Leitsatz (amtlich)

Die zur Gewerbesteuer ergangene Rechtsprechung, wonach ein Organschaftsverhältnis nur vorliegt, wenn die Obergesellschaft einen nach außen in Erscheinung tretenden Gewerbebetrieb unterhält, in den die Untergesellschaft nach Art einer bloßen Geschäftsabteilung (angestelltenähnlich, dienend) eingeordnet ist, gilt nicht für das Gebiet der Umsatzsteuer.

 

Normenkette

UStG 1951 § 2 Abs. 2 Nr. 2; UStDB 1951 a.F. § 17 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob im Jahre 1960 zwischen der Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtigen) als "beherrschtem Unternehmen" und der K. Handels- und Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG (im folgenden: K.-KG) bzw. deren alleinigem Kommanditisten, dem Kaufmann W.K., als "beherrschendem Unternehmen" ein Organschaftsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1951 bestand. Auf Grund einer 1961/1962 bei den genannten Firmen durchgeführten Betriebsprüfung verneinte das FA das Vorliegen einer Organschaft, weil sich die Tätigkeit der K.-KG nur auf die Verwaltung der GmbH-Anteile beschränkt und die Obergesellschaft keine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt habe, die als Beteiligung am allgemeinen Wirtschaftsverkehr in Erscheinung getreten sei. Die Berufung (Klage) der Steuerpflichtigen blieb ohne Erfolg. In der Vorentscheidung werden zur Sach- und Rechtslage keine eigenen Ausführungen gemacht. Es wird vielmehr auf das Urteil des FG in der Sache betreffend Gewerbesteuer, einheitliche Gewinnfeststellung und Körperschaftsteuer der Steuerpflichtigen und anderer Firmen Bezug genommen, in der das Bestehen eines Organschaftsverhältnisses zur K.-KG ebenfalls verneint worden war.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Gegen die Vorentscheidung hat die Steuerpflichtige Rechtsbeschwerde eingelegt. Sie rügt unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1951). Die Rechtsbeschwerde, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist (vgl. §§ 184 Abs. 2, 115 ff. FGO), führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

In dem oben angeführten Urteil hat das FG das Bestehen einer Organschaft deshalb verneint, weil die K.-KG die Voraussetzungen einer geschäftsleitenden Holding nicht erfüllt habe. Nach dem Urteil des BFH I 119/56 U vom 25. Juni 1957 (BFH 65, 181, BStBl III 1957, 303) könne eine Untergesellschaft nur dann als Organ einer Obergesellschaft anerkannt werden, wenn die Untergesellschaft nach Art einer bloßen Geschäftsabteilung in das Unternehmen der Obergesellschaft eingegliedert sei. Es reiche nicht aus, daß die Obergesellschaft in Auswirkung ihrer Eigenschaft als Hauptgesellschafterin einen wesentlichen Einfluß auf die Tochtergesellschaft ausübe. Es sei denkbar, daß die Obergesellschaft ähnlich einem Gesellschafter-Geschäftsführer, der die Anteile an der Körperschaft nicht einem Betrieb gewidmet hat, tätig werde. Sie könne ähnlich einem Gesellschafter-Geschäftsführer einen wesentlichen Einfluß auf die Betriebsführung der Tochtergesellschaft nehmen. Eine derartige geschäftsleitende Tätigkeit, die ein Ausfluß der Gesellschaftereigenschaft des Mehrheitsgesellschafters sei, erfülle nicht die Voraussetzungen für die Annahme einer Organschaft. Für ein Organschaftsverhältnis müsse vielmehr umgekehrt die Tochtergesellschaft dem Unternehmen, ähnlich einem Angestellten oder einer Betriebstätte, untergeordnet sein. Nach diesem BFH-Urteil müsse die Muttergesellschaft selbst einen äußerlich erkennbaren Gewerbebetrieb ausüben; denn nur so sei es möglich, die Tochtergesellschaft als Organ in den Gewerbebetrieb der Muttergesellschaft einzugliedern.

Das grundlegende Urteil des RFH I 290/40 vom 1. April 1941 (RStBl 1942, 947) enthalte - so fährt das Urteil des FG fort - weniger strenge Grundsätze; nach dem RFH-Urteil könne eine Organschaft auch dann gegeben sein, wenn die Beteiligung der Obergesellschaft am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sich auf geschäftsleitende Verrichtungen beschränke. Die geschäftsleitende Tätigkeit der Obergesellschaft müsse auf das Gesamtunternehmen abgestellt sein, d. h. sie müsse auf eine zentrale Aufgabe gerichtet sein. Das Schwergewicht der geschäftsleitenden Betriebshandlungen dürfe nicht auf dem inneren Verkehr zwischen der Obergesellschaft und der Tochtergesellschaft liegen, sondern die Obergesellschaft müsse auch nach diesem Urteil im geschäftlichen Auftreten gegenüber der Außenwelt in Erscheinung treten.

Es sei - so beschließt das Urteil des FG diese Gedankenreihe - im Streitfalle unerheblich, ob von den strengeren Grundsätzen des BFH-Urteils oder von den weniger strengen des RFH-Urteils ausgegangen werde. Die K.-KG habe im streitigen Zeitraum weder durch einen bestehenden Gewerbebetrieb unmittelbar am Wirtschaftsleben teilgenommen, noch habe sie im Rahmen der von ihr behaupteten Organschaft eine Tätigkeit entwickelt, die dem Bild einer geschäftsführenden Holding entspreche. Sie sei lediglich als verwaltende Holding in Erscheinung getreten. Dies aber reiche auch nach dem RFH-Urteil zur Annahme eines Organschaftsverhältnisses nicht aus.

Das FG hat sich zu Unrecht auf diese zur Gewerbesteuer (und Körperschaftsteuer) ergangene Rechtsprechung berufen. Der erkennende Senat hat nämlich in ständiger Rechtsprechung (vgl. z. B. die Urteile V 209/56 U vom 26. Februar 1959, BFH 68, 538, BStBl III 1959, 204; V 81/59 U vom 13. April 1961, BFH 73, 209, BStBl III 1961, 343) entschieden, daß die dort vertretene Auffassung für die Umsatzsteuer nicht übernommen werden kann. Es mag richtig sein, auf anderen Steuerrechtsgebieten, insbesondere bei der Gewerbesteuer, für die Annahme eines Organschaftsverhältnisses zu verlangen, daß die Obergesellschaft einen nach außen in Erscheinung tretenden Gewerbebetrieb unterhält, in den die Untergesellschaft nach Art einer bloßen Geschäftsabteilung (angestelltenähnlich, dienend) eingeordnet ist, und anzunehmen, daß die den Betrieb der Untergesellschaft fördernde Tätigkeit einer Obergesellschaft für die Anerkennung der Organeigenschaft der Untergesellschaft nicht genüge. Für das Gebiet der Umsatzsteuer ist eine solche Einengung des Organschaftsbegriffs nicht gerechtfertigt. Bei den unterschiedlichen Zielsetzungen der Umsatzsteuer als allgemeiner Verbrauchsteuer und der Gewerbesteuer als Ertrag-(Real-)steuer ist eine Gleichsetzung des Organschaftsbegriffs in vollem Umfange für beide Steuerarten nicht möglich. Während die Gewerbesteuer grundsätzlich auf den Betrieb abstellt, kommt es bei der Umsatzsteuer nur auf die Lieferungen und Leistungen an, gleichviel von welchem Gebilde diese getätigt werden (vgl. die Urteile des BFH V 209/56 U vom 26. Februar 1959, a. a. O.; V 86/58 vom 30. Juni 1960, StRK, Umsatzsteuergesetz, § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 59; V 81/59 U vom 13. April 1961, a. a. O.; V 193/59 vom 26. Oktober 1961, HFR 1962, 211; V 24/61 vom 24. Oktober 1963, HFR 1964, 143; V 126/62 U vom 28. Januar 1965, BFH 81, 678, BStBl III 1965, 243; siehe auch Plückebaum-Malitzky, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 10. Auflage, §§ 1-3, RZ 236-238, 279-280, 283-284). Für die umsatzsteuerliche Betrachtung, die den Begriff "Gewerbebetrieb" nicht kennt, sondern von dem weiteren Begriff "Unternehmer" ausgeht, kommt es nur auf die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse an (Urteil des BFH V 113/65 vom 17. November 1966, BFH 87, 231, BStBl III 1967, 103).

