Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Auch bei Wertpapieren führt im allgemeinen die Verpfändung für einen Betriebskredit keinen soweit gehenden objektiven Zusammenhang zwischen den Wertpapieren und den Aufgaben des Betriebs herbei, daß die Wertpapiere wegen der Verpfändung allein als Betriebsvermögen behandelt werden müssen. Die in dem Urteil IV 247/58 U vom 4. Februar 1960 (BStBl 1960 III S. 139) vertretene gegenteilige Ansicht gibt der Senat auf.

 

Normenkette

EStG § 4; BewG § 54

 

Tatbestand

Revisionsklägerin ist eine Kommanditgesellschaft (KG). Ihre Gesellschafter waren drei Kommanditisten und A als Komplementär. Diese vier Personen bildeten gleichzeitig eine Erbengemeinschaft ( im folgenden Gemeinschaft genannt).

Zum Betriebsvermögen der KG gehörten Wertpapiere. Auch A und die Gemeinschaft waren Inhaber von Wertpapieren. Alle diese Papiere befanden sich im Depot von zwei Banken, mit denen die KG in Geschäftsverbindung stand. Die der Gemeinschaft und die A privat gehörenden Wertpapiere und die Einkünfte daraus waren in der Buchführung und in den Bilanzen der KG für die Streitjahre 1953 bis 1958 nicht ausgewiesen. über Wertpapiere der Gemeinschaft konnten die Gemeinschafter nur gemeinsam verfügen; über die Wertpapiere des A verfügte dieser allein.

Die KG betrieb Ein- und Ausfuhrgeschäfte. Diese wurden zum Teil durch Beleihung der Exportdokumente durch die Banken finanziert. Für den Fall, daß der Wert dieser Dokumente nicht ausreichte oder sie der KG vorübergehend treuhänderisch zurückgegeben werden mußten, dienten alle im Depot befindlichen Wertpapiere der Sicherung der Kredite.

Dieser Sachverhalt wurde anläßlich einer Betriebsprüfung aufgedeckt. Das Finanzamt (FA) betrachtete alle Wertpapiere als notwendiges Betriebsvermögen der KG und erließ entsprechende berichtigte Gewinnfeststellungsbescheide für die Jahre 1953 bis 1958 und Einheitswertbescheide auf jeweils den 1. Januar der Jahre 1954 bis 1959.

Hiergegen wandte sich die KG mit der Sprungberufung. Sie ist der Ansicht, daß die Wertpapiere des A und der Gemeinschaft weder notwendiges noch gewillkürtes Betriebsvermögen seien. Sie macht geltend, die Wertpapiere seien nicht verpfändet worden.

Die Berufung wurde zurückgewiesen. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1963 S. 501 veröffentlicht ist, führte aus, auf den fehlenden Ausweis der Wertpapiere in den Bilanzen und in der Buchführung komme es nicht an. Denn die Wertpapiere seien notwendiges Betriebsvermögen. Werde ein Wirtschaftsgut auf Dauer tatsächlich dem Betrieb gewidmet und für seine Zwecke verwendet, so werde es notwendiges Betriebsvermögen. Hier hätten die den Gesellschaftern privat gehörenden Wertpapiere dauernd dem Betrieb der KG als Kreditunterlage zur Verfügung gestanden. Sie seien mit den der KG gehörenden Wertpapieren im Depot verwahrt worden, ohne daß den Banken die Eigentumsverhältnisse bekannt gewesen seien. Diese Eigentumsverhältnisse seien auch für die Banken ohne Bedeutung gewesen, da die im Depot eines Kunden befindlichen Wertpapiere nach den Geschäftsbedingungen ohne weiteres für die Verbindlichkeiten des Kunden hafteten. Der formellen Bestellung eines Pfandrechtes habe es nicht bedurft. Daß die Banken von ihrem Pfandrecht keinen Gebrauch gemacht hätten, sei ohne Bedeutung.

Mit ihrer jetzt als Revision zu behandelnden Rb. rügt die KG unter anderem, das FG habe die Begriffe des notwendigen und des gewillkürten Betriebsvermögens verkannt. Was nicht von Natur aus notwendiges Betriebsvermögen oder notwendiges Privatvermögen sei, könne nur durch eine Widmung Betriebsvermögen werden. Auch wenn eine solche Widmung vorliege, werde das Wirtschaftsgut nicht notwendiges Betriebsvermögen, sondern es bleibe gewillkürtes Betriebsvermögen. Es fehle an einer Widmung für einen dauernden betrieblichen Zweck.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, zur teilweisen Aufhebung der angefochtenen Bescheide und zur Zurückverweisung an das FA zur erneuten Vornahme der einheitlichen Gewinnfeststellungen und der Feststellungen der Einheitswerte des Betriebsvermögens.

