Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

übernimmt ein Land, das an einer Gesellschaft mittelbar beteiligt ist, die Bürgschaft für ein Darlehen, das der Gesellschaft von einem Dritten gewährt wird, ohne daß die Bürgschaftsübernahme im Zusammenhang mit der mittelbaren Beteiligung an der Gesellschaft steht, so ist keine Gesellschaftsteuerpflicht gemäß § 4 KVStG 1934 gegeben.

 

Normenkette

KVStG § 4

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Voraussetzungen der §§ 3 und 4 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1934 vorliegen.

Die Bfin. erzeugt im Inland Strom und Wärme. An ihrem Grundkapital sind beteiligt:

die Stadt X. ---------- mit ---------- 40,45 v. H., die Y.-AG ------------- mit ---------- 40,45 v. H., die Z.-AG ------------- mit ---------- 19,10 v. H. Das Grundkapital der Z.-AG befindet sich voll im Besitz des Landes.

Die Bfin. erhielt im Jahre 1952 von einer Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aus Mitteln der Investitionshilfe einen Vorschuß in Form eines Darlehens in Höhe von 3,5 Mio DM. Gesetzliche Voraussetzung für die Gewährung von Darlehen aus dem Investitionshilfefonds war unter anderem, daß dem Sondervermögen der Investitionshilfe Wertpapiere geliefert wurden, die an die Aufbringungspflichten als Gegenwert für die von ihnen aufgebrachten Beträge zuzuteilen waren. Die Bfin. verwendete den Darlehnsbetrag zur Finanzierung von Erweiterungsbauten. Nachdem sie das Darlehen von der KfW erhalten hatte, erschienen ihr die an die Gewährung des Darlehens geknüpften Bedingungen, die ihr bei der Antragstellung noch nicht bekannt waren, sehr ungünstig. Die Bfin. versuchte deshalb, den Kredit sofort abzulösen. Ihre Bemühungen blieben jedoch erfolglos. Nunmehr entschloß sie sich, ihre Verpflichtung zur Hingabe von Wertpapieren durch die Kommunale Landesbank (B.) ablösen zu lassen, da ihr bei Kommunalschuldverschreibungen die Zins- und Ausgabebedingungen günstiger erschienen. Sie bestätigte der B. durch Schuldurkunde vom 25. Januar 1955, ein langfristiges Tilgungsdarlehen im Nennwert von 3.571.425 DM zur Ablösung des Investitionshilfevorschusses von 3,5 Mio DM durch 6 1/2 %ige Kommunalschuldverschreibungen Serie 13 gemäß § 30 des Investitionshilfegesetzes (IHG) erhalten zu haben. Die Kommunalobligationen durften nach den Bestimmungen des § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten vom 21. Dezember 1927 (RGBl 1927 I S. 492 ff.) von der B. nur ausgegeben werden, wenn sie durch eine Darlehnsforderung an eine inländische Körperschaft des öffentlichen Rechts oder durch eine Bürgschaft einer solchen Körperschaft gedeckt wurden. Die Bfin. wandte sich daher an das Land, um von ihm eine Ausfallbürgschaft zu erhalten. Das Land - vertreten durch das Finanzministerium und das Wirtschaftsministerium - übernahm durch Bürgschaftserklärung vom 13. Juni 1955 zur Sicherung des genannten Kredits nebst aller Nebenforderungen die Bürgschaft gegenüber der B. in Höhe von 100 v. H. des Ausfalls. Am 12. Juni 1958 führte das Finanzamt bei der Bfin. eine Kapitalverkehrsteuerprüfung durch. Es stellte fest, daß die Bfin. außer dem Darlehen der B. noch zwei weitere kleinere Darlehen in Höhe von 210.000 DM und 140.000 DM von der Stadt X. erhalten hatte. Es vertrat die Meinung, daß vorläufig mindestens das Darlehen der B. in Höhe von 3,5 Mio DM der Gesellschaftsteuer gemäß §§ 3, 4 KVStG zu unterwerfen sei. Zur Begründung wies das Finanzamt darauf hin, daß das Land, das die Bürgschaft für das Darlehen gegenüber der B. übernommen hatte, über die Z.-AG, deren Aktien das Land zu 100 v. H. besitzt, mit rund 19 v. H. als Gesellschafter an der Bfin. beteiligt sei. Das Darlehen der B. gelte daher nach § 3 Abs. 2 KVStG 1934 als Darlehen des Landes, da dieses als Gesellschafter der Bfin. Sicherheit geleistet habe. Das Darlehen, dessen erste Tilgungsrate 1960 fällig sei, habe eine Laufzeit von 20 Jahren und ersetze dringend notwendiges Eigenkapital der Bfin., da deren Bilanzen erhebliche Fremdmittel aufwiesen und einem Anlagevermögen von 86 Mio DM ein Eigenkapital (Grundkapital, Rücklagen, Rückstellung für Pensionsversicherung) von nur 40 Mio DM gegenüberstünde.

Mit Bescheid vom 24. November 1958 setzte das Finanzamt die Gesellschaftsteuer aus 3,5 Mio DM mit 105.000 DM fest.

