Entscheidungsstichwort (Thema)

GrESt-Erhebung bei treuhänderischem Erwerb

 

Leitsatz (NV)

1. Das FA ist nicht gehalten, im Verfahren über den Einspruch gegen einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid den Nachprüfungsvorbehalt aufzuheben. Es kann ihn vielmehr auch bei Erlaß eines Vollabhilfebescheides aufrechterhalten.

2. Mangels abweichender Regelungen erwächst im Falle des Grundstückserwerbs mittels eines Beauftragten dem Auftraggeber mit dem Abschluß des in seinem Auftrag geschlossenen Kaufvertrages der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten (§ 667 BGB) und damit eine Rechtsstellung, die es ihm i. S. des § 1 Abs. 2 GrEStG ermöglicht, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten.

3. Für die Verwertungsmöglichkeit i. S. des § 1 Abs. 2 GrEStG genügt es, daß dem Eigentümer (Treuhänder) im Verhältnis zum Treugeber die Rechtsmacht fehlt, über das Grundstück frei zu verfügen.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 164, 365 Abs. 1, § 367 Abs. 2 S. 3; BGB § 667; GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 23. Februar 1979 erwarb der S im eigenen Namen, jedoch im Auftrag und für Rechnung des Kl. - eines eingetragenen Vereins -, ein unbebautes Grundstück um . . . DM. Der Kl. zahlte den Kaufpreis und die gegen S festgesetzte GrESt. Aufgrund Eintragungsbewilligung vom 5. Februar 1980 wurde am 5. Mai 1980 zugunsten des Kl. ein unbefristetes Nießbrauchsrecht an dem Grundstück im Grundbuch eingetragen.

Das FA hat gegen den Kl. mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem teilweise vorläufigen Bescheid vom 24. Oktober 1980 GrESt festgesetzt, weil es den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG für erfüllt hielt. In dem hiergegen gerichteten Einspruchsverfahren legte der Kl. eine notariell beurkundete Vereinbarung zwischen ihm und S vom 28. November 1980 vor. Nach deren Inhalt verpflichtete sich S dem Kl. gegenüber, das im eigenen Namen erworbene Grundstück nur mit Zustimmung des Kl. zu veräußern, zu verpfänden oder sonst mit Rechten Dritter zu belasten. Bei einem Verstoß gegen diese Verpflichtung sowie im Falle der Zahlungsunfähigkeit, der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des S usw. stand dem Kl. das Recht zu, die sofortige Übereignung des Grundstücks auf sich ,,gem. § 667 BGB auf eigene Kosten" zu verlangen. Im Falle des Todes des S stand es dem Kl. frei, entweder das Treuhandverhältnis mit den Erben fortzusetzen oder die Herausgabe des Grundstücks zu verlangen. Dem Kl. war zudem das Recht eingeräumt, zur Sicherung der sich aus der Vereinbarung für ihn ergebenden Rechte jederzeit von S die Eintragung einer Auflassungsvormerkung an rangbereitester Stelle zu verlangen. Die Ausübung des dem Kl. eingeräumten Nießbrauchsrechts wurde S (zunächst unentgeltlich) überlassen. Bei der Bewirtschaftung des Waldgrundstücks hatte er die satzungsgemäßen Ziele des Kl. zu beachten, anderernfalls die Nießbrauchsausübung mit sofortiger Wirkung aufgekündigt werden konnte. Dem Kl. war jährlich Abrechnung vorzulegen. Schließlich heißt es in dieser Vereinbarung, die Vertragsschließenden seien sich darüber einig, daß der Erwerb des Grundstücks und dessen Nutzung und Verwertung im Sinne der satzungsmäßigen Ziele des Kl. zur Erhaltung einer natürlichen und gesunden Umwelt und dem Schutz von Natur und Landschaft dienen solle.

Das FA half dem Einspruch ab und setzte mit Änderungsbescheid vom 3. Februar 1981 die Steuer auf 0 DM fest. In den Erläuterungen zu diesem Bescheid, der vordrucksmäßig als ,,Grunderwerbsteuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO)" gekennzeichnet war, hieß es:

,,Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 164 Abs. 2 AO geändert, weil dem Antrag des Rf. der Sache nach entsprochen wird. Der Änderungsbescheid tritt an die Stelle des angefochtenen Bescheids vom 24. Oktober 1980. Der Rechtsstreit ist damit erledigt." Mit Bescheid vom 8. Februar 1983 änderte das FA den Bescheid vom 3. Februar 1981 gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 und setzte die Steuer von 0 DM auf . . . DM herauf. Gleichzeitig wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.

