Leitsatz (amtlich)

Für Fahrten eines Rechtsanwalts mit dem eigenen Kfz zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Anwaltskanzlei) können als Betriebsausgaben nur die Pauschbeträge des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG anerkannt werden; dies gilt auch dann, wenn anläßlich dieser Fahrten Termine bei Gerichten oder Behörden erledigt werden. Etwas anderes gilt nur für den dafür erforderlichen Mehrweg.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Für den Veranlagungszeitraum 1967 ist streitig,

a) ob die Kraitiahrzeug (Kfz)-Kosten des Klägers für die täglichen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in voller Höhe oder nur in Höhe der Kilometerpauschale nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Betriebsausgaben abzugsfähig sind,

b) ob die Kilometerpauschale, falls ihre Anwendung nach a) bejaht wird, auch für die Fahrten gilt, die nicht direkt, sondern mit einer beruflich veranlaßten Zwischenstation bei Gerichten oder Behörden morgens von der Wohnung zur Arbeitsstätte oder abends von der Arbeitsstätte zur Wohnung zurückgelegt wurden.

Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und der Beigeladene sind Rechtsanwälte, die ihren Berui in einer Sozietät ausüben. Der gemeinsam erzielte Gewinn wurde auigrund vertraglicher Vereinbarungen 1967 im Verhältnis von 62,5 % (Kläger) zu 37,5 % (Beigeladener) verteilt. Zum Betriebsvermögen der Sozietät gehörte u. a. ein Personenkraftwagen (PKW), der dem Kläger zur Veriügung stand. Mit diesem PKW fuhr der Kläger, neben anderen beruflichen Fahrten, wochentags von seinem Einfamilienhaus im Vorort einer Großstadt zum Büro der Sozietät in die Innenstadt und zurück, insgesamt an 225 Tagen des Streitjahres. Die Kosten für diesen PKW einschließlich der AfA beliefen sich im Jahre 1967 bei einer Gesamtkilometerleistung von 16 000 auf 10 667 DM, die in dieser Höhe in der Erklärung zur einheitlichen Gewinnfeststellung als Betriebsausgaben angesetzt waren.

Im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung für das Kalenderjahr 1967 erhöhte der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (FA) den erklärten Gewinn um 1 200 DM wegen des privaten Nutzungsanteils an den Kiz-Kosten sowie um 3 888 DM nicht abzugsfähige Betriebsausgaben für Fahrtkosten mit dem PKW zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Den Betrag von 3 888 DM errechnete das FA wie folgt: Bei insgesamt 16 000 im Jahre 1967 gefahrenen Kilometern und Gesamtkosten von 10 667 DM ergäben sich Kilometerkosten von 0,66 DM je gefahrenem Kilometer, die um 0,48 DM über dem nach den §§ 4 Abs. 5 Satz 3 und 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1967 abzugsfähigen Betrag je Fahrtkilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte lägen. Auf solche Fahrten entfielen nach den unbestritten gebliebenen Angaben des Klägers bei einer einfachen Entfernung zwischen Wohnung und Büro von 18 km an 225 Tagen insgesamt 8 100 km. Mit dem nicht abzugsfähigen Kilometerbetrag von 0,48 DM multipliziert errechnete das FA einen nicht abzugsfähigen Kostenanteil von 3 888 DM. Dieser Betrag wurde mit dem Betrag von 1 200 DM für anteilige private Kfz-Nutzung dem Gewinnanteil des Klägers zugerechnet.

Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger Klage mit der Begründung, die Voraussetzungen für die Hinzurechnung des Betrages von 3 888 DM als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien bei ihm als Rechtsanwalt nicht erfüllt; wenn der Gewinn trotzdem um diesen Betrag erhöht werde, dürfe er nicht ihm allein, sondern müsse beiden Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung zugeteilt werden.

