Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen eines Arbeitnehmers zur Beseitigung von Schäden, die durch einen Unfall während einer beruflich veranlaßten Fahrt mit dem eigenen PKW entstanden sind, sind keine Werbungskosten, wenn der Arbeitnehmer den Unfall durch einen bewußt und leichtfertig begangenen Verstoß gegen Verkehrsvorschriften verursacht hat. Ein solcher Verstoß liegt bei einem Arbeitnehmer vor, der auf der Autobahn bei Glatteis mit erheblich überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist.

 

Normenkette

EStG 1967 § 9; LStDV 1965 § 20

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Ingenieur. Er wollte am 17. Januar 1967 im Auftrage seines Arbeitgebers eine Baustelle besuchen. Die Fahrt legte er im eigenen Pkw zurück. Etwa 15 Minuten nach 7 Uhr erlitt er auf der Autobahn München-Stuttgart einen Unfall. Er fuhr mit seinem selbstgesteuerten NSU-Prinz mit einer Geschwindigkeit von ca. 110 km/st und geriet an einer geraden und ebenen Strecke, auf der sich Glatteis befand, ins Schleudern. Dabei kam er nach rechts von der Fahrbahn ab. Der Pkw fuhr in den Straßengraben, überschlug sich und wurde wieder auf die Fahrbahn geworfen. Im Mittelstreifen blieb er stehen. Der Kläger, der angeschnallt war, wurde dabei nicht verletzt. Die Polizei erstattete Anzeige, das Amtsgericht stellte das Verfahren gem. §§ 413, 153 StPO ein. Der Kläger berechnete einen Unfallschaden von 5 726,90 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) lehnte seinen Antrag, diesen Betrag als Werbungskosten abzuziehen, ab. Der Einspruch war erfolglos.

Die Klage wurde abgewiesen. Das FG führte aus, wenn ein Arbeitnehmer auf einer beruflich veranlaßten Fahrt einen Kfz-Unfall erleide, so sei der dabei entstandene Schaden als Werbungskosten abzugsfähig, wenn der Arbeitnehmer den Unfall weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verschuldet habe (Urteil des BFH vom 2. März 1962 VI 79/60 S, BFHE 74, 513, BStBl III 1962, 192). Eine grobe Fahrlässigkeit liege dann vor, wenn der Steuerpflichtige nach den gesamten Umständen die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das unbeachtet gelassen habe, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muß (BFH-Urteil vom 21. Februar 1969 VI R 113/66, BFHE 95, 104, BStBl II 1969, 316).

Das FG sei auf Grund der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, daß der Kläger grob fahrlässig gehandelt habe. Bei einer Außentemperatur um den Gefrierpunkt müsse im Monat Januar stets mit stellenweiser Glatteisbildung gerechnet werden. Es müsse auch jedem Kraftfahrer klar sein, daß am frühen Morgen noch nicht an allen Glatteisstellen gestreut sein könne. Da es zur Zeit des Unfalls noch dunkel gewesen sei, wäre besondere Vorsicht am Platz gewesen. Der als sachverständiger Zeuge vernommene Polizeibeamte habe die Auffassung vertreten, daß unter den gegebenen Umständen eine Geschwindigkeit von 50-60 km/st angemessen gewesen wäre. Das FG sei der Auffassung, daß der Kläger im äußersten Fall eine Geschwindigkeit von 80 km/st hätte fahren dürfen. Eine Geschwindigkeit von 110 km/st sei unverantwortlich gewesen. Der Kläger habe dadurch nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das Leben anderer Benutzer der Autobahn aufs Spiel gesetzt. Bei Beurteilung der Schuldfrage seien FA und FG nicht an die Entscheidung des Amtsgerichts, welches des Verfahren eingestellt habe, gebunden.

