Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbescheid inhaltlich unbestimmt bei unklarer Bezeichnung des Steuerschuldners

 

Leitsatz (NV)

1. Das GrEStG DDR unterliegt als revisibles Recht i. S. des § 118 Abs. 1 FGO der Überprüfung durch den BFH (vgl. BFH-Urteile vom 19. Mai 1993 II R 29/92, BFHE 171, 351, BStBl II 1993, 630, 632).

2. Personengesellschaften als solche und ihre Gesellschafter müssen im Grunderwerbsteuerrecht als Steuersubjekt auseinandergehalten werden. Dies gilt gleichermaßen auch für das GrEStG DDR.

3. Zum notwendigen (Mindest-)Inhalt eines Steuerbescheides gehört die Angabe, wer die Steuer schuldet (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Läßt ein Bescheid den Schuldner der Steuer nicht erkennen oder bezeichnet er ihn ungenau, so kann er wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nicht befolgt werden und ist gemäß § 125 AO 1977 nichtig (vgl. BFH-Entscheidung vom 9. Dezember 1992 II R 43/88, BFH/NV 1993, 702, 704 m. w. N.). Der durch den Steuerbescheid erzeugte Rechtsschein einer wirksamen Regelung ist durch deren formale Aufhebung zu beseitigen.

 

Normenkette

AO 1977 § 157 Abs. 1 S. 2, § 125; FGO § 118 Abs. 1; GrEStG DDR § 1 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG DDR § 5; GrEStG DDR § 6; GrEStG DDR § 7; GrEStG DDR § 15 Nr. 1; EGBGB Art. 230 Abs. 2, 24

 

Verfahrensgang

FG Mecklenburg-Vorpommern

 

Tatbestand

Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 27. November 1990 erwarben der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) sowie seine Ehefrau, die Beigeladene, ein in A gelegenes, mit einem Einfamilienhaus nebst Garage bebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 130 000 DM. Der Erwerb sollte in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) erfolgen. Die Genehmigung nach der Verordnung über den Verkehr mit Grundstücken der ehemaligen DDR (GrdstVO) wurde am 13. Dezember 1990 erteilt.

Durch Bescheid vom 17. Oktober 1991 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) gegen den Kläger sowie die Beigeladene, die im Bescheid als "Herrn und Frau B und C. D." bezeichnet sind, nach einer Gegenleistung von 130 000 DM und unter Anwendung eines Steuersatzes von 7 v. H. Grunderwerbsteuer in Höhe von 9 100 DM fest.

Mit dem dagegen gerichteten Einspruch machte der Kläger geltend, der Erwerb falle nicht in den zeitlichen Geltungsbereich des Grunderwerbsteuergesetzes der ehemaligen DDR (GrEStG DDR) vom 18. Dezember 1970 (GBl Sonderdruck Nr. 677). Es sei deshalb der Steuersatz von 2 v. H. nach § 11 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 anzuwenden. Der Erwerb sei auch nach den Durchführungsbestimmungen zur Verordnung über den Neubau, die Modernisierung und Instandsetzung von Eigenheimen vom 18. August 1987 -- Gbl I, S. 215 -- (DBEigenheimVO) von der Grunderwerbsteuer befreit. Durch Entscheidung vom 19. März 1992 wies das FA den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück.

Während des anschließenden Klageverfahrens hat das FA den Bescheid vom 17. Oktober 1991 wegen inhaltlicher Unbestimmtheit für nichtig erklärt und am 23. Juni 1992 erneut Grunderwerbsteuer gegen den Kläger und die Beigeladene in Höhe von 9 100 DM festgesetzt. Der Kläger und die Beigeladene wurden wiederum mit "Herrn und Frau B. und C. D." bezeichnet. Der Kläger hat den Bescheid vom 21. Juni 1992 zum Gegenstand des Verfahrens erklärt.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage des Klägers stattgegeben und den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid aufgehoben. Es hat die Ehefrau des Klägers nach § 60 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigeladen. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid sei rechtswidrig, weil der Erwerb des Grundstücks durch den Kläger sowie die Beigeladene nach §§ 12, 14 der Verordnung über den Neubau, die Modernisierung und Instandsetzung von Eigenheimen (EigenheimVO) i. V. m. § 15 Abs. 7 DBEigenheimVO steuerfrei sei.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Dieses rügt die Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Im Ergebnis zu Recht hat das FG den an den Kläger sowie die Beigeladene gerichteten Grunderwerbsteuerbescheid vom 23. Juni 1992 aufgehoben. Dies folgt allerdings bereits daraus, daß -- was das FG nicht erörtert hat -- der Bescheid nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit von Steuerbescheiden genügt.

a) Auf den Grunderwerb des Klägers sowie der Beigeladenen ist das GrEStG DDR anzuwenden. Dies ergibt sich aus Art. 8 i. V. m. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 14 Abs. 1 des Einigungsvertrages (EinigVtr). Nach Satz 1 dieser Vorschrift trat das Recht der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) u. a. auf dem Gebiet des Rechts der Besitz- und Verkehrsteuern einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer (erst) am 1. Januar 1991 in Kraft. Für die Steuern, die vor dem 1. Januar 1991 entstanden, war nach Satz 2 der Regelung das bis zum 31. Dezember 1990 im Beitrittsgebiet geltende Recht weiter anzuwenden. Diese Regelung erfaßt auch die Grunderwerbsteuer. Damit war im Streitfall im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Grunderwerbs, das ist hier der Zeitpunkt der Genehmigung des Grunderwerbs nach der GrdstVO der ehemaligen DDR, die nach Art. 9 i. V. m. Anlage II Kapitel III Sachgebiet B Abschn. II Nr. 1 EinigVtr in Kraft geblieben war (13. Dezember 1990), das GrEStG DDR noch in Kraft.

Das GrEStG DDR unterliegt als revisibles Recht i. S. des § 118 Abs. 1 FGO der Überprüfung durch den Senat (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 1993 II R 29/92, BFHE 171, 351, BStBl II 1993, 630, 632).

b) Der Grunderwerb des Klägers und der Beigeladenen in GbR unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG DDR der Grunderwerbsteuer. Steuerschuldner i. S. des § 15 Nr. 1 GrEStG DDR ist die GbR und nicht etwa -- wovon FA und FG offensichtlich ausgegangen sind -- der Kläger und die Beigeladene.

Das in seinen Grundzügen auf dem früheren reichsrechtlichen Grunderwerbsteuergesetz vom 29. März 1940 -- RGBl I 585 -- (GrEStG 1940) beruhende GrEStG DDR enthielt ebensowenig wie das GrEStG 1983 eine Vorschrift, wonach Personengesellschaften schlechthin selbständige, von ihren Gliedern zu unterscheidende Personen sind und somit für das Grunderwerbsteuerrecht den juristischen Personen gleichstehen. In den §§ 5 bis 7 der beiden Gesetze wird jedoch vorausgesetzt, daß die Personengesellschaften selbständige Rechtsträger sind und auch hinsichtlich der grunderwerbsteuerrechtlichen Beurteilung des Gesellschafterwechsels den Kapitalgesellschaften angenähert sind (vgl. hierzu Senatsentscheidung vom 22. Oktober 1986 II R 118/84, BFHE 148, 331, BStBl II 1987, 183). Damit hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, daß er die Personengesellschaften als Einheit betrachtet (vgl. Senatsurteil vom 19. März 1980 II R 23/77, BFHE 130, 422, BStBl II 1980, 598). Aus der selbständigen Rechtsträgereigenschaft folgt grunderwerbsteuerrechtlich die Stellung aller Personengesellschaften als Steuerschuldner in ihrer Eigenschaft als Vertragsteil gemäß § 15 Nr. 1 GrEStG DDR bzw. § 13 Nr. 1 GrEStG 1983 (vgl. Senatsurteil vom 29. November 1972 II R 28/67, BFHE 108, 261, 263, BStBl II 1973, 370). Dies macht es erforderlich, daß Personengesellschaften als solche und ihre Gesellschafter im Grunderwerbsteuerrecht als Steuersubjekt auseinandergehalten werden müssen (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs -- BFH -- in BFHE 148, 331, BStBl II 1987, 183). Dies gilt gleichermaßen auch für das GrEStG DDR. Denn abgesehen davon, daß im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs gemäß Art. 230 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) die Regelungen über die BGB-Gesellschaft und das gesamthänderische Eigentum auch im Beitrittsgebiet galten, sah auch das Zivilgesetzbuch der ehemaligen DDR vom 19. Juni 1975 (GBl I, S. 465) in § 34 Abs. 2 Satz 4 als besondere Art des gemeinschaftlichen Eigentums das sog. Gesamteigentum, welches allen Eigentümern gemeinsam zusteht, vor. Die Rechtsfigur des gesamthänderischen Eigentums war somit auch dem Zivilrecht der DDR nicht fremd. Erwirbt deshalb eine Personengesellschaft (Gesamthand) ein Grundstück, ist diese auch nach dem GrEStG DDR als Erwerber und damit als Steuerschuldner anzusehen.

c) Im Streitfall läßt sich dem Grunderwerbsteuerbescheid der Steuerschuldner nicht mit hinreichender Bestimmtheit entnehmen, soweit das FA den Kläger sowie die Beigeladene ohne jeden weiteren Zusatz als Inhaltsadressaten bezeichnet und damit offengelassen hat, ob der Kläger und die Beigeladene als solche oder in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit als Gesellschafter einer GbR, also die Gesellschaft bestehend aus dem Kläger und der Beigeladenen, die Steuer schulden soll.

Zum notwendigen (Mindest-)Inhalt eines Steuerbescheides gehört die Angabe, wer die Steuer schuldet (§ 157 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung -- AO 1977 --). Läßt ein Bescheid den Schuldner der Steuer nicht erkennen oder bezeichnet er ihn ungenau, so kann er wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nicht befolgt werden und ist gemäß § 125 AO 1977 nichtig (vgl. Senatsentscheidung vom 9. Dezember 1992 II R 43/88, BFH/NV 1993, 702, 704, m. w. N.). Der durch den Steuerbescheid erzeugte Rechtsschein einer wirksamen Regelung ist durch deren formale Aufhebung zu beseitigen.

Im Streitfall führt deshalb der Mangel der nicht hinreichenden Bezeichnung des Steuerschuldners zur Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 23. Juni 1992, ohne daß es auf die vom FG erörterten Gründe noch ankommt.

d) Der Senat hat davon abgesehen, die Beteiligten vor dieser Entscheidung auf diesen -- bislang nicht angesprochenen -- rechtlichen Gesichtspunkt hinzuweisen. Das rechtliche Gehör wird dadurch gewährleistet, daß der Senat nach § 90 a Abs. 1 FGO durch Gerichtsbescheid entscheidet.

Hinsichtlich der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die vom Kläger und der Beigeladenen begehrte Steuerbefreiung nach der EigenheimVO DDR wird auf die Senatsentscheidung vom 11. Januar 1995 II R 78/93 (BFHE 176, 461, BStBl II 1995, 270) hingewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420752

BFH/NV 1996, 69

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