Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbleibensvoraussetzungen bei Vermietung von Wirtschaftsgütern

 

Leitsatz (NV)

Ein Wirtschaftsgut (hier: Computeranlage) verbleibt nicht drei Jahre nach seiner Anschaffung in einer Betriebsstätte in Berlin (West), wenn es innerhalb von Berlin länger als drei Monate, also nicht nur kurzfristig, an eine Privatperson oder an eine öffentlich- rechtliche Körperschaft vermietet wird. Entscheidend ist dabei die tatsächliche Mietdauer und nicht, ob die Mietverträge jeweils nur für drei Monate mit Verlängerungsklausel abgeschlossen worden sind.

 

Normenkette

BerlinFG a.F. § 19 Abs. 2 S. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren noch um die für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen erhöhte Zulagenbegünstigung von zwei im Streitjahr 1982 angeschafften Computeranlagen.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist promovierter Geisteswissenschaftler. Bis zum 31. März 1984 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut X nichtselbständig tätig. Er arbeitete im Streitjahr darüber hinaus freiberuflich als wissenschaftlicher Schriftsteller.

Bei den vom Kläger angeschafften Investitionsgütern handelt es sich u. a. um einen Computer Modell A mit Drucker, den der Kläger am 22. Dezember 1982 zu einem Preis von ... DM erwarb. Diese Computeranlage vermietete er zunächst an die Fa. G, Berlin, die die Anlage ihrerseits an das " ... -Projekt", Leiter Prof. Dr. S weitervermietete. Anschließend vermietete der Kläger die Computeranlage mit Vertrag vom 20. März 1983 an das Projekt der F-Stiftung " ... ", vertreten durch Prof. Dr. D. In diesem Fall richtete er Rechnungen über bestimmte Zeiträume unmittelbar an das Y-Institut (Körperschaft des öffentlichen Rechts). Im Anschluß an diese Vermietung schloß der Kläger am 7. Oktober 1985 einen Mietvertrag über den Computer mit der Fa. Z, Berlin, ab, die diesen an das Forschungsprojekt " ... politik ... ", Leiter Prof. Dr. E, weitervermietete.

Einen weiteren Computer Modell A mit Drucker erwarb der Kläger am 23. Dezember 1982 zu einem Preis von ... DM. Auch diese Computeranlage vermietete er über die Fa. G an das " ... -Projekt", Leiter Prof. Dr. S.

In den Mietverträgen verpflichtete sich der Kläger ausdrücklich auch dazu, jeweils zwei geeignete Personen in die Nutzung der Computeranlagen einzuweisen und sie fortan bei der Handhabung der Geräte zu beraten. Die Geräte sollten nur für "Forschungsarbeiten"(bei dem Mietvertrag mit Prof. Dr. D sogar nur für die "Forschungsarbeiten des Klägers") verwendet werden. Die "Forschungsarbeiten" wurden dabei als "Erstellung und Überarbeitung von Texten, Dateiverwaltung und -analyse, Rechenarbeiten etc." beschrieben. Die vereinbarte Mietzeit betrug drei Monate und sollte sich nach den Vertragsbestimmungen jeweils um weitere drei Monate verlängern, sofern nicht einer der Vertragsschließenden spätestens vierzehn Tage vor dem Vertragsablauf schriftlich der Verlängerung widersprechen sollte. Es wurde jeweils ein monatlicher "Mietzins" zwischen ... DM und ... DM, ggfs. zuzüglich Umsatzsteuer, vereinbart.

Für die beiden Computeranlagen beantragte der Kläger die erhöhte Investitionszulage im Forschungs- und Entwicklungsbereich in Höhe von 40 v. H. der Anschaffungskosten gemäß §19 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. b des Berlinförderungsgesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (BerlinFG a. F.).

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) lehnte die Gewährung der erhöhten Zulage ab und setzte die Investitionszulage lediglich in Höhe von 10 v. H. der Anschaffungskosten fest.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg, soweit es um die beiden genannten Computeranlagen ging. Hinsichtlich einer dritten, im Jahre 1983 angeschafften Computeranlage, für die der Kläger ebenfalls erhöhte Investitionszulage begehrt hatte, blieb die Klage erfolglos. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, daß die beiden vermieteten Computer erhöht zulagebegünstigt seien. Sie hätten dem Kläger im Sinne des Gesetzes zur Forschung und Entwicklung "gedient". Zwar sei eine reine Vermietungstätigkeit bei Computern nicht zulagebegünstigt. Im Streitfall sei die Vermietung jedoch im Zusammenhang mit der eigenen, klägerischen Forschungstätigkeit zu sehen. Die Nutzung der Geräte sei ganz in der Hand des Klägers geblieben, der gegenüber den Forschungsstellen eine Reihe von Leistungen erbracht habe, von denen die Vermietung der Computer nur einen Teilausschnitt ausgemacht habe. Die Computer seien allein im Rahmen der Forschungstätigkeit des Klägers eingesetzt gewesen. Der Kläger hätte auch auf die Erhebung einer Miete verzichten und dafür eine zusätzliche Vergütung im Rahmen der Gesamthonorierung seiner Forschungsleistung in Rechnung stellen können. Die zwischengeschalteten Firmen hätten wirtschaftlich keine eigene Vermietungsleistung erbracht. Bei der gewählten Gestaltung hätten sie die Geräte auch nicht an andere Nutzer ihrer Wahl vermieten können.