Mit der Revision beantragt der Kläger Aufhebung des FG-Urteils und Anerkennung der Kfz-Unfallkosten als Werbungskosten. Er bestreitet, grob fahrlässig gehandelt zu haben. Nach seinen Zeitberechnungen ergebe sich für die Fahrt auf der Autobahn bis zum Unfall eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 80 km/st oder möglicherweise weniger. Da das FG festgestellt habe, er habe eine Geschwindigkeit von 80 km fahren dürfen, habe er sich bis vor Eintritt des Unfalls im Rahmen der vom FG zugebilligten Geschwindigkeit richtig verhalten. Im Verlauf der Fahrt auf der Autobahn und mit fortschreitender Aufhellung sei er zu der Überzeugung gekommen, daß er seine Geschwindigkeit den Umständen nach ohne Gefahr erhöhen könne. Der Unfall habe sich auf einer ebenen und geraden Strecke ereignet, die Autobahn sei bis zum Unfall auch trocken und der übrige Verkehr normal gewesen. Alle bis zum Eintreffen der Polizei am Unfallort vorbeikommenden Fahrzeuge hätten Geschwindigkeiten um 100 km/st gefahren. Die von dem vernommenen Polizeibeamten vertretene Auffassung, daß unter den gegebenen Umständen eine Geschwindigkeit von 50-60 km/st angemessen gewesen wäre, beruhe offensichtlich auf seiner speziellen Kenntnis durch den Einsatz auf der Autobahn. Außerdem setze sie voraus, daß schon vor dem Unfallort Gefahrenstellen gleicher Art vorhanden gewesen seien. Im übrigen würden mehrere FG die Abzugsfähigkeit von Kfz-Unfallkosten als Werbungskosten auch im Fall von grober Fahrlässigkeit anerkennen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Die Entscheidung des FG entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. die vom FG angeführten Urteile vom 2.März 1962 VI 79/60 S und vom 21. Februar 1969 VI R 113/66). Der erkennende Senat hat sich mit der Frage, wie weit das eigene Verhalten des Steuerpflichtigen bei einem Verkehrsunfall die Anerkennung der Unfallkosten als Werbungskosten ausschließen kann, insbesondere im Urteil vom 16. Februar 1970 VI R 254/68 (BFHE 99, 300, BStBl II 1970, 662) nochmals befaßt und dabei festgestellt, daß er keinen Anlaß sieht, die bisherige Rechtsprechung im Grundsatz aufzugeben. Er hat dargelegt, daß da, wo Zweifel auftreten, ob der Schaden beruflich oder betrieblich veranlaßt ist, davon auszugehen ist, daß mehrere verschiedene Kausalketten zum Entstehen des Schadens beigetragen haben können. Eine Ursachenkette gehe regelmäßig von der Tatsache der dienstlichen Fahrt als solcher aus; insoweit sei die berufliche Veranlassung zunächst einmal zu bejahen. Eine weitere Ursachenkette könne aber auch durch den Steuerpflichtigen selbst in Gang gesetzt werden, wenn er sich verkehrswidrig verhalten habe. Es bedürfe dann steuerlich der Entscheidung, ob, wieweit und unter welchen Voraussetzungen auch in einem solchen Fall bei einem Schaden die berufliche Veranlassung noch bejaht werden könne. Das ist nach jener Entscheidung des Senats nicht der Fall, wenn der Steuerpflichtige bewußt und leichtfertig gegen Verkehrsvorschriften verstößt. Durch ein derartiges Handeln wird in der Regel eine nicht beruflich motivierte Ursachenkette in Gang gesetzt und ein sonst gegebener Zusammenhang mit dem Beruf verdrängt, so daß ein etwa entstehender Unfallschaden der Privatsphäre zuzurechnen ist.

Die Vorentscheidung steht in Einklang mit diesen Grundsätzen, an denen der Senat festhält. Die Feststellung der Vorentscheidung, bei einer Außentemperatur um den Gefrierpunkt müsse im Januar stets mit stellenweiser Glatteisbildung gerechnet werden, und es müsse auch jedem Kraftfahrer klar sein, daß am frühen Morgen noch nicht an allen Glatteisstellen gestreut sein könne, zudem sei, da es zur Zeit des Unfalls noch dunkel gewesen sei, eine besondere Vorsicht am Platz gewesen, sind in vollem Umfang zu bestätigen. Wenn nach der Aussage des den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten eine Geschwindigkeit von 50-60 km/st angemessen war, ja selbst wenn man mit dem FG im äußersten Fall eine Geschwindigkeit von 80 km/st als noch vertretbar ansieht, ist die nach der vom Kläger nicht angegriffenen Feststellung des FG gefahrene Geschwindigkeit von 110 km/st vom FG zu Recht als unverantwortlich angesehen worden. Der Kläger hat durch das Fahren mit einer nach den Umständen erheblich überhöhten Geschwindigkeit bewußt und leichtfertig gegen Verkehrsvorschriften verstoßen. Überhöhte Geschwindigkeit ist die Ursache zahlreicher und häufig schwerer Verkehrsunfälle. Sie ist auf der Autobahn besonders gefährlich, weil durch ein Kfz, über das der Fahrer die Kontrolle verliert, die schwersten Unfälle entstehen können, insbesondere, wenn das Kfz auf die Gegenfahrbahn gerät. Es ist dem FG vollauf beizupflichten, daß der Kläger durch die überhöhte Geschwindigkeit nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das Leben anderer Benutzer der Autobahn aufs Spiel gesetzt hat. Im Streitfall hätte wenig daran gefehlt, daß der PKW des Klägers auf die Gegenfahrbahn geraten wäre; denn er ist, nachdem er zunächst wieder auf die Fahrbahn geworfen wurde, erst auf dem Mittelstreifen zum Stehen gekommen. Der Verlauf des Unfalls zeigt, wie stark die Geschwindigkeit überhöht war. Bei dieser Sachlage besteht für den Senat kein Zweifel, daß die private Verursachung des Unfalls den dienstlichen Anlaß der Fahrt eindeutig überlagert, so daß für die Berücksichtigung der Unfallkosten als Werbungskosten kein Raum ist. Die Ausführungen und Schlußfolgerungen der Revisionsbegründung über das Fahrverhalten bis zum Unfall können hieran nichts ändern; sie können zudem als neues tatsächliches Vorbringen in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung und allgemein anerkannten Grundsätzen, daß der Sachverhalt und seine Folgen für die steuerliche Beurteilung selbständig und unabhängig von der zivilrechtlichen und strafrechtlichen Behandlung zu würdigen sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70758

BStBl II 1974, 184

BFHE 1974, 57

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