Entscheidungsstichwort (Thema)

Verrechnung von Steuer- und Steuererstattungsansprüchen durch Bevollmächtigten - Erstattungsanspruch zusammenveranlagter Eheleute

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Verrechnungsvertrag über Steuer- und Steuererstattungsansprüche ist zulässig (Anschluß an Rechtsprechung des BFH).

2. Die Vollmacht zum Abschluß eines Verrechnungsvertrages kann auch durch schlüssiges Verhalten erteilt werden.

a) Allein die Tatsache, daß das Verhalten der eigenen Interessenlage des Vollmachtgebers nicht gerecht wird, zwingt nicht schon zu der Schlußfolgerung, eine Vollmacht sei nicht erteilt worden.

b) Die Vollmachterteilung kann daraus zu entnehmen sein, daß der Vollmachtgeber den Vorschlag des Bevollmächtigten zum Abschluß eines Verrechnungsvertrages gebilligt hat.

3. Ein Handeln im Namen des Auftraggebers kann auch daraus zu entnehmen sein, daß dessen Steuernummer angegeben wird.

4. Ein Erstattungsanspruch zusammenveranlagter Eheleute steht dem Ehepartner zu, der die zu erstattende Steuer gezahlt hat (Anschluß an die Rechtsprechung des BFH).

 

Normenkette

AO 1977 § 226; BGB § 133; EStG §§ 26b, 36 Abs. 4

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger - die Eheleute E - (Kläger) waren Kommanditisten der KG, die im Herbst 1978 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten war. Auf Veranlassung der X-Bank erhielt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft A den Auftrag, die KG zu prüfen. Inhalt des Auftrages war, den Jahresabschluß 1977 zu prüfen und einen Status zum 30. September 1978 zu erstellen. Die Prüfung wurde durch den Zeugen B durchgeführt, der bei einzelnen Besprechungen durch den Zeugen C unterstützt wurde. Die Prüfung durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ergab, daß die Liquidität der KG schlecht war und das Jahr 1977 einen Verlust gebracht hatte. Im November 1978 stellte die KG Konkursantrag. Im Oktober 1978 ging bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) ein Schreiben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ein, in welchem es heißt:

,,Betr.: StNr.: . . . Einkommen- und Kirchensteuer 1977, . . .

. . . nach einer vorläufigen Berechnung werden die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb für 1977 deutlich negativ sein. Bedingt durch eine schwere Erkrankung des Herrn . . . (Ehemann E), verzögert sich die Abschlußerstellung für die Firma . . . (KG). Die geleistete Vorauszahlung für 1977 in Höhe von DM . . . wollen Sie bitte mit Steuerschulden der KG, Steuernummer: . . . verrechnen. Bitte teilen Sie uns mit, wie die Anrechnung erfolgt . . .

gez. . . . (C)

Wirtschaftsprüfer."

Das FA entsprach dem Verrechnungsbegehren und setzte die Vorauszahlung 1977 auf null DM fest. In der für die Kläger bestimmten Ausfertigung des Bescheides vom November 1978 merkte es an, daß das Guthaben antragsgemäß mit Steuerschulden der KG verrechnet worden sei.

Im April 1979 trat der Kläger (Ehemann E) dem Gläubiger D seine Einkommensteuererstattungsforderung ab. Mit Schreiben vom Mai 1979 bat der Kläger das FA, die überzahlte Einkommensteuer 1977 an den Gläubiger D auszuzahlen. Das FA lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, die Einkommensteuer- und Kirchensteuervorauszahlung 1977 sei weisungsgemäß mit Umsatzsteuerrückständen der KG verrechnet worden. Dagegen machten die Kläger geltend, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe ohne Berechtigung und ohne Auftrag die Verrechnung der privaten Erstattungsansprüche mit betrieblichen Steuern veranlaßt.

Das FA lehnte die Erstattung - endgültig - mit der Begründung ab, weisungsgemäß sei eine Verrechnung durchgeführt worden.

Einspruch und Klage gegen diesen Bescheid hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen folgendes aus: Die Erstattungsansprüche 1977 seien durch einen Aufrechnungsvertrag erloschen. Das Angebot zu diesem Vertrage sei in dem Schreiben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft an das FA zu sehen. Dieses Schreiben enthalte eine Willenserklärung der Kläger, die der Zeuge C als Unterzeichner des Schreibens in deren Namen abgegeben habe. Das folge aus der Nennung der Steuernummer der Kläger im Betreff des Schreibens. Der Zeuge C habe auch Vollmacht gehabt. Dies folge aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme, nach der die Klägerin (Ehefrau E) in den Firmenräumen der KG einen entsprechenden Vorschlag des Zeugen B zur Verrechnung des Einkommensteuerguthabens zugunsten der KG gebilligt habe. Die Klägerin sei auch zur Vollmachterteilung bezüglich der Verrechnung des gesamten Erstattungsanspruchs berechtigt gewesen, da sie kraft Gesamtgläubigerschaft bezüglich des gesamten Anspruchs verfügungsberechtigt gewesen sei. Das FA habe das Angebot der Kläger auf Verrechnung auch angenommen, wobei es wegen § 151 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) keines Zugangs der Annahmeerklärung bedurft hätte. Deshalb könne auch offenbleiben, ob die Kläger die ensprechende Mitteilung des FA erhalten hätten, daß antragsgemäß eine Verrechnung erfolgt sei.

