Leitsatz (amtlich)

Ob eine nichtsteuerbare Rückgängigmachung eines Liefervorganges oder eine entgeltliche Rücklieferung durch den Lieferungsempfänger vorliegt, ist nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 7. Mai 1981 V R 47/76 (BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495) aus dessen Position und nicht aus der des ursprünglichen Lieferers zu beurteilen.

 

Normenkette

UStG 1951 § 1 Nr. 1; UStG 1967 § 1 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine im Gerüstbau tätige Kommanditgesellschaft, hatte Ende 1967 von der B-GmbH Stahlrohrgerüstteile zum Preis von 1 079 866,25 DM erworben (Rechnung der B-GmbH vom 29. Dezember 1967 mit Nachtrag vom 23. Januar 1968). Die B-GmbH hatte sich bis zur Bezahlung der Kaufpreissumme (in Raten) und der Zinsen das Eigentum vorbehalten.

Weiteres Gerüstmaterial hatte die Klägerin im Jahr 1967 von der Firma K erworben. Dieses hatte sie ebenfalls von der B-GmbH unter deren Eigentumsvorbehalt bezogen. Die B-GmbH hatte im Hinblick auf ihren Eigentumsvorbehalt der weiteren Lieferung dieser Gerüste an die Klägerin zugestimmt und der Klägerin unter Aufrechterhaltung ihres Eigentumsvorbehalts bis zur vollständigen Bezahlung der gesamten Rechnungssumme (aus den beiderseitigen Lieferungen) Ratenzahlungen eingeräumt. Bei den von der B-GmbH unmittelbar und den von der Firma K bezogenen Gerüstteilen handelte es sich um gleichartiges Material; bei seinem Einsatz durch die Klägerin ist es miteinander vermengt worden.

Da die Klägerin ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber der B-GmbH nicht nachkam, beantragte diese im Jahr 1969 die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Klägerin. Um den Konkurs abzuwenden, schloß die Klägerin mit der B-GmbH am 26. November 1969 einen Vertrag, in dem sie sich u. a. dazu verpflichtete, die Hälfte der sich aus der Rechnung vom 29. Dezember 1967 ergebenden Gerüstteile an die B-GmbH bis zum 30. November 1969 zu übergeben. Die B-GmbH verpflichtete sich, nach vollzogener Übergabe und Erfüllung anderer von der Klägerin übernommener Verpflichtungen den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens zurückzunehmen.

Der Vertrag vom 26. November 1969 ist wie vorgesehen durchgeführt worden. Die der B-GmbH übergebenen Gerüstteile wurden der Klägerin mit 539 933 DM gutgeschrieben. Unter diesen Gerüstteilen befanden sich auch solche, welche die Klägerin von der Firma K bezogen hatte.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung bei der Klägerin vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, die Klägerin habe mit der Rückgabe der Gerüstteile an die B-GmbH eine steuerbare und steuerpflichtige Lieferung (§ 3 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes - UStG 1967 -) bewirkt. Das FA hat die Umsatzsteuer 1969 um 53 507,36 DM (9,91 v. H. von 539 933 DM) höher festgesetzt (Berichtigungsbescheid vom 12. April 1973). Die Klägerin ist dagegen der Meinung, sie habe die Gerüstteile nicht an die B-GmbH geliefert, sondern die ursprüngliche Lieferung rückgängig gemacht.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Auffassung vertreten, die Lieferung der Gerüstteile vom Jahre 1967 sei zur Hälfte rückgängig gemacht worden. Eine steuerbare Rücklieferung an die B-GmbH liege nicht vor.

Das FA rügt mit der Revision Verletzung der §§ 1, 3 UStG 1967; das FG habe den Vertrag vom 26. November 1969 unrichtig ausgelegt. Dieser beinhalte nicht die - teilweise - Rückgängigmachung der ursprünglichen Gerüstteilelieferung, sondern eine neue, selbständige Verpflichtung zur Lieferung von Gerüstteilen an die B-GmbH zwecks Tilgung der offenen Kaufpreisschuld. Hierfür spreche die von der Klägerin gegenüber der B-GmbH eingegangene Verpflichtung, "die Hälfte der Materialien, die sich aus der Rechnung der Gläubigerin vom 29. Dezember 1967 ergeben, bis zum 30. November 1969 zu übergeben". Diese Rückgabeverpflichtung sei unabhängig von dem der B-GmbH aus dem Eigentumsvorbehalt zustehenden, nicht geltend gemachten Rücktrittsrecht mit gegenseitiger Rückgewährung der empfangenen Leistungen (§ 455 BGB) zu sehen. Gegen eine bloße Rückgewähr spreche auch der lange Zeitraum (von zwei Jahren) zwischen Lieferung der Gerüstteile und deren Rückgabe. Schließlich seien die zurückgegebenen Gerüstteile nicht in vollem Umfang identisch gewesen mit den von der B-GmbH gelieferten, da ein Teil der ersteren von der Firma K bezogen gewesen seien. Insoweit sei der Vertrag vom November 1969 nicht einmal vollständig eingehalten worden, demzufolge sich die zurückgegebenen Materialien aus der Rechnung der B-GmbH vom 29. Dezember 1967 ergeben sollten. Dies alles zusammengenommen führe zu der Folgerung, daß die Verfügungsmacht an den Gerüstteilen nicht zurückübertragen, sondern der B-GmbH von der Klägerin neu verschafft worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist unbegründet.