Das FG hielt die Klage teilweise für begründet. Es ging davon aus, daß die Kfz-Kosten für die nicht unterbrochenen Fahrten des Klägers zwischen Wohnung und Anwaltskanzlei nur in Höhe der Kilometerpauschale von 0,36 DM je Entfernungskilometer abzugsfähig seien und der sich dadurch ergebende Mehrgewinn - im Klageverfahren auch nach Meinung des FA - auf den Kläger und den Beigeladenen - entsprechend den Vereinbarungen nach dem Gesellschaftsvertrag - im Verhältnis ihrer Beteiligungen aufzuteilen sei. Abweichend vom FA vertrat aber das FG die Auffassung, für die durchschnittlich zwei Fahrten im Monat, die von der Wohnung bzw. der Kanzlei aus zunächst zu einem Gericht oder einer Behörde führten, seien nicht nur die Kilometerpauschale, sondern die dabei anfallenden tatsächlichen Kfz-Kosten als Betriebsausgaben abzugsfähig, da es sich insoweit nicht um Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte handle.

Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob die Bestimmungen der §§ 4 Abs. 5 Satz 3 und 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG auch dann anzuwenden sind, wenn Steuerpflichtige im Verlaufe von PKW-Fahrten von ihrer Wohnung aus zunächst andere berufliche Betätigungsplätze auisuchen, ehe sie zu ihrer Arbeitsstätte fahren.

Gegen die Entscheidung des FG legten das FA und auch der Kläger Revision ein. Das FA wendet sich mit der Revision gegen die Ablehnung der Kilometerpauschale für die gesamte Fahrtstrecke bei den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit Zwischenstationen bei Gerichten, Behörden usw. Es ist der Meinung, daß nur für den dafür erforderlichen Umweg gegenüber der direkten Strecke zwischen Wohnung und Anwaltskanzlei die vollen Kfz-Kosten abzugsfähig seien und nur insoweit die Kilometerpauschale nicht anzuwenden sei.

Der Kläger vertritt mit seiner Revision weiter den Standpunkt, daß die Kilometerpauschale für seine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte überhaupt nicht anzuwenden sei. Das FG habe die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 5 Satz 3 mit dem § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu Unrecht bejaht. Das ergebe sich daraus, daß nach § 9 Abs. 3 EStG 1967 die Bestimmung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 nur auf Einkünfte nach § 2 Abs. 3 Nrn. 5 bis 7 EStG, also nicht auf Einkünfte aus selbständiger Arbeit anzuwenden sei. Der Kläger beruft sich auch darauf, daß die Anwendung der Kilometerpauschale bei Rechtsanwälten die Art. 2 und 3 Abs. 1 GG verletze.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Die Kfz-Kosten für die werktäglichen Fahrten des Klägers zwischen Wohnung und Anwaltskanzlei sind gemäß § 4 Abs. 5 Satz 3 EStG 1967 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1967 nur in Höhe der Kilometerpauschale von 0,36 DM je Entfernungskilometer als Betriebsausgaben abzugsfähig. Die Meinung des Klägers, § 9 Abs. 3 EStG 1967 bestimme ausdrücklich, daß die Nrn. 4 und 5 des Abs. 1 nur bei den Einkunftsarten i. S. des § 2 Abs. 3 Nrn. 5 bis 7 EStG entsprechend anzuwenden seien, verkennt die Systematik des Einkommensteuergesetzes und verändert darüber hinaus die Vorschrift des § 9 Abs. 3 EStG in nicht gerechtfertigter Weise durch die Einfügung des Wortes "nur". Nach der Systematik des EStG enthalten die §§ 4 bis 7 die allgemeinen Vorschriften für Einkünfte mit Gewinnermittlung und infolgedessen in § 4 auch Bestimmungen über die Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben. Wenn demnach die Kilometerpauschale des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG, die ursprünglich nur für Arbeitnehmer galt, auch für Steuerpflichtige gelten sollte, die ihre Einkünfte als Gewinn ermitteln, also für Gewerbetreibende, Land- und Forstwirte und selbständig Tätige, so mußte eine entsprechende Regelung in § 4 EStG eingefügt werden. Hingegen sind die allgemeinen Bestimmungen für Einkünfte, die als Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten ermittelt werden, in den §§ 8 bis 9 b und 11 EStG enthalten; dabei beinhaltet § 9 die näheren Bestimmungen über die Werbungskosten. Es ist daher folgerichtig, daß der Gesetzgeber die Ausdehnung der Kilometerpauschale über die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit hinaus auf andere Einkunftsarten, die auch als Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten ermittelt werden, in § 9 Abs. 3 EStG 1967 geregelt hat.