Die Kläger legten mit folgender Begründung Revision ein:

Das FG habe eine einseitige Bewertung der Beweisaufnahme vorgenommen und dabei sowohl gegen die Denkgesetze als auch gegen Beweislastregeln verstoßen. Weder der Kläger noch die Klägerin hätten einen Auftrag auf Verrechnung erteilt. Ein solcher Auftrag habe auch nicht der Interessenlage der Firma und dem persönlichen Interesse der Kläger entsprochen. Gegen einen Auftrag zur Verrechnung spreche zunächst, daß durch die Verrechnung das einzige Guthaben der Kläger ohne Veranlassung ,,in ein Faß ohne Boden" geworfen worden sei. Somit stelle sich die Verrechnung als wirtschaftlich unsinnig dar. Gegen einen etwa von der Klägerin erteilten Auftrag zur Verrechnung spreche ferner, daß die Klägerin nur Hausfrau sei und mangels Kenntnis von geschäftlichen Angelegenheiten es nie gewagt hätte, einen derartigen Auftrag zu geben. Es sei angesichts der fehlenden Vorbildung ausgeschlossen, daß die Klägerin die Zeugen zu ihrem Tun veranlaßt haben könne. Es könnte nur so sein, daß die Fachleute der Klägerin gesagt hätten, was zu veranlassen sei. - Die Würdigung der sehr vorsichtigen Aussagen aller Zeugen lasse auch nicht den Schluß zu, die Klägerin habe den Verrechnungsantrag der Zeugen C und B gebilligt. Dies müsse um so mehr gelten, als die Klägerin damit auch die Interessen des Klägers habe mitvertreten müssen und sie dies nie ohne Rücksprache mit dem wegen Krankheit praktisch aus dem Betrieb ausgeschiedenen Kläger getan hätte. Schließlich spreche gegen eine Vollmachterteilung durch die Kläger auch, daß nicht der Kläger die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragt habe und die Prüfung ausschließlich im Interesse der Bank gelegen habe.

Es sei auch nicht zulässig, ein Handeln im Namen der Kläger aus der im Schreiben an das FA enthaltenen Steuernummer herzuleiten. Die Kenntnis von dieser Steuernummer und der Höhe der zu erstattenden Vorauszahlungen hätten die Zeugen C und B von dem Zeugen F erhalten, der auftragsgemäß die Vorauszahlung gebucht habe. - Eine Verfügungsberechtigung der Klägerin bezüglich des gesamten Erstattungsanspruchs scheide mangels einer Gesamtgläubigerschaft aus. - Schließlich habe das FA das angebliche Angebot der Kläger zur Verrechnung auch nicht angenommen, weil die Kläger die Annahmeerklärung nicht erhalten und auch keinen anderen Verzicht erklärt hätten.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und das FA zu verurteilen, den Abrechnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung insoweit aufzuheben, als Einkommensteuer- und Kirchensteuererstattungsansprüche zu Unrecht mit Umsatzsteuerschulden der KG verrechnet worden seien.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es führt aus, daß es die Beweiswürdigung des FG zur Frage des Abschlusses eines Verrechnungsvertrages für zutreffend halte. Ergänzend macht es geltend, für die Berechtigung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft spreche auch der Umstand, daß diese nicht nur die Steuernummer der Kläger, sondern auch den Betrag der geleisteten Vorauszahlung genau beziffert habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, daß das vom Zeugen C unterzeichnete Schreiben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom Oktober 1978 als Angebot zum Abschluß eines Verrechnungsvertrages anzusehen ist. Die Zulässigkeit eines solchen Verrechnungsvertrages ist in Literatur und Rechtsprechung anerkannt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. März 1978 VIII R 60/73, BFHE 125, 326, BStBl II 1978, 606, m.w.N.; vom 11. Dezember 1984 VIII R 263/82, BFHE 143, 1, BStBl II 1985, 278).

2. Das FG hat auch rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die Klägerin die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu dem Angebot auf Abschluß eines Vertrages zur Verrechnung der persönlichen Erstattungsansprüche mit Steuerschulden der KG bevollmächtigt hat. Die Beweiswürdigung des FG ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), da sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflußt ist. Dabei ist ohne Bedeutung, ob die Schlußfolgerungen zwingend sind. Es reicht aus, daß sie möglich sind (BFH-Entscheidung vom 1. April 1971 IV R 195, 69, BFHE 102, 85, 88, BStBl II 1971, 522).

