Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufteilung des vererbten Verlustabzugs bei Miterben

 

Leitsatz (NV)

Einem als Hoferben i.S. der Höfeordnung und zugleich als Miterben am hoffreien Vermögen eingesetzten Erben steht der vom Erblasser nicht ausgenutzte Verlustabzug nur in Höhe seines Miterbenanteils zu.

 

Normenkette

EStG § 10d; BGB § 1922; HöfeO §§ 4, 12, 15

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG (Urteil vom 21.09.1999; Aktenzeichen III 23/95; EFG 1999, 1221)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Landwirt. Er ermittelt den Gewinn seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der im Jahr 1983 verstorbene Vater des Klägers hatte diesen testamentarisch zum alleinigen Hoferben bestimmt. Der Erbteil des Klägers am hoffreien Vermögen betrug 10 v.H.; die restlichen Erbteile entfielen auf seine Mutter (50 v.H.) und seine vier Geschwister (je 10 v.H.). In den Veranlagungszeiträumen 1980 bis 1982 hatte der Erblasser Verluste in Höhe von insgesamt 107 165 DM erlitten, von denen er nach § 10d EStG im Veranlagungszeitraum 1983 lediglich 16 431 DM abziehen konnte.

In seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1983 bis 1986 beantragte der Kläger, die beim Erblasser nicht ausgeglichenen Verluste in Höhe von 90 734 DM bei ihm nach § 10d EStG abzuziehen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte erklärungsgemäß für die Jahre 1983 bis 1985 Verlustabzüge in Höhe von insgesamt 32 050 DM an.

Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 1986 vertrat das FA die Auffassung, dass ein Verlustvortrag nicht mehr vorzunehmen sei, weil der Kläger nur 10 v.H. der vom Erblasser nicht verbrauchten Verluste habe abziehen dürfen.

Nach erfolglosem Einspruch machte der Kläger mit seiner Klage geltend, das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verlange, dass der Verlustvortrag allein ihm als dem nach der Höfeordnung (HöfeO) bestimmten Hoferben zustehe, zumal der wesentliche Teil des Nachlasses aus dem Hof bestanden habe. Das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge stehe dem zumindest im Bereich der Landwirtschaft nicht entgegen.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1999, 1221). Es hat die Auffassung vertreten, dass der Verlustabzug entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht vererblich sei.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 45 der Abgabenordnung (AO) sowie des § 10d EStG. Dem Verkehrswert des Hofes in Höhe von rd. 2,3 Mio. DM stehe ein hoffreies Vermögen im Werte von rd. 19 000 DM gegenüber. Hieraus ergebe sich, dass er mit 99,13 v.H. an dem im Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht verbrauchten Verlustabzug zu beteiligen sei.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer für das Streitjahr unter Berücksichtigung des Verlustabzugs von 59 951 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der Verlustvortrag sei nach dem Miterbenanteil des Klägers am hoffreien Vermögen (10 v.H.) zu bemessen und durch den bereits gewährten Verlustabzug mehr als verbraucht.

Der XI. Senat des BFH hat mit Beschluss vom 28. Juli 2004 XI R 54/99 (BFHE 207, 404, BStBl II 2005, 262) dem Großen Senat des BFH Rechtsfragen zur Abziehbarkeit eines vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustabzugs bei der Veranlagung eines oder mehrer Miterben zur Einkommensteuer vorgelegt. Der Große Senat hat über die Vorlage mit Beschluss vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04 (BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608) entschieden.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen.

1. Der Große Senat des BFH hat entschieden, dass der Erbe einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustabzug nach § 10d EStG nicht bei seiner eigenen Veranlagung zur Einkommensteuer geltend machen kann, jedoch die bisherige gegenteilige Rechtsprechung des BFH aus Gründen des Vertrauensschutzes in allen Erbfällen anzuwenden ist, die bis zum Ablauf des Tages der Veröffentlichung dieses Beschlusses eingetreten sind (Beschluss in BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, unter B. IV. und V.). Die danach im Streitfall bedeutsame --vom vorlegenden Senat hilfsweise gestellte-- Rechtsfrage des Verlustabzugs im Falle einer Erbengemeinschaft und einer Sondererbfolge hat der Große Senat des BFH nicht entschieden, weil ihr nach Beantwortung der ersten Vorlagefrage nur noch für die Vergangenheit rechtliche Relevanz zukomme; die grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 11 Abs. 4 FGO sei damit entfallen (Beschluss in BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, unter E.).

2. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH kann der Erbe vom Erblasser nicht verbrauchte Verluste gemäß § 10d EStG geltend machen, weil er als dessen Gesamtrechtsnachfolger auch steuerlich gleichsam die Person des Erblassers fortsetzt (z.B. BFH-Urteile vom 22. Juni 1962 VI 49/61 S, BFHE 75, 328, BStBl III 1962, 386; vom 17. Mai 1972 I R 126/70, BFHE 105, 483, BStBl II 1972, 621; vom 5. Mai 1999 XI R 1/97, BFHE 189, 57, BStBl II 1999, 653). Es kommt nicht darauf an, ob der Erbe den Betrieb des Erblassers, in dem der Verlust entstanden ist, fortführt (BFH-Urteil in BFHE 75, 328, BStBl III 1962, 386). Miterben können die Verluste des Erblassers nur in dem Verhältnis abziehen, in dem sie Erben sind (BFH-Urteil vom 24. April 1974 VIII R 61/69, nicht veröffentlicht). Voraussetzung ist jedoch, dass der oder die Erben den Verlust auch tatsächlich tragen (BFH-Urteile in BFHE 75, 328, BStBl III 1962, 386, und in BFHE 189, 57, BStBl II 1999, 653). Eine wirtschaftliche Belastung fehlt, wenn der Erbe für Nachlassverbindlichkeiten gar nicht oder nur beschränkt haftet (BFH-Beschluss vom 29. März 2000 I R 79/99, BFHE 191, 353, BStBl II 2000, 622, unter II.), z.B. weil er im Innenverhältnis von der Verlusttragung freigestellt ist (BFH-Urteil in BFHE 189, 57, BStBl II 1999, 653).

3. Bei Anwendung dieser Grundsätze steht einem als Hoferben i.S. der Höfeordnung und zugleich als Miterben am hoffreien Vermögen eingesetzten Erben der vom Erblasser nicht ausgenutzte Verlustabzug nur in Höhe seines Miterbenanteils zu.

In diesem Zusammenhang ist unerheblich, dass der nach der Höfeordnung vererbte Hof und das hoffreie Vermögen zwei Nachlassgegenstände bilden (s. dazu z.B. BFH-Urteil vom 26. März 1987 IV R 20/84, BFHE 149, 557, BStBl II 1987, 561), die unmittelbar zum einen im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf den Hoferben (vgl. § 4 Satz 1 HöfeO) und zum anderen im Wege der Universalsukzession (vgl. § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches) auf die Erbengemeinschaft übergehen (Palandt/ Edenhofer, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl., § 1922 Rz 9; Wöhrmann/Stöcker, Das Landwirtschaftserbrecht, 8. Aufl., § 15 HöfeO Rz 16). Denn Hof und hoffreies Vermögen gehören zu einem Nachlass (s. dazu BFH-Urteil vom 1. April 1992 II R 21/89, BFHE 167, 562, BStBl II 1992, 669, unter II. 2. c cc) und bilden für Haftungszwecke eine Einheit (vgl. § 15 Abs. 1 HöfeO; Wöhrmann/Stöcker, a.a.O., § 15 HöfeO Rz 4). Der Hoferbe haftet für die Nachlassverbindlichkeiten auch dann als Gesamtschuldner, wenn er an dem übrigen Nachlass nicht als Miterbe beteiligt ist (§ 15 Abs. 1 HöfeO). Aus dem hoffreien Vermögen sind --soweit es ausreicht-- die Nachlassverbindlichkeiten einschließlich der auf dem Hof ruhenden Hypotheken, Grund- und Rentenschulden (ohne sonstige Lasten wie Altenteil, Nießbrauch etc.) zu berichtigen (§ 15 Abs. 2 HöfeO). Die verbleibenden Nachlassverbindlichkeiten muss der Hoferbe allein tragen (§ 15 Abs. 3 HöfeO). Sie mindern aber bis zum Drittelhofeswert die Abfindungsansprüche der Miterben, die nicht Hoferben geworden sind (§ 12 Abs. 1 und Abs. 3 HöfeO; s. dazu Wöhrmann/Stöcker, a.a.O. § 12 HöfeO Rz 13 f.).

Die nach der Höfeordnung vorgegebene Haftungseinheit zwischen Hof- und Miterben spricht dafür, sie steuerrechtlich mit gleichen Anteilen am Verlust des Erblassers zu beteiligten.

4. Der vom Großen Senat des BFH gewährte Vertrauensschutz steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Denn er bezieht sich nur auf den Grundsatz der Vererblichkeit des Verlustvortrags. Die im Streitfall bedeutsame Frage der Beteiligung eines Hof- und zugleich Miterben am vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlust ist noch nicht entschieden. Es fehlt damit --als Voraussetzung für ein auch insoweit schützenswertes Vertrauen-- an einer gesicherten, für die Meinung des Klägers sprechenden Rechtsauffassung und nicht zweifelhaft erscheinenden Rechtslage (s. dazu z.B. BFH-Beschluss vom 26. September 2007 V B 8/06, BFHE 219, 245, BStBl II 2008, 405, m.w.N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2081457

BFH/NV 2009, 144

DStRE 2009, 402

HFR 2009, 355

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