Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Entnimmt eine Kraftfahrzeug-Vertragswerkstatt anläßlich eines Gewährleistungsfalles Ersatzteile aus ihrem Ersatzteillager gegen Gutschrift seitens des Kraftfahrzeugwerks, so liegt keine Rückgängigmachung einer früheren Lieferung gegen Rückgewähr des Entgelts vor, wenn sie zwischen Kraftfahrzeugwerk und Vertragswerkstatt nicht ausdrücklich vereinbart war.

 

Normenkette

UStG § 1 Ziff. 1, §§ 12, 17

 

Tatbestand

Die Klägerin (Steuerpflichtige - Stpfl. -) betreibt eine Autoreparaturwerkstatt und Autohandel. Sie ist Vertragswerkstatt und Vertragshändler des A.- Werkes (AW.). Das AW. übernimmt den Letztabnehmern (Kunden) gegenüber für AW.-Automobile unter bestimmten "Gewährleistungsbedingungen" die Gewährleistung. Die Vertragswerkstätten sind verpflichtet, die Gewährleistungsarbeiten unter Verwendung etwa erforderlicher Ersatzteile auszuführen. Das AW. vergütet der Vertragswerkstatt bei Anerkennung des Gewährleistungsanspruchs des Kunden durch Gutschriften den Lohnaufwand und die ihrem Lager entnommenen Ersatzteile.

Streitig ist, ob die Stpfl. die ihr vom AW. gutgeschriebenen Beträge, soweit sie auf Kraftfahrzeugersatzteile entfallen, zu versteuern hat. Das Finanzamt (FA) hält einen steuerpflichtigen Umsatz für gegeben und hat daher die Stpfl. mit den Gutschriften für die Ersatzteile mit 4 v. H. zur Umsatzsteuer herangezogen. Die Stpfl. bestreitet unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats V 217/59 U vom 8. Februar 1962 (BStBl 1962 III S. 168, Slg. Bd. 74 S. 449) ihre Steuerpflicht. Sie hält die Gutschriften für Schadensersatzleistungen.

 

Entscheidungsgründe

Einspruch und Berufung wurden als unbegründet zurückgewiesen. Auch die Revision (früher Rb., vgl. § 184 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FGO) hat keinen Erfolg.

Der Senat vermag den Ausführungen des Finanzgerichts (FG) allerdings insoweit nicht zu folgen, als es Werkleistungen der Stpfl. an ihre Kunden angenommen hat. Da die Gewährleistung gegenüber den Kunden nicht von der Stpfl., sondern vom AW. übernommen wurde, sind insoweit Rechtsbeziehungen nicht zwischen der Stpfl. und den Kunden, sondern zwischen dem AW. und den Kunden zustande gekommen. Die Stpfl. hat unter Verwendung erworbener Ersatzteile Werkleistungen (sofern die Ersatzteile nicht bloß Zutaten oder Nebensachen waren, Werklieferungen) gegenüber dem AW. bewirkt. Diese Umsätze unterliegen der Umsatzsteuer, weil ihnen in Gestalt der Gutschriften für Lohnaufwand und Ersatzteile Gegenleistungen (Entgelt) gegenüberstanden.

Im Urteil V 217/59 U vom 8. Februar 1962 (a. a. O.), auf das die Stpfl. Bezug nimmt, hat der Senat den folgenden Rechtssatz aufgestellt:

"Entnimmt eine Vertragswerkstatt, die in Gewährleistungsfällen für ein Kraftfahrzeug-Herstellungsunternehmen die erforderlichen Arbeiten unter Verwendung von Ersatzteilen auszuführen hat, anläßlich eines Gewährleistungsfalles Ersatzteile gegen eine Gutschrift oder eine Erstattung des Ersatzteils in natura durch das Herstellungsunternehmen aus ihrem Lager, so wird die frühere Leistung dann gegen eine Rückgewähr des Entgelts rückgängig gemacht, wenn eine solche Rückgängigmachung von vornherein zwischen dem Herstellungsunternehmen und der Vertragswerkstatt vereinbart worden war."

Der Sachverhalt liegt im Streitfall ebenso, nur daß für die hier in Betracht kommenden Jahre eine Rückgängigmachung der früheren Lieferung zwischen dem AW. und der Stpfl. nicht von vornherein ausdrücklich vereinbart war. Eine solche Vereinbarung ist aber notwendige Voraussetzung für die Annahme, daß das vorangegangene Umsatzgeschäft zwischen dem Kraftfahrzeughersteller und der Vertragswerkstatt (Lieferung des Ersatzteils einerseits und Zahlung des Entgelts anderseits) rückgängig gemacht worden ist. Der Senat hat dies in dem Urteil V 130/63 S vom 25. November 1965 (BStBl 1966 III S. 160) bekräftigt. Ohne eine klare Vereinbarung über die Rückgängigmachung des vorangegangenen Umsatzgeschäfts im Gewährleistungsfalle handelt es sich seitens der Werkstatt um eine der üblichen Werkleistungen (gegebenenfalls auch Werklieferungen), auf die die Voraussetzungen des § 1 Ziff. 1 UStG zutreffen. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise, die der Senat in den beiden genannten Urteilen weitgehend angewandt hat, kann nicht dazu führen, tatsächlich nicht getroffene Vereinbarungen als getroffen zu unterstellen.

Die von der Stpfl. durchgeführten Garantieleistungen beruhen auf einer Vereinbarung im Vertrage zwischen dem AW. und der Stpfl. (sog. Händlervertrag). Die Stpfl. beseitigt die Mängel an den Kraftfahrzeugen auf Grund der dem AW. gegenüber eingegangenen Verpflichtung als dessen Erfüllungsgehilfin. Einen nichtsteuerbaren echten Schadenersatz hat der Senat nur in den Fällen angenommen, in denen sich der Gewährleistungsanspruch des Kunden nicht gegen das Herstellerwerk, sondern gegen den Vertragshändler richtet. In diesen Fällen erfüllt der Händler mit der Garantieleistung unentgeltlich eine eigene Verpflichtung gegenüber dem Kunden aus dem Kaufvertrag und erhält auf Grund seiner Vereinbarung mit dem Herstellerwerk von diesem den durch den Materialfehler erlittenen, vom Werk zu vertretenden Schaden ersetzt (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs V 23/60 U vom 16. Juli 1964, BStBl 1964 III S. 516, Slg. Bd. 80 S. 118).

Die Gutschriften des AW. können auch nicht als "durchlaufende Posten" behandelt werden. Die gezahlten Beträge sind bei der Stpfl. verblieben und nicht an dritte Personen (z. B. die Kunden oder andere Werkstätten) weitergeleitet worden.

Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412004

BStBl III 1966, 261

BFHE 1966, 138

BFHE 85, 138

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