Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätze der mittelbaren Schenkung bei allen als Zuwendungsobjekt in Betracht kommenden Gegenständen oder Rechten anwendbar

 

Leitsatz (NV)

1. Der steuerpflichtige Erwerb gemäß §10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 bestimmt sich nach der Bereicherung des Erwerbers und knüpft die Wertermittlung (§11 ErbStG 1974) an den Gegenstand an, über den der Beschenkte endgültig verfügen kann. In der Hingabe von Geld zum Erwerb eines bestimmten Gegenstandes kann die Übertragung dieses Gegenstandes im Wege der mittelbaren Schenkung an den Empfänger gesehen werden, soweit der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker nicht über das ihm ggf. übergebene Geld, sondern (erst) über den Gegenstand verfügen kann. Dies gilt nicht nur für die Fälle der mittelbaren Grundstücksschenkung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 180, 174, BStBl II 1996, 548 sowie BFH-Urteile vom 12. Dezember 1979 II R 157/78, BFHE 129, 507, BStBl II 1980, 260; vom 3. August 1988 II R 39/86, BFHE 154, 383, BStBl II 1988, 1025), sondern generell bei mittelbarer Schenkung aller als Zuwendungsobjekt in Betracht kommenden Gegenstände oder Rechte.

2. Ein Fall mittelbarer Grundstücksschenkung liegt nicht vor, wenn die Geldmittel auf Weisung des Schenkers für den Um- und Ausbau eines einem Dritten gehörenden Gebäudes verwendet werden, das der Beschenkte bewohnt.

 

Normenkette

ErbStG 1974 § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 10 Abs. 1 S. 1, §§ 11, 12 Abs. 1a, 2-6; BGB § 94 Abs. 2, §§ 946, 951 i.V.m. § 812, § 812

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Urteil vom 29.08.1995; Aktenzeichen 4 K 253/90 Erb)

 

Tatbestand

I. Die Schwiegermutter des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) war Eigentümerin eines Grundstücks mit aufstehendem Wohngebäude, welches der Kläger für Wohnzwecke seiner Familie um- und ausbauen wollte. Die hierfür erforderlichen Geldmittel sollten dem Kläger überwiegend von seinen Eltern geschenkt, im übrigen von ihm selbst aufgebracht werden. Hierzu gaben die Eltern des Klägers am 12. Mai 1986 folgende schriftliche Erklärung ab:

"Wir, das Ehepaar A und B, ... übertragen unserem Sohn ... zum Um- und Ausbau des Wohnhauses in C insgesamt 880 000 DM. Von dem vorgenannten Gesamtbetrag schenkt A 90 000 DM und B 790 000 DM."

In der Folgezeit investierte der Kläger insgesamt 1 143 994 DM in das seiner Schwiegermutter gehörende Wohnhaus; sie räumte dem Kläger mit notariell beurkundetem Vertrag vom 30. März 1987 ein Dauerwohnrecht nach §31 des Wohnungseigentumsgesetzes auf unbestimmte Zeit an ihrem Haus ein, bewilligte zugunsten des Klägers eine brieflose sofort fällige Grundschuld über 1,2 Mio. DM nebst 4 v. H. Zinsen ab Vertragsschluß und unterwarf sich hinsichtlich der Grundschuldforderung der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) setzte für die Zuwendung des Geldbetrags von 790 000 DM mit Bescheid vom 23. Juli 1990 Schenkungsteuer in Höhe von 59 500 DM fest. Er verneinte eine mittelbare Grundstücksschenkung, da das Geld für "Umbaumaßnahmen", also nicht im Zusammenhang mit der Zuwendung eines bestimmten Grundstücks oder Gebäudes, gezahlt worden sei.

Mit dem Einspruch machte der Kläger geltend, die geschenkten Geldmittel hätten einem mittelbaren Grundstückserwerb gedient. Der Kläger habe das Gebäude mit einem Gesamtaufwand von rd. 1 144 000 DM von Grund auf renoviert und als Gegenleistung von der Eigentümerin ein zeitlich unbegrenztes Dauerwohnrecht eingeräumt bekommen; dadurch sei er wirtschaftlicher Eigentümer des gesamten Grundstücks geworden, so daß als Bemessungsgrundlage der anteilige Einheitswert zugrunde zu legen sei. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Mit der Klage machte der Kläger weiterhin geltend, es liege eine mittelbare Schenkung vor. Mittelbares Zuwendungsobjekt sei das Dauerwohnrecht, dessen steuerliche Bewertung auch als Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer maßgebend sei.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Zuwendung von Geld zum Erwerb eines Dauerwohnrechts stelle keine mittelbare Grundstücksschenkung, sondern eine Geldschenkung unter Auflage dar.

Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 992 veröffentlicht.

Mit der Revision vertritt der Kläger die Auffassung, im Wege mittelbarer Schenkung ein Dauerwohnrecht von seinen Eltern erworben zu haben.

Er beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des Urteils des FG vom 29. August 1995 den Schenkungsteuerbescheid vom 23. Juli 1990 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 1990 abzuändern und die Steuer auf 6930 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß es sich bei der Zuwendung der Eltern des Klägers nicht um eine mittelbare Schenkung, sondern um eine Geldschenkung mit der Auflage handelt, die Mittel zum Um- und Ausbau eines der Schwiegermutter des Klägers gehörenden Gebäudes für Wohnzwecke seiner Familie zu verwenden.

Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§1 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes -- ErbStG -- 1974) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974; vgl. auch §516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --). Die Besteuerung richtet sich danach, wie sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Zuwendung beim Beschenkten darstellt (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 9. November 1994 II R 87/92, BFHE 176, 53, BStBl II 1995, 83). Dementsprechend bestimmt sich der steuerpflichtige Erwerb gemäß §10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 nach der Bereicherung des Erwerbers und knüpft die Wertermittlung (§11 ErbStG 1974) über §9 Abs. 1 Nr. 2, §12 Abs. 1 a bis 6 ErbStG 1974 an den Gegenstand an, über den der Beschenkte endgültig verfügen kann (BFH-Urteile in BFHE 176, 53, BStBl II 1995, 83; vom 26. September 1990 II R 50/86, BFHE 162, 139, BStBl II 1991, 32; vom 6. März 1985 II R 114/82, BFHE 143, 287, BStBl II 1985, 380 zu II. a am Ende, und vom 30. Januar 1968 II 49/64, BFHE 91, 431, BStBl II 1968, 371).

Es ist nicht erforderlich, daß der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, sich vorher in derselben Gestalt im Vermögen des Schenkers befunden hat und wesensgleich übergeht, "Entreicherungsgegenstand" und "Bereicherungsgegenstand" brauchen nicht identisch zu sein (vgl. Senatsentscheidung vom 13. März 1996 II R 51/95, BFHE 180, 174, BStBl II 1996, 548, m. w. N.). Danach kann in der Hingabe von Geld zum Erwerb eines bestimmten Gegenstandes die Übertragung dieses Gegenstandes im Wege der mittelbaren Schenkung an den Empfänger gesehen werden. Dies setzt voraus, daß der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker nicht über das ihm ggf. übergebene Geld, sondern (erst) über den Gegenstand verfügen kann, denn in diesem Fall ist der Beschenkte nicht um die Geldsumme, sondern erst um den mit den zur Verfügung gestellten Geldmitteln erworbenen Gegenstand bereichert. Dies gilt nicht nur für die Fälle der mittelbaren Grundstücksschenkung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 180, 174, BStBl II 1996, 548 sowie BFH-Urteile vom 12. Dezember 1979 II R 157/78, BFHE 129, 507, BStBl II 1980, 260; vom 3. August 1988 II R 39/86, BFHE 154, 383, BStBl II 1988, 1025), auf die das FG seine Prüfung beschränkt hat, sondern generell bei mittelbarer Schenkung aller als Zuwendungsobjekt in Betracht kommenden Gegenstände oder Rechte (vgl. Meincke, Erbschaftsteuergesetz, §7 Rdnr. 17; Moench, Erbschaftsteuergesetz, §7 Rdnr. 24).

Nach diesen Grundsätzen ist Gegenstand der vorliegenden Schenkung an den Kläger der von seinen Eltern zugewandte Geldbetrag. Ein Fall mittelbarer Schenkung eines Grundstücks oder eines Wohnrechts liegt nicht vor.