Ob die Rückgabe eines gelieferten Gegenstandes vom Lieferungsempfänger an den Lieferer eine steuerbare Rücklieferung oder lediglich eine nichtsteuerbare Rückgängigmachung des ursprünglichen Lieferungsvorgangs enthält, ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bislang entscheidend danach beurteilt worden, ob eine innere Verknüpfung der Rückgabe mit der ursprünglichen Lieferung besteht (vgl. Urteil vom 22. November 1962 V 214/58 S, BFHE 76, 532, BStBl III 1963, 194). Dieses Abgrenzungskriterium gibt aber keine allgemeingültige Antwort darauf, welche Merkmale diese Art innerer Verknüpfung kennzeichnen. Aus den folgenden Erwägungen ist diese Frage jedoch nicht zu vertiefen.

Nach allgemeinen umsatzsteuerrechtlichen Grundsätzen ist die Frage, ob der Rückgabe des Liefergegenstandes eine bloße Rückgängigmachung der ursprünglichen Lieferung oder ein Leistungsaustausch und damit eine Rücklieferung zugrunde liegt, aus der Position des rückgebenden Leistungsempfängers zu beurteilen. Denn in dessen Person entscheidet sich, ob er mit der Rückgabe des Liefergegenstandes eine entgeltliche Lieferung im Sinne der Grundsätze des BFH-Urteils vom 7. Mai 1981 V R 47/76 (BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495) erbringt oder nicht.

Bei Zahlungsverzug des Empfängers der Erstlieferung kann die Frage, ob bei Rückgabe des Gelieferten wiederum eine entgeltliche Lieferung vorliegt, nicht ohne Blick auf dessen Rechtsposition gewürdigt werden. Ist der Erstbelieferte nicht in der Lage, seine Schuld zu tilgen, und der Erstlieferer befugt, vom Vertrag zurückzutreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen (§ 326 BGB) oder den gelieferten Gegenstand kraft Eigentumsvorbehalts (§ 455 BGB) zurückzufordern, so bleibt dem säumigen Lieferungsempfänger keine Wahlmöglichkeit, ob er den gelieferten Gegenstand aufgrund einer Rückgängigmachung des ursprünglichen Geschäftes zurückgeben oder seinerseits an den ursprünglichen Lieferer den zuvor ihm gelieferten Gegenstand gegen Entgelt liefern (zurückliefern) will. Sein Verhandlungsspielraum ist derart eingeengt, daß er dem Verlangen des Vertragspartners auf Rückgabe des Liefergegenstandes in der Weise nachkommen muß, daß er sich mit der Rückgängigmachung des Lieferungsvorganges und dem diesem zugrunde liegenden Lieferungsvertrag einverstanden erklären muß.

Im gegebenen Fall hat das FG die Rückgabe der Gerüste im Jahr 1969 zutreffend als Rückgängigmachung des Liefervorgangs vom Jahr 1967 beurteilt. Es fehlt an einer Lieferung gegen Entgelt. Denn dieses hätte aufgrund des Vertrages vom 26. November 1969 allenfalls in einem Erlaß der nicht beglichenen Kaufpreisschuld gesehen werden können. Ein solcher Erlaß hätte aber keine andere Rechtsfolge bewirkt als diejenige, die sich angesichts der Säumnis der Klägerin auch unter dem Gesichtspunkt einer Rückgängigmachung des ursprünglichen Geschäftes ohnehin ergab: die B-GmbH war berechtigt, von dem Liefervertrag zurückzutreten (§ 455 BGB), und bei Rücktritt wäre ihre Kaufpreisforderung erloschen. Durch die in den Vertrag vom November 1969 aufgenommene Rückgabeverpflichtung wurde somit nur eine Abmachung festgeschrieben, die den ohnehin bestehenden Ansprüchen der B-GmbH aus den ursprünglichen Verträgen Rechnung trug. Eine eigenständige Bedeutung kommt dieser Abmachung lediglich insoweit zu, als durch den Hinweis auf die Rechnung der B-GmbH vom 29. Dezember 1967 der Umfang der zurückzugebenden Gerüste nach Zahl und Art festgelegt wurde. Daß die zurückgegebenen Gerüste infolge Vermengung zum Teil über die Firma K bezogen waren, ist schon deshalb unerheblich, weil über diese die gleichen Abreden mit der B-GmbH bestanden wie hinsichtlich der unmittelbar von ihr bezogenen; insbesondere standen beiderlei Gerüste unter Eigentumsvorbehalt der B-GmbH.

Im Hinblick auf die Konkursnähe und die drohende Geltendmachung des Eigentumsvorbehalts durch die B-GmbH konnte sich die Klägerin der teilweisen Rückgängigmachung des Kaufvertrages vom Jahr 1967 nicht entziehen. Bei dieser Sachlage des Zurückgebenmüssens der Gerüste kann in diesem Vorgang kein zweckgerichtetes, d. h. auf Entgeltserzielung gerichtetes Handeln der Klägerin im Sinne des Urteils des BFH in BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495 gesehen werden. Ein Verlangen der Klägerin, für die Rückgabe der Gerüste ein Entgelt zu erhalten, wäre nicht durchsetzbar gewesen. Deshalb handelte es sich bei dem in den Vertrag vom November 1969 aufgenommenen "Verzicht" der B-GmbH auf "Minderungsansprüche hinsichtlich der Qualität des Materials" nicht um ein von der Klägerin anstrebbares (erwartbares) Entgelt, sondern um ein einseitiges Zugeständnis der B-GmbH.

 

Fundstellen

BStBl II 1982, 233

BFHE 1982, 115

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