Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen für Getränke stellen auch bei Gießereiarbeitern keine Werbungskosten dar.

 

Normenkette

EStG § 9/1; LStDV § 20/1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei dem Steuerpflichtigen (Stpfl.), der Former in einer Gießerei ist, Aufwendungen für Getränke als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden können. Der Stpfl. hat hierfür in seinem für 1956 gestellten Antrag auf Gewährung eines Lohnsteuer-Freibetrags 114,80 DM geltend gemacht. Das Finanzamt hat diese Aufwendungen nicht als Werbungskosten anerkannt. Auch der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht hat der Berufung zum Teil stattgegeben und Aufwendungen für Getränke in Höhe von 57,60 DM als Werbungskosten angesehen. Der Stpfl. habe bei der Art seiner Berufstätigkeit einen erhöhten Flüssigkeitsbedarf. Diese Feststellung rechtfertige jedoch nicht den Abzug aller Aufwendungen für die im Betrieb vom Stpfl. genossenen Getränke. Jeder Mensch brauche eine gewisse Flüssigkeitsmenge, die nach der Konstitution des einzelnen sehr verschieden groß sein könne. Die Aufwendungen zur Deckung dieses Getränkebedarfs gehörten ebenso wie die Aufwendungen für die Ernährung zu den bei der Einkommensteuer nicht abzugsfähigen Kosten der Lebenshaltung. Als Werbungskosten kämen nur die ausschließlich durch die berufliche Tätigkeit bedingten Mehraufwendungen in Betracht, die gegebenenfalls zu schätzen seien. Wenn der Stpfl. während der Arbeitszeit täglich zwei Flaschen kalte Getränke zu sich genommen habe, so könne der ausschließlich beruflich bedingte Verbrauch auf eine Flasche täglich geschätzt werden. Diese Menge entspreche etwa der Flüssigkeit, die der Werksarzt zum Ausgleich des erhöhten Schweißausbruchs für erforderlich halte. Daß der Arbeitgeber des Stpfl. unentgeltlich und in ausreichender Menge handwarmen Kaffee oder Tee an die Arbeitnehmer verabfolge, stehe der Berücksichtigung der Aufwendungen des Stpfl. als Werbungskosten nicht entgegen. Die Wahl des Getränke müsse dem Stpfl. überlassen bleiben. Der Mehraufwand für die Getränke sei auch nicht durch den Pauschbetrag von 1,50 DM täglich abgegolten, den der Stpfl. wegen mehr als 12stündiger Abwesenheit von seiner Wohnung erhalte; denn dieser Betrag werde mit Rücksicht auf den durch die lange Abwesenheit entstehenden Mehrbedarf an Speisen und Getränken gewährt, nicht aber wegen des Mehraufwands an Getränken, der durch die Hitze bei der Arbeit des Stpfl. verursacht werde. Die als Werbungskosten anzuerkennenden Getränke-Aufwendungen seien mit täglich 0,20 DM, für 288 Arbeitstage im Jahr demnach mit 57,60 DM anzusetzen.

Der Vorsteher des Finanzamts rügt mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) unrichtige Anwendung des geltenden Rechts. Der Arbeitgeber des Stpfl. stelle der Belegschaft des Gußwerks wegen des erhöhten Flüssigkeitsbedarfs in täglichem Wechsel Tee und Kaffee in ausreichender Menge unentgeltlich zur Verfügung. Diese Getränke würden auf ärztlichen Rat in handwarmem Zustand verabreicht. Vom Genuß kalter Getränke werde ärztlicherseits wegen der Gefahr von Erkrankungen der Magenschleimhaut abgeraten. Wenn der Stpfl. anstelle des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Kaffees oder Tees kalte Getränke bevorzuge, seien die ihm dadurch erwachsenden Kosten solche der privaten Lebenshaltung, die bei der Lohnsteuer nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten. Für die Zurechnung der Hälfte der vom Stpfl. geltend gemachten Aufwendungen zu den Werbungskosten lägen im übrigen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte vor.

