Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frist des § 4 Abs. 2 Satz 2 GrEStG beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem ein Erwerbsvorgang endgültig zustande gekommen ist.

Hat der Eigentümer eines gemäß § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c GrEStG steuerbegünstigt erworbenen Eigenheims sich bei Weiterveräußerung Besitz und Nutzung für eine gewisse Zeit vorbehalten und bewohnt er kraft dieses Vorbehaltes bei Ablauf der Fünfjahresfrist das Eigenheim noch als Eigentümer, so kann in dem kurze Zeit vor Ablauf der Fünfjahresfrist abgeschlossenen Kaufvertrag allein eine Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks noch nicht erblickt werden.

 

Normenkette

GrEStG § 4/1/1/c, § 4 Abs. 2 S. 2

 

Tatbestand

Die revisionsbeklagten Eheleute (Steuerpflichtigen - Stpfl. -) hatten eines der Einfamilienhäuser, die die X.-GmbH (GmbH) im Jahre 1954 in M. errichtet hatte, seit der Fertigstellung am 1. Januar 1955 als Kaufanwärter "mietweise" genutzt. Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 3. April 1957 - genehmigt am 2. Mai 1957 - (Vertrag I) erwarben die Stpfl. das Eigenheim als Miteigentümer je zur Hälfte. Der Erwerbsvorgang blieb zunächst gemäß § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c GrEStG unversteuert.

Durch notariell beurkundeten, nicht genehmigungspflichtigen Vertrag vom 23. Februar 1962 (Vertrag II) verkauften die Stpfl. das Grundstück weiter. Hierin sah das Finanzamt (FA) eine Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes innerhalb von fünf Jahren - gerechnet ab dem 2. Mai 1957 - und forderte aus dem Vertrag I durch getrennte Steuerbescheide vom 24. August 1962 von den Stpfl. eine Grunderwerbsteuer von je 909,45 DM nach.

Mit ihrem Einspruch machten die Stpfl. erfolglos geltend: Sie hätten das Grundstück tatsächlich mindestens acht Jahre lang genutzt, da nach Abschn. 4 des Vertrags I Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten bereits mit Baubeginn, also im Juni 1954, auf sie übergegangen seien. Andererseits seien nach Abschn. V des Vertrags II Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf ihre Nachfolger erst am 1. Oktober 1962 übergegangen.

Gegen die gemeinsame Einspruchsentscheidung wendeten die Stpfl. mit der Berufung noch ein, sie hätten ihren Wohnsitz bis 17. Mai 1962 in M. behalten. Das Eigentum sei im Grundbuch erst am 5. Dezember 1962 umgeschrieben worden. Sie seien auch nicht "Mieter", sondern auf Grund des Betreuungsauftrags mit der GmbH vom 23. Dezember 1954 von Anfang an Eigentümer des von ihnen mitfinanzierten Hauses gewesen.

Das Finanzgericht (FG) stellte die Stpfl. mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1965 Nr. 89 S. 74 im Auszug abgedruckten Urteil IV 62, 63/63 vom 22. Mai 1964 von der angeforderten Grunderwerbsteuer steuerfrei, da als begünstigter Zweck im Sinne des § 4 Abs. 2 GrEStG ausschließlich die tatsächliche "Nutzung als Eigenheim" angesehen werden könne.

Mit der Rb. rügt der FA-Vorsteher (Revisionskläger) rechtliche Verkennung des Betreuungsauftrags und der Maßgeblichkeit des wirtschaftlichen Eigentums, vor allem aber fehlerhafte Berechnung der Fünfjahresfrist, die nur im rechtlichen Zusammenhang mit dem Begriff des Eigenheims gesehen werden könne. Da Eigentum begrifflich auch Voraussetzung für die Nutzung des Eigenheims sei, müsse die Frist nach den grunderwerbsteuerrechtlich maßgebenden Vorgängen des Erwerbs und der Weiterveräußerung berechnet werden.

