Leitsatz (amtlich)

Die Überführung eines Wirtschaftsguts aus einem freiberuflichen Betriebsvermögen in das Betriebsvermögen eines bilanzierenden Gewerbebetriebs desselben Steuerpflichtigen zwingt nicht zur Gewinnverwirklichung, weil durch die Fortführung des bisherigen Buchwerts des Wirtschaftsguts die künftige Besteuerung etwaiger stiller Reserven nicht beeinträchtigt wird.

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 3, § 18 Abs. 3, § 4 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Revisionsbeklagten sind Eheleute, die für das Streitjahr 1959 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Ehemann (Steuerpflichtiger) betrieb im Jahre 1950 als Einzelunternehmer eine Schlosserei. In diesem Jahr erfand er eine Spezialtür, für die er zwei Patente erhielt. Die mit der Erfindung zusammenhängenden Aufwendungen verbuchte er über Unkosten, wobei eine Trennung von den übrigen Betriebsausgaben nicht vorgenommen wurde. Die Patente verwertete er zunächst in seiner Schlosserei. Eine Aktivierung dieser Rechte erfolgte nicht.

Am 29. Oktober 1953 errichteten der Steuerpflichtige und seine Ehefrau eine GmbH, an die der Steuerpflichtige seine Einzelfirma für 52 000 DM veräußerte. Grundlage dieses Kaufpreises war im wesentlichen die Schlußbilanz der Einzelfirma zum 30. September 1953. Der Steuerpflichtige überließ der GmbH die Auswertung der Patente gegen Lizenzgebühren.

Mit notariellem Vertrag vom 21. Dezember 1959 wurde die GmbH in eine KG umgewandelt unter Übertragung des GmbH-Vermögens auf die Personengesellschaft. Der Steuerpflichtige wurde als Komplementär, seine Ehefrau als Kommanditistin in das Handelsregister eingetragen.

Der Steuerpflichtige erklärte seit 1954 Einkünfte als Erfinder (selbständige Tätigkeit), die er aus der Lizenzvergabe seiner Patente hatte.

Nach einer im Jahre 1963 bei der GmbH, der KG und dem Steuerpflichtigen in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer und Erfinder durchgeführten Betriebsprüfung führte der Revisionskläger (FA) gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO eine Einkommensteuerberichtigungsveranlagung 1959 durch. Dieser Veranlagung lag die Rechtsauffassung zugrunde, daß durch Umwandlung der GmbH in eine KG, an der der Steuerpflichtige mit 66 2/3 v. H. beteiligt war, die Patente notwendiges Betriebsvermögen der KG geworden seien. Die Patente stellten neben einem Grundstück die wesentlichen Grundlagen der Personengesellschaft dar, weshalb sie mit dem Teilwert in Höhe von 368 400 DM in die KG eingebracht worden seien. Mit der Einbringung der Patente in die KG habe der Steuerpflichtige seine Tätigkeit als selbständiger Erfinder aufgegeben und daher einen Veräußerungsgewinn nach §§ 16 Abs. 3, 18 Abs. 3 EStG in Höhe des Teilwerts der - bisher nicht bilanzierten - Patente, d. h. in Höhe von 368 400 DM, erzielt.

