Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Art. II KontrRG Nr. 15 hat die Organschaft zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft umsatzsteuerrechtlich aufgehoben.

 

Normenkette

UStG § 2 Abs. 2 Ziff. 2; UStDB § 17/2, § 18

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Stpfl.), eine OHG, ist die Muttergesellschaft einer ihr als Organ eingegliederten GmbH (Tochtergesellschaft), an die sie die von ihr hergestellten Wirtschaftsgüter zum Vertrieb weiterliefert. Das Finanzamt hat für den Monat Juli 1951 die gesamten Umsätze von Mutter- und Tochtergesellschaft bei der OHG besteuert, weil dieser als der Muttergesellschaft die Außenumsätze des einheitlichen Unternehmens nach § 2 Abs. 2 Ziff. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1951 zuzurechnen sind und weil die Lieferungen der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft nach § 18 der Umsatzsteuer-Durchführungsbestimmungen (UStDB) 1951 bei der Muttergesellschaft steuerpflichtig sind. Die Vorentscheidung hat die Außenumsätze der Tochtergesellschaft bei der OHG außer Ansatz gelassen. Sie geht davon aus, daß § 2 Abs. 2 Ziff. 2 UStG 1951 und die §§ 17 Abs. 2, 18 UStDB 1951 rechtsungültig seien, daß Art II des Kontrollratsgesetzes (KontrRG) Nr. 15 die Organschaft für die Umsatzsteuer aufgehoben und die Besteuerung der Umsätze von Mutter- und Tochtergesellschaften nur nach dieser Bestimmung zu erfolgen habe.

 

Entscheidungsgründe

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts.

Der Bundesminister der Finanzen ist auf Ersuchen des Senats nach § 287 Ziff. 2 Satz 1 Halbsatz 2 der Reichsabgabenordnung (AO) dem Verfahren beigetreten.

Die Rb. kann keinen Erfolg haben. Das Kontrollratsgesetz Nr. 15 vom 11. Februar 1946 (Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland 1946 S. 75) änderte eine Reihe von Bestimmungen des damals geltenden Umsatzsteuerrechts ab. Während die Art. I und III des Gesetzes, die Tarif- und Verwaltungsvorschriften betreffen, durch Gesetz Nr. A - 17 des Rats der Alliierten Hohen Kommission vom 21. Juni 1951 (Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission für Deutschland 1951 S. 941) seit 1. Juli 1951 aufgehoben wurden, ist Art. II, der die Umsatzsteuerpflicht bei Mutter- und Tochtergesellschaften behandelt, in Kraft geblieben und rechtswirksam. Die Bestimmung unterliegt, nachdem ein Auslegungsverbot nicht mehr besteht, der Auslegung durch die deutschen Gerichte (vgl. von Schmoller-Maier-Tobler, Handbuch des Besatzungsrechts § 25 S. 24).

Art. II lautet nach dem dem Kontrollratsgesetz beigefügten deutschen Text:

Alle zwischen einer Muttergesellschaft und ihren Tochtergesellschaften oder zwischen mehreren Tochtergesellschaften derselben Muttergesellschaft getätigten Transaktionen unterliegen der Umsatzsteuerpflicht in allen Fällen, in denen sie umsatzsteuerpflichtig wären, wenn es sich um unabhängige Unternehmen gehandelt hätte.

§ 2 Abs. 2 UStG vom 17. Oktober 1934 und § 17 UStDB vom 23. Dezember 1938 sowie alle anderen einschlägigen Bestimmungen der Umsatzsteuergesetzgebung treten außen Kraft oder werden hiermit nach Maßgabe der Vorschriften des Abs. 1 dieses Paragraphen geändert.

