Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerrechtliche Benutzung im Ausland zugelassener Anhänger

 

Leitsatz (NV)

1. Hatte ein im Ausland zugelassener Kraftfahrzeuganhänger schon bei der Zulassung seinen regelmäßigen Standort im Inland, so liegt von vornherein kein ,,vorübergehender Verkehr" vor; die demzufolge widerrechtliche Benutzung des Fahrzeugs führt zur Kraftfahrzeugsteuerpflicht.

2. Als ,,im internationalen Verkehr" zugelassen gilt nur ein vorübergehend eingeführtes Fahrzeug, nicht dagegen ein wiedereingeführtes Fahrzeug mit Inlandsstandort (1.).

 

Normenkette

KraftStG 1979 § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 7 Nr. 3, § 2 Abs. 5; 24. AusnVO / StVZO § 1 Abs. 1; IKVO § 1 Abs. 1, § 5 Buchst. b; Übereinkommen über den Straßenverkehr Art. 3 Abs. 3, Art. 1 Buchst. b

 

Tatbestand

Der Kläger, ein Transportunternehmer, erwarb im Januar 1980 einen Lastkraftwagenanhänger, den er zunächst im Inland zum Verkehr zulassen und später, zuletzt im März 1980, stillegen ließ. Zum 1. März 1980 mietete der Kläger den Anhänger für die Dauer eines Jahres von H in V (Niederlande). Der Kläger setzte den nunmehr mit niederländischer Zulassung versehenen Anhänger bis August 1982 im grenzüberschreitenden Verkehr ein. Rechtsnachfolger von H war das niederländische Unternehmen M, mit dem der Kläger im September 1982 einen weiteren Mietvertrag für die Zeit vom 1. Juli bis 1. Oktober 1982 geschlossen hatte. Diesem Unternehmen wurde der Anhänger am 25. August 1982 zurückgegeben.

Das Finanzamt sah in der Verwendung des Anhängers eine widerrechtliche Benutzung und setzte gegen den Kläger für die Zeit vom 19. April 1980 bis 24. August 1982 Kraftfahrzeugsteuer fest. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) mit der Begründung abgewiesen, das Fahrzeug sei widerrechtlich, nämlich ohne die erforderliche inländische Zulassung, benutzt worden. Dieser Zulassung habe es bedurft, weil durch das Verbringen des Anhängers aufgrund des langfristigen Mietvertrages vom 1. März 1980 ein inländischer Standort begründet worden sei. Die Voraussetzungen von § 1 der Vierundzwanzigsten Ausnahmeverordnung zur Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 9. September 1975 (BGBl I 1975, 2508) - AusnVO - lägen nicht vor, da das Fahrzeug von vornherein nicht zum vorübergehenden Verkehr in den Geltungsbereich des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) 1979 verbracht worden sei. Ohnehin sei nicht geklärt, ob der Kläger nicht Eigentümer des Anhängers gewesen sei. Über die Rückübereignung des Anhängers, den der Kläger in seinen Bilanzen als Anlagevermögen behandelt habe, hätten Unterlagen nicht vorgelegt werden können.

Mit der Revision macht der Kläger im wesentlichen geltend, solange die Fiktion der Inlandszulassung gemäß der AusnVO gelte, sei der Anhänger von dem Zulassungsverfahren der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) befreit. Die für die Zulassung zum vorübergehenden Verkehr maßgebende Jahresfrist beginne bei ausschließlich im grenzüberschreitenden Verkehr hinter deutschen Zugfahrzeugen eingesetzten ausländischen Anhängern nicht schon mit dem ersten Grenzübertritt. Vielmehr werde sie bei diesen Anhängern mit jedem Grenzübertritt erneut in Gang gesetzt. Bei der Anwendung von § 5 der Verordnung über internationalen Kraftfahrzeugverkehr vom 12. November 1934 (BGBl III, Gliederungsnr. 9232-4) - IKVO - (Jahresfrist für die Zulassung zum vorübergehenden Verkehr) sei zu berücksichtigen, daß nach zwischenstaatlichem Recht - Übereinkommen über den Straßenverkehr vom 8. November 1968 (BGBl II 1977, 811) - ein Fahrzeug als im internationalen Verkehr im Inland zugelassen gelte, wenn es einer Person mit Auslandssitz gehöre und es vorübergehend eingeführt werde. Im Streitfalle habe das Fahrzeug sich fast ständig im Ausland befunden. Selbst wenn aufgrund der immer wiederkehrenden Inlandsberührungen ein inländischer Standort anzunehmen sei, werde der Anhänger noch kein einheimisches Fahrzeug. Ein Rückgriff auf den Begriff des regelmäßigen Standorts sei zudem unzulässig, die Fiktion der Inlandszulassung zu respektieren, wobei es auf die Mietdauer nicht ankomme. Bei der Auslegung von § 1 Abs. 1 AusnVO sei im übrigen auch die Richtlinie 84/647 / EWG des Rates vom 19. Dezember 1984 über die Verwendung von ohne Fahrer gemieteten Fahrzeugen im Güterkraftverkehr (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 335/72) zu beachten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat im Ergebnis richtig entschieden, daß der Kläger die gegen ihn festgesetzte Kraftfahrzeugsteuer schuldet, weil er den Anhänger widerrechtlich benutzt hatte (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 7 Nr. 3 KraftStG 1979). Widerrechtlich war die Benutzung, weil das Fahrzeug im Inland ohne die verkehrsrechtlich vorgeschriebene (Inlands-)Zulassung eingesetzt worden war (§ 2 Abs. 5 Satz 1 KraftStG 1979). Die Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 AusnVO - Gilt-Zulassung zum vorübergehenden Verkehr - lagen nicht vor, obwohl davon auszugehen ist, daß der zur Güterbeförderung bestimmte, in den Niederlanden zugelassene Anhänger hinter einheimischen Zugmaschinen nur im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr verwendet wurde.