Es trifft auch nicht zu, daß die vom Kläger vorgetragenen besonderen Gründe für einen Rechtsanwalt, für seine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte den eigenen PKW zu benutzen - wie Verlängerung der Arbeitszeit durch Verkürzung der Fahrzeit, jederzeitige Verwendbarkeit des PKW für berufliche Fahrten vom Büro aus, Möglichkeit der Fahrtunterbrechung aus beruflichem Anlaß und schließlich die Möglichkeit des Aktentransportes für berufliche Arbeiten zu Hause -, eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung rechtfertigen können. Die vom Kläger angeführten Vorteile der PKW-Benutzung für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind allgemein bekannt; sie beschränken sich nicht auf den Beruf des Rechtsanwalts, sondern sind mehr oder weniger bei allen Berufsausübenden gegeben und der Anlaß dafür, daß viele von ihnen die Fahrt mit dem eigenen PKW dem öffentlichen Verkehrsmittel vorziehen.

Daß durch die Beschränkung der Abzugsfähigkeit der im Streit befangenen Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben kein Verfassungsgrundsatz verletzt wird, hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 2. Oktober 1969 1 BvL 12/68 (BVerfGE 27, 58; BStBl II 1970, 140) im einzelnen dargelegt. Die Beschränkung auf eine Pauschale, die den tatsächlichen Aufwand nicht erreicht, ist für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auch deshalb gerechtfertigt, weil diese Fahrten nicht nur durch den Betrieb bzw. den Beruf allein veranlaßt sind, sondern ihr Platz im Grenzgebiet zwischen betrieblicher bzw. beruflicher Veranlassung und privater Lebensführung liegt. Das BVerfG hat in der angeführten Entscheidung auch darauf hingewiesen (BVerfGE 27, 70), daß in der Anwendung der Kilometerpauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gerade die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer mit den Beziehern anderer Einkünfte von Bedeutung ist und gerade sie dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG entspricht.

2. Die Revision des FA ist begründet.

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, daß auf die durch berufliche Anlässe unterbrochenen Fahrten des Klägers zwischen Wohnung und Anwaltskanzlei insgesamt nicht die Kilometerpauschale anzuwenden sei, sondern die tatsächlichen Kfz-Aufwendungen als Betriebsausgaben abzugsfähig seien. Für solche Fahrten sind vielmehr nur die Kosten des durch den beruflichen Anlaß erforderlichen Mehrweges in Höhe des tatsächlichen Aufwandes steuerlich zu berücksichtigen. Die Begründung des FG, bei solchen Fahrten stellten die Teilfahrstrecke von der Wohnung zum Gericht und die zweite Teilfahrstrecke vom Gericht zur Anwaltskanzlei keine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte dar, wird dem vom Gesetzgeber angesprochenen Sachverhalt als solchem nicht gerecht und führt zu willkürlichen Ergebnissen. Wollte man der Auffassung des FG folgen, so wären Kfz-Kosten für Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte überhaupt nicht abzugsfähig, wenn - wie es sehr häufig geschieht - vor Erreichen der Arbeitsstätte die Fahrt zur Erledigung einer privaten Angelegenheit mit oder ohne kleinen Umweg unterbrochen wird. Ob nur die Kilometerpauschale oder die tatsächlichen Kfz-Kosten als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, hinge nach der Vorentscheidung auch ganz davon ab, zu welcher Uhrzeit die Gerichtstermine des Klägers anstehen, ob er es vorzieht, zuerst seine Kanzlei aufzusuchen und von dort aus berufliche Gänge oder Fahrten in der Stadt zu erledigen, oder ob er die Gewohnheit hat, bei der Fahrt von der Wohnung zur Kanzlei berufliche Angelegenheiten zu erledigen. Dafür wäre wieder die Lage der Anwaltskanzlei gegenüber Gerichten und Behörden von Bedeutung. Es wäre außerdem zu prüfen, ob es nicht mißbräuchlich wäre, wenn ein Rechtsanwalt Gerichte und Behörden, die von seiner Kanzlei aus leichter - vielleicht sogar zu Fuß- zu erreichen sind, regelmäßig unmittelbar auf seiner Fahrt von der Wohnung zur Arbeitsstätte aufsucht und dadurch die vollen Kfz-Kosten für diese Fahrten als Betriebsausgaben abziehen könnte.

