Entscheidungsstichwort (Thema)

Studium zum Tonmeister als Aufbaustudium nach Studium der Musiktheorie - Fortbildungskosten als vorab entstandene Werbungskosten

 

Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen für ein Studium zum Tonmeister nach einem vorhergehenden Studium der Musiktheorie können als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar sein.

 

Orientierungssatz

Fortbildungskosten können in Form von vorab entstandenen Werbungskosten vorliegen, wenn der Steuerpflichtige seine Berufsausbildung bereits abgeschlossen hat, seinen Beruf aber noch nicht ausübt, und er nunmehr Aufwendungen tätigt, um die Kenntnisse im Bereich des erlernten Berufs zu vertiefen und zu erweitern. Voraussetzung für den Werbungskostenabzug ist, daß ein hinreichend konkreter Zusammenhang mit angestrebten steuerbaren Einnahmen aus der beruflichen Tätigkeit besteht.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Entscheidung vom 10.08.1993; Aktenzeichen V 31/90)

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger hat in seiner Heimat Kanada ein musikwissenschaftliches Studium von acht Semestern absolviert und mit dem Bachelor of Music abgeschlossen. In H hat er sodann acht Semester Musiktheorie studiert und ein Abschlußdiplom der Hochschule für Musik und darstellende Künste erworben. Anschließend hat er an der Musikhochschule in D das Fach "Tonmeister" studiert. Nach Bestehen der Abschlußprüfung im Jahre 1989 war er zunächst freiberuflich tätig. Seit 1990 ist er als angestellter Tonmeister/Produzent in der Schallplattenproduktion beschäftigt.

Für die Streitjahre 1986 und 1987 machte der Kläger Aufwendungen betreffend das Studium in D (Fachliteratur, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, doppelte Haushaltsführung) in Höhe von 10 004 DM und 10 586 DM als Werbungskosten bei den zukünftigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte sie lediglich mit den Höchstbeträgen nach § 10 Abs.1 Nr.7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Sonderausgaben, weil das Studium noch der Ausbildung gedient habe.

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage ab. Es führte aus, der Abschluß in Musiktheorie habe den Kläger befähigt, einen Beruf auszuüben, etwa als Lehrer an einem Konservatorium oder einer Musikhochschule sowie als Komponist, Kritiker usw. Damit habe er seine (erste) Berufsausbildung beendet. Das Studium zum Tonmeister in D sei daher zwar kein Erststudium. Es sei aber auch kein Aufbaustudium im Sinne der neuesten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), sondern habe einen Berufswechsel begründet. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 27 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision machen die Kläger sinngemäß geltend, das FG habe die Abgrenzung zwischen Ausbildungs- und Fortbildungskosten fehlerhaft vorgenommen. Die für das Berufsziel des Klägers als Schallplattenproduzent --dies sei der künstlerische Leiter einer Schallplattenaufnahme-- erforderlichen Kenntnisse habe er bereits durch seine Studien in Kanada und H erworben. Dabei sei er zu der Auffassung gelangt, daß die zusätzliche Absolvierung eines Tonmeisterstudiums seine Aufstiegschancen als Schallplattenproduzent fördern werde, da wegen der Änderungen der Aufnahmetechniken die musiktheoretischen Kenntnisse allein nicht mehr ausreichten. Ein Wechsel in einen anderen Beruf habe durch das Aufbaustudium nicht stattgefunden. Dieses habe nur den Zweck gehabt, die Qualifikation als Produzent zu verbessern.

Die Annahme von Fortbildungskosten werde durch das BFH-Urteil vom 24. April 1992 VI R 131/89 (BFHE 168, 144, BStBl II 1992, 963) bestätigt. Diese Entscheidung sei mit dem Streitfall vergleichbar. Bei Schallplattenaufnahmen würden Produzent und Tonmeister eingesetzt. Die Schallplattenindustrie gehe jedoch dazu über, den Tonmeister dadurch zu ersetzen, daß der Produzent diese Aufgabe mitübernehme.

Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Einkommensteuerbescheide 1986 und 1987 dahin zu ändern, daß statt jeweils 1 200 DM Sonderausgaben 10 004 DM (1986) und 10 586 DM (1987) Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es führt aus, der Kläger habe bei der Aufnahme des Tonmeisterstudiums noch keine Berufsentscheidung zugunsten einer Tätigkeit als Schallplattenproduzent getroffen und auch noch keine solche Tätigkeit aufgenommen gehabt. Das Studium könne daher nicht als Fortbildung in diesem bestimmten Beruf angesehen werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die für das Tonmeisterstudium aufgewendeten Kosten des Klägers sind dem Grunde nach Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und keine beschränkt abziehbaren Sonderausgaben i.S. von § 10 Abs.1 Nr.7 EStG.

1. Aufwendungen für ein erstmaliges Hochschulstudium sieht der BFH in ständiger Rechtsprechung als der allgemeinen Lebensführung zuzurechnende Berufsausbildungskosten an, die als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs.1 Nr.7 EStG nur mit einem Höchstbetrag abziehbar sind (vgl. Urteil vom 26. April 1989 VI R 95/85, BFHE 156, 494, BStBl II 1989, 616). Dagegen können nach neuerer Rechtsprechung die Aufwendungen für ein Zweitstudium unter die als Werbungskosten nach § 9 Abs.1 EStG abziehbaren Fortbildungskosten fallen, wenn mit dem Studium kein Wechsel in einen anderen Beruf angestrebt wird, sondern die durch das Erststudium erworbenen Kenntnisse ergänzt oder vertieft werden ("Aufbaustudium"). Dabei ist es unerheblich, ob der Steuerpflichtige im Anschluß an das abgeschlossene Erststudium zunächst berufstätig ist oder ob das Zweitstudium an das Erststudium anschließt, der Steuerpflichtige also faktisch noch keine Berufstätigkeit ausgeübt hat (vgl. BFH-Urteile vom 14. Februar 1992 VI R 26/90, BFHE 167, 127, BStBl II 1992, 556; VI R 69/90, BFHE 167, 502, BStBl II 1992, 961; VI R 106/90, BFHE 167, 505, BStBl II 1992, 962; vom 8. Mai 1992 VI R 134/88, BFHE 167, 538, BStBl II 1992, 965, und vom 10. Juli 1992 VI R 19/91, BFHE 168, 341, BStBl II 1992, 966).

2. Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß das Tonmeisterstudium für den Kläger kein Erststudium war, da er bereits ein wissenschaftliches Studium der Musiktheorie erfolgreich abgeschlossen hatte. Zu Unrecht hat es jedoch dem Studiengang die Eigenschaft eines Aufbaustudiums im Sinne der neueren BFH-Rechtsprechung abgesprochen. Entgegen der Auffassung des FG ist ein zu Werbungskosten führendes Aufbaustudium nicht dadurch gekennzeichnet, daß das Erststudium vorausgesetzt wird bzw. eine studientechnische "Verzahnung" beider Studiengänge vorliegt. Der Senat hat es vielmehr als maßgebend erachtet, daß mit dem Aufbaustudium die durch das Erststudium erworbenen Kenntnisse ergänzt und vertieft werden und daß nicht der Wechsel in eine andere Berufsart eröffnet wird (vgl. z.B. Urteil in BFHE 167, 502, BStBl II 1992, 961). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der Kläger hatte durch seine vorhergehenden musikwissenschaftlichen und musiktheoretischen Studien einen beruflichen Ausbildungsstand erreicht, der es ihm ermöglichte, sogleich eine Berufstätigkeit wie z.B. die vom FG genannten auszuüben, aber auch die Grundlage dafür darstellte, sich in verschiedenen der sogleich praktizierbaren Berufe weiter zu spezialisieren. Mit dem Tonmeisterstudium strebte der Kläger eine Spezialisierung und höherwertige Befähigung gegenüber seinem bisherigen Ausbildungsstand im Hinblick auf das Berufsziel des Schallplattenproduzenten an. Ein Wechsel der Berufsart war damit nicht verbunden. Aufgrund der früher erlangten Studienabschlüsse war der Kläger bereits in der Lage, den Beruf eines Produzenten auszuüben. Es liegt indessen auf der Hand, daß der zusätzlich durchlaufene Bildungsgang eines Tonmeisters seine Qualifikation und damit die Chancen für die Anstellung als Schallplattenproduzent erheblich verbesserte.

3. Der Annahme von Werbungskosten steht nicht entgegen, daß der Kläger das Tonmeisterstudium vor seiner Berufstätigkeit als Schallplattenproduzent und damit vor dem Bezug von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aufgenommen hat. Fortbildungskosten können in Form von vorab entstandenen Werbungskosten vorliegen, wenn der Steuerpflichtige seine Berufsausbildung bereits abgeschlossen hat, seinen Beruf aber noch nicht ausübt, und er nunmehr Aufwendungen tätigt, um die Kenntnisse im Bereich des erlernten Berufs zu vertiefen und zu erweitern. Voraussetzung für den Werbungskostenabzug ist, daß ein hinreichend konkreter Zusammenhang mit angestrebten steuerbaren Einnahmen aus der beruflichen Tätigkeit besteht (vgl. Urteil in BFHE 167, 502, BStBl II 1992, 961). Damit wird speziell für den Bereich der Fortbildungskosten das nach ständiger Rechtsprechung allgemein geltende Erfordernis für den Abzug vorab entstandener Werbungskosten umschrieben, wonach ein klar erkennbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und steuerpflichtigen Einnahmen bestehen muß. Dies muß sich anhand objektiver Umstände feststellen lassen.

Im Streitfall war diese Voraussetzung erfüllt. Die bereits im Klageverfahren vorgetragene Darstellung des Klägers, er habe immer die Absicht gehabt, als Schallplattenproduzent --nichtselbständig-- tätig zu werden, wird durch die Aufnahme des Tonmeisterstudiums selbst bestätigt. Vor dem Hintergrund der bereits vorher erworbenen Studienabschlüsse konnte der zusätzliche Bildungsgang nur den Sinn haben, eine höhere Qualifikation für die angestrebte Produzententätigkeit zu erlangen. Für eine selbständige Tätigkeit auf der Grundlage von Musikwissenschaft und -theorie hätte es des zusätzlichen Studiums nicht bedurft. Daß der Kläger nach der Abschlußprüfung kurzfristig freiberuflich tätig war --wobei Feststellungen zum Inhalt dieser Tätigkeit fehlen--, steht der Annahme vorab entstandener Werbungskosten nicht entgegen. Denn nach einem Studienabschluß kann sich die Aufnahme einer angestrebten Beschäftigung verzögern und der Steuerpflichtige sich genötigt sehen, die Zwischenzeit anderweitig zu überbrücken.

4. Die Vorentscheidung ist von anderen Grundsätzen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat --von seinem Standpunkt aus zutreffend-- keine Feststellungen zur Höhe der Werbungskosten getroffen. Dieses wird im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein. Dabei wird das FG insbesondere zu prüfen haben, ob die geltend gemachten Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung berücksichtigt werden können.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65838

BFH/NV 1996, 246

BStBl II 1996, 449

BFHE 180, 353

BFHE 1997, 353

BB 1996, 1546

BB 1996, 1546 (L)

DB 1996, 1602 (LT)

DStR 1996, 1238-1239 (KT)

DStZ 1996, 769 (L)

HFR 1996, 662-663 (L)

StE 1996, 479 (K)

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