Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Sonderausgabenabzug bei Übergabe eines Grundstücks mit dem Ziel der Veräußerung und des Erwerbs eines Ersatzgrundstücks

 

Leitsatz (NV)

1. Wird ein bebautes Grundstück, das im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen wird, vom Übernehmer bestimmungsgemäß zeitnah veräußert, sind im Zusammenhang mit der Übertragung vereinbarte Unterhaltszahlungen, die wiederkehrend auf die Lebenszeit des Übergebers zu leisten sind, nicht mehr als Sonderausgaben (Rente oder dauernde Last) abziehbar (Fortführung der Senatsurteile vom 14. Februar 1996 X R 106/91, BFHE 180, 87, BStBl II 1996, 687; vom 24. Juli 1996 X R 167/95, BFHE 181, 72, BStBl II 1997, 315).

2. Dies gilt auch dann, wenn der Übernehmer mit dem Veräußerungserlös ein Ersatzgrundstück erwirbt (entgegen BMF-Schreiben vom 23. Dezember 1996 IV B 3 -- S 2257 -- 54/96, BStBl I 1996, 1508, Tz. 20 i.V.m. Tz. 7f.).

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Enkel des im Jahre 1989 verstorbenen A S. Dieser hatte Frau E S, mit der er in zweiter Ehe verheiratet war, testamentarisch zur nicht befreiten Vorerbin des Grundstücks A-Weg in B und den Kläger zum Nacherben eingesetzt. Mit Vertrag vom 19. Oktober 1989 übertrug Frau S dem Kläger das Grundstück schenkweise im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. "Als Gegenleistung" hierfür verpflichtete sich der Kläger, an Frau S auf deren Lebenszeit eine monatliche Rente in Höhe von 300 DM zu zahlen; eine Wertsicherungsklausel wurde ausdrücklich nicht vereinbart. Der Kläger veräußerte das ihm übertragene Grundstück zum 1. Dezember 1989 und erwarb mit Vertrag vom 15. Dezember 1990 eine Eigentumswohnung, die er seitdem selbst nutzt.

In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1991 bis 1993 beantragte der Kläger, die Zahlungen in Höhe von jährlich 3 600 DM zum Abzug als Sonderausgaben -- dauernde Last i.S. von §10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) -- zuzulassen. Demgegenüber berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) diese Zahlungen nur als Leibrente mit ihrem Ertragsanteil in Höhe von jeweils 828 DM.

Das Finanzgericht (FG) hat die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage als unbegründet abgewiesen; sein Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 1213.

Hiergegen richtet sich die Revision, mit welcher der Kläger die Verletzung materiellen Rechts rügt. Er macht u.a. geltend, die von ihm "ersatzweise" angeschaffte Eigentumswohnung sei wiederum existenzsicherndes Vermögen, auf welches sich auch der Anspruch der Übergeberin aus §538 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) richte. Die Übernahme des Vermögens von der Vorerbin sei steuerrechtlich jedenfalls der Ablösung eines vorbehaltenen Nutzungsrechts gleichzustellen. Im Urteil vom 3. Juni 1992 X R 147/88 (BFHE 169, 127, BStBl II 1993, 98) habe der Bundesfinanzhof (BFH) anerkannt, daß ein Vorbehaltsnießbrauch durch ein ebensolches Nutzungsrecht an einem anderen Grundstück ersetzt werden könne. Der Vermögensertrag eigne sich nicht als "Charakteristikum des typischen Versorgungsvertrags".

Der Kläger beantragt, zum Teil sinngemäß, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidungen vom 11. August 1994 (Einkommensteuer 1991 und 1993) sowie vom 22. Juni 1994 (Einkommensteuer 1992) "ersatzlos aufzuheben", die Einkommensteuer 1991 bis 1993 nach einem jeweils um 2 772 DM geringeren Einkommen neu festzusetzen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es trägt vor: Dem Kläger sei Vermögenssubstanz zur freien Verfügung übertragen worden, was für die Annahme einer dauernden Last nicht ausreiche.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen.

1. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 24. Juli 1996 X R 167/95 (BFHE 181, 72, BStBl II 1997, 315) entschieden: Wird ein bebautes Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen, das der Übernehmer sogleich weiterveräußert, sind im Zusammenhang hiermit vereinbarte Unterhaltszahlungen, die wiederkehrend auf die Lebenszeit des Übergebers zu leisten sind, nicht als Sonderausgaben (Leibrente oder dauernde Last) abziehbar. Denn die Abziehbarkeit von wiederkehrenden Leistungen als Sonderausgaben nach §10 Abs. 1 Nr. 1a EStG setzt voraus, daß eine ertragbringende existenzsichernde Wirtschaftseinheit vom Übergeber zur Weiterführung durch den Übernehmer überlassen wird. Wird das übertragene Grundstück, wie im Streitfall, veräußert und dadurch der Zusammenhang der wiederkehrenden Leistungen mit der übertragenen Wirtschaftseinheit tatsächlich beendet, kommt die weitere Zuordnung der wiederkehrenden Leistungen zu den Sonderausgaben nicht mehr in Betracht. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf das Urteil in BFHE 181, 72, BStBl II 1997, 315 Bezug genommen.

2. Im vorliegenden Fall wurde das Grundstück dem Kläger nicht zur weiteren Erwirtschaftung von Einkünften überlassen; dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Rechtsstellung der nicht befreiten Vorerbin mit derjenigen einer Nutzungsberechtigten verglichen werden kann, wie der Kläger meint. Das FG hat festgestellt, daß mit der Übereignung des Grundstücks von Frau S auf den Kläger eine Übertragung zur "weiteren Bewirtschaftung" nicht beabsichtigt war. Der Kläger hat dies bereits im Klageverfahren vorgetragen und in der Revisionsschrift bestätigt: Der "Austausch" des übertragenen Grundstücks durch die Eigentumswohnung sei abgesprochen gewesen. Die Voraussetzung für den Abzug nach §10 Abs. 1 Nr. 1a EStG, daß eine ertragbringende existenzsichernde Wirtschaftseinheit vom Übergeber zur Weiterführung durch den Übernehmer überlassen wird, liegt hier nicht vor.

3. Auch das weitere Vorbringen des Klägers verhilft der Revision nicht zum Erfolg.

a) Unerheblich ist, daß der Kläger mit dem Erlös aus der Veräußerung des übergebenen Grundstücks ein "Ersatzobjekt" angeschafft hat.

Ein Surrogationsprinzip kann im vorliegenden Zusammenhang nicht wirksam werden, weil die spezialgesetzlich begründete Unterscheidung, zwischen der -- fortzuführenden -- existenzsichernden Wirtschaftseinheit und dem hierzu nicht gehörenden Geldvermögen für das steuerrechtliche Sonderrecht der Vermögensübergabe von vorrangiger Bedeutung ist. Es kann letztlich nicht darauf ankommen, ob der Übernehmer des Vermögens den Veräußerungserlös zum Zwecke der Einkünfteerzielung oder zur Entschuldung eines privaten Wirtschaftsguts einsetzt. An diesem Grundsatz hält der Senat auch für den Fall fest, daß mit dem Verkaufserlös ein funktionsgleiches Wirtschaftsgut erworben wird.

Wird, wie im Streitfall, der Veräußerungserlös zur Finanzierung anderer Wirtschaftsgüter verwendet, läßt sich nach der Veräußerung ein Zusammenhang der wiederkehrenden Leistungen mit einer weiterzuführenden Wirtschaftseinheit nicht (mehr) herstellen. Denn der Erwerb des "Ersatz"- Grundstücks wird durch einen steuerrechtlich selbständigen Anschaffungsvorgang vollzogen, der abschließend nach §§21, 7, 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG oder -- je nach Sachlage -- nach §10e EStG zu beurteilen ist. Die Vorstellung einer Wertsurrogation wäre rechtlich allenfalls dann tragfähig, wenn auch das Ersatzwirtschaftsgut als unentgeltlich erworben angesehen werden könnte; dann wäre es möglicherweise vertretbar, den Abzug von Sonderausgaben weiterzuführen. Denn die Abziehbarkeit der wiederkehrenden Leistungen ist nur gerechtfertigt, weil der Erwerb des Vermögens steuerrechtlich als unentgeltlich anzusehen ist, so daß diese Aufwendungen als "Anschaffungskosten" unberücksichtigt bleiben und dem Übernehmer ggf. lediglich die Fortführung der Absetzung für Abnutzung des Rechtsvorgängers verbleibt. Der Abzug als Sonderausgabe ist aber zu versagen, wenn und soweit der Steuerpflichtige das Ersatzwirtschaftsgut im wirtschaftlichen Ergebnis mit dem Veräußerungserlös entgeltlich erwirbt; denn sonst könnte es zu einer Doppelvergünstigung kommen; zum Sonderausgabenabzug würde die Abziehbarkeit der -- ggf. erhöhten -- Absetzungen oder von Sonderabschreibungen hinzutreten. Es entspricht jedoch der Systematik des Gesetzes, die sich auch aus §10 Abs. 1 Satz 1 EStG ergibt, daß Aufwendungen des Steuerpflichtigen als Sonderausgaben nur berücksichtigt werden dürfen, wenn sie keine Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind. Die Aufwendungen dürfen sich also nicht mehrfach zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken (vgl. auch Senatsurteile vom 14. Dezember 1994 X R 74/91, BFHE 176, 117, BStBl II 1995, 259, und vom 11. Dezember 1996 X R 15/96, BFHE 182, 153, BStBl II 1997, 221). Gerade wenn man unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Surrogationsmöglichkeit annehmen wollte, handelt es sich um ein und denselben Lebenssachverhalt, für den der Werbungskosten- und Sonderausgabenabzug nicht gleichzeitig gewährt werden kann. Auch die Fortführung dieses Sonderausgabenabzugs neben dem Abzug wie Sonderausgaben nach §10e EStG erachtet der Senat für nicht zulässig. Die durch die Veräußerung und entgeltliche Ersatzbeschaffung markierte rechtliche Zäsur muß aus Gründen der Rechtsanwendungsgleichheit und der Rechtsvereinfachung auch dann maßgebend sein, wenn der Steuerpflichtige mit dem Veräußerungserlös z.B. eine funktionsgleiche Eigentumswohnung anschafft.

Entgegen der Auffassung des Klägers folgt aus dem Senatsurteil vom 14. Februar 1996 X R 106/91 (BFHE 180, 87, BStBl II 1996, 687, unter 3. h) nichts anderes.

Der Sachverhalt des dort in Bezug genommenen Senatsurteils in BFHE 169, 127, BStBl II 1993, 98 ist mit dem hier zu entscheidenden Fall nicht zu vergleichen. Es war seinerzeit darüber zu befinden, daß ein bei der Übertragung eines Zweifamilienhauses vorbehaltener Nießbrauch anläßlich der Übertragung des belasteten Grundstücks auf ein anderes, dem Kläger bereits gehörendes Zweifamilienhaus übertragen worden war; auf diesen Nießbrauch hatte die Übergeberin gegen wiederkehrende Leistungen verzichtet. Anders als im vorliegenden Fall waren die wiederkehrenden Leistungen nicht aus dem Erlös der übergebenen Wirtschaftseinheit zu zahlen.

Soweit das BMF in seinem Schreiben vom 23. Dezember 1996 IV B 3 -- S 2257 -- 54/96 (BStBl I 1996, 1508, Tz. 20 i.V.m. Tz. 7f.) die Auffassung vertritt, der sachliche Zusammenhang der wiederkehrenden Leistungen mit der Vermögensübergabe ende nicht, wenn das übernommene Vermögen nachträglich in anderes sog. existenzsicherndes Vermögen umgeschichtet wird -- wenn also z.B. ein Mietwohngrundstück durch ein anderes Mietwohngrundstück ersetzt wird --, folgt der erkennende Senat dem aus den genannten Gründen nicht.

b) Auch aus der Regelung der Rückforderung wegen Notbedarfs gemäß §528 BGB kann der Kläger keine ihm günstigen Rechtsfolgen herleiten. Soweit sich aus dieser Vorschrift ergibt, daß der geschenkte Gegenstand nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben ist und sich dieser Anspruch auf ein Surrogat (§818 Abs. 1 BGB) oder auf Wertersatz (§818 Abs. 2 BGB) richtet, folgt dies aus der zivilrechtlichen Zwecksetzung, dem Schenker einen Wertverfolgungsanspruch zu erhalten. Das Steuerrecht der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen folgt, wie dargelegt, anderen, spezifisch steuerrechtlichen Rechtsgrundsätzen.

4. Weil das FA den Ertragsanteil der wiederkehrenden Leistungen bereits zum Abzug zugelassen hat, kann dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen der (pauschalierte) Zinsanteil zu den als Werbungskosten abziehbaren Finanzierungskosten für die Anschaffung des Ersatzwirtschaftsguts gehört.

 

Fundstellen

Haufe-Index 56038

BFH/NV 1999, 294

DStRE 1999, 12

HFR 1999, 172

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