Der Text und die Auswirkung dieser Bestimmung auf das Umsatzsteuerrecht hat zu Meinungsverschiedenheiten in der Verwaltung und im Schrifttum geführt. Die Leitstelle der Finanzverwaltung für die britische Zone (Finanzleitstelle) hat in Ausführungsanweisungen und Durchführungsbestimmungen zum Kontrollratsgesetz Nr. 15 (Steuer- und Zollblatt - StuZBl. - 1946 S. 22, 1947 S. 386) den § 2 Abs. 2 UStG 1934 und den § 17 UStDB 1938 aufgehoben und hat dadurch zum Ausdruck gebracht, daß Art. II KontrRG Nr. 15 (künftig nur Art. II) die Organschaft im Umsatzsteuerrecht beseitigt habe. Der Bundesminister der Finanzen dagegen - und ihm folgend der Finanzamtsvorsteher in seiner Rb. - geht davon aus, daß Art. II die Organschaft im Umsatzsteuerrecht nicht aufgehoben, sondern im Rahmen der Organschaft lediglich die Besteuerung der sogenannten Innenumsätze ("Transaktionen") zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft eingeführt habe. Es handle sich um eine Art Zusatzsteuer, um fingierte Umsätze zwischen Betrieben eines einheitlichen Unternehmens. Bei der Neufassung des Umsatzsteuergesetzes 1951 und seiner Durchführungsbestimmungen seien deshalb die Vorschriften über die umsatzsteuerliche Organschaft unverändert aus dem Umsatzsteuergesetz 1934 (ß 2 Abs. 2 Ziff. 2) und den Umsatzsteuer-Durchführungsbestimmungen 1938 (ß 17) übernommen und nach der Verordnung zur änderung und Ergänzung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 30. Juni 1951 (Bundessteuerblatt - BStBl. - 1951 S. 205) durch Einfügung des § 17 a (in den Durchführungsbestimmungen 1951: § 18), der die Besteuerung der Innenumsätze von Mutter- und Tochtergesellschaften regelt, ergänzt worden. In den Erlassen vom 1. August 1951 IV S 4015 - 18/51 und vom 6. August und 26. September 1951 IV S 4105 - 14/51, 20/51 (Umsatzsteuerkartei S 4105 Karte 51) gibt der Bundesminister der Finanzen genaue Verwaltungsanweisungen zur Durchführung dieser Bestimmungen.

Die Auffassung, daß die Organschaft zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft trotz Art. II weiterbesteht, wird im wesentlichen aus dem Aufbau des Artikels, seinem Wortlaut und dem mit dem Gesetz beabsichtigten Zweck gefolgert. Es wird darauf hingewiesen, daß in Ziff. 1 des Art. II nur die Innenbesteuerung geregelt, das Außenverhältnis der Tochtergesellschaft aber nicht erwähnt sei. Aus dem Gebrauch des Ausdrucks "Transaktionen", der Worte "wären" und "hätte" in Ziff. 1 des Art. II ergäbe sich, daß das Kontrollratsgesetz die Tochtergesellschaft nach wie vor als abhängig, als Organ betrachte. Ziff. 2 des Art. II sähe ein Außerkrafttreten oder ändern der die Organschaft betreffenden Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes nur nach "Maßgabe" der Innenbesteuerung (Ziff. 1 des Art. II) vor. Der beabsichtigte Zweck des Gesetzes sei, den Anreiz zur Betriebskonzentration zu nehmen. Dies sei durch die Besteuerung der Innenumsätze geschehen. Eine Aufhebung der Organschaft hätte in vielen Fällen diesen Zweck wieder vereitelt.

Für die Auslegung von Gesetzen des Kontrollrats sind nicht die deutschen übertragungen, die nur aus Zweckmäßigkeit für die deutsche Bevölkerung beigegeben sind, sondern allein die fremdsprachigen Texte maßgebend (vgl. Direktive Nr. 11 vom 22. September 1945, Amtsblatt des Kontrollrats S. 39, und Abs. 5 des Vorworts, Amtsblatt S. 3, sowie Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs V z 2/47 vom 17. Dezember 1947, Steuerrechtskartei - StRK -, Rechtsspr. 1 zu § 6 des Tabaksteuergesetzes, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1948 Nr. 4, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen - Bay.FMBl. - 1948 S. 62).