Wie der Senat entschieden hat (Urteil vom 14. Mai 1986 VII R 173/83, BFHE 147, 184, 186 f., BStBl II 1986, 765; vgl. auch Urteil vom 10. Februar 1987 VII R 152/84, BFHE 149, 329, 331, BStBl II 1987, 510), gilt die Zulassung zum vorübergehenden Verkehr - ein Jahr - auch für einen im Ausland zugelassenen Kraftfahrzeuganhänger, für den nach seiner Auslandszulassung ein regelmäßiger Standort im Inland begründet wird (durch Miete oder durch käuflichen Erwerb); dabei beginnt die Jahresfrist nur einmal, nämlich mit dem der Standortbegründung vorangegangenen Grenzübertritt. Nach Ablauf der Jahresfrist wird der zuvor zum vorübergehenden Verkehr zugelassene Anhänger, obgleich er seinen Charakter als gebietsfremdes Fahrzeug behält, widerrechtlich benutzt (vgl. Klein / Olbertz, Kraftfahrzeugsteuergesetz, 2. Aufl. 1987, § 1 Anm. 3, § 2 Anm. 2); Kraftfahrzeugsteuerbefreiung aufgrund eines Kraftfahrzeugsteuer-Gegenseitigkeitsabkommens greift dann nicht ein (ebenso Niedersächsisches FG, Urteil vom 29. Oktober 1987 III 258/83, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1988, 207 f.).