Im Streitfall hat der Kläger nach der weisungsgemäßen Verwendung der Geldmittel seiner Eltern kein Eigentum an den im Zuge des Um- und Ausbaus von ihm eingebauten Sachen (z. B. Baustoffe) erworben; vielmehr sind die mit dem Gebäude verbundenen beweglichen Sachen nach §94 Abs. 2 BGB wesentliche Bestandteile des Grundstücks geworden und in das Eigentum der Schwiegermutter, der Grundstückseigentümerin, übergegangen (vgl. §946 BGB). Der Kläger ist demnach durch die grundstücksbezogenen Verwendungen selbst nicht bereichert. Ein Fall mittelbarer Grundstücksschenkung, über die der Senat in seinem Urteil vom 13. März 1996 II R 51/95 (BFHE 180, 174, BStBl II 1996, 548) zu entscheiden hatte, liegt mangels objektiver Bereicherung des Klägers nicht vor.

Erworben hat der Kläger allerdings einen -- durch die vereinbarte Grundschuld über 1,2 Mio. DM abgesicherten -- Entschädigungsanspruch nach §951 i. V. m. §812 BGB, gerichtet auf eine Vergütung in Geld, gegen seine Schwiegermutter wegen des (im Verhältnis zu ihr rechtsgrundlosen) Verlustes des Eigentums an den Sachen, die im Zuge des Um- und Ausbaus vom Kläger in das Gebäude eingefügt wurden. Daß dieser Anspruch Zuwendungsgegenstand sein sollte, ist weder behauptet worden noch sonst ersichtlich.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist im Streitfall auch nicht davon auszugehen, daß dem Kläger das mit seiner Schwiegermutter vereinbarte Dauerwohnrecht von seinen Eltern zugewendet wurde. Das FG hat zwar festgestellt, daß der Kläger nach dem Willen der Zuwendenden (Eltern des Klägers) ein Dauerwohnrecht an dem renovierten Gebäude habe erwerben sollen. Auf einen solchen Willen kann im Streitfall aber schon deshalb nicht abgestellt werden, weil dieser Wille tatsächlich nicht vollzogen wurde (vgl. Senatsentscheidungen in BFHE 162, 139, BStBl II 1991, 32, und in BFHE 143, 287, BStBl II 1985, 380). Denn der Kläger hat nach den notariell beurkundeten Vereinbarungen mit seiner Schwiegermutter vom 30. März 1987 das Dauerwohnrecht nicht entgeltlich, d. h. mit den von seinen Eltern zugewendeten Mitteln, erworben, insbesondere keine Zahlungen an seine Schwiegermutter erbracht, sondern die zugewandten Mittel ausschließlich für Bauleistungen in dem Gebäude der Schwiegermutter verwandt. Dafür, daß diese Bauleistungen als Gegenleistung für die Einräumung des Dauerwohnrechts an die Schwiegermutter erbracht wurden, gibt es keine Anhaltspunkte. Es mag zwar sein, daß die Schwiegermutter nur im Hinblick auf die vom Kläger finanzierten Um- und Ausbauten bereit war, das Dauerwohnrecht einzuräumen. Dies rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, der Kläger habe für den Erwerb des Dauerwohnrechts konkrete (Bau-)Leistungen an seine Schwiegermutter erbracht.

Hiergegen spricht auch der Umstand, daß die Schwiegermutter dem Kläger eine sofort fällige und verzinsliche Grundschuldforderung in Höhe seiner Investitionen eingeräumt hat, so daß der Kläger insoweit -- zeitlich unbeschränkt -- bereits voll abgesichert war.

Vielmehr spricht alles dafür, daß das Dauerwohnrecht -- wie auch die eingeräumte Grundschuld -- lediglich Sicherungscharakter hatte. Es sollte gewährleistet sein, daß der Kläger unabhängig von der Person des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks hinsichtlich seiner erheblichen Investitionen wertmäßig abgesichert war und -- wie es offensichtlich der Abrede zwischen ihm und seiner Schwiegermutter entsprach -- das von ihm für Wohnzwecke seiner Familie umgestaltete Gebäude auf Dauer nutzen konnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67643

BFH/NV 1998, 1378

DStRE 1998, 808

HFR 1998, 912

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