In Ziff. 1 des Art. II gebrauchen der englische und der französische Text das Wort "transactions", das auch in die deutsche übersetzung übergegangen ist. In beiden fremdländischen Sprachen bedeutet das Wort Handels- oder Börsengeschäfte, Geschäftsvorfälle, Geschäftsverkehr. Der Ausdruck "transactions" erscheint neutraler und umfassender als der Begriff "Umsatz", entspricht aber in seiner Auswirkung auch dem dem deutschen Sprachgebrauch geläufigeren Wort "Umsatz". Auch mag die bestehende wirtschaftliche Abhängigkeit und Unselbständigkeit der Tochtergesellschaft gegenüber dem beherrschenden Unternehmen mitbestimmend gewesen sein, nur von "Geschäftsvorfällen" statt konkret von "Umsätzen" zu sprechen; die nach wie vor wirtschaftlich abhängige Tochtergesellschaft soll steuerlich so behandelt werden, wie wenn es sich bei den getätigten Geschäftsvorfällen um unabhängige Unternehmen gehandelt hätte.

In Ziff. 2 des Art. II gab die deutsche übersetzung für die Worte "are repeald or amended in pursuance of Paragraph 1 of this Article" ("sont abroges ou modifies, en execution du paragraphe 1er du present article") besonderen Anlaß zu Zweifeln und Erwägungen. Die Worte "repeald or amended" (und die ihnen entsprechenden französischen Ausdrücke) kommen auch in den meisten anderen, 1946 erlassenen Steuergesetzen des Kontrollrats vor (vgl. die Kontrollratsgesetze Nr. 12, 14, 17, 26, 27, 28, 30). Offensichtlich handelt es sich hierbei um eine formelhafte Ausdrucksweise, die alle Möglichkeiten erfassen sollte. Die Worte "repeald" und "abroges" werden in beiden Sprachen für "aufgehoben" eines Gesetzes verwendet; "amended" bedeutet "verbessert", "modifies" "abgeändert" (ein Gesetz). Beide Ausdrücke besagen wohl das Gleiche, also ein "abgeändert". "In pursuane" ist wörtlich mit "in Verfolgung, in Ausführung", das französische "en execution" mit "in Erfüllung, in Vollstreckung" zu übersetzen. Die deutsche übersetzung dieser Worte mit "nach Maßgabe" erscheint demgegenüber zu eng, da "nach Maßgabe" das Maß für die änderung oder Aufhebung gibt, während "in Erfüllung" oder "in Ausführung" noch Möglichkeiten für weitere Auswirkungen offenläßt. Die wörtliche übersetzung der fremdsprachigen Texte von Ziff. 2 dürfte deshalb lauten: "ß 2 Abs. 2 des Gesetzes vom 17. Oktober 1934 und § 17 der Durchführungsbestimmungen vom 23. Dezember 1938 und alle anderen einschlägigen Bestimmungen der Umsatzsteuergesetzgebung werden aufgehoben oder geändert in Ausführung (in Erfüllung, Vollstreckung) von Ziff. 1 dieses Paragraphen." Die Technik der Kontrollratsgesetzgebung weist Besonderheiten auf, die durch die notwendige Zusammenarbeit verschiedener Mächte mit jeweils eigener Gesetzestechnik bedingt waren und die ihren äußeren Niederschlag in der Abfassung der Gesetzestexte in den verschiedenen Sprachen fanden. Deshalb weichen die fremdsprachigen Texte auf der einen Seite häufig voneinander ab und geben zu Zweifeln Anlaß. Auf der anderen Seite führt aber gerade der Versuch, sie aufeinander abzustimmen, zu unklaren Formulierungen. In beiden Fällen gibt also der Text keine sichere Grundlage für die richtige Auslegung, wobei ja immer zu beachten ist, daß die deutsche übertragung hierbei ohnehin nicht maßgebend ist.

Fest steht, daß es sich bei Art. II um die im Umsatzsteuergesetz festgelegte Organschaft handelt und daß deshalb von § 2 Abs. 2 UStG 1934 lediglich die Ziff. 2 in Betracht kommt, da nur diese die Voraussetzungen für die Organschaft erfüllt (vgl. hierzu Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs II 20/48 vom 23. Mai 1949, Bay.FMBl. S. 228, StRK, UStG § 2 Abs. 2 Ziff. 1 Rechtsspr. 1).

