Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindungswirkung der Artfeststellung als Einfamilienhaus für die Besteuerung des Nutzungswerts nach § 21 a Abs. 1 Satz 1 EStG 1983

 

Leitsatz (NV)

1. Der Einheitswertbescheid ist hinsichtlich der Feststellung der Grundstücksart und der Höhe des Einheitswerts für die Ermittlung der Einkünfte aus einem eigengenutzten Haus gemäß § 21 a Abs. 1 Satz 1 EStG als Grundlagenbescheid gemäß § 182 AO 1977 bindend (Anschluß an die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs).

2. Etwaige Fehler können nur durch Änderung des Einheitswertbescheids nach den §§ 172 ff. AO 1977 oder durch fehlerbeseitigende Artfortschreibung gemäß § 22 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 Nr. 2 BewG korrigiert werden.

3. Ein Einheitswertbescheid mit der Artfeststellung als Zweifamilienhaus enthält zugleich die bindende Feststellung, daß das Grundstück kein Einfamilienhaus ist.

 

Normenkette

AO 1977 § § 172 ff., § 182; BewG § 22 Abs. 3, 4 Nr. 2; EStG 1983 § 21a

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind im Streitjahr (1985) zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Sie erwarben aufgrund notariell beurkundeten Kaufvertrags vom 28. Juli 1978 ein ehemaliges Schulgebäude. Das Grundstück war auf den 1. Januar 1976 als Zweifamilienhaus bewertet worden. Im Zeitraum von 1978 bis 1980 renovierten die Kläger das Gebäude. Seither bewohnen sie es allein. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bewertete das Grundstück auch nach dem Umbau mit Einheitswertbescheid vom 7. April 1983 auf den 1. Januar 1980 als Zweifamilienhaus.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ermittelten die Kläger den Nutzungswert der Wohnung durch Einnahme-Überschußrechnung gemäß § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es ergab sich ein Werbungskostenüberschuß. Das FA folgte dem nicht und legte der Veranlagung auch im Einspruchsverfahren einen höheren Nutzungswert zugrunde.

Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß der Nutzungswert für das Grundstück nach § 21 a Abs. 1 Satz 1 EStG zu pauschalieren sei, weil es sich um ein Einfamilienhaus handele.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung des § 21 a Abs. 1 EStG.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA einen hinsichtlich des Grundfreibetrags vorläufigen Änderungsbescheid erlassen, den die Kläger gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht haben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Das FG hat seiner Entscheidung zu Unrecht § 21 a Abs. 1 Satz 1 EStG zugrunde gelegt. Denn die Anwendung dieser Vorschrift setzt entweder die Bewertung des Grundstücks als Einfamilienhaus i. S. des § 75 Abs. 5 des Bewertungsgesetzes (BewG) voraus (§ 21 a Abs. 1 Satz 1 EStG) oder es muß sich um ein anderes Wohngebäude i. S. des § 21 a Abs. 1 Satz 2 EStG handeln. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Regelung des § 21 a Abs. 1 Satz 2 EStG greift schon deshalb nicht ein, weil die Kläger das Grundstück vor dem 30. Juli 1981 gekauft haben (vgl. § 21 a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 EStG).

Die Anwendung von § 21 a Abs. 1 Satz 1 EStG scheitert daran, daß es an der Bewertung des Grundstücks als Einfamilienhaus fehlt.

Nach der vom erkennenden Senat übernommenen ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist der Einheitswertbescheid hinsichtlich der Feststellung der Grundstücksart und der Höhe des Einheitswerts für die Ermittlung der Einkünfte aus einem eigengenutzten Haus gemäß § 21 a Abs. 1 Satz 1 EStG als Grundlagenbescheid gemäß § 182 der Abgabenordnung (AO 1977) bindend (vgl. Entscheidung des erkennenden Senats vom 12. November 1991 IX R 117/88, BFHE 166, 214, BStBl II 1992, 286 m. w. N.). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Einheitswertbescheid unrichtig ist. Etwaige Fehler können nur durch Änderung des Einheitswertbescheides nach den §§ 172 ff. AO 1977 oder durch eine fehlerbeseitigende Artfortschreibung gemäß § 22 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 Nr. 2 BewG korrigiert werden (BFH-Urteil vom 1. August 1972 VIII R 99/69, BFHE 107, 18, BStBl II 1972, 882; Senatsentscheidung vom 21. Oktober 1986 IX R 55/82, BFHE 148, 267, BStBl II 1987, 210). § 21 a Abs. 1 Satz 1 EStG setzt die Artfeststellung als Einfamilienhaus voraus. Ist jedoch bereits ein Einheitswertbescheid mit der Artfeststellung als Zweifamilienhaus ergangen, so enthält er zugleich die bindende Feststellung, daß das Grundstück kein Einfamilienhaus ist.

So liegt der Fall hier, weil im maßgeblichen Einheitswertbescheid vom 7. April 1983 auf den 1. Januar 1980 die Grundstücksart Zweifamilienhaus festgestellt ist. Im Streitfall haben sich auch nicht die tatsächlichen Verhältnisse während des Veranlagungszeitraumes geändert, die nach dem Urteil des erkennenden Senats in BFHE 148, 267, BStBl II 1987, 210 eine Ausnahme von der Bindungswirkung der Artfeststellung rechtfertigen könnten. Denn die Umbaumaßnahmen wurden bereits vor dem hier maßgebenden Einheitswertbescheid vom 7. April 1983 durchgeführt.

2. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Das FG hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - bisher keine Feststellungen zur zwischen den Beteiligten umstrittenen Höhe des Nutzungswerts des eigengenutzten Hauses getroffen. Dies wird es nachzuholen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418179

BFH/NV 1992, 469

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