Die Bfin. legte Sprungberufung ein. Sie bezweifelte die Rechtsgültigkeit des § 3 KVStG. Ferner verneinte sie die Anwendbarkeit der §§ 3, 4 KVStG, weil weder in Höhe des vom Land verbürgten Kredits eine Kapitalerhöhung durch die Sachlage geboten gewesen sei noch bei richtiger Anwendung der für die Auslegung des § 4 a. a. O. maßgebenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Gewährung der Bürgschaft durch das Land der Gesellschafterin der Bfin. Z.-AG "zugerechnet" werden könne. Die Bürgschaftserklärung habe einen Verwaltungsakt des Landes als Hoheitsträger dargestellt, der mit der Eigenschaft des Landes als mittelbaren Gesellschafter der Bfin. nichts zu tun gehabt habe, wie zwei in Fotokopie überreichte Bescheinigungen des Wirtschaftsministeriums ergäben.

Das Finanzgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Es ist - unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs - davon ausgegangen, ein Kredit ersetze eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung in der Regel dann, wenn der Kredit für Investitionszwecke verwendet werde, es sich bei ihm um einen lang- oder mittelfristigen Kredit handle und die Deckung des Investitionsbedarfs der Gesellschaft aus eigenen Mitteln nicht möglich sei. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall gegeben. Bei Investitionskrediten bedürfe es auch keiner Prüfung, in welchem Verhältnis das Eigenkapital zu den Fremdmitteln stehe. Auch der Hinweis der Bfin. darauf, daß das Land die Bürgschaft nicht in seiner Eigenschaft als Inhaber sämtlicher Anteile des Gesellschafters der Bfin., sondern als Hoheitsträger übernommen und dabei kein wirtschaftliches Risiko getragen habe, rechtfertige keine Freistellung von der Gesellschaftsteuer. Allein die Tatsache der Beteiligung des Landes an der Bfin. über die Z.-AG sei in Anbetracht der objektiven Fassung des Gesetzes ausschlaggebend. Die Frage, ob es sich bei dem Darlehen der B. um einen Kredit aus öffentlichen Kreditprogrammen handle, sei für das Entstehen der Gesellschaftsteuer ohne Bedeutung, da im Streitfall noch das KVStG 1934 anwendbar sei. Das Finanzgericht hat § 3 KVStG als rechtsgültig angesehen.