Der Begriff der "Organschaft" bezeichnet das sich aus der Anwendung der Organlehre ergebende Rechtsverhältnis. Die Organlehre selbst wurde in das Umsatzsteuerrecht im Wege einer langjährigen im Anfang zögernden, mehrfach auch wechselvollen Rechtsprechung eingeführt, bis dann schließlich durch das grundsätzliche Urteil des Reichsfinanzhofs V A 480/33 vom 23. Februar 1934, Slg. Bd. 36 S. 39, 42, 43 Umfang und Grenze dieser Lehre abgesteckt wurden. Sie kann als die steuerrechtliche Lehre von der wirtschaftlichen Einheit mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen bezeichnet werden. Gerade hier zeigt sich die Notwendigkeit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die, mag sie bisweilen als recht kühn empfunden werden, durch die besonders starke Wirtschaftsgebundenheit der Umsatzsteuer mit ihren unmittelbar das Geschehen der Wirtschaft beeinflussenden Eingriffen bedingt ist. Verfährt doch das Umsatzsteuerrecht sehr eigenwillig mit den sonst angewandten Grundbegriffen: so ist weder der Grundbegriff der Lieferung noch der der gewerblichen Tätigkeit dem Handelsgesetzbuch oder der Gewerbeordnung entnommen, beiden Begriffen wird vielmehr ein völlig eigener Inhalt gegeben. Diese freie Stellung des Umsatzsteuerrechts gegenüber den herkömmlichen Rechtsbegriffen hat schon seit Jahrzehnten dazu geführt, von der Selbständigkeit der steuerlichen Begriffe zu sprechen und diese neuen Begriffe als steuerrechtliche Wirtschaftsbegriffe zu bezeichnen. Diese Begriffe können nur nach dem Sinn und Zweck des Umsatzsteuerrechts ausgelegt werden, jede Heranziehung ähnlicher Begriffe, etwa des privaten oder des öffentlichen Rechts, zur unmittelbaren Hilfestellung bei der Auslegung verbietet sich; die Auslegung muß zum Ziele haben, das Material hierfür aus den wirtschaftlichen Vorgängen selbst und aus dem steuerlichen Zweck zu finden. An dem Vorrang dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die die rechtsbegriffliche Entwicklung überhaupt wie auch die Fortbildung der Steuerrechtsbegriffe insbesondere beeinflußt hat, hält der Senat bei der Auslegung des Umsatzsteuergesetzes fest. Nur so allein kann auf diesem Steuerrechtsgebiet dessen Grundgedanken voll Rechnung getragen werden. Im Schrifttum sind neuerdings Befürchtungen geltend gemacht worden, daß das Bestreben oder, wie hier, die Notwendigkeit, das Umsatzsteuerrecht von den Begriffen des bürgerlichen Rechts zu lösen, eine Gefährdung der bestehenden Rechtssicherheit mit sich bringe. Auf Grund der umfassenden Rechtsprechung und der darauf abgestellten Verwaltungsübung kann der Senat diese Bedenken nicht teilen. Im Gegenteil, es hat sich gezeigt, daß die von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundbegriffe eine im Rahmen des Umsatzsteuerrechts klare Grundlage dafür boten, daß die Verwaltung und Wirtschaft mit diesen Begriffen praktisch und sicher arbeiten kann. Ein solcher steuerrechtlicher Wirtschaftsbegriff ist auch der Begriff der Organschaft.

