Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung des Zinsbescheides für Milch-Garantiemengenabgabe - Fälligkeit der Milch-Garantiemengenabgabe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein vom HZA gegen den Käufer erlassener Zinsbescheid bezüglich einer nachgeforderten Milch-Garantiemengenabgabe kann auch vom Milcherzeuger angefochten werden.

2. Bei Nichtzahlung der Milch-Garantiemengenabgabe in voller Höhe zum vorgeschriebenen Zeitpunkt ist nur der tatsächlich angemeldete und als festgesetzt geltende Betrag dieser Abgabe nach § 14 Abs.1 Satz 2 und 3 MOG zu verzinsen.

 

Normenkette

EWGV 804/68 Art. 5c; EWGV 1546/88 Art. 15 Abs. 2, 4; AO 1977 § 3 Abs. 3, § 150 Abs. 1 S. 2, § 168 S. 1, §§ 220, 348 Abs. 1 Nr. 1; MOG § 12 Abs. 1, § 14 Abs. 1 Sätze 2-3, § 34 Abs. 1; MilchGarMV § 11 Abs. 3

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Milcherzeugerin, hat für das Milchwirtschaftsjahr 1988/89 über ihre Referenzmenge hinaus Milch an die Molkerei geliefert. Dafür ist eine Milch-Garantiemengenabgabe in Höhe von ... DM entstanden, die die Molkerei jedoch in ihrer Anmeldung vom ... 1989 nicht berücksichtigt hat. Dies wurde anläßlich einer Außenprüfung festgestellt. Das beklagte und revisionsklagende Hauptzollamt (HZA) hat daraufhin mit Bescheid vom ... 1991 die Milch-Garantiemengenabgabe in entsprechender Höhe festgesetzt.

Mit einem weiteren Bescheid vom ... 1991 forderte das HZA von der Molkerei Zinsen für drei verspätet entrichtete Abgabenbeträge ab Beginn der Fälligkeit an, u.a. auch für die Klägerin, und zwar für den Zeitraum vom 30.Juni 1989 bis zum 14.Mai 1991. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob den Zinsbescheid des HZA und die Einspruchsentscheidung auf, weil das HZA von der Molkerei zu Unrecht Zinsen für den bezüglich der Klägerin nachgeforderten Abgabebetrag verlangt habe. Der an die Molkerei gerichtete Zinsbescheid wirke ebenso wie der an diese gerichtete Abgabebescheid unmittelbar auch gegenüber der Klägerin, so daß auch diese sich dagegen mit Einspruch und Klage wehren könne. Die in Rede stehende Milch- Garantiemengenabgabe sei nicht gemäß § 14 Abs.1 Satz 2 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) zu verzinsen, weil sie --mangels einer entsprechenden besonderen Regelung-- erst mit der Bekanntgabe ihrer Festsetzung durch das HZA fällig geworden (§ 12 Abs.1 MOG i.V.m. § 220 Abs.2 Satz 2 der Abgabenordnung --AO 1977--) und unmittelbar danach durch die Molkerei entrichtet worden sei.

Dagegen wendet sich das HZA mit der Revision und macht geltend, § 220 Abs.2 AO 1977 sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die Fälligkeit der Milch-Garantiemengenabgabe ergebe sich unmittelbar aus Art.9 Abs.1 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr.857/84 des Rates (VO Nr.857/84) vom 31.März 1984 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr.L 90/13) und Art.15 Abs.2 und 4 der Verordnung (EWG) Nr.1546/88 der Kommission (VO Nr.1546/88) vom 3.Juni 1988 (ABlEG Nr.L 139/12) i.V.m. § 11 Abs.1 und 3 der Milch- Garantiemengen-Verordnung (MGV) vom 25.Mai 1984 (BGBl I, 720) --jeweils in der maßgebenden Fassung--. Danach müsse der Käufer den geschuldeten Betrag der Abgabe innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des Zwölfmonatszeitraums zahlen (Art.15 Abs.4 Unterabs.1 VO Nr.1546/88). Geschuldet sei nicht der angemeldete Betrag, sondern die für die über die Referenzmenge hinaus gelieferte Mehrmenge tatsächlich entstandene Abgabe.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen.

1. Das FG hat richtig erkannt, daß auch die Klägerin den gegen die Molkerei ergangenen Zinsbescheid anfechten kann. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist der Milcherzeuger bei Anwendung der Formel A gemäß Art.5c Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr.804/68 des Rates (VO Nr.804/68) vom 27.Juni 1968 (ABlEG Nr.L 148/13) i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr.856/84 des Rates vom 31.März 1984 (ABlEG Nr.L 90/10) Schuldner der Abgabe und durch die Abgabefestsetzung unmittelbar in seinen Rechten betroffen. Er kann daher selbst nach § 34 Abs.1 MOG i.V.m. § 348 Abs.1 Nr.1 AO 1977 Einspruch gegen die Abgabefestsetzung einlegen (Senatsbeschluß vom 16.Juli 1985 VII B 53/85, BFHE 143, 523, 526). Gleiches gilt auch für den auf § 14 Abs.1 Satz 2 MOG gestützten Zinsbescheid, auf den grundsätzlich gemäß § 12 Abs.1 Satz 1 MOG ebenfalls die Vorschriften der AO 1977 entsprechend anzuwenden sind. Zinsen sind nach § 3 Abs.3 AO 1977 steuerliche Nebenleistungen und der Abgabeschuld akzessorisch (Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung- Finanzgerichtsordnung, 16.Aufl., § 233 AO 1977 Anm.2), folgen also der Abgabeschuld. Damit ist der Milcherzeuger nicht nur Schuldner der Milch-Garantiemengenabgabe, sondern auch Schuldner der dafür nach § 14 Abs.1 Satz 2 MOG ggf. anfallenden Zinsen. Die Klägerin ist durch den gegen die Molkerei --als zunächst Zahlungspflichtige-- ergangenen Zinsbescheid als Schuldnerin der Zinsen unmittelbar in ihren Rechten betroffen und kann daher auch den Zinsbescheid selbständig anfechten.

2. Das FG hat einen Zinsanspruch des HZA nach § 14 Abs.1 Satz 2 MOG im Streitfall zutreffend verneint, weil die in Rede stehende Milch-Garantiemengenabgabe nicht bereits drei Monate nach ihrer Entstehung, am 30.Juni 1989, sondern erst mit der Bekanntgabe ihrer Festsetzung durch den Bescheid des HZA vom ... 1991 fällig geworden und --wie die Vorinstanz für den Senat bindend festgestellt hat (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--)-- unmittelbar danach von der Molkerei gezahlt worden ist. Denn bei Nichtzahlung der Milch-Garantiemengenabgabe in voller Höhe zum vorgeschriebenen Zeitpunkt ist nur der tatsächlich angemeldete und als festgesetzt geltende Abgabebetrag, nicht aber der nach den Rechtsvorschriften vorgesehene Betrag dieser Abgabe nach § 14 Abs.1 Satz 2 und 3 MOG zu verzinsen.

Richtig ist, daß auch die Milch-Garantiemengenabgabe eine Abgabe i.S. des § 14 Abs.1 Satz 2 MOG ist, die nach ihrer Fälligkeit gemäß § 14 Abs.1 Satz 2 und 3 MOG zu verzinsen ist. Auf diese Abgabe sind --wie der Senat bereits entschieden hat-- die Vorschriften der AO 1977 entsprechend anzuwenden (BFHE 143, 523, 526, m.w.N.). Allerdings verweist § 220 Abs.1 AO 1977 für die Fälligkeit des Anspruchs auf die maßgebenden Vorschriften der jeweiligen steuerlichen Regelung.

Der Senat teilt die Auffassung der Revision, daß die Fälligkeit der Milch-Garantiemengenabgabe durch Art.15 Abs.4 Unterabs.1 VO Nr.1546/88 i.V.m. § 11 Abs.3 MGV geregelt ist. Danach hat der Käufer den Abgabebetrag innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des Zwölfmonatszeitraums (31.März) zu zahlen. Fälligkeitstermin für die Milch-Garantiemengenabgabe ist somit der 30.Juni des jeweiligen Jahres.

Nicht zutreffend ist aber die vom HZA vertretene Meinung, daß jeweils die nach Art.5c Abs.1 VO Nr.804/68 vorgesehene zusätzliche Abgabe (Milch-Garantiemengenabgabe) zu dem genannten Zeitpunkt fällig ist. Vielmehr gilt dies nur für die festgesetzte Abgabe. Dies folgt aus Art.15 Abs.4 Unterabs.1 VO Nr.1546/88 i.V.m. § 11 Abs.3 MGV. Danach ist der geschuldete Betrag der Abgabe innerhalb von drei Monaten nach Ablauf jedes Zwölfmonatszeitraums vom Käufer abzuführen. Der "geschuldete" Betrag ist dabei aber --wie sich aus § 11 Abs.3 MGV ergibt-- nicht der Betrag in der nach Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Höhe, sondern nur der vom Käufer angemeldete Abgabebetrag. Denn § 11 Abs.3 MGV verlangt nicht nur, wie dies in Art.15 Abs.2 VO Nr.1546/88 gefordert wird, eine Anmeldung der Bemessungsgrundlagen, sondern eine Abgabeanmeldung, in der der Käufer den Betrag der zu zahlenden Abgabe berechnet und anmeldet. Diese Abgabeanmeldung i.S. von § 150 Abs.1 Satz 2 AO 1977 steht nach § 168 Satz 1 AO 1977 einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (BFHE 143, 523, 526 und Senatsurteil vom 10.November 1992 VII R 52/92, BFHE 170, 193). Nur der so festgesetzte Abgabebetrag ist auch vom Käufer abzuführen --und damit fällig--, wie sich deutlich aus § 11 Abs.3 letzter Satz MGV ergibt. Denn nach der Systematik des § 11 Abs.3 MGV kann mit dem im letzten Satz dieser Vorschrift genannten Abgabebetrag nur der zuvor durch die Anmeldung festgesetzte Abgabebetrag gemeint sein. Andernfalls würde das Erfordernis einer vom Käufer abzugebenden Abgabeanmeldung, in der er die abzuführende Abgabe berechnet und anmeldet, keinen Sinn machen.

Aus den von der Revision angeführten Vorschriften --insbesondere Art.15 Abs.4 Unterabs.1 VO Nr.1546/88-- folgt nichts Gegenteiliges. Zwar ist danach der "geschuldete" Betrag der Abgabe zu dem darin vorgesehenen Zeitpunkt zu zahlen; die Vorschrift enthält aber keine Regelung darüber, welcher Betrag tatsächlich im Sinne der nationalen Zinsregelung des § 14 Abs.1 MOG fällig wird. Auch Art.5c Abs.1 VO Nr.804/68 bestimmt den Abgabeanspruch nur dem Grunde nach, schreibt aber ebenso wie Art.15 Abs.4 Unterabs.1 VO Nr.1546/88 nicht das Erhebungsverfahren für die Abgabe vor, in dem die Abgabeschuld hinsichtlich ihrer Fälligkeit erst konkretisiert wird. Dies regeln national im einzelnen § 11 Abs.3 MGV i.V.m. § 12 Abs.1 Satz 1 MOG, wonach unter Berücksichtigung der in § 11 Abs.3 MGV festgelegten Einzelheiten die AO 1977 für das Erhebungsverfahren entsprechend anzuwenden ist und --wie bereits ausgeführt-- nur der angemeldete und als festgesetzt geltende Abgabebetrag (§ 168 Satz 1 AO 1977) zu dem durch Art.15 Abs.4 Unterabs.1 VO Nr.1546/88 bestimmten Zeitpunkt nach § 11 Abs.3 MGV fällig wird.

Hinsichtlich der vom Käufer nicht angemeldeten und später vom HZA nachgeforderten Milch-Garantiemengenabgabe ist die Fälligkeit daher nicht durch § 11 Abs.3 MGV festgelegt. Insoweit regelt § 220 Abs.2 AO 1977 das Erforderliche. Da die Milch- Garantiemengenabgabe --wie dargestellt-- nur durch ihre Festsetzung fällig wird, tritt gemäß § 220 Abs.2 Satz 2 AO 1977 die Fälligkeit des nachgeforderten Abgabebetrages erst mit der Bekanntgabe des Nachforderungsbescheids an den Zahlungspflichtigen ein (vgl. Senatsurteil vom 14.März 1989 VII R 152/85, BFHE 156, 73, BStBl II 1990, 363, 364; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14.Aufl., § 220 AO 1977 Rz.5 b).

 

Fundstellen

Haufe-Index 64608

BFH/NV 1993, 79

BFHE 172, 558

BFHE 1994, 558

BB 1993, 2296 (L)

HFR 1994, 26 (LT)

StE 1993, 597 (K)

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