An dieser ständigen Rechtsprechung hält der Senat fest. Der Begriff der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft ist in § 17 Abs. 2 UStDB 1951 a. F. bestimmt. Danach muß die Untergesellschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der Obergesellschaft eingegliedert sein. Das FG hätte daher in seinem die Umsatzsteuer betreffenden Urteil - statt auf die für die Gewerbesteuer (Körperschaftsteuer) von der Rechtsprechung entwickelten zusätzlichen Erfordernisse Bezug zu nehmen - die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 UStDB 1951 a. F. prüfen müssen. Da dies nicht geschehen ist, muß es nachgeholt werden.

Die Sache ist nicht entscheidungsreif, weil die "tatsächlichen Verhältnisse" aus den dem Senat vorliegenden Akten nicht hinreichend zu ersehen sind. Außerdem scheint es geboten, der Steuerpflichtigen Gelegenheit zu geben, den Sachverhalt im Hinblick auf die im bisherigen Verfahren nicht oder nicht genügend behandelten Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 UStDB 1951 a. F. im Verhältnis zwischen ihr und der K.-KG ggf. zu ergänzen. Die Sache war daher an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Zweifelhaft erscheint nach dem Sachverhalt, soweit er aus der Vorentscheidung und den Akten hervorgeht, insbesondere die wirtschaftliche Eingliederung der Steuerpflichtigen in die K.-KG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats muß die Organgesellschaft gemäß dem Willen des Unternehmers im Rahmen des Gesamtunternehmens, und zwar in engem wirtschaftlichen Zusammenhang mit diesem, es fördernd und ergänzend, wirtschaftlich tätig sein. Die gegenseitigen Verflechtungen müssen solche wirtschaftlicher (nicht bloß kapitalmäßiger) Art sein. Es muß ein vernünftiger betriebswirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Organgesellschaft und dem übergeordneten Unternehmen bestehen; m. a. W. ihre Tätigkeiten müssen aufeinander abgestellt sein, sie müssen sich gegenseitig ergänzen. Das FG wird hauptsächlich festzustellen haben, ob im Streitfalle Beweisanzeichen hierfür vorliegen, wie sie in der Rechtsprechung des RFH und BFH aufgezeigt worden sind (vgl. Plückebaum-Malitzky, a. a. O., §§ 1-3 RZ 221 bis 226). Dies wäre z. B. dann der Fall, wenn wesentliche Anlagegegenstände, deren die Steuerpflichtige bedurfte, im Eigentum der K.-KG standen und von dieser an die Steuerpflichtige verpachtet waren (vgl. hierzu das zur sog. Betriebsaufspaltung ergangene Urteil des Senats V 113/65 vom 17. November 1966, a. a. O., und Plückebaum-Malitzky, a. a. O., §§ 1-3, RZ 284).

Entscheidend ist nach § 17 Abs. 2 UStDB 1951 a. F. das "Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse". Es ist davon auszugehen, daß Organschaft nur dann gegeben ist, wenn alle drei Merkmale der Eingliederung feststellbar sind. Unschädlich ist es dagegen, wenn das eine oder andere Merkmal weniger in Erscheinung tritt (vgl. Plückebaum-Malitzky, a. a. O., §§ 1-3, RZ 228 bis 230).

 

Fundstellen

BStBl II 1969, 413

BFHE 1969, 353

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