Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Reisekosten der Ehefrau, die ihren Mann auf einer Geschäftsreise nach den USA begleitet, sind im allgemeinen keine Betriebsausgaben.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 5 S. 3, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1960, ob Aufwendungen in Höhe von 10 042 DM, die dem Steuerpflichtigen durch eine im Jahre 1960 zusammen mit seiner Ehefrau nach Amerika durchgeführten Reise entstanden sind, Betriebsausgaben darstellen.

Der Steuerpflichtige ist Inhaber eines Warenhauses, das aus kleineren Anfängen entstanden ist und heute alle Güter des täglichen Bedarfs mit Ausnahme von Lebensmitteln führt. Er ist ferner Inhaber eines Filialbetriebs. Die Ehefrau des Steuerpflichtigen ist als alleinige Prokuristin in seinem Unternehmen tätig. Sie unterstützte den Steuerpflichtigen in der Leitung des Betriebes, in dem im Streitjahr 1960 110 Arbeitskräfte beschäftigt waren. Im Streitjahr errichtete ein Konkurrenzunternehmen nahe bei dem Warenhaus des Steuerpflichtigen ein nach modernsten Grundsätzen eingerichtetes Kaufhaus, in dem die auch vom Steuerpflichtigen geführten Artikel vertrieben wurden.

Die Reise des Steuerpflichtigen und seiner Ehefrau fand vom 24. Mai bis 9. Juni 1960 statt. Die Eheleute fuhren von X nach Bremerhaven mit einem PKW und sodann mit einem Schiff nach New York im Flugzeug nach Brüssel und von dort im PKW nach X. Für den Aufenthalt in den USA standen sieben Tage zur Verfügung. In dieser Zeit wurden hauptsächlich verschiedene große Warenhäuser, Kleinpreisläden und Einkaufszentren in New York und Umgebung besucht, teilweise unter Führung eines leitenden Angestellten einer dem Steuerpflichtigen befreundeten Gesellschaft, der sich zur gleichen Zeit in den USA aufhielt. Einziger Ruhetag war der Pfingstsonntag. Die Aufwendungen für die Reise betrugen unstreitig 10 042 DM.

Das Finanzamt setzte diese Reiseaufwendungen in voller Höhe dem Gewinn aus dem Gewerbebetrieb hinzu.

Mit der Sprungberufung begehrte der Steuerpflichtige die volle Anerkennung der Reiseaufwendungen als Betriebsausgaben. Er machte geltend, er habe die Informationsreise als für seinen Betrieb erforderlich angesehen, da er, um konkurrenzfähig zu bleiben, stets neue Anregungen sammeln müsse. Solche Anregungen seien ihm in den USA unter Leitung sachkundiger Wirtschaftspraktiker in einem nach Art eines Lehrgangs organisierten Programm geboten worden. Wegen vorheriger bindender Verpflichtungen habe er sich streng an dieses Programm halten müssen. Seine Ehefrau sei ebenfalls aus betrieblichen Gründen mitgefahren. Als Prokuristin mit einer mitunternehmerähnlichen Eigenschaft habe sie an den Erkundungen und Erfahrungen teilhaben müssen; außerdem sei sie sowohl als Sprachkundige wie auch für seine Betreuung während der beruflichen Tätigkeit unentbehrlich gewesen.

Das Finanzamt führte aus, der Steuerpflichtige habe nicht hinreichend dargetan, daß seine Amerikareise ausschließlich oder weitaus überwiegend aus betrieblichen Gründen erfolgt sei. Es sei grundsätzlich davon auszugehen, daß Reisen ins Ausland in erster Linie in die Privatsphäre eines Steuerpflichtigen fielen. Das gelte insbesondere für eine Amerikareise, die nicht zu den Alltäglichkeiten gehöre und die jedermann persönlich berühre. Eine lehrgangsmäßige Organisation habe nicht vorgelegen. Die Ehefrau des Steuerpflichtigen habe keine mitunternehmerähnliche Stellung im Betrieb gehabt. Ihre Sprachkenntnisse seien nicht ausschlaggebend, zumal ein Begleiter einer Gesellschaft zur Verfügung gestanden habe.