Auch der mit der Organschaft verfolgte Zweck und ihre Entwicklungsgeschichte sind für die Entscheidung von Bedeutung. Nach dem deutschen Umsatzsteuergesetz wird grundsätzlich jeder Umsatz in jeder Wirtschaftsstufe von der Steuer erfaßt. Bei diesem Aufbau der deutschen Umsatzsteuer entstand alsbald die wirtschaftspolitisch wichtige Frage, ob das deutsche Umsatzsteuersystem das Interesse der Wirtschaft verstärkt, durch Einsparung von Wirtschaftsstufen der Umsatzsteuer auszuweichen, ob insbesondere also die Umsatzsteuer einen Anreiz zur vertikalen Betriebszusammenfassung ausübt. Diese Frage ist zunächst volkswirtschaftlich in ihrer Bedeutung von dem Urteil über die Nützlichkeit oder den Schaden solcher Zusammenschlüsse abhängig. Die einen sehen in den Betriebszusammenschlüssen die Gefahr der Vernichtung selbständiger Existenzen, die aufgesogen oder in ihrer Wettbewerbsfähigkeit gedrückt werden, um eine Beeinträchtigung der Wirkungen größtmöglicher Arbeitsteilung. Die anderen sehen darin eine Rationalisierungsmaßnahme, eine Vermeidung von Leerlauf und überflüssigen Unkostenquoten, ganz abgesehen von der Umsatzsteuer. Dieses Werturteil mag dahingestellt bleiben, hier handelt es sich um die Frage, ob gerade die Umsatzsteuer den Anreiz oder Ausschlag zu solchen Betriebszusammenschlüssen gibt. Die Frage kann an sich nur dann bejaht werden, wenn die verteuernde Wirkung der Umsatzsteuer sehr hoch eingeschätzt wird. Vor allem aber ist auch zu beachten, daß die vertikalen Betriebszusammenschlüsse vielfach ganz andere, wichtigere Beweggründe haben als es überhaupt eine Umsatzsteuerersparnis im Rahmen der Gesamtplanung sein kann. Nur hat es sich in den ersten Jahren der Umsatzbesteuerung gezeigt, daß tatsächlich gewisse Bestrebungen in der Wirtschaft auf Zusammenschlüsse durch die Umsatzsteuer, namentlich in den Zeiten, als sie erhöht wurde, verstärkt worden sind. Da nach dem Grundsatz des § 2 Abs. 1 UStG, der sogenannten Einheitstheorie, alle Betriebe eines Unternehmers sein Unternehmen bilden, läßt sich ohne weiteres Umsatzsteuerfreiheit der Lieferungen zwischen bisher selbständigen Unternehmen dadurch erreichen, daß die selbständigen Unternehmen in unselbständige Betriebe verwandelt werden, daß also zur Ersparung von Umsatzsteuerquoten zur Fusionierung geschritten wird (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs II 36/50 vom 15. Juni 1951, BStBl. III S. 215, StRK, UStG § 2 Abs. 1 Rechtsspr. 8, Bay.FMBl. S. 730). Um einerseits diesen Bestrebungen zu begegnen, andererseits aber auch die bei der technischen Fortentwicklung unabwendbar zusammengehörigen Unternehmen weiterhin als zusammengehörig betrachten zu können, führte, wie schon oben bemerkt, der Reichsfinanzhof in Anlehnung an die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. Preuß. OVG i. St. Bd. 10 S. 391) und im Anschluß an die Entscheidung des Badischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Januar 1917 die Organlehre ein, wonach auch juristische Personen umsatzsteuerrechtlich unselbständig sein können. Mit vollem Recht hebt hierzu Popitz, Umsatzsteuergesetz 3. Aufl. S. 308 unter B II 2 d hervor, daß ein - zunächst versuchtes - Festhalten an dem starren Grundsatz, juristische Personen müssen immer umsatzsteuerrechtlich selbständig sein, die Wucht der Tatsachen gegen sich gehabt hätte: die moderne technische Entwicklung in der Wirtschaft und der Aufbau des Umsatzsteuerrechts mit seiner Einheitstheorie. Als, wie schon erwähnt, mit dem grundsätzlichen Urteil des Reichsfinanzhofs in Bd. 36 S. 39 in der Rechtsprechung eine volle Klärung des gesamten Fragenkomplexes erfolgt war und nachdem sich bei erneuter Prüfung seit der Erhöhung der Umsatzsteuer auf 2 v. H. ein sich immer mehr verschärfendes Bestreben zur Fusionierung von Unternehmen bemerkbar machte, sah sich der Gesetzgeber zu Gegenmaßnahmen veranlaßt. Diese erblickte man mit Recht in der Einarbeitung der Organtheorie in das Gesetz selbst, weil so eine gewisse Bremswirkung gegen dieses Bestreben zur Fusionierung erzielt werden konnte. Denn damit können alle Unternehmen, bei denen die bisherige Nichtversteuerung der Umsätze zwischen dem beherrschenden Unternehmer und den Tochtergesellschaften eine der Grundlagen des ganzen wirtschaftlichen Aufbaues bildete, davon abgehalten werden, zur Fusionierung zu schreiten. Der Einzugliedernde braucht seine eigene Rechtspersönlichkeit im Sinne des bürgerlichen Rechts nicht aufzugeben, die persönliche Verantwortung in der Wirtschaft bei den Einzelunternehmen bleibt erhalten, schädliche Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt, die leicht bei Fusionierungen eintreten können, bleiben vermieden (vgl. hierzu Begründung zum Umsatzsteuergesetz 1934 unter A Abs. 4, RStBl. 1934 S. 1549). Mit der Verankerung der Organschaft im Gesetz selbst wird also ganz im Gegenteil zu der vielfach verbreiteten irrtümlichen Auffassung das Ziel erreicht, daß möglichst viele rechtlich selbständige Unternehmen bestehen bleiben, daß aber auch gleichzeitig die aus der modernen Entwicklung der Technik nicht mehr wegzudenkende Verbundwirtschaft erhalten und schließlich, daß die aus kreditpolitischen Erwägungen wünschenswerte Erhaltung möglichst vieler rechtlich selbständiger Unternehmen innerhalb einer Betriebszusammenfassung gewährleistet wird. Die Organtheorie ist also in das Gesetz selbst eingearbeitet worden, nicht um Betriebszusammenschlüsse zu begünstigen, sondern gerade im Gegenteil, sie hintanzuhalten. Hiervon ging auch der Entwurf eines Gesetzes zur änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungsteuergesetzes (Bundestags-Drucksache vom 26. Februar 1951 Nr. 1983) aus, der die Aufhebung der Besteuerung der Innenumsätze bei der Organschaft vorsah und in der Begründung u. a. besonders auf die durch diese Besteuerung veranlaßten Fusionen mit ihren schädlichen Folgen hinwies.

