Entscheidungsstichwort (Thema)

Wertansatz entnommener Grundstücke im Zusammenhang mit einer Betriebsveräußerung; Überprüfung einer Schätzung des FG durch die Revisionsinstanz

 

Leitsatz (NV)

1) Werden im zeitlichen Zusammenhang mit einer Betriebsveräußerung Grundstücke, die nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören, in das Privatvermögen überführt, so ist - analog § 16 Abs. 3 S. 3 EStG - ihr gemeiner Wert dem Veräußerungspreis hinzuzurechnen.

2) Eine Schätzung kann - von der Rüge eines Verfahrensmangels abgesehen - vom BFH nur daraufhin überprüft werden, ob die Vorinstanz die Denkgesetze, die allgemeinen Erfahrungssätze und die anerkannten Schätzmethoden beachtet hat. Damit das Revisionsgericht eine solche Prüfung vornehmen kann, muß das finanzgerichtliche Urteil erkennen lassen, welche Tatsachen Eingang in die Schätzung gefunden haben und auf welchem Wege das Schätzergebnis zustande kam.

 

Normenkette

EStG § 16; FGO §§ 96, 118

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind die Erben ihrer Eltern H. W. und M. W. Diese waren Gesellschafter der H. W. GmbH & Co. KG (KG).

Zum 31. Dezember 1973 veräußerte die KG ihr gesamtes Betriebsvermögen - mit Ausnahme der im Sonderbetriebsvermögen der Eltern gehaltenen Grundstücke - an die bis dahin persönlich haftende Gesellschafterin H. W. GmbH (GmbH). Als Kaufpreis wurde in § 2 des Vertrages vom 28. Dezember 1973 die Übernahme aller am 31. Dezember 1973 vorhandenen Verbindlichkeiten vereinbart. . .

Im Gewinnfeststellungsbescheid 1973 vom 2. Mai 1975, der nach § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufig ergangen war, wurde der Veräußerungsgewinn der KG erklärungsgemäß in Höhe von 145 267,60 DM festgestellt. Dieser Betrag umfaßt zum einen . . .; zum anderen sind in ihm die durch die Entnahme der Grundstücke R-Straße . . (Grundstück R) und N-Straße (Grundstück N), die zum Sonderbetriebsvermögen der Eltern gehörten, aufgedeckten stillen Reserven in Höhe von 56 134,60 DM enthalten.

Im Anschluß an eine sowohl bei der KG als auch bei der GmbH durchgeführten Betriebsprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) am 10. April 1980 einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid, in dem der Veräußerungsgewinn mit . . . zuzüglich stiller Reserven der Grundstücke R und N in Höhe von 383 153,40 DM angesetzt wurde.

Für die Berechnung der stillen Reserven schätzte das FA die Teilwerte der entnommenen Grundstücke auf 197 000 DM (Grundstück R) sowie auf 360 000 DM (Grundstück N).

Der hiergegen erhobene Einspruch wurde zurückgewiesen.

Die Klage hatte nur teilweise Erfolg. . . .

Den auf die Grundstücksentnahme entfallenden Teil des Veräußerungsgewinns ermäßigte die Vorinstanz um 77 000 DM. In Übereinstimmung mit den eingeholten Sachverständigengutachten schätzte das FG den gemeinen Wert auf 180 000 DM (Grundstück R) und 300 000 DM (Grundstück N). Im Hinblick auf das in einem Wohngebiet liegende, jedoch mit einem gewerblich genutzten Lagerschuppen bebaute Grundstück R führte es aus, daß für den nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) maßgebenden Teilwert als untere Grenze der Verkehrswert anzusetzen sei. Bei der Ermittlung des Verkehrswerts für das Grundstück R sei dem Vortrag der Kläger, daß beim Bau eines tiefer liegenden Kellers infolge der Bodenbeschaffenheit Gründungsschwierigkeiten auftreten würden, bereits Rechnung getragen worden. Den gegen die Verkehrswertschätzung betreffend das Grundstück N erhobenen Einwand der Kläger, daß der Sachverständige die am 19. April 1973 in Kraft getretenen baurechtlichen Nutzungsbeschränkungen nicht berücksichtigt habe, hielt das FG für unbeachtlich, weil das Grundstück in einem Wohngebiet liege, für das eine dreigeschossige Bauweise bis zu 50 v. H. der Grundstücksfläche zulässig sei.Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts. . . .