Nach diesen Grundsätzen wäre eine zur Kraftfahrzeugsteuerpflicht führende widerrechtliche Benutzung des Anhängers durch den Kläger jedenfalls für die Zeit nach Ablauf eines Jahres nach dem ersten Grenzübertritt des Fahrzeugs anzunehmen. Dies scheint auch der Kläger nicht mehr in Abrede zu stellen. Er meint aber, für die Dauer eines Jahres - § 1 Abs. 1 AusnVO in Verbindung mit § 1 Abs. 1, § 5 Buchst. b IKVO - gelte das Fahrzeug als zum vorübergehenden Verkehr zugelassen; insoweit sei eine widerrechtliche Benutzung nicht gegeben. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Senat hat im Anschluß an die verkehrsrechtliche Rechtsprechung betont, daß ein vorübergehender Verkehr eines im Ausland zugelassenen Kraftfahrzeuganhängers ausscheidet, wenn das Fahrzeug schon bei der Zulassung im Ausland seinen regelmäßigen Standort im Inland gehabt hatte (Urteil in BFHE 147, 184, 187, BStBl II 1986, 765). In einem solchen Falle besteht die Kraftfahrzeugsteuerpflicht mangels einer Zulassung zum vorübergehenden Verkehr von Anfang an, nicht erst nach Ablauf eines Jahres. Die von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen rechtfertigen den Schluß, daß der Anhänger von vornherein einen Inlandsstandort hatte. Das FG hat zwar - in den Entscheidungsgründen - ausgeführt, durch das Verbringen des Fahrzeuges aufgrund des langfristigen Mietvertrags vom 1. März 1980 sei ein solcher Standort begründet worden. Eine tatsächliche Feststellung ist darin jedoch nicht zu sehen. Die diesbezüglichen Ausführungen des FG stehen in Zusammenhang mit seiner - mit der Rechtsprechung des Senats nicht übereinstimmenden - Erwägung, bei einem Verbringen für einen längeren Zeitraum als dem eines Jahres sei von vornherein kein vorübergehender Verkehr gegeben. Schon eine unter solchen Umständen erfolgte Standortbegründung mit der ,,Intention" (des Benutzers), das Fahrzeug längerfristig zu verwenden, schließt nach Aufassung des FG einen ,,vorübergehenden Verkehr" aus. Damit kennzeichnen sich die Ausführungen des FG als bloßer Bestandteil seiner rechtlichen Erwägungen. Ob wenigstens als festgestellt zu erachten ist, daß der ursprünglich vom Kläger gekaufte Anhänger - etwa nach Weiterverkauf ins Ausland - dorthin gebracht und dann aufgrund des Mietvertrages wieder eingeführt (,,verbracht") worden ist, ist zweifelhaft, braucht aber nicht beurteilt zu werden. Selbst wenn von einer entsprechenden Warenbewegung auszugehen wäre, muß nämlich nach den vom FG (im Tatbestand der Vorentscheidung) getroffenen Feststellungen, die den Senat binden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung), gefolgert werden, daß der Anhänger von vornherein im Inland beheimatet war. Der Kläger war - zumindest zunächst - Eigentümer des Fahrzeugs, das er auch während der Dauer des Mietverhältnisses - festgestellt übrigens nur für die Zeiten von März 1980 bis Februar 1981 und allenfalls noch ab 1. Juli 1982 - als zu seinem Anlagevermögen gehörend behandelt hat. Der Anhänger war zunächst im Inland zum Verkehr zugelassen (als einheimisches Fahrzeug; § 2 Abs. 3 KraftStG 1979) und ist noch während seiner nur vorübergehenden Stillegung (vgl. § 27 Abs. 6 Nr. 1 StVZO) in den Niederlanden erneut zugelassen worden, und zwar ersichtlich nur im Hinblick auf eine - weitere - Verwendung durch den Kläger (Übersendung des als ,,Ferry-Zulassung" bezeichneten Kennzeichens an den Kläger durch H im Anschluß an die niederländische Zulassung). Unter diesen Umständen muß davon ausgegangen werden, daß der Anhänger, auch wenn er vorübergehend in die Niederlande zurückverbracht und dann wieder eingeführt worden sein sollte, seinen ursprünglichen Inlandsstandort beibehalten hat, der regelmäßige Standort im Inland also nicht etwa neu, im Anschluß an eine Wiedereinfuhr, begründet worden ist. Der Fall unterscheidet sich damit von dem einer auf käuflichem Erwerb beruhenden Verlegung des Standorts in das Inland nach (erstem) Grenzübertritt (zu ihm Senat in BFHE 149, 329, 332, BStBl II 1987, 510). Hier fehlt es mangels eines vor dem Grenzübertritt begründeten Auslandsstandorts an der erforderlichen Anknüpfung für die Zulassung zum vorübergehenden Verkehr (vgl. auch Urteil in EFG 1988, 207). Erst recht würde es an einer Anknüpfung fehlen, wenn noch nicht einmal - nach Vermietung des Fahrzeugs an den Kläger - ein Grenzübertritt erfolgt wäre.

Vorschriften des Gemeinschaftsrechts oder des zwischenstaatlichen Rechts stehen diesem Ergebnis nicht entgegen. Die Richtlinie, auf die der Kläger sich beruft, ist im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik erlassen worden, erst nach der hier zu beurteilenden Fahrzeugverwendung; dementsprechend war sie erst später, nämlich bis zum 30. Juni 1986, in innerstaatliches Recht umzusetzen (Art. 7). Sie läßt die Vorschriften über die Einfuhr von Fahrzeugen ausdrücklich unberührt (Art. 5) und enthält keine Steuerbefreiungsregelung. Welche Rechtswirkungen es hat, wenn ein Fahrzeug als ,,im internationalen Verkehr" im Sinne von Art. 3 Abs. 3, Art. 1 Buchst. b des Übereinkommens vom 8. November 1968 (vgl. dazu Art. 1 Abs. 2 des Zustimmungsgesetzes vom 21. September 1977, BGBl II 1977, 809) zugelassen gilt, kann offenbleiben. Jedenfalls beschränkt sich die Wirkung einer solchen Gilt-Zulassung auf vorübergehend eingeführte Fahrzeuge (vgl. Art. 1 Buchst. b, iii des Übereinkommens). Der Anhänger des Klägers ist jedoch als von vornherein im Inland beheimatetes Fahrzeug nicht als vorübergehend eingeführt anzusehen, und zwar auch dann nicht, wenn er ausschließlich im grenzüberschreitenden Verkehr und dabei überwiegend im Ausland eingesetzt gewesen ist. Sein Verbringen über die Grenze stellte sich jeweils als Wiedereinfuhr dar, nicht als vorübergehende Einfuhr.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416209

BFH/NV 1989, 738

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