), vom 18. April 1996 V R 55/95 (BFHE 180, 516, BStBl II 1996, 561) und vom 16. Juli 1997 XI R 32/96 (BFHE 184, 193, BStBl II 1998, 7) Bezug genommen.

Der BFH-Beschluß vom 4. Januar 1996 VII B 209/95 (BFH/NV 1996, 526), auf den sich das FG bezogen hat, betrifft die Freistellung eines Haftungsschuldners von Säumniszuschlägen und damit einen anderen Sachverhalt.

Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist entsprechend dem Antrag des FA abzuweisen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1999, 10

GK 2000, 50

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