Der Senat ist der Auffassung, daß die dargestellten Umstände die Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte und umgekehrt in ihrem Wesen nicht berühren, d. h. für ihre Einordnung als solche nicht wesentlich sind und ihre Berücksichtigung darüber hinaus auch der vom Gesetzgeber gewollten Typisierung der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte widersprechen würden. Entscheidend ist vielmehr, was für die werktäglichen Fahrten von der außerhalb der Stadt liegenden Wohnung in die Stadt als Ziel und Zweck der Fahrt im Vordergrund steht. Das ist für Arbeitnehmer und entsprechend für andere Steuerpflichtige in aller Regel das Aufsuchen der Arbeitsstätte, d. h. des Ortes, der den Mittelpunkt ihrer beruflichen Tätigkeit bildet. Ob dabei nebenher durch Fahrtunterbrechung besondere berufliche oder private Angelegenheiten miterledigt werden, ändert nicht den im Vordergrund stehenden eigentlichen Zweck der Fahrt und damit ihren Charakter als Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Dieser wird erst dann geändert, wenn nicht das Aufsuchen der Arbeitsstätte, sondern andere Gründe für die Fahrt maßgebend waren.

Wenn demnach der Kläger an durchschnittlich zwei Tagen im Monat nicht direkt von seiner Wohnung außerhalb von X zu seiner Kanzlei in der Innenstadt oder umgekehrt gefahren ist, sondern die Fahrt genutzt hat, um bei Gerichten oder Behörden Termine wahrzunehmen, so ändert das insoweit nicht den Charakter der Fahrt als Fahrt von der Wohnung zur Arbeitsstätte, als dabei keine zusätzlichen Strecken zurückgelegt werden mußten. Nur die dafür erforderlichen zusätzlichen Fahrstrecken stellen unmittelbare, ausschließlich beruflich veranlaßte Fahrten dar, für die die Begrenzung der Abzugsfähigkeit der angeführten Kfz-Kosten auf die Kilometerpauschale des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht gilt.

Da in den vom FG für die beruflich unterbrochenen Fahrten zwischen Wohnung und Anwaltskanzlei angesetzten Kfz-Kosten von 191 DM die Kosten solcher zusätzlichen Fahrstrecken nicht enthalten sind, war die Vorentscheidung in diesem Punkte aufzuheben, der vom FG festgestellte Gewinn der Sozietät von 120 890 DM um 191 DM auf 121 081 DM zu erhöhen und der Mehrbetrag im Verhältnis 62,5 v. H. zu 37,5 v. H. auf den Käger und den Beigeladenen zu verteilen. Danach beträgt der Gewinnanteil des Klägers 77 025 DM und der Gewinnanteil des Beigeladenen 44 056 DM.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72334

BStBl II 1977, 543

BFHE 1978, 55

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