a) Das FG ist aufgrund der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, daß die Klägerin sich in einer Weise verhalten hat, die als Billigung eines Vorschlages zur Verrechnung des Einkommensteuerguthabens zugunsten der KG anzusehen ist. Dieses vom FG gefundene Ergebnis erscheint möglich. Es wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß, wie die Kläger meinen, ihre wirtschaftliche Interessenlage ein wesentliches Indiz gegen eine solche Würdigung bildete. Auch wenn der Senat davon ausgeht, daß das zutrifft, so folgt daraus nicht, daß die Schlußfolgerung des FG nicht möglich wäre. Allein die Tatsache, daß das Verhalten der Klägerin der eigenen Interessenlage nicht gerecht wurde, zwingt nicht zu der Schlußfolgerung, daß sie den Verrechnungsvorschlag nicht gebilligt habe, zumal - nach eigenem Vorbringen der Kläger - nicht auszuschließen ist, daß die Klägerin nicht in der Lage war, die eigene Interessenlage zutreffend zu beurteilen. Im übrigen sprechen Gründe für die Annahme, daß die Klägerin dem Verrechnungsvorschlag zugestimmt hat, weil sie sich hierdurch ein günstigeres Verhalten des FA bei der Festsetzung der Vorauszahlungen versprach.

Die Möglichkeit des vom FG gefundenden Ergebnisses, die Klägerin habe den Verrechnungsvorschlag gebilligt, wird nicht durch den Hinweis ausgeschlossen, die Klägerin sei zu einer Rücksprache mit dem Kläger verpflichtet gewesen. Für ein Absehen von einer solchen Rücksprache spricht im übrigen, daß der Kläger sich wegen seines schlechten Gesundheitszustandes in stationärer Behandlung befand und deshalb eine Erörterung unterblieb. Dagegen, daß das aufgezeigte Ergebnis der Beweiswürdigung möglich war, spricht schließlich nicht der Umstand, daß, wie die Kläger einwenden, die Prüfung der KG nicht von ihnen, sondern von der Bank veranlaßt worden ist und daß die Prüfung im Interesse der Bank gelegen hat.

b) Ohne Rechtsfehler hat das FG die Billigung des Verrechnungsvorschlags auch als Erteilung einer entsprechenden Vollmacht an den Zeugen C angesehen.

Das FG hat die Vollmacht allerdings einem schlüssigen Verhalten der Klägerin entnommen, so daß nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Vollmacht ausdrücklich und in einer bestimmten Form erteilt worden ist. Daraus kann jedoch nicht eine Rechtsfehlerhaftigkeit der Schlußfolgerung des FG hergeleitet werden, die Vollmachterteilung ergebe sich aus der Billigung des Verrechnungsvorschlages. Die Wirksamkeit einer Vollmacht ist nicht davon abhängig, daß sie ausdrücklich und in bestimmter Form erteilt worden ist (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 80 FGO Tz. 3 m.w.N.).

c) Ein Handeln der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Namen der Kläger hat das FG ohne Rechtsfehler in der Nennung der Steuernummer der Kläger in dem Angebot zur Verrechnung gesehen. Daraus konnte das FG durchaus folgern, daß die Willenserklärung erkennbar für die Kläger abgegeben werden sollte. Entgegen der Ansicht der Kläger ist es für die Frage, ob diese Schlußfolgerung möglich war, unerheblich, wie der Zeuge C von dieser Steuernummer der Kläger Kenntnis erlangt hatte.

3. Der Senat vermag aber nicht der Annahme der Vorinstanz zu folgen, die Klägerin sei zur Erteilung einer Vollmacht bezüglich der Verrechnung des gesamten Erstattungsanspruchs berechtigt gewesen. Dieses Ergebnis hat das FG aus ihrer angeblichen Rechtsposition als Gesamtgläubigerin hergeleitet. Insoweit greifen die Einwendungen der Revision durch, da eine Gesamtgläubigerschaft mangels gesetzlicher Grundlage nicht bejaht werden kann. Nach der Rechtsprechung des BFH steht, wenn Eheleute zusammenveranlagt werden, ein etwaiger Erstattungsanspruch demjenigen Ehegatten zu, der die zu erstattende Steuer an das FA gezahlt hat (Urteil vom 19. Oktober 1982 VII R 55/80, BFHE 137, 146, BStBl II 1983, 162).

Im Urteil des FG sind keine Feststellungen enthalten, denen bei Beachtung dieser Rechtsprechung entnommen werden kann, wer im Streitfall erstattungsberechtigt ist und in welchem Umfang dem einen oder anderen Verfahrensbeteiligten ein Erstattungsrecht zusteht. Die Feststellungen des FG ermöglichen auch nicht die Annahme, daß der Kläger die Klägerin beauftragt habe, auch in seinem Namen eine Verrechnung anzustreben.

Da das Urteil des FG eine Überprüfung mangels hierfür geeigneter tatsächlicher Feststellungen nicht zuläßt, ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FG wird zu prüfen haben, ob im Streitfall auch dem Kläger ein Erstattungsrecht zusteht und, sofern das zutrifft, in welchem Umfang es besteht und ob die Klägerin die Wirtschaftsprüfer auch im Namen des Klägers zur Stellung eines Antrages auf Verrechnung beauftragt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414467

BFH/NV 1986, 581

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