Entscheidungsstichwort (Thema)

Formelle Voraussetzungen eines Haftungsbescheids

 

Leitsatz (NV)

1. Zu dem Verhältnis zwischen dem Verwaltungsverfahren wegen Nichtigkeit eines Verwaltungsakts (§ 125 Abs. 5 AO 1977) und der Nichtigkeitsklage nach § 41 FGO.

2. Formelle Voraussetzungen eines Haftungsbescheids hinsichtlich der diesen erlassenden Finanzbehörde.

 

Normenkette

AO 1977 § 125 Abs. 5; FGO § 41

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung der Nichtigkeit des Haftungsbescheids vom Oktober 1979, durch den er als ehemaliger Gesellschafter einer Erwerbsgemeinschaft (Gesellschaft des bürgerlichen Rechts - GdbR - ) für deren rückständige Umsatzsteuer 1972 und 1973 in Höhe von rd. 22 000 DM in Anspruch genommen worden ist.

Der Kläger hat den ihm am 17. Oktober 1979 zugestellten Haftungsbescheid nicht angefochten. Die im Dezember 1981 erhobene Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Haftungsbescheids begründete er wie folgt:

Der Haftungsbescheid lasse in seinem Eingangssatz (,,schuldet der Bundesrepublik Deutschland - dem Lande Hessen") nicht erkennen, ob Gläubiger des Haftungsanspruchs der Bund oder das Land Hessen sei. Auch sei die für die Bezeich

nung des zuständigen FA vorgesehene Spalte in der ihm zugegangenen Ausfertigung nicht ausgefüllt, so daß die den Bescheid erlassende Finanzbehörde nicht erkennbar sei. Schließlich habe auf der ihm zugegangenen Postsendung (gemeint ist offenbar der Briefumschlag) der Absender gefehlt, so daß die Zustellung unwirksam gewesen sei.

Hiervon unabhängig sei die Haftung zu Unrecht auf § 113 AO i.V.m. § 421 BGB gestützt worden, weil der haftungsbegründende Tatbestand erst im November 1978 eingetreten sei und daher die Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977) hätten angewendet werden müssen, in denen nicht auf die Bestimmungen der §§ 421 ff. BGB verwiesen sei. Auch hätten die für die Haftung maßgebenden materiellen Steueransprüche nach Grund und Höhe nicht in der vom FA zugrunde gelegten Form bestanden.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Zwar sei diese zulässig und das berechtigte Interesse des Klägers nicht deshalb zu verneinen, weil dieser kein Verfahren nach § 125 Abs. 5 AO 1977 bei der Verwaltung durchgeführt habe. Die Klage sei aber unbegründet. Entgegen der Auffassung des Klägers sei der Gläubiger des Haftungsanspruchs in dem Bescheid hinreichend substantiiert, die den Bescheid erlassende Behörde ausreichend kenntlich gemacht und auch die Zustellung nicht unwirksam gewesen. Was die übrigen von dem Kläger geltend gemachten Gesichtspunkte anbelange, so beinhalteten sie - selbst wenn sie zutreffen sollten - jedenfalls keinen besonders schwerwiegenden Fehler, der bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig sei und den Bescheid nichtig mache (§ 125 Abs. 1 AO 1977).

Mit der Revision verfolgt der Kläger das Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Nichtigkeitsklage in Anwendung von § 41 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erhoben werden kann, ohne daß vorher ein Verfahren nach § 125 Abs. 5 AO 1977 durchgeführt werden muß. Der erkennende Senat teilt die von Kühn/Kutter/Hofmann (Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., Anm. 5 zu § 125 AO 1977) vertretene Auffassung, daß die Feststellung der Nichtigkeit ebenso wie ihre Ablehnung durch eine Verwaltungsbehörde (§ 125 Abs. 5 AO 1977) lediglich den Rechtscharakter einer Auskunft darüber enthält, ob die Behörde den Verwaltungsakt für wirksam hält oder nicht. Eine darüber hinausgehende Verbindlichkeit ist der von der Behörde getroffenen Entscheidung nicht beizumessen. Da somit das Verfahren nach § 125 Abs. 5 AO 1977 und das gerichtliche Klageverfahren auf Feststellung der Nichtigkeit nach § 41 FGO schon im Hinblick auf die dem letzteren zukommende Rechtskraftwirkung nicht vergleichbar sind, kann der Steuerpflichtige, um sein Ziel zu erreichen, den ihm geeigneter erscheinenden Weg beschreiten. Die Erhebung der Nichtigkeitsklage war also zulässig.