Die Berufung hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht sah die auf den Steuerpflichtigen entfallende Hälfte der Kosten der Reise und von der auf die Ehefrau des Steuerpflichtigen entfallenden zweiten Hälfte wiederum die Hälfte als durch den Betrieb veranlaßt an (insgesamt 7 531 DM). Zur Begründung führte es aus, die Kosten für eine Auslandsreise könnten nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur dann als Werbungskosten oder Betriebsausgaben anerkannt werden, wenn die Reise entweder im Rahmen einer lehrgangsmäßigen Organisation oder nach Art eines beruflichen Praktikums oder sonst in einer Weise durchgeführt werde, die die Möglichkeit eines anderen Reisezweckes so gut wie ausschließe. Im vorliegenden Falle sei die Reise ähnlich wie ein Lehrgang vorbereitet und straff organisiert gewesen, zumindest aber in einer Weise durchgeführt worden, die die Möglichkeit eines anderen Reisezwecks für den Steuerpflichtigen selbst so gut wie ausgeschlossen habe. Unstreitig seien Führungen und Vorträge nach vorher auf Tag und Stunde genau festgelegtem Arbeitsplan durchgeführt worden; der Steuerpflichtige sei insgesamt nur sieben Tage in den USA gewesen und er habe in diesen sieben Tagen mit Ausnahme des Pfingstsonntags keinen Ruhetag gehabt; die anderen Tage seien mit betrieblichen Besichtigungen, Führungen und Besprechungen voll ausgefüllt gewesen. Wegen des Baus eines Konkurrenzkaufhauses habe ein akuter Anlaß zu einer Informationsreise bestanden. Wenn ein Steuerpflichtiger im vorgerückten Lebensalter für nur eine Woche nach den USA fahre und diese Woche in der dargelegten Art betrieblich nutze, ohne die Reise für Erholungszwecke auszudehnen, und wenn er diese Reise auch noch aus gegebenem betrieblichen Anlaß durchführe, so handle es sich um eine betrieblich bedingte Reise. Die Hälfte der Reisekosten stellten daher Betriebsausgaben dar. Auch die Mitfahrt der Ehefrau des Steuerpflichtigen sei zumindest teilweise betrieblich bedingt. Sie sei die einzige Prokuristin des Betriebs, habe den Betrieb aus kleinen Anfängen mit aufgebaut und brauchbar Englisch gesprochen. Es sei aber nicht ausgeschlossen, daß die Ehefrau den Steuerpflichtigen auch aus Fürsorgegründen begleitet habe. Die Kammer schätze, daß die Ehefrau halb aus beruflichen, halb aus privaten Fürsorgegründen ihren Mann begleitet habe und daß daher von den gesamten Reisekosten von 10 042 DM insgesamt 3/4 = rd. 7 531 DM betrieblich bedingt gewesen seien, wobei gewisse Haushaltsersparnisse für Essen und Trinken während der Reisezeit berücksichtigt würden.

Gegen dieses Urteil legte der Vorsteher des Finanzamts Rb. ein. Der Steuerpflichtige erklärte in seiner fristgemäß eingegangenen Stellungnahme zu der Rechtsbeschwerdebegründung des Finanzamts, er beantrage "die gesamten Aufwendungen für die Auslandsreise im Gesamtbetrage von 10 042 DM als Betriebsausgaben anzuerkennen". Mit einem nach Ablauf der Frist zur Stellungnahme eingegangenen Schriftsatz bat er, seine frühere Stellungnahme als Anschlußbeschwerde aufzufassen.

Das Finanzamt rügt insbesondere, das Finanzgericht habe die auf eine Privatreise deutenden Umstände (Begleitung der Ehefrau, Seereise, Pfingstzeit, Besuch eines fremden Erdteils) nicht hinreichend gewürdigt. Ferner habe das Finanzgericht durch die teilweise Anerkennung der Kosten der Reise der Ehefrau gegen § 12 EStG verstoßen, weil sich die für den Steuerpflichtigen mitentscheidende frauliche Fürsorge während der ganzen Reise ausgewirkt habe, also nicht von dem übrigen Teil der Reise getrennt werden könne.

Der Steuerpflichtige rügt in verfahrensrechtlicher Hinsicht, daß kein Gutachten der Industrie- und Handelskammer über die Zweckmäßigkeit der Reise eingeholt worden sei. Im übrigen ist er der Ansicht, auch die Kosten der Reise seiner Ehefrau seien in vollem Umfange betriebsbedingt gewesen.