Unter Zugrundelegung der oben erörterten wirtschaftlichen Betrachtungsweise und des bedeutsamen wirtschaftspolitischen Zwecks ist das Kernstück der ganzen Organschaft die Befreiung der Umsätze zwischen dem beherrschenden Unternehmer und den Tochtergesellschaften und zwischen den Tochtergesellschaften. In dieser Befreiung liegt das Wesen der Organschaft, in ihr verkörpert sie sich. Ist sonach die Innenwirkung das Entscheidende, so tritt demgegenüber die Außenwirkung der Organschaft zurück. Denn die Außenumsätze, die Umsätze an Dritte, sind immer steuerpflichtig, sowohl bei der umsatzsteuerlichen Anerkennung der Organschaft wie bei ihrer Nichtanerkennung. Dabei kommt es nicht so sehr darauf an, ob diese Außenumsätze bei der Muttergesellschaft oder bei der Tochtergesellschaft steuerpflichtig sind und ob in Auswirkung der Organschaft Steuervergünstigungen in Wegfall kommen oder Steuererhöhungen eintreten. Das sind erst weitere Folgen. Vom Standpunkt des Gesetzgebers aus ist der Wegfall der Steuerpflicht der Innenumsätze das Wesentliche der Organschaft, wie auch die Beschwerdegegnerin (Bgin.) ausgeführt hat, bei ihrer Beseitigung ist deshalb das Wesentliche die gesetzliche Festlegung der Steuerpflicht der Innenumsätze. Man kann deshalb daraus, daß Ziff. 1 des Art. II nur die Steuerpflicht der Innenumsätze regelt und die Außenumsätze nicht erwähnt, keine Schlüsse für die Beibehaltung der Organschaft durch den Alliierten Gesetzgeber ziehen, vielmehr ist - wie ausgeführt - die Regelung der Innenumsätze wesentlich und typisch für die steuerliche Behandlung der Organschaft.

