Leitsatz (amtlich)

Behalten sich Eltern bei der Übertragung ihres Vermögens im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an ihre Kinder an einem mitübertragenen Grundstück den Nießbrauch vor und verpachten sie dieses Grundstück an die Kinder, so können, diese Pachteinnahmen, auch wenn eine Wertsicherungsklausel vereinbart ist, nicht ohne besondere Anhaltspunkte allein auf Grund wirtschaftlicher Betrachtungsweise gemäß § 1 Abs. 3 StAnpG als Versorgungsrente behandelt werden, wenn nach dem Gesamtbild eine solche nicht vorliegt.

 

Normenkette

BewG 1965 §§ 14, 16; StAnpG § 1 Abs. 3

 

Tatbestand

Streitig ist die Vermögensteuerveranlagung der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) auf den 1. Januar 1969. Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der am 4. Mai 1968 verstorbene Ehemann der Klägerin war Alleininhaber einer Fabrikation in A und Mitinhaber eines Umschlagbetriebes in B. Zu dem Betriebsvermögen in A gehörte ein Betriebsgrundstück. Durch notariellen Vertrag vom 21. Dezember 1962 hatte der Erblasser den Betrieb in A einschließlich des Betriebsgrundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seine Söhne übertragen. Dabei war vereinbart, daß das sich im Zeitpunkt der Übertragung aus der Steuerbilanz ergebende Kapitalkonto mindestens 160 000 DM betragen sollte. Der Ehemann der Klägerin hatte für sich selbst und die Klägerin an dem übertragenen Grundbesitz ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht vorbehalten, das nach dem Tode des Erstversterbenden dem überlebenden Ehegatten allein zustehen sollte. Gleichzeitig wurde das Grundstück gegen eine Pachtzahlung von 1 000 DM monatlich an die Söhne verpachtet; außerdem hatten die Pächter die auf das Pachtobjekt fallenden Steuern und Abgaben zu tragen. Eine Änderung des vereinbarten Pachtzinses war möglich, wenn sich das Endgehalt eines Regierungsrats in X um mehr als 5 v. H. änderte. Eine Kündigung des Pachtvertrages war nicht vorgesehen; jedoch konnten die Nießbrauchsberechtigten bei Zahlungsverzug oder Zahlungsunfähigkeit der Pächter die sofortige Räumung des Grundstücks verlangen, wobei die Pächter für den Ausfall der Pacht weiter hafteten. Außerdem war vereinbart, daß den Söhnen wegen des übertragenen Vermögens keine weiteren Verpflichtungen erwachsen sollten, die mit der Erbfolge im übrigen zu tun haben, da der Ehemann der Klägerin in Aussicht genommen hatte, etwa bestehende Erbansprüche aus seinem übrigen Vermögen zu regeln.

Nach dem Tode des Ehemannes der Klägerin wurde ein handschriftliches Testament vom 28. November 1959 aufgefunden. In diesem hatte der Erblasser seine Söhne als Erben für den gesamten Nachlaß eingesetzt, insbesondere auch hinsichtlich des Betriebsvermögens in A und in B. Der Klägerin war als Vermächtnis eine monatliche Unterhaltsrente in der Höhe der Pension eines Justizinspektors, die bei Erreichung des Pensionsalters von 65 Jahren zu leisten war, zugewandt; daneben sollte der Klägerin ein Wohnrecht im Hause in A zustehen.

In einem notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag vom 10. August 1968 vereinbarten die Erbbeteiligten, daß das der Klägerin im Testament ausgesetzte Vermächtnis durch die Ausübung des Nießbrauchsrechts nach dem Übergabevertrag von 1962 und durch die Einräumung des Wohnrechts in Y "erfüllt ist".

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) behandelte die Pachtzahlung von jährlich 12 000 DM für das Betriebsgrundstück in A bei der Einkommensteuerveranlagung der Klägerin als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, bei der Veranlagung zur Vermögensteuer ab 1. Januar 1969 jedoch als private Versorgungsrente und setzte hierfür unter Einbeziehung des Wohnrechts mit einem Jahreswert von 515 DM einen Vermögenswert von 80 235 DM an. Nach Abzug der Schulden und Freibeträge ergab sich ein steuerpflichtiges Vermögen von ... DM.

Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Klage begehrte die Klägerin, ihren Anspruch auf Nutzungen als auf Grund des Nießbrauchsrechts erzielt unter Anwendung des § 16 Abs. 1 BewG zu berechnen. Das FA hielt demgegenüber die vertraglichen Vereinbarungen als typisch für die Vereinbarung von Versorgungsansprüchen.

Auf die Klage hin hob das FG den angefochtenen Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung ersatzlos auf, da sich bei Anwendung des § 16 Abs. 1 BewG kein steuerpflichtiges Vermögen ergab. Es ließ die Revision ohne Rücksicht auf den Streitwert zu.

Das FA rügt mit der Revision Verletzung geltenden Rechts, insbesondere die Auslegung der §§ 14, 16 BewG in Verbindung mit § 1 Abs. 3 StAnpG. Die rechtliche Würdigung der zwischen den Eltern und ihren Kindern geschlossenen vertraglichen Vereinbarungen vom 21. Dezember 1962 sei unzutreffend, da, wirtschaftlich gesehen, diese Vereinbarungen als Versorgungsvertrag zu beurteilen seien. Dafür spreche schon, daß das Nießbrauchsrecht und das Pachtverhältnis auf Lebenszeit der Berechtigten abgeschlossen seien. Dies zeige deutlich, daß es sich um einen familiären Vorgang handle. Ein fremder Pächter hätte sich nicht in dieser Weise binden lassen. Die Nießbrauchsberechtigten und Verpächter seien im Zeitpunkt des Vertrages erst 59 bzw. 58 Jahre alt gewesen. Daß der Ehemann der Klägerin noch weiteres Vermögen besessen habe, ändere an dem Charakter der Versorgungsvereinbarungen nichts. Insoweit habe das FG auch den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt. Es sei ungewiß geblieben, wie das 1962 vorhanden gewesene Haus in Y belastet war. Das Vermögen zur Zeit des Ablebens im Jahre 1968 lasse auf den Umfang des Vermögens im Jahre 1962 keine zwingenden Schlüsse zu, da der Ehemann der Klägerin noch weitere Jahre am Geschäftsleben teilgenommen habe. Unberücksichtigt geblieben sei auch, daß die durch den Vertrag von 1962 begünstigte Klägerin keinerlei sonstiges Vermögen besessen hatte und im Falle des Ablebens ihres Ehemannes auf eine Versorgung angewiesen gewesen wäre. Die Tatsache, daß die Pachtzahlungen bei Ableben eines Berechtigten in unveränderter Höhe weiterliefen, sei kein Argument gegen die Würdigung der Pachtzahlungen als Versorgungsrente. Der Übertragungsvertrag vom 21. Dezember 1962 müsse im Zusammenhang mit der testamentarischen Verfügung vom 28. November 1959 gesehen werden. In dem Testament sei vorgesehen gewesen, das gesamte Betriebsvermögen in A und B auf die beiden Söhne zu übertragen und der nicht als Erbin berechtigten Klägerin eine monatliche Unterhaltsrente zuzuwenden. Durch den Abschluß des Vertrages von 1962 sei dann die Versorgung der Klägerin durch ihren Anspruch auf Pachtzins in unveränderter Höhe sichergestellt worden. Durch die Erbauseinandersetzung sei klargestellt, daß die der Klägerin im Testament ausgesetzte Unterhaltsrente durch die Ausübung des Nießbrauchsrechts abgegolten sei.

Die Klägerin hält die Vorentscheidung für zutreffend und beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen (gemeint ist wohl als unbegründet zurückzuweisen).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

1. Das FA hat die hier streitigen Pachtzahlungen bei der Vermögensteuerveranlagung auf den 1. Januar 1969 zu Unrecht als Versorgungsrente behandelt. Maßgebend für die rechtliche Beurteilung dieser Zahlungen sind die Vereinbarungen über die Erbauseinandersetzung vom 10. August 1968. Nach § 3 letzter Absatz dieses Vertrages sollte das im Testