Leitsatz (amtlich)

Wählen Eheleute während des Rechtsbehelfsverfahrens gegen die getrennte Veranlagung eines Ehegatten übereinstimmend die Zusammenveranlagung, so ist diese vorbehaltlich der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen auch dann noch durchzuführen, wenn die getrennte Veranlagung des anderen Ehegatten bereits unanfechtbar geworden ist.

 

Normenkette

EStG 1967 § 26 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Ehe des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) wurde am 30. Mai 1969 rechtskräftig geschieden. Zu dieser Zeit bewohnten die Eheleute noch gemeinsam die eheliche Wohnung. Eine Auseinandersetzung des Hausstandes und des sonstigen Vermögens erfolgte durch eine im gerichtlichen Scheidungstermin abgeschlossene Vereinbarung. Die Ehefrau des Klägers reichte bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) eine Einkommensteuererklärung für das Jahr 1969 ein und beantragte die getrennte Veranlagung. Sie gab an, sie habe seit dem 1. Juni 1969 von dem Kläger dauernd getrennt gelebt. Der Kläger beantragte die Zusammenveranlagung mit seiner geschiedenen Ehefrau.

Das FA führte zwei getrennte Veranlagungen durch. Der Einkommensteuerbescheid der Ehefrau wurde bestandskräftig. Der Kläger legte gegen seinen Bescheid Einspruch ein. Er machte geltend, seine Ehefrau habe ihre Wahl der getrennten Veranlagung in einem Schreiben an das FA widerrufen und der gemeinsamen Veranlagung zugestimmt; er habe in einem Zeitraum von über vier Monaten des Streitjahres, in dem die Ehe noch bestanden habe, nicht dauernd von seiner Ehefrau getrennt gelebt. Das FA nahm aufgrund der Aussage der Ehefrau des Klägers im Ehescheidungsverfahren an, daß die Eheleute seit Mitte März 1969 dauernd getrennt gelebt hätten, und führte in der Einspruchsentscheidung eine Einzelveranlagung des Klägers durch.

Das FG wies die Klage ab. In dem in EFG 1975, 19, teilweise veröffentlichten Urteil ist u. a. ausgeführt: Die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft habe im Streitjahr mindestens vier Monate bestanden. Es genüge, daß die Eheleute bis zum Scheidungstermin gemeinsam in der ehelichen Wohnung gelebt hätten, daß der Lebensunterhalt von den Einkünften des Klägers, die das Familieneinkommen darstellten, aufgrund gemeinsamer Planung bestritten worden sei, und daß die Auseinandersetzungsvereinbarung erst nach Ablauf des Viermonatszeitraums am 30. Mai 1969 erfolgt sei. Eine Zusammenveranlagung des Klägers mit seiner geschiedenen Ehefrau sei jedoch nicht mehr möglich, da die Ehefrau die Wahl der getrennten Veranlagung nach Rechtskraft ihres Einkommensteuerbescheids nicht habe widerrufen können.

Gegen den als Urteil geltenden Vorbescheid des FG hat der Kläger fristgerecht Revision eingelegt. Er trägt u. a. vor: Der Rechtsstreit sei zwischen den Beteiligten nur zur Entscheidung der Frage geführt worden, ob er bis zum Scheidungstermin von seiner Ehefrau dauernd getrennt gelebt habe. An der Möglichkeit der Änderung der gewählten Art der Einkommensteuerveranlagung habe das FA nie gezweifelt. Abschn. 174 EStR lasse einen Widerruf der einmal getroffenen Wahl zu.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Nach § 26 Abs. 1 EStG 1967 können Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen, wenn beide unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben und wenn diese Voraussetzungen im Veranlagungszeitraum mindestens vier Monate bestanden haben. Eine Frist für die Wahl der Veranlagungsart ist im Gesetz nicht bestimmt. Die Eheleute können deshalb jedenfalls noch im Einspruchsverfahren von der getrennten Veranlagung zur Zusammenveranlagung übergehen (vgl. Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl., 1974, § 26 Rdnr. 16).

Die Wahl der Veranlagungsart kann auch noch im Rahmen der nicht abgeschlossenen getrennten Veranlagung eines der beiden Ehegatten erfolgen. Dabei kann auch der Ehegatte seine früher getroffene Wahl der getrennten Veranlagung widerrufen und die Zusammenveranlagung wählen, gegen den ein entsprechender Bescheid unanfechtbar geworden ist. Durch die jetzt von den Eheleuten übereinstimmend ausgesprochene Wahl der Zusammenveranlagung ergibt sich aber in dem noch offenen Veranlagungsverfahren des anderen Ehegatten die Notwendigkeit der Zusammenveranlagung, wenn auch die übrigen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG erfüllt sind. Eine getrennte Veranlagung kommt nicht (mehr) in Betracht, wenn keiner der Ehegatten die getrennte Veranlagung wählt (§ 26 Abs. 2 Satz 1 EStG). Der Senat sieht die entsprechenden Ausführungen in Abschn. 174 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStR 1967 - diese Fassung ist für das Streitjahr maßgeblich - als zutreffende Auslegung des Gesetzes an (siehe auch Woerner, Die Zurücknahme und Änderung von Steuerverwaltungsakten, 4. Aufl., 1974, S. 103). Nach welchen Vorschriften die bestandskräftige getrennte Veranlagung aufzuheben ist, braucht der Senat in diesem Verfahren, in dem es um die Durchführung der Zusammenveranlagung geht, nicht zu entscheiden. Im Streitfall ist somit die Zusammenveranlagung des Klägers und seiner geschiedenen Ehefrau durch die Bestandskraft des gegen die Ehefrau ergangenen Bescheids nicht ausgeschlossen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72366

BStBl II 1977, 605

BFHE 1978, 290

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