Mit der Klage begehrt der Kl. die Aufhebung des Änderungsbescheids vom 8. Februar 1983. Er ist der Ansicht, die erneute Änderung sei unzulässig. In materieller Hinsicht sei der Bescheid mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 GrEStG rechtswidrig. Das FG hat die Klage abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kl. sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Kl. ist unbegründet.

1. Zutreffend hat das FG entschieden, daß die Änderung des Abhilfebescheids durch den angefochtenen Bescheid formell zulässig war. Das FA war nicht gehalten, im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO 1977) stehenden ersten Bescheid vom 24. Oktober 1980 den Nachprüfungsvorbehalt aufzuheben; es konnte ihn vielmehr auch bei Erlaß des Vollabhilfebescheids vom 3. Februar 1981 aufrechterhalten. Denn im Einspruchsverfahren gelten gemäß § 365 Abs. 1 AO 1977 die Vorschriften sinngemäß, die für den Erlaß des angefochtenen Verwaltungsakts gelten, und damit auch die Vorschrift des § 164 AO 1977, nach der die Steuer in (innerhalb der Festsetzungsfrist) stets abänderbarer Weise unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden kann. Deshalb ist das FA nicht zu einer abschließenden Prüfung des Steuerfalls im Einspruchsverfahren verpflichtet (vgl. Urteil des BFH vom 12. Juni 1980 IV R 23/79, BFHE 130, 370, BStBl II 1980, 527), und zwar auch dann nicht, wenn es dem Einspruch voll abhilft und es deshalb keiner Einspruchsentscheidung bedarf (§ 367 Abs. 2 Satz 3 AO 1977).

2. Im Ergebnis zutreffend ist das FG auch zu dem Ergebnis gelangt, der angefochtene Steuerbescheid sei materiell rechtmäßig.

a) Das FG hat keine Feststellungen dahin getroffen, ob die Vereinbarungen, wie sie am 28. November 1980 in notariell beurkundeter Form niedergelegt worden sind, auch bereits im Zeitpunkt des auftragsgemäßen Erwerbs des Grundstücks durch S unter den Beteiligten bestanden haben. War das nicht der Fall, so erwuchs dem Kl. mit dem Abschluß des in seinem Auftrag geschlossenen Kaufvertrags durch S der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten (§ 667 BGB) und damit eine Rechtsstellung, die es ihm i. S. des § 1 Abs. 2 GrEStG ermöglichte, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Denn S war dann auf Abruf zur Herausgabe verpflichtet (vgl. Senatsurteil vom 7. Juli 1976 II R 151/67, BFHE 120, 66, BStBl II 1977, 12).

b) Sollte im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs durch S im Innenverhältnis zwischen dem Kl. und ihm bereits dasjenige vereinbart gewesen sein, das schließlich in der notariellen Urkunde vom 28. November 1980 seinen Niederschlag gefunden hat, so ist gleichwohl der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt. Nach dieser Vorschrift unterliegen der Steuer auch Rechtsgeschäfte, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung durch Rechtsgeschäft (hierzu vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Wenngleich auch der Anspruch des Kl., die Herausgabe des Grundstücks zu verlangen, bis zum Eintritt bestimmter Voraussetzungen, deren Herbeiführung nicht vom Willen des Kl. abhänging sind, ausgesetzt war, so war doch das grundbuchmäßig legitimierte Eigentum des S zugunsten des Kl. entsprechend dem mit dem Erwerb verfolgten Ziel ausgehöhlt. Denn S war in bezug auf jegliche Verfügung über das Grundstück von der Zustimmung des Kl. abhängig, dessen Position als Treugeber durch das Nießbrauchsrecht zusätzlich erheblich verstärkt wurde. Die vertraglichen Absprachen zum Treuhandverhältnis erweisen, daß S seinerseits an jeder Verwertung des Grundstücks auf seine, des Eigentümers Rechnung, verhindert war. Die tatsächliche Rechtsmacht, das Grundstück der Substanz und dem Werte nach zu verwerten, lag nicht bei S, sondern allein bei dem Kl. In diesem Zusammenhang ist es ohne Einfluß, daß der Kl. möglicherweise nicht berechtigt war, von S jederzeit eine Verfügung über das Grundstück zu verlangen, die seinen, des Kl., Wünschen entsprach. Denn für die Verwertungsbefugnis genügt es, daß dem Eigentümer im Verhältnis zum Treugeber selbst die Rechtsmacht, über das Grundstück (frei) zu verfügen, fehlt. Dabei darf auch nicht außer Betracht bleiben, daß im vorliegenden Falle die Verwirklichung der Zwecke des Kl. die beiderseitig anerkannte Vertragsgrundlage war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414749

BFH/NV 1987, 808

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