Im Hinblick auf die Schätzung der Verkehrswerte habe die Vorinstanz die bereits im finanzgerichtlichen Verfahren erhobenen Einwendungen nicht beachtet. Dies gelte sowohl für die vorgetragenen Gründungserschwernisse bei der Errichtung eines Wohngebäudes auf dem Grundstück R als auch für die vor dem Wertermittlungszeitpunkt in Kraft getretene Veränderungssperre betreffend das Grundstück N.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz, den Gewinnfeststellungsbescheid vom 10. April 1980 sowie die Einspruchsentscheidung vom 7. Januar 1981 insoweit aufzuheben, als bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns . . . der Verkehrswert der Grundstücke R und N insgesamt mit einem höheren Betrag als 319 113 DM angesetzt wurde.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das Urteil der Vorinstanz ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. . . .

4) Die vom FG vorgenommene Schätzung des gemeinen Werts der Grundstücke R und N hält nur im Hinblick auf das erstgenannte Grundstück einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

a) Die Vorinstanz ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß die im Zusammenhang mit der Betriebsveräußerung entnommenen Grundstücke mit dem gemeinen Wert (Verkehrswert; vgl. Schmidt, a. a. O., § 16 Anm. 51 b, m. w. N.) anzusetzen sind.

Hierfür bedarf es jedoch - entgegen der Ansicht des FG - keiner Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Teilwert und gemeinem Wert der entnommenen Grundstücke. Denn die Maßgeblichkeit des gemeinen Werts ergibt sich für den Streitfall aus den Vorschriften über die Ermittlung des Veräußerungsgewinns in § 16 EStG. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH steht es der Annahme eines Veräußerungsgewinns nicht entgegen, wenn - wovon angesichts der Beschränkung des Streitgegenstands des anhängigen Verfahrens auszugehen ist - einzelne Wirtschaftsgüter, die nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören, in zeitlichem Zusammenhang mit der Veräußerung in das Privatvermögen überführt werden. In diesem Fall ist analog § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG dem Veräußerungspreis der gemeine Wert dieser Wirtschaftsgüter hinzuzurechnen (BFH-Urteile vom 24. März 1987 I R 202/83, BFHE 149, 542, BStBl II 1987, 705; vom 24. Juli 1962 I 280/61 U, BFHE 75, 414, BStBl III 1962, 418). Dies gilt auch dann, wenn die entnommenen Wirtschaftsgüter dem Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter einer Personengesellschaft zuzurechnen sind.

b) Die vom FG vorzunehmende Schätzung (§ 96 FGO) des gemeinen Werts der Grundstücke gehört zu den tatsächlichen Feststellungen i. S. von § 118 Abs. 2 FGO, die grundsätzlich das Revisionsgericht auch dann binden, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich sind.

Von der Rüge eines Verfahrensmangels abgesehen, kann eine Schätzung deshalb vom BFH nur daraufhin überprüft werden, ob die Vorinstanz die Denkgesetze und allgemeinen Erfahrungssätze sowie die anerkannten Schätzmethoden beachtet hat (Gräber / Ruban, a. a. O., § 118 Anm. 24, m. w. N.). Damit das Revisionsgericht eine solche Prüfung vornehmen kann, muß das finanzgerichtliche Urteil erkennen lassen, welche Tatsachen Eingang in die Schätzung gefunden haben und auf welchem Wege das Schätzungsergebnis zustande kam. Fehlen ausreichende Feststellungen hierzu, so liegt ein sachlicher Mangel in der Urteilsfindung vor, der ohne besondere Rüge von Amts wegen zu beachten ist (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 16. Juli 1936 III A 98/36, RStBl 1936, 847; BFH-Urteile vom 26. Januar 1961 IV 314/58, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Reichsabgabenordnung, § 217, Rechtsspruch 41; vom 28. Juli 1971 I R 143/68, amtlich NV; vom 20. Juni 1978 VIII R 37/75, NV; vom 26. Oktober 1983 I R 141/80, NV; Tipke /Kruse, a. a. O., § 162 AO 1977 Tz. 10, § 118 FGO Anm. 26 a).

aa) Das FG hat - in Übereinstimmung mit den eingeholten Sachverständigengutachten - den gemeinen Wert des Grundstücks R, das mit einem gewerblich genutzten Lagerschuppen aus Holz (Baujahr 1956) bebaut war und zum Wertermittlungsstichtag in einem durch Wohngrundstücke geprägten Ortsteil lag (§ 34 des Bundesbaugesetzes - BBauG -; jetzt § 34 des Baugesetzbuches - BauGB -), nach dem sog. Vergleichswertverfahren (§§ 3 Abs. 2, 4 ff. der Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken - WertV - vom 15. August 1972, BGBl I, 1417 i. V. m. § 144 BBauG; vgl. zur Weitergeltung § 243 BauGB) unter Berücksichtigung der für den Lagerschuppen entstehenden Abbruchkosten auf 180 000 DM geschätzt. Diese Schätzung läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen (vgl. Gerardy, Praxis der Grundstücksbewertung, 3. Aufl., 1980, S. 512; Rössler / Langner /Simon, Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten, 5. Aufl., 1986, S. 130 f.; vgl. auch § 72 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes - BewG -, sowie hierzu Gürsching / Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 8. Aufl., § 72 BewG Anm. 13).