2. Der Kläger stützt sein Begehren, die Feststellung der Nichtigkeit des Haftungsbescheids vom Oktober 1979 zum einen darauf, der Haftungsbescheid lasse den Gläubiger des Haftungsanspruches und die erlassende Finanzbehörde nicht erkennen, und zum anderen darauf, die Zustellung des Haftungsbescheides sei wegen Nichtangabe des Absenders nicht wirksam vorgenommen worden. Beide Gesichtspunkte sind nicht stichhaltig.

a) Mit der im Haftungsbescheid enthaltenen Formulierung ,,die . . . Erwerbsgemeinschaft . . . schuldet der Bundesrepublik Deutschland - dem Land Hessen" ist, wie das FG zutreffend entschieden hat, der Gläubiger des Haftungsanspruches hinreichend substantiiert. Da das Aufkommen an Umsatzsteuer dem Bund und den Ländern gemeinsam zusteht (Art. 106 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes - GG -), es sich also um eine sog. ,,Gemeinschaftssteuer" handelt, konnte der Inhaber des Anspruches in dieser Art und Weise bezeichnet werden.

Selbst wenn man - zugunsten des Klägers - davon ausginge, daß der Haftungsbescheid in der für die Angabe der FA-Bezeichnung maßgebenden Spalte (links oben) keine Eintragung enthielt, war er dieserhalb nicht mit einem Nichtigkeitsgrund behaftet. Denn durch die vollständige Angabe der Adresse des beteiligten FA ließ sich aus dem Inhalt des Haftungsbescheides ohne weiteres erkennen, welches FA den Bescheid erlassen hatte. Mehr ist nicht erforderlich (vgl. § 125 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977).

b) Unterstellt man weiter - zugunsten des Klägers -, daß der den Bescheid enthaltende Briefumschlag keine Absenderangabe enthielt, so war damit die Zustellung des Bescheids nicht unwirksam. Denn bei einem solchen Mangel, sollte er vorgelegen haben, galt der Bescheid gemäß § 9 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) mit seinem Erhalt durch den Kläger als zugestellt und damit der Mangel als geheilt - wenngleich mit der Maßgabe, daß die Einspruchsfrist nicht in Lauf gesetzt worden ist (§ 9 Abs. 2 VwZG; vgl. Engelhardt, Verwaltungszustellungsgesetz, Anm. 2b zu § 9 mit Hinweisen; Erichsen/Martens, Allg. Verwaltungsrecht, § 41 Nr. II Ziffer 6, Seite 367). Das Nichtanlaufen der Einspruchsfrist läßt aber den Verwaltungsakt als solchen in seinem Bestand unberührt.

3. Die sämtlichen weiteren, von dem Kläger für die Nichtigkeit des Haftungsbescheides angeführten Gesichtspunkte - wie die Beendigung der GdbR, die Art und Form der Abfindung der Gesellschafter, die Frage der An- oder Nichtanwendung der AO oder der AO 1977 und - damit zusammenhängend - der Vorschriften des Bürgerlichen Rechts (§§ 421 ff. BGB) - berühren ausnahmslos nicht die Frage der Nichtigkeit, sondern allenfalls diejenige einer etwaigen Rechtsfehlerhaftigkeit des Haftungsbescheids. Diese Gesichtspunkte hätten - nach vorangegangenem Einspruchsverfahren (§ 44 Abs. 1 FGO) - mit der Anfechtungsklage nach § 40 FGO geltend gemacht werden müssen. Für ihre Überprüfung ist in dem vorliegenden Verfahren kein Raum.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414199

BFH/NV 1986, 720

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