Gegen die Entscheidung des FG richtet sich die Revision des FA, mit der dieses eine Verletzung von §19 Abs. 2 BerlinFG a. F. rügt. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Urteil vom 21. Februar 1986 III R 179/81 (BFHE 146, 325, BStBl II 1986, 493) entschieden, daß eine Investitionszulage nach §19 BerlinFG a. F. nicht beansprucht werden könne, wenn das angeschaffte Wirtschaftsgut innerhalb der dreijährigen Verbleibensfrist an eine Körperschaft des öffentlichen Rechts vermietet werde. Unschädlich sei eine solche Vermietung nur, wenn die betreffende Körperschaft des öffentlichen Rechts einen Betrieb gewerblicher Art unterhalte, in dem das Wirtschaftsgut genutzt werde (Hinweis auf Tz. 171 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen -- BMF -- vom 31. Dezember 1986 IV B 2 -- InvZ 1010 -- 66/86, BStBl I 1987, 51). Dieser Ausnahmefall sei im Streitfall jedoch nicht gegeben.

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage, auch soweit ihr das FG stattgegeben hat (§126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Dabei kann offenbleiben, ob die Auffassung des FG zutrifft, daß die beiden Computeranlagen, um deren erhöhte Zulagenbegünstigung im Revisionsverfahren noch gestritten wird, trotz ihrer Vermietung ausschließlich der Forschung oder Entwicklung gedient haben. §19 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. b i. V. m. Abs. 2 Satz 1 BerlinFG a. F. fordert nämlich neben dem nahezu ausschließlichen "Dienen" der Investitionsgüter für Forschungs- oder Entwicklungszwecke ferner, daß die betreffenden abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgüter mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einem Betrieb (einer Betriebsstätte) in Berlin (West) verbleiben (sog. Verbleibensvoraussetzung, vgl. §19 Abs. 2 Satz 1 BerlinFG a. F.). Diese vom FG nicht geprüfte Voraussetzung war hier nicht gegeben.

a) Die Verbleibensvoraussetzung verlangt zum einen ein räumliches Verbleiben des begünstigten Wirtschaftsguts in irgendeinem Betrieb oder irgendeiner Betriebsstätte in Berlin (West). Deshalb steht die Veräußerung oder Vermietung von beweglichen Wirtschaftsgütern innerhalb von Berlin (West) unter dem Gesichtspunkt des sog. räumlichen Verbleibens grundsätzlich der Gewährung von Investitionszulage nach dem BerlinFG nicht entgegen, soweit die Wirtschaftsgüter bei dem Käufer oder Mieter in einem Betrieb verbleiben (BFH-Urteil in BFHE 146, 325, BStBl II 1986, 493, m. w. N.).

b) Zum Erfordernis des dreijährigen Verbleibens in einem Betrieb (einer Betriebsstätte) im Inland nach §4 b Abs. 2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982 hat der erkennende Senat außerdem unter dem Aspekt der sog. sachlichen Bindung mehrfach entschieden, daß ein kurzfristig, d. h. nicht länger als drei Monate, vermietetes Wirtschaftsgut noch im Betrieb des Investors verbleibt und daß es deshalb insoweit unerheblich ist, ob es sich bei dem Mieter um einen Gewerbetreibenden oder um eine Privatperson handelt (vgl. Senatsurteile vom 23. Mai 1986 III R 66/85, BFHE 147, 193, BStBl II 1986, 916, und III R 85/85, BFH/NV 1987, 467; vom 15. März 1991 III R 18/88 BFH/NV 1991, 626). Der Senat hat unter Hinweis auf das BMF-Schreiben in BStBl I 1987, 51 Tz. 41 zunächst offengelassen, ob dieser Grundsatz auch auf die Verbleibensvoraussetzungen nach anderen zulagerechtlichen Vorschriften zu übertragen ist (Senatsurteile vom 3. Juni 1987 III R 135/83 BFH/NV 1987, 740 zu §1 InvZulG 1977, und vom 23. Mai 1990 III R 76/87 BFHE 161, 281, BStBl II 1990, 1013, zu §19 BerlinFG). Er sieht darin aber nunmehr einen allgemeinen Grundsatz, der für alle betreffenden zulagerechtlichen Vorschriften gilt (vgl. Senatsurteil vom 5. Juni 1997 III R 186/94 BFH/NV 1997, 900 Abschn. 2 c der Entscheidungsgründe, zu §19 BerlinFG). Der Grund liegt darin, daß der Investor in den letztgenannten Vermietungsfällen regelmäßig innerhalb kurzer Frist die tatsächliche Gewalt über das vermietete Wirtschaftsgut wiedererlangt und es damit im Betrieb (in der Betriebsstätte) des Investors verbleibt (vgl. Senatsurteil in BFHE 147, 193, BStBl II 1986, 916).