Die Organgesellschaft kann aber auch nicht bloß hinsichtlich der Innenumsätze, also teilweise, selbständig sein. Diese Auffassung hätte eine Aufspaltung der Tochtergesellschaft, nämlich umsatzsteuerliche Selbständigkeit für das Innenverhältnis zwischen beherrschendem Unternehmer und der Tochtergesellschaft, umsatzsteuerliche Unselbständigkeit der Tochtergesellschaft nach außen, zur Folge. Eine derartige Aufspaltung einer Rechtsperson (juristische Person) ist jedoch, wie der Reichsfinanzhof wiederholt entschieden hat, begrifflich nicht möglich (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs V A 480/33 vom 23. Februar 1934, Slg. Bd. 36 S. 39 f.; V 386/37 vom 28. August 1938, RStBl. 1938 S. 286; des Obersten Finanzgerichtshofs II 20/48 vom 23. Mai 1949, Bay.FMBl. 1949 S. 228). Die juristische Person ist entweder umsatzsteuerlich selbständig oder unselbständig. Entscheidend hierfür ist das Innenverhältnis (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V A 629/30 vom 9. Januar 1931, RStBl. 1932 S. 359). Für das Innenverhältnis aber ist, wie ausgeführt, die Unselbständigkeit der Tochtergesellschaft geändert, d. h. aufgehoben. Daß der Alliierte Gesetzgeber eine Aufspaltung der Tochtergesellschaft trotz ihrer rechtlichen Unmöglichkeit gewollt habe, dafür bestehen keine Anhaltspunkte. Vielmehr ist anzunehmen, daß sich für ihn die Frage des Nichtbestands der Organschaft mit der Regelung der Innenumsätze als dem - wie bereits ausgeführt - wesentlichen Inhalt der Organschaft erschöpft. Da das Kernstück der Organschaft: Befreiung der Umsätze zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft und zwischen den Tochtergesellschaften durch das Kontrollratsgesetz zerschlagen wurde, ist davon auszugehen, daß umsatzsteuerlich das Organschaftsverhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft im ganzen nicht mehr besteht. Zu dieser Entscheidung mußte der Senat auf Grund der geschilderten, das Umsatzsteuerrecht völlig beherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise kommen, wenn man auch vom rein rechtlichen Standpunkt aus den Erwägungen folgen könnte, die zu der vom Bundesminister der Finanzen getroffenen Regelung (Erlaß vom 1. August 1951 IV S 4015 - 18/51 und vom 6. August und 26. September 1951 IV S 4105 - 14/51, 20/51) geführt haben. Deshalb entspricht es im Streitfall dem Art. II KontrRG Nr. 15, die Muttergesellschaft und die Tochtergesellschaft umsatzsteuerlich als selbständige Unternehmen anzusprechen, die Umsätze der Tochtergesellschaft also bei dieser zu versteuern und nicht der Muttergesellschaft zuzurechnen. Gegenstände, die die Tochtergesellschaft von der Muttergesellschaft geliefert erhalten (und umgekehrt) hat, sind erworben im Sinn des Umsatzsteuergesetzes (ß 7 Abs. 3; § 4 Ziff. 4 und § 16 Abs. 1 UStG 1951). Da ein umsatzsteuerliches Organverhältnis nicht mehr besteht, muß für die Besteuerung der Umsätze der allgemeine Besteuerungsmaßstab nach § 5 UStG 1951 gelten. Dieser durch Art. II geschaffene Rechtszustand geht als Besatzungsrecht den deutschen Gesetzen vor. Dabei tritt der Rechtszustand ohne weiteres ein und bleibt bis zu seiner Aufhebung bestehen (vgl. Gutachten des Obersten Finanzgerichtshofs III D 1/48 vom 23. November 1948 unter I Ziff. 2, StRK, Grundsteuergesetz § 4 Ziff. 5 und 6 Rechtsspr. 1, Bay. FMBl. 1949 S. 9). Damit entfällt auch die Anwendung der Vorschrift mit § 18 Abs. 3 UStDB 1951 als rechtsunwirksam.

Auf das Vorbringen der Stpfl., daß für den Bereich der für sie zuständigen britischen Zone auf jeden Fall § 2 Abs. 2 UStG 1934 und § 17 UStDB 1938 durch die Finanzleitstelle aufgehoben worden sei, diese Aufhebung mit Ermächtigung der britischen Besatzungsmacht erfolgt sei und es sich deshalb um Besatzungsrecht handle, das dem Kontrollratsgesetz vorgehe, braucht hier nicht näher eingegangen zu werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob durch die Zustimmung oder Ermächtigung der Militärregierung ein deutscherseits erlassenes Gesetz den Charakter eines Besatzungsgesetzes erhält, jedenfalls entspricht nach der Entscheidung des Senats die von der Finanzleitstelle getroffene Maßnahme im Streitfall dem Art. II KontrRG Nr. 15.

Die Rb. war nach alledem als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenpflicht ergibt sich aus § 309 AO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407462

BStBl III 1952, 234

BFHE 1953, 604

BFHE 56, 604

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