Nach in diesem Punkt erfolglosen Einspruch des Steuerpflichtigen und seiner Ehefrau gegen den Berichtigungsbescheid hob das FG auf die Klage diesen Bescheid und die Einspruchsentscheidung 1959 auf und setzte die Einkommensteuer 1959 auf 17 558 DM fest. Dem FA, so führte das FG aus, sei insoweit zu folgen, als die Patente, die der KG vom Steuerpflichtigen als Komplementär zur Nutzung überlassen worden seien, zwangsläufig zum Betriebsvermögen der Gesellschaft geworden seien, ohne daß es auf den Willen des Steuerpflichtigen ankomme (vgl. Urteil des BFH IV 380/62 vom 3. August 1966, BFH 86, 628, BStBl III 1967, 47). Dem FA sei auch darin zuzustimmen, daß eine gewinnrealisierende Entnahme nicht nur bei der Überführung von Wirtschaftsgütern des Betriebvermögens in das Privatvermögen eintreten könne. Aus dem Urteil des BFH IV 72/65 vom 16. März 1967 (BFH 88, 129, BStBl III 1967, 318), das offensichtlich die Veranlassung für die Annahme eines Veräußerungsgewinns gewesen sei, könne man jedoch nicht entnehmen, daß in jedem Falle der Überführung von Wirtschaftsgütern aus einem Betrieb in den einer anderen Einkunftsart eine Entnahme oder Betriebsaufgabe liege. Bei einem Wechsel von Wirtschaftsgütern zwischen Betrieben derselben Einkunftsart schließe der BFH die Gefahr der Nichterfassung der stillen Reserven aus und verneine deshalb in solchen Fällen eine Entnahme. Diese Überlegungen müßten verstärkt gelten, wenn Wirtschaftsgüter von einem Betrieb, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 bzw. § 4 Abs. 3 ermittele, in einen solchen hinüberwechselten, der nach § 5 EStG bilanziere.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des FA ist nicht begründet.

Die Überführung der Patente in die KG führt nicht zur Gewinnverwirklichung; denn es liegt weder eine Entnahme noch eine Veräußerung noch eine Betriebsaufgabe vor. Auch andere Gesichtspunkte, die die Annahme einer Gewinnverwirklichung rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar. Vielmehr änderten die Patente, die von den Beteiligten über lange Jahre hinweg als freiberufliches Betriebsvermögen angesehen wurden - eine Sachdarstellung, die zu überprüfen der Senat keine Veranlassung sieht -, nur ihre Zugehörigkeit zu den verschiedenen Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen, weil nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. u. a. Urteil IV 308/64 vom 29. September 1966, BFH 87, 419, BStBl III 1967, 180) das der KG dienende Vermögen des an dieser Gesellschaft beteiligten Steuerpflichtigen als notwendiges Betriebsvermögen der KG anzusehen ist. Die Überführung eines Wirtschaftsguts von einem Betriebsvermögen in ein anderes desselben Steuerpflichtigen hat grundsätzlich keine Gewinnrealisierung zur Folge (vgl. Urteile des BFH I 115/51 U vom 12. Dezember 1951, BFH 56, 197, BStBl III 1952, 79; VI 137/59 U vom 30. September 1960, BFH 71, 643, BStBl III 1960, 489, und VI 19/63 U vom 7. Februar 1964, BFH 79, 264, BStBl III 1964, 328). Dies gilt auch für den vorliegenden Fall.

Alle bezeichneten Entscheidungen behandeln Fälle, in denen sowohl der abgebende wie auch der aufnehmende Betrieb derselben Gewinnermittlungs- und Einkunftsart zuzuordnen waren. Mit der Verbringung eines Wirtschaftsguts in ein Betriebsvermögen, das einer anderen Gewinnermittlungs- oder Einkunftsart zuzuordnen ist, befaßte sich der Senat erstmals im Urteil IV 72/65 vom 16. März 1967 (a. a. O.). Dort wurde die Notwendigkeit einer Gewinnrealisierung bejaht, da die spätere Versteuerung der stillen Reserven nicht gewährleistet war.