 

Entscheidungsgründe

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Die Feststellung des Finanzgerichts, daß Gießereiarbeiter infolge der in den Gießereibetrieben herrschenden Hitze einen erhöhten Bedarf an Getränken haben, stimmt überein mit äußerungen von ärzten, die dem Senat vorliegen. Nach diesen Gutachten müssen die Arbeiter, die in Gießereien bei großer Hitze und erheblicher Staubentwicklung tätig sind, zur Verhütung von Gesundheitsschädigungen den durch Ausdunstung ständig entstehenden Flüssigkeitsverlust fortlaufend ersetzen. Wie der vom Bundesminister der Finanzen zu einer Stellungnahme aufgeforderte Deutsche Gewerkschaftsbund mitgeteilt hat, tragen die Betriebe diesem Umstand regelmäßig Rechnung. In den meisten Gießereien wird den Arbeitern warmer, handwarmer oder kalter Kaffee (Malzkaffee) oder Tee (schwarzer Tee oder sogenannter Gesundheitstee) kostenlos während des ganzen Jahres in der Arbeitszeit zur Verfügung gestellt, da Getränke dieser Art nach ärztlicher Auffassung am bekömmlichsten sind. Von kalten Getränken wird ärztlicherseits wegen der Gefahr von Magenerkrankungen abgeraten; als noch weniger geeignet werden alkoholische Getränke bezeichnet. Nach den angestellten Ermittlungen können übrigens die Arbeiter, die anstelle oder zusätzlich zu den unentgeltlich zur Verfügung gestellten Getränken andere zu sich nehmen wollen, regelmäßig in Werkskantinen zu verbilligten Preisen auch Milch, Mineralwasser, Limonade, Coca-Cola, Bier usw. kaufen.

Ob die Gießereibetriebe Getränke kostenlos zur Verfügung stellen, welcher Art diese Getränke sind und zu welchen Zeiten sie bereitgestellt werden, gehört zu den organisatorischen Fragen des Betriebs. Es handelt sich dabei um eine betriebliche Angelegenheit mit arbeitsrechtlichem Charakter. Ob und inwieweit sie die in § 618 BGB und § 120a der Gewerbeordnung geregelten Arbeiterschutzmaßnahmen berührt oder ihnen vergleichbar ist, kann für die hier streitige Steuerfrage dahingestellt bleiben. Jedenfalls gehören die mit der Gestellung von Getränken in Gießereien zusammenhängenden Einzelheiten dem Bereich des Arbeitsrechts an. Falls in einem Gießereibetrieb der Schutz der Arbeiter vor Gesundheitsschädigungen durch Hitze und Staubentwicklung in unzureichender Weise geregelt sein sollte, dürfte es die Aufgabe der hierfür berufenen Vertretungen der Arbeitnehmer, ihrer Organisationen und der für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden sein, für eine Abhilfe zu sorgen. Die Finanzämter und die Finanzgerichte sind nach Auffassung des Senats nicht berufen, diese arbeitsrechtlichen Fragen zu beurteilen und durch Zuerkennung von Werbungskostenfreibeträgen die arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen dem Betrieb und seinen Arbeitnehmern zu beeinflussen.

Bei der Beurteilung des vorliegenden Falles kommt diesen Fragen jedoch keine entscheidende Bedeutung zu, da die Arbeitgeberin des Stpfl. unstreitig geeignete Getränke in unbegrenzter Menge ohne zeitliche Beschränkungen während der Arbeitszeit zur Verfügung gestellt hat. Der Stpfl. konnte daher ohne eigene Aufwendungen den ihm möglicherweise drohenden gesundheitlichen Gefahren begegnen. Es bestand für ihn keine Notwendigkeit, zur Erhaltung seiner Gesundheit auf seine Kosten Getränke zu kaufen. Es stand ihm selbstverständlich frei, dies zu tun. Aber als Werbungskosten können seine Aufwendungen hierfür nicht angesehen werden. Die von dem Stpfl. aufgewendeten Beträge für Getränke, die seinem persönlichen Geschmack mehr entsprachen als die von dem Betrieb unentgeltlich bereitgestellten, gehören in den Bereich der privaten Lebensführung. Sie scheiden deshalb für eine steuerliche Berücksichtigung gemäß § 12 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes aus, und zwar - wie diese Gesetzesvorschrift ausdrücklich hervorhebt - selbst wenn die Aufwendungen zum Teil auch im beruflichen Interesse erfolgt sind. Daß der Genuß von selbst beschafften Getränken in diesen Fällen in das bei der Einkommens- und Lohnbesteuerung nicht berücksichtigungsfähige Gebiet der privaten Lebenshaltung zu rechnen ist, wird übrigens auch dadurch bestätigt, daß - wie Ermittlungen ergeben haben - der Umfang der selbst gekauften Getränke an Zahltagen und unmittelbar danach größer ist als während der übrigen Zeit.

Die Vorentscheidung, die den Sachverhalt anders beurteilt hat, ist wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Die Sache ist nach Aufhebung der Vorentscheidung entscheidungsreif. Da die Einspruchsentscheidung zutreffend eine Berücksichtigung der Getränkeaufwendungen des Stpfl. abgelehnt hatte, ist die gegen sie gerichtete Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409437

BStBl III 1959, 412

BFHE 1960, 406

BFHE 69, 406

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