Der Senat ist der Ansicht, daß der Steuerpflichtige fristgemäß Anschlußbeschwerde eingelegt hat. Zwar ist der Schriftsatz vom 16. Juli 1963 nicht ausdrücklich als Anschlußbeschwerdeschrift bezeichnet worden. Aus seinem Inhalt geht aber hervor, daß der Steuerpflichtige Abänderung des finanzgerichtlichen Urteils beantragen wollte, soweit seinem Antrag auf Anerkennung der ganzen Kosten der Amerikareise nicht stattgegeben worden war.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts konnte nur hinsichtlich der vom Finanzgericht berücksichtigten halben Reisekosten der Ehefrau Erfolg haben. Im übrigen war sie - wie auch die Anschlußbeschwerde des Steuerpflichtigen - als unbegründet zurückzuweisen.

Der Senat hat die vom Bundesfinanzhof entwickelten Grundsätze über die Frage der Abzugsfähigkeit von beruflich bedingten Reisekosten als Werbungskosten oder Betriebsausgaben in dem Urteil IV 36/64 U vom 18. Februar 1965 (BStBl 1965 III S. 279) zusammengestellt.

Das Finanzgericht befindet sich im Einklang mit diesen Grundsätzen, wenn es die Reise des Steuerpflichtigen selbst als eine betriebsbedingte Reise ansah. Es würdigte eingehend die unstreitigen Tatsachen und kam bei dieser Würdigung zu einem Schluß, der möglich ist und keinen Verstoß gegen die Denkgesetze, die Lebenserfahrung oder den Akteninhalt erkennen läßt, so daß der Senat daran gebunden ist (§§ 288,296 AO).

Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß das Finanzgericht bei dieser sorgfältigen Abwägung die vom Finanzamt bezeichneten Umstände nicht berücksichtigte, wenn es sie auch nicht ausdrücklich erwähnte. Daß die Reise zur Pfingstzeit unternommen wurde, sagt nichts gegen den Charakter als beruflich bedingte Reise. Abgesehen davon, daß nur der Pfingstsonntag aus dem sehr umfangreichen Informationsprogramm ausgenommen wurde, könnte der Reisetermin ebenso darauf zurückgeführt werden, daß der Steuerpflichtige möglichst kurz vom Betrieb abwesend sein wollte, daß ihn also betriebliche Gründe zur Wahl dieses Zeitpunktes veranlaßten. Eine Seereise statt Flugreise kann aus mannigfachen Gründen gewählt worden sein; sie braucht nicht unbedingt auf eine Erholungsreise hinzudeuten. Da sie keine aussonderbaren Mehrkosten verursachte, sondern im Gegenteil billiger war als die Flugreise, könnte sich an der Entscheidung auch dann nichts ändern, wenn man den ersten Teil der Reise als Erholungsreise ansehen würde. War im übrigen die Reise berufsbedingt, wäre sie also auf jeden Fall unternommen worden, so hätten ohnehin für sie Kosten der überfahrt aufgewendet werden müssen. Allenfalls könnte man aus der Tatsache, daß auf die Seereise ebensoviel Zeit verwendet wurde wie auf die eigentliche Informationsreise, schließen, daß die Reise nicht unerheblich auch der Erholung dienen sollte. Dem stehen jedoch die zahlreichen, vom Finanzgericht aufgeführten Gründe, die für eine berufsbedingte Reise sprechen, entgegen.

ähnliches gilt für den Umstand, daß der Steuerpflichtige seine Ehefrau mit auf die Reise nahm. Zwar ist das in der Regel ein starkes Indiz für eine Privatreise; hier verliert jedoch dieses Indiz einen Teil seiner Beweiskraft, weil die Ehefrau gleichzeitig Prokuristin des Betriebs war und weil die weiteren vom Finanzgericht gewürdigten und von ihm als ausschlaggebend angesehenen Beweisanzeichen den Schluß als möglich erscheinen lassen, daß für den Steuerpflichtigen selbst dennoch keine Privatreise vorlag. Ebenfalls ist es nicht von ausschlaggebender Bedeutung, daß die Reise in einen anderen Erdteil ging, so daß es regelmäßig naheliegt, sie als eine Reise zur Erweiterung des Bildungsschatzes anzusehen. Denn es darf nicht verkannt werden, daß für die Geschäftswelt gerade von den USA ein starker Impuls ausgegangen ist, so daß ein Besuch in den Vereinigten Staaten auch für die Betriebsbedingtheit sprechen kann.

Da das Finanzgericht davon ausging, daß die Reise des Steuerpflichtigen betrieblich bedingt war, bedurfte es nicht der Einholung eines Gutachtens der Industrie- und Handelskammer zu dieser Frage, so daß die dahingehende Verfahrensrüge des Steuerpflichtigen ins Leere geht.