 

Entscheidungsgründe

Die ab 1. Januar 1966 als Revision zu behandelnde Rb. des FA- Vorstehers kann keinen Erfolg haben.

Unstreitig fällt der Erwerbsvorgang vom 3. April / 2. Mai 1957 unter die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c GrEStG. Streitig ist nur, ob der steuerbegünstigte Zweck innerhalb der Fünfjahresfrist des § 4 Abs. 2 Satz 2 GrEStG aufgegeben worden ist.

Der Senat stimmt im Ergebnis mit der Vorentscheidung überein; er kann sich allerdings der Auffassung des FG, daß es für den Fünfjahreszeitraum ausschließlich auf die rein tatsächliche "Nutzung als Eigenheim" ankomme, in dieser Allgemeinheit nicht anschließen.

Die Frage, wann diese Frist beginnt, kann nämlich nicht völlig losgelöst von dem begünstigten Erwerbs-, d. h. Rechtsvorgang (siehe § 1 Abs. 1 Einleitungssatz GrEStG) beantwortet werden. Das Gesetz begünstigt einen Grundstücksumsatz in den Fällen, die nach § 4 Abs. 2 GrEStG der Nachversteuerung unterliegen, nur unter der Voraussetzung, daß der durch diesen Erwerbsvorgang erstrebte Zweck innerhalb des Fünfjahreszeitraums erfüllt (§ 4 Abs. 2 Satz 1 GrEStG) bzw. aufrechterhalten wird (§ 4 Abs. 2 Satz 2 GrEStG). Hierdurch ist der Fristbeginn rechtlich untrennbar mit dem Zeitpunkt gekoppelt, in dem der grunderwerbsteuerbare Erwerbsvorgang verwirklicht worden ist. So hat der Senat in dem Urteil II 5/61 U vom 10. Oktober 1962 (BStBl 1963 III S. 16, Slg. Bd. 76 S. 41) unter Bezugnahme auf das Urteil II 146/61 U vom 21. Dezember 1961 (BStBl 1962 III S. 162, Slg. Bd. 74 S. 431) bereits entschieden, daß die Frist des § 4 Abs. 2 Satz 1 GrEStG mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem ein Erwerbsvorgang endgültig zustande gekommen ist (vgl. allgemein auch Urteil des Senats II 15/62 vom 7. April 1965, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965 Nr. 342 S. 418). Im Streitfall kommt hinzu, daß begünstigter Zweck im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c GrEStG nicht nur die tatsächliche Nutzung, sondern der Erwerb eines Hausgrundstücks unter übernahme als Eigenheim für mindestens fünf Jahre ist. Dies setzt wegen des Begriffs des Eigenheims außerdem voraus, daß das Eigenheim in dem rechtlich geforderten Umfang grundsätzlich durch den Erwerber selbst als Eigentümer oder durch seine Angehörigen bewohnt wird (vgl. § 9 Abs. 3 der Verordnung über die Förderung von Arbeiterwohnstätten vom 1. April 1937, RGBl I S. 437, RStBl 1937 S. 481, § 20 Abs. 1 des Ersten Wohnungsbaugesetzes - I. WoBauG -, § 9 Abs. 1 des II. WoBauG; Urteile des Senats II 250/57 U vom 9. Dezember 1959, BStBl 1960 III S. 202, Slg. Bd. 70 S. 542; II 48/61 U vom 10. Oktober 1962, BStBl 1963 III S. 17, Slg. Bd. 76 S. 45; II 203/60 U vom 17. Oktober 1962, BStBl 1963 III S. 19, Slg. Bd. 76 S. 50; Boruttau- Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 8. Auflage, § 4 Tz. 13 - 18).

Als Fristbeginn kommt deshalb grundsätzlich erst der 2. Mai 1957 als der Zeitpunkt der Genehmigung des schuldrechtlichen Kaufvertrags (§ 1 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG) in Betracht.