Die von den Klägern gegen dieses Schätzergebnis sowohl vor dem FG als auch in der Revisionsinstanz erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Sie beruhen im wesentlichen darauf, daß angesichts der Bodenbeschaffenheit bei einer tieferen Lage des Kellers oder der Garage erhebliche Gründungserschwernisse auftreten würden und deshalb ein Wertabschlag geboten sei. Das FG hat diesen Umstand - unter Berücksichtigung auf das zuvor eingeholte Ergänzungsgutachten - deshalb für unbeachtlich angesehen, weil die Bodenbeschaffenheit des Grundstücks R mit derjenigen der benachbarten Wohngrundstücke übereinstimme und dort bei normaler Kellertiefe keine Gründungserschwernisse aufgetreten seien. Demgemäß sei - im Rahmen des Vergleichswertverfahrens - auch ein Abschlag gegenüber den Verkehrswerten dieser Grundstücke nicht geboten. Diese Würdigung ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Soweit die Kläger im Revisionsverfahren vorgetragen haben, daß bei einer Bebauung des Grundstücks R eine Tiefgarage erstellt werden müßte, da der Bau oberirdischer Garagenanlagen ,,weder wünschenswert noch zulässig sei", handelt es sich - sofern damit zum Ausdruck gebracht werden soll, daß die Errichtung eines Wohngebäudes aus bauordnungsrechtlichen Gründen mit der Pflicht verbunden sei, eine tiefer liegende Garage zu erstellen - um einen neuen Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz grundsätzlich keine Beachtung finden kann. Er erfüllt auch nicht die Voraussetzungen, die an eine zulässige Aufklärungsrüge zu stellen sind. Der Senat sieht insoweit von einer Begründung ab (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).

bb) Die Vorinstanz hat den Verkehrswert des mit einem Lagerschuppen, einer Lagerhalle und mit einer Garage bebauten Grundstückes N auf 300 000 DM geschätzt. Da die vom FG getroffenen Feststellungen keine Entscheidung darüber ermöglichen, wie die Vorinstanz zu diesem Schätzergebnis gelangt und ob dabei alle für das betroffene Grundstück wertbildenden Faktoren Berücksichtigung gefunden haben (vgl. BFH-Urteil vom 2. Februar 1982 VIII R 65/80, BFHE 135, 158, BStBl II 1982, 409), ist der Rechtsstreit auch aus diesem Grunde an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Der Senat braucht deshalb nicht zu den von den Klägern in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen Stellung zu nehmen.

Die Schätzung des Grundstückswertes durch die Vorinstanz stützt sich auf das Gutachten des Sachverständigen H vom 29. Oktober 1982. Dort heißt es wörtlich: ,,Die erst nach dem Stichtag der Wertermittlung auf das Grundstück gelegten städtebaulichen Nutzungsbeschränkungen sind hier ohne Belang." Das FG hat sich dem Schätzergebnis des Sachverständigen angeschlossen, obwohl es in den Urteilsgründen selbst feststellte, daß am 19. April 1973 - also vor dem maßgeblichen Wertermittlungszeitpunkt (31. Dezember 1973) - baurechtliche Nutzungsbeschränkungen in Kraft getreten sind. Zur Begründung für diese Vorgehensweise führte es aus, daß die - nicht näher substantiierten - Nutzungsbeschränkungen den Verkehrswert des Grundstücks N deshalb nicht beeinflußt hätten, weil dieses Grundstück in einem Wohnhausgebiet liege, für das eine dreigeschossige Bebauung bis zu 50 v. H. der Grundstücksfläche zulässig sei.

Diese Darlegungen entziehen sich einer rechtlichen Beurteilung. Sie lassen - was im Rahmen jeder Schätzmethode zu beachten wäre (vgl. Gerardy, a. a. O., S. 281 ff.; Rössler / Langner / Simon, a. a. O., S. 55 ff.) - weder erkennen, worin diese Nutzungsbeschränkungen im einzelnen bestanden haben, noch, inwiefern hierdurch der vom Sachverständigen ohne Berücksichtigung dieser Umstände ermittelte Verkehrswert des Grundstücks beeinflußt wurde. Beides wird das FG im Rahmen einer erneuten Schätzung des Verkehrswertes zu beachten haben. Zur Frage, ob die Vorinstanz dabei gehalten sein könnte, ein erneutes Sachverständigengutachten einzuholen, verweist der Senat auf das Urteil vom 26. Januar 1988 VIII R 29/87 (BFH / NV 1988, 788).

 

Fundstellen

Haufe-Index 62489

BFH/NV 1989, 698

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