Die Bfin. hat Rb. eingelegt. Sie erhebt im wesentlichen die gleichen Einwendungen gegen die Gesellschaftsteuerpflicht wie im Verfahren der Berufung vor dem Finanzgericht. Insbesondere rügt sie auch noch, daß das Finanzgericht sowohl in der Frage, ob die Darlehnsgewährung nach § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KVStG 1934 eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt hat, als auch in der Frage, ob die Bürgschaftsübernahme des Landes der Z.-AG nach § 4 KVStG 1934 zuzurechnen ist, nicht die erforderliche Prüfung vorgenommen habe und über ihre Darlegungen und über das von ihr vorgelegte Material ohne Auseinandersetzung mit ihm hinweggegangen sei. Wenn demgegenüber die Begründung des Urteils des Finanzgerichts den Satz enthalte: "Da das Land sämtliche Anteile der Z.-AG besitzt, ist es ... offensichtlich, daß ... nur eine einheitliche Willensbildung vorgelegen haben kann", so bedeute dies einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten. Hilfsweise hat die Bfin. den Antrag gestellt, die Streitsache bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die verfassungsrechtliche Vereinbarkeit des § 3 KVStG in der bei diesem Gericht anhängigen Sache auszusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Es kann im Streitfall dahingestellt bleiben, ob der § 3 KVStG 1934 mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar ist, ebenso die Rechtsfrage, ob die Darlehnsgewährung im Streitfall nach § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KVStG 1934 eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt hat. Die Bfin. ist jedenfalls aus folgenden Gründen von der Gesellschaftsteuer freizustellen: Sie rügt mit Recht, daß sich das Finanzgericht nicht in ausreichendem Maße mit ihrer durch vorgelegte Urkunden erhärteten Behauptung auseinandergesetzt habe, die Bürgschaftsübernahme des Landes für das Darlehen der B. an die Bfin. habe mit der mittelbaren Beteiligung des Landes an der Bfin. (über die Z.-AG) nichts zu tun. Diese Behauptung der Bfin. war wesentlich. Traf sie zu, so unterlag die Bfin. aus der Bürgschaftsübernahme des Landes für das Darlehen der B. nicht der Gesellschaftsteuerpflicht. Der Grundsatz, daß die Darlehnsgewährung an eine inländische Kapitalgesellschaft durch einen Gesellschafter im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 4 KVStG dann nicht gesellschaftsteuerpflichtig ist, wenn die Gewährung des Darlehens durch einen Gesellschafter nicht im Zusammenhang mit der gesellschaftsrechtlichen Verflechtung steht, ist schon in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs dem Sinne nach zum Ausdruck gekommen (vgl. unter anderem die Urteile des Reichsfinanzhofs II A 94/28 vom 28. März 1928, RStBl 1928 S. 188, 189, Mrozek-Kartei, Rechtsspruch 13 zu § 7 KVStG, und II A 484/26 vom 12. Oktober 1926, Mrozek-Kartei, Rechtsspruch 9 zu § 7 KVStG; siehe ferner Keßler, Kapitalverkehrsteuergesetz (1935), Anmerkung 4 zu § 4 S. 59; Ritter, Kapitalverkehrsteuergesetz (1939), Anm. 3 letzter Absatz zu § 4 S. 54). Dieser Grundsatz gilt auch weiterhin (vgl. auch das rechtskräftige Urteil des Finanzgerichts Stuttgart II 161/58 vom 25. März 1958, Entscheidungen der Finanzgerichte 1959 S. 17/8 Nr. 23, zustimmend wiedergegeben auch von Kinnebrock, Kapitalverkehrsteuergesetz, 3. Aufl., 1960, S. 66/7; Egly, Gesellschaftsteuer (1959) II Ziff. 50 S. 109 unten; ferner das rechtskräftige Urteil des Finanzgerichts Karlsruhe I 5/58 vom 30. Juni 1959, Entscheidungen der Finanzgerichte 1959 S. 376, 377 Nr. 436). Es treffen daher die Ausführungen des Finanzgerichts in dieser Allgemeinheit nicht zu, allein die Tatsache der (mittelbaren) Beteiligung des Landes an der Bfin. über die Z.-AG sei in Anbetracht der objektiven Fassung des Gesetzes ausschlaggebend und genüge, "um die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2" KVStG "zu erfüllen". Die Vorinstanz hat sich für ihre Ansicht insofern nicht mit Recht auf das allein zu § 3 KVStG ergangene Urteil des erkennenden Senats II 188/52 U vom 7. Januar 1953, BStBl 1953 III S. 78 f., Slg. Bd. 57 S. 197, bezogen, das überdies einen andersgearteten Sachverhalt betrifft. Die Bfin. hat für ihre Behauptung die Fotokopie einer amtlichen Bescheinigung des Wirtschaftsministeriums eingereicht, daß es sich bei der Bürgschaftsübernahme des Landes für das Darlehen der B. an die Bfin. um einen "Hoheitsakt" im Rahmen der finanziellen Gewerbeförderung des Landes gehandelt habe und die Bürgschaftsübernahme nicht mit der mittelbaren Beteiligung des Landes über die Z.-AG an der Bfin. zusammenhänge. Zu dieser - von den Finanzverwaltungsbehörden im Gerichtsverfahren in tatsächlicher Hinsicht nicht in Zweifel gezogenen - Bescheinigung hat das Finanzgericht nicht Stellung genommen. Zwar handelt es sich bei der Bürgschaftsübernahme des Landes für das Darlehen der B. wohl nicht um einen "Hoheitsakt", aber doch um einen Ausfluß öffentlich-rechtlicher Tätigkeit, bei der das Land sich - wie auch das Wirtschaftsministerium bescheinigt hat - bei Bürgschaftsübernahmen nicht von eigenen Privatinteressen, sondern von im Allgemeininteresse liegenden Gesichtspunkten leiten zu lassen hatte und sich auch hat leiten lassen. Die "Darlehnsgewährung" im Sinne der §§ 3, 4 KVStG 1934 durch das Land stand danach im Streitfall nicht im Zusammenhang mit der mittelbaren Beteiligung des Landes an der Bfin. Dann unterlag aber die Bürgschaftsübernahme für das Darlehen der B. - auch nach der objektiven Fassung des KVStG 1934 - nicht der Gesellschaftsteuer.

Es ist auch zu berücksichtigen, daß § 4 KVStG 1934 - wie schon der inhaltlich übereinstimmende § 7 KVStG früherer Fassung - wirtschaftlich auszulegen ist. Das gilt sowohl hinsichtlich des Umstandes, daß eine unmittelbare Gesellschaftereigenschaft des Bürgschaft leistenden Landes nicht erforderlich ist, vielmehr eine solche "mittelbare" Eigenschaft genügt, wie auch hinsichtlich der Frage, ob die Bürgschaftsleistung des "mittelbaren" Gesellschafters (des Landes) dem unmittelbaren Gesellschafter (der Z.-AG) zuzurechnen ist. An sich wäre die Bürgschaftsleistung des Landes der Z.-AG zuzurechnen (vgl. dazu unter anderem das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 425/25 vom 2. Oktober 1925, Slg. Bd. 17 S. 193 ff.). Nach den im Streitfall vorliegenden besonderen Verhältnissen, gemäß denen die "Darlehnsgewährung" durch das Land in keinem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der mittelbaren Beteiligung des Landes an der Bfin. stand, kommt jedoch eine solche Zurechnung nicht in Betracht.

Die Vorentscheidung und der Gesellschaftsteuerbescheid des Finanzamts waren somit ersatzlos aufzuheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410105

BStBl III 1961, 387

BFHE 1962, 332

BFHE 73, 332

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