Demgegenüber hat der Senat im Zusammenhang mit einer langjährigen Vermietung eines Verwaltungsgebäudes entschieden, daß es an der Verbleibensvoraussetzung i. S. von §19 Abs. 2 Satz 1 BerlinFG fehlt, wenn Wirtschaftsgüter in Berlin (West) an Privatpersonen oder an Körperschaften des öffentlichen Rechts veräußert oder vermietet werden, da diese in Berlin (West) keinen Betrieb (keine Betriebsstätte) unterhalten (Senatsurteil in BFHE 146, 325, BStBl II 1986, 493). Eine kurzfristige, d. h. nicht länger als drei Monate andauernde Nutzungsüberlassung an diesen Personenkreis wäre dagegen nach den obigen Ausführungen bei der sog. Regionalzulage nach dem BerlinFG ebenso wie bei der sog. Beschäftigungszulage nach dem §4b InvZulG 1982 unschädlich. Entscheidend ist dabei die tatsächliche Mietdauer und nicht, ob die Mietverträge wie im Streitfall jeweils nur für drei Monate mit Verlängerungsklausel abgeschlossen worden sind.

Im Streitfall standen die beiden Computeranlagen während des Drei-Jahres-Zeitraums nach der Anschaffung jeweils mehr als drei Monate privaten Endmietern gegen Entrichtung von monatsbezogenen Mietzinsraten zur Nutzung zur Verfügung. Sie waren damit im Sinne der o. g. Senatsrechtsprechung nicht kurzfristig, sondern für einen längeren Zeitraum vermietet. Daß die Computeranlagen dabei für Forschungsarbeiten des Klägers bestimmt waren, die dieser für die Forschungsprojekte der als Mieter auftretenden Professoren ausführte, ändert daran nichts. Maßgebend ist, daß die Professoren als Mieter und Leiter der Forschungsprojekte jedenfalls letztlich darüber bestimmen konnten, wie und wofür die Computer durch den Kläger einzusetzen waren. Deshalb kann nicht angenommen werden, daß die Computer in Wirklichkeit im Betrieb des Klägers verblieben seien. Denn Anhaltspunkte dafür, daß die Mietverträge unbeachtlich wären, weil es sich bloß um Scheingeschäfte i. S. von §117 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches gehandelt hätte, ergeben sich aus den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß §118 Abs. 2 FGO gebunden ist, nicht.

Soweit der Kläger ein Verbleiben der Wirtschaftsgüter in seinem Betrieb aus seiner tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeit auf die vermieteten Computeranlagen im Rahmen seiner Anwenderbetreuungsaufgabe herleiten will und damit sinngemäß eine Ausnahme von der Drei-Monats-Regelung beanspurcht, ist darauf zu verweisen, daß der erkennende Senat das Entscheidungskriterium der tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeit zwar zunächst anerkannt, aber mit Urteil vom 20. Mai 1988 III R 86/83 (BFHE 153, 481, BStBl II 1988, 739) als zu unscharf wieder aufgegeben hat (vgl. dazu auch Sentsurteil in BFH/NV 1991, 626).

Die fraglichen Computeranlagen sind daher im Rechtssinne zumindest für einen längeren Zeitraum bei Privatpersonen "verblieben", also zulagenschädlich verwendet worden. Es gibt nämlich keine Anhaltspunkte, daß die Forschungsprojekte, für die die Computer verwendet worden sind, im Rahmen von Betrieben durchgeführt worden sind. Zudem hat der Kläger die geschlossenen Verträge unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sogar als eine unmittelbare Vermietung an das Y-Institut selbst gewertet. Eine solche Vermietung wäre aber, weil es sich bei der Mieterin dann um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handeln würde (vgl. §58 Abs. 1 Satz 1 des Hochschulrahmengesetzes in der im Streitjahr gültigen Fassung), nach den obigen Ausführungen in jedem Fall zulagenschädlich.

2. Zu berücksichtigen ist auch, daß das Vorbringen des Klägers in sich widersprüchlich ist: Zum einen legt er zahlreiche abgeschlossene Mietverträge vor, die ihm zur Abrechnung einer Fremdvermietungsleistung gegenüber dem Y-Institut dienten. Auf der anderen Seite soll eine solche Leistung investitionszulagenrechtlich gar nicht wirklich erbracht worden sein, weil die Geräte bei ihm verblieben seien. Hier spricht auch der Gedanke des venire contra factum proprium gegen eine Zulagengewährung.

3. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil ist daher aufzuheben und die Klage des Klägers in vollem Umfang abzuweisen (§126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 66878

BFH/NV 1998, 744

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