Nicht entschieden sind bisher Fälle der vorliegenden Art, in denen ein Wirtschaftsgut in einen Betrieb mit einer anderen Gewinnermittlungs- oder Einkunftsart verbracht wird, die spätere steuerliche Erfassung der stillen Reserven aber gleichwohl gewährleistet bleibt. Dann zwingt die Überführung nicht zur Gewinnverwirklichung; denn das Wirtschaftsgut scheidet nicht zu "betriebsfremden" Zwekken aus dem Betriebsvermögen aus, sondern es verbleibt vielmehr im Bereich eines Betriebs desselben Steuerpflichtigen. Der Senat folgt damit der Auffassung, daß bei Auslegung des Wortes "betriebsfremd" auf alle drei nach dem Gewinn zu ermittelnden Einkunftsarten desselben Steuerpflichtigen abzustellen ist; denn ein zwingender Grund für eine engere Auslegung des Gesetzes (Abstellen auf den Einzelbetrieb oder auf die Gesamtheit der einer Einkunftsart zuzurechnenden Betriebe) ist nicht erkennbar. Durch diese Erwägung allein ist indes die Entnahmefrage nicht abschließend rechtlich beurteilt. Entscheidend für die Verneinung einer Entnahme ist stets, daß die steuerliche Erfassung der in den überführten Wirtschaftsgütern ruhenden stillen Reserven auch weiterhin gewährleistet bleibt und auch durch eine mögliche Entwicklung der Verhältnisse nicht entscheidend beeinträchtigt werden kann. Das hat die Vorinstanz zu Recht bejaht; denn durch die Überführung der Patente zum Buchwert in das gewerbliche Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen wird die spätere steuerliche Erfassung der in den Patenten enthaltenen stillen Reserven nicht gefährdet. Die Patente wurden in ein gewerbliches Unternehmen des bisherigen Patentinhabers eingebracht, das seinen Gewinn durch Vermögensvergleich ermittelt. Geschieht eine solche Einbringung, so wie der Steuerpflichtige dies begehrt, mit dem Buchwert = 0, so ist sichergestellt, daß im Falle einer späteren Veräußerung, Entnahme oder Betriebsaufgabe, sämtliche in dem Wirtschaftsgut etwa vorhandenen stillen Reserven steuerlich erfaßt werden. Diese Erfassung ist in gleichem Umfang wie im Rahmen der bisherigen Einkunftsart gewährleistet. Auch einer künftigen Gewerbesteuer werden die stillen Reserven nicht entzogen. Sie werden vielmehr jetzt erst bei Realisierung zusätzlich erfaßt.

Diese Beurteilung stimmt überein mit den in der Entscheidung IV R 72/65 dargelegten Grundsätzen. Auch im dort zu entscheidenden Fall gelangte der Senat nicht unter dem Gesichtspunkt des Wechsels der Gewinnermittlungs- oder Einkunftsart zur Bejahung einer Entnahme. Die Entnahme wurde vielmehr im Hinblick auf die Gefährdung der Steuerlichen Erfassung der in dem überführten Wirtschaftsgut ruhenden stillen Reserven angenommen.

Aus dem Urteil des BFH I R 205/66 vom 9. Februar 1972 (BFH 105, 15, BStBl II 1972, 455) ergeben sich keine Gesichtspunkte, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten. Zu dem in diesem Urteil behandelten Begriff der Entnahme handlung braucht der Senat nicht Stellung zu nehmen; denn wenn man - wozu der Senat neigt - in der Gründung der KG eine auf die Patente bezogene "Handlung" des Steuerpflichtigen sieht, wäre sie anders als in den Fällen IV 72/65 (a. a. O.), VI 9/65 vom 14. April 1967, (BFH 88, 331, BStBl III 1967, 391 a. E.), I 266/65 vom 16. Juli 1969 (BFH 97, 342, BStBl II 1970, 175), I R 55/66 vom 28. April 1971 (BFH 102, 374, BStBl II 1971, 630) und VIII R 111/69 vom 30. Mai 1972 (BFH 106, 198, BStBl II 1972, 760) keine Entnahme, weil keine Gefährdung oder wesentliche, den Steuerpflichtigen begünstigende Beeinträchtigung der steuerlichen Erfassung der stillen Reserven eintritt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422752

BStBl II 1972, 903

BFHE 1973, 27

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