Dem Finanzgericht kann indessen nicht gefolgt werden, wenn es meint, es hätten bei der Mitfahrt der Ehefrau des Steuerpflichtigen je zur Hälfte betriebliche und private Erwägungen mitgespielt, es seien also die Kosten auch zur Hälfte Betriebsausgaben. Das Finanzgericht konnte zwar den Sachverhalt so würdigen, durfte aber dann nicht, ohne gegen das geltende Recht zu verstoßen, die Reisekosten halbieren. Das ergibt sich aus § 12 Ziff. 1 EStG, der im Gegensatz zur Auffassung des Steuerpflichtigen neben § 4 Abs. 5 EStG anwendbar ist (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 3 EStG). Danach können Aufwendungen, die an sich Aufwendungen für die Lebenshaltung sind, grundsätzlich auch dann nicht abgesetzt werden, wenn durch sie eine berufliche Tätigkeit gefördert wird. Die Rechtsprechung hat - wie in dem Urteil IV 36/64 U ausgeführt - diese Bestimmung mildernd dahin ausgelegt, daß sie in Fällen, in denen die Ausgaben "weitaus überwiegend" beruflich bedingt sind, nicht berücksichtigt, daß sie auch die Lebenshaltung berühren. Daraus ergibt sich aber, daß es bei der allgemeinen Regel (Nichtabzugsfähigkeit) verbleibt, wenn die betriebliche Veranlassung nicht ganz erheblich überwiegt.

Die angefochtene Entscheidung konnte daher insoweit nicht aufrecht erhalten werden. Der Senat muß nunmehr selbst die Tatsachen würdigen. Er ist der Ansicht, daß es sich bei den Kosten der Reise, soweit sie auf die Ehefrau entfallen, um nicht aufteilbare Kosten der Lebenshaltung handelt. Unter den gegebenen Umständen kann nicht als nachgewiesen angesehen werden, daß die Ehefrau des Steuerpflichtigen die Reise aus weitaus überwiegenden betrieblichen Gründen mitmachte. Im Regelfall legt allein schon die Mitnahme der Ehefrau auf eine Reise den Schluß nahe, daß zumindest in bezug auf ihre Reise nicht betriebliche Gründe im Vordergrund standen. Zwar war die Ehefrau des Steuerpflichtigen als alleinige Prokuristin am Betrieb mitinteressiert. Wie der Steuerpflichtige aber selbst ausführte, oblagen die Geschäftsreisen innerhalb Deutschlands dem Steuerpflichtigen allein. Zwar sprach die Ehefrau des Steuerpflichtigen Englisch. Doch stand ein sprachen- und fachkundiger Berater bei den beruflichen Besichtigungen zur Verfügung. Die Anwesenheit eines Dolmetschers im Hotel war nicht wichtig und auch nicht betriebsbedingt, da dort keine geschäftlichen Konferenzen stattfanden. Demgegenüber gewinnen die anderen Umstände, die für eine private Begleitung sprechen, entscheidendes Gewicht. Der Steuerpflichtige wählte für die mehrtägige Anreise das Schiff, also eine Reiseform, von der er sich selbst Erholung versprach; er besuchte erstmalig einen fremden und interessanten Erdteil; als älterer Mann schätzte er die Fürsorge seiner Frau. Es lag also nahe, die Ehefrau auf diese interessante Reise mitzunehmen.

Der Steuerpflichtige irrt, wenn er glaubt, es müßte ihm nachgewiesen werden, daß es sich um Kosten der Lebenshaltung und nicht um Betriebsausgaben gehandelt habe. Wenn der Steuerpflichtige Betriebsausgaben geltend macht, muß er den Nachweis der betrieblichen Veranlassung führen. Die bloße Verbuchung als Betriebsausgabe schafft keinen Beweis dafür, daß der Buchende die Reisekosten rechtlich zutreffend als Betriebsausgaben gewürdigt hat.

War die Reise eine Privatreise, so hätten nach den vom Bundesfinanzhof entwickelten Grundsätzen nur solche Kosten als Betriebsausgaben anerkannt werden können, die nachweisbar wegen der Wahrnehmung von Dienstgeschäften Mehrkosten verursacht hätten. Solche Kosten sind aber nicht feststellbar.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411552

BStBl III 1965, 282

BFHE 1965, 96

BFHE 82, 96

BB 1965, 484

DB 1965, 728

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