Dem FA und dem FG kann darin nicht zugestimmt werden, daß die Wertpapiere der Gemeinschaft und des A notwendiges Betriebsvermögen der KG waren. Zwar sprach der Senat in dem Urteil IV 247/58 U vom 4. Februar 1960 (BStBl 1960 III S. 139, Slg. Bd. 70 S. 370) unter Berufung auf die Rechtsprechung des RFH in den Urteilen , III A 322/33 vom 12. Oktober 1933 (RStBl 1934 S. 56) und VI 797/38 vom 4. Januar 1939 (RStBl 1939 S. 284) aus, daß Wertpapiere dann notwendiges Betriebsvermögen würden, wenn sie durch eine Verpfändung für Betriebskredite nicht nur kurzfristig zur Behebung vorübergehender Schwierigkeiten einem Betrieb als Kreditunterlage dienten. In der späteren Entscheidung IV 304/63 S vom 13. August 1964 (BStBl 1964 III S. 502, Slg. Bd. 80 S. 78), die die Verpfändung eines Grundstücks für betriebliche Zwecke behandelt, ließ der Senat aber ausdrücklich die Frage offen, wie bei verpfändeten Wertpapieren zu entscheiden sei. Nur für die Verpfändung eines bisher im Privatvermögen stehenden Grundstücks sprach er klar aus, "daß im allgemeinen die Verpfändung keinen so weitgehenden objektiven Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftsgut und den Aufgaben des Betriebes herbeiführt, daß das Wirtschaftsgut wegen der Verpfändung als Betriebsvermögen behandelt werden muß". Der Senat führte weiter aus, die Wertpapiere betreffenden oben erwähnten Urteile des BFH hätten eine Ausnahme von dem Grundsatz geschaffen, daß die Verpfändung eines Wirtschaftsguts für Betriebszwecke nicht zur Entstehung notwendigen Betriebsvermögens ausreiche, und bei der Würdigung dieser Urteile sei zu berücksichtigen, daß es sich bei dem Urteil III A 322/33 nicht um eine Frage der Gewinnrealisierung, sondern um die bewertungsrechtliche Zurechnung von Wertpapieren zum Betriebsvermögen an einem bestimmten Zeitpunkt und bei dem Urteil VI 797/38 um einen aus der Devisenbewirtschaftung entstandenen Sonderfall gehandelt habe. Auch in der früheren Entscheidung des Senats IV 247/58 U habe nicht allgemein der Grundsatz aufgestellt werden sollen, daß ein zum Privatvermögen gehörendes Wirtschaftsgut durch Verpfändung für Geschäftsschulden in der Regel notwendiges Betriebsvermögen werde.

Bei erneuter Prüfung kommt der Senat zu der Ansicht, daß eine Sonderbehandlung der Wertpapiere hinsichtlich ihrer Verpfändung für Betriebsschulden nicht gerechtfertigt ist. Wertpapiere sind weder ihrer Wesensart nach nur als Betriebsvermögen denkbar noch bilden sie in aller Regel eine wesentliche Betriebsgrundlage. Durch die bloße Verpfändung, die nicht die gebräuchliche Form der Nutzung von Wertpapieren darstellt, werden diese nicht so eng mit dem Betrieb verknüpft, daß man sie notwendigerweise als Betriebsvermögen behandeln müßte.

Es ist zwar richtig, daß Wertpapiere anders als Grundvermögen wirtschaftlich Barmitteln oder Bankguthaben ähnlich sind. Die Erfahrungen der letzten Zeit haben aber gezeigt, daß selbst Bundesanleihen und andere Obligationen durch Veränderung des marktgerechten Zinsfusses so stark an Wert verlieren können, daß es nicht gerechtfertigt ist, sie jederzeit verfügbaren Barmitteln gleichzustellen. Unter diesen Umständen brauchte nicht mehr erörtert zu werden, ob nicht selbst wenn man die für Betriebsschulden auf längere Dauer verpfändeten Wertpapiere als notwendiges Betriebsvermögen ansähe, im vorliegenden Falle kein notwendiges Betriebsvermögen hätte angenommen werden dürfen, weil die Wertpapiere nur auf Grund der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, nicht aber auf Grund einer ausdrücklichen Verpfändung für Betriebskredite hafteten (vgl. Abschnitt 14a der EStR 1962 und 1963 und den im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen und den Landesfinanzministern ergangenen Erlaß des Finanzministers Nordrhein-Westfalen vom 20. März 1962 - S 2150 - 16 VB 1, Der Betrieb 1962 S. 419).

Sind somit die verpfändeten Wertpapiere nicht als notwendiges Betriebsvermögen anzusehen, so schließt das nicht aus, daß sie gewillkürtes Betriebsvermögen der Personengesellschaft sind (vgl. die Urteile IV 20/63 U vom 30. Juli 1964, BStBl 1964 III S. 574, Slg. Bd. 80 S. 274, und IV 304/63 S) und zwar auch dann, wenn sie bürgerlich-rechtlich im Eigentum eines der Gesellschafter stehen (Urteil des BFH IV 419/62 U vom 3. Dezember 1964, BStBl 1965 III S. 92). Zur Bildung von gewillkürtem Betriebsvermögen ist aber eine eindeutige Behandlung als Betriebsvermögen erforderlich. Der wichtigste Anhaltspunkt dafür ist die buchmäßige Behandlung (Urteile des BFH IV 20/63 U und IV 304/63 S.). Werden - wie hier - die Wertpapiere jahrelang in den Bilanzen nicht ausgewiesen und werden Gewinne und Verluste nicht dem Betrieb, sondern den Gesellschaftern privat zugerechnet, so fehlt es an einer Widmung als Betriebsvermögen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412051

BStBl III 1966, 350

BFHE 1966, 21

BFHE 86, 21

BB 1966, 728

DB 1966, 965

DStR 1966, 433

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