Dagegen kommt es im Streitfall für den Fristbeginn auf den Zeitpunkt der Einräumung der Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG) nicht an. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Stpfl. mit der übergabe des Grundstücks 1954/55 bereits die Verwertungsbefugnis erhalten haben, wie das FG anscheinend annimmt, ohne - aus anderen Erwägungen - in dieser Beziehung eigene Ermittlungen angestellt zu haben. Es braucht auch nicht geprüft zu werden, ob § 1 Abs. 2 GrEStG im Streitfall schon deshalb nicht anwendbar ist, weil eine (mögliche) übertragung der Verwertungsbefugnis nicht als Endziel, sondern nur als Vorbereitungsmaßnahme im Hinblick auf eine bereits beabsichtigte übertragung des rechtlichen Eigentums gedacht war (vgl. insoweit die Urteile des Senats II 159/60 U vom 9. Mai 1962, BStBl 1962 III S. 313, Slg. Bd. 75 S. 12; andererseits II 84/59 U vom 10. Oktober 1962, BStBl 1963 III S. 15 rechte Spalte Mitte, Slg. Bd. 76 S. 38). Denn unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats II 15/60 U vom 30. August 1961 (BStBl 1961 III S. 519, Slg. Bd. 73 S. 695) hat der Senat durch Urteil II 56/63 vom 18. Mai 1966 (BStBl 1966 III S. 381) entschieden, daß wegen der Selbständigkeit der Tatbestände des § 1 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG die Frage, ob ein Erwerbsvorgang steuerpflichtig oder steuerbegünstigt ist, für jeden dieser Tatbestände getrennt und jeweils nach den Verhältnissen zu prüfen ist, die im Zeitpunkt der Verwirklichung dieser Tatbestände vorliegen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe dieses Urteils verwiesen. Deshalb kann die Frage, ob die Vergünstigung für den Kaufvertrag vom 3. April 1957 als den im Streit befangenen Erwerbsvorgang wegen vorzeitiger Aufgabe des begünstigten Zwecks nachträglich weggefallen ist, nur nach dem Zeitpunkt der Genehmigung dieses Erwerbsvorgangs (2. Mai 1957) beantwortet werden.

Dagegen kann im Streitfall für das Ende der Fünfjahresfrist nicht - wie das FA meint - auf den Zeitpunkt des Abschlusses des (nicht genehmigungspflichtigen) schuldrechtlichen Vertrages II über die Weiterveräußerung des Grundstücks (23. Februar 1962) abgestellt werden. Zwar kann als steuerschädliche Aufgabe des begünstigten Zweckes im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 2 GrEStG im Grundsatz jede - zumindest nicht nur vorübergehende - zweckentfremdende Verwendung sofort oder auch später, jedoch noch innerhalb der Fünfjahresfrist in Betracht kommen, z. B. auch die übereignung eines Eigenheims an Dritte.

Im Streitfalle hatten die Stpfl. sich im Vertrag II aber ausdrücklich Besitz und Nutzungen bis zum 1. Oktober 1962 vorbehalten. Nach den Feststellungen des FG haben sie das Einfamilienhaus zumindest tatsächlich bis zu ihrem Wegzug von M. am 17. Mai 1962 selbst genutzt. Zu diesem Zeitpunkt waren sie auch noch bürgerlich-rechtlich Eigentümer des Grundstücks. Das Grundstück diente also im Zeitpunkt des Ablaufs der Fünfjahresfrist (2. Mai 1962) jedenfalls noch den Eigentümern selbst zum Bewohnen als Eigenheim. Unter diesen Umständen kann ein dem Kaufvertrag vom 23. Februar 1962 allein eine vorzeitige Aufgabe des steuerbegünstigten Verwendungszweckes noch nicht erblickt werden, obwohl bzw. weil die Eigentümer sich lediglich zur künftigen Eigentumsübertragung verpflichteten, ohne daß sich durch den schuldrechtlichen Vertrag II bereits etwas an den Eigentums- und Nutzungsverhältnissen geändert hatte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412127

BStBl III 1966, 399

BFHE 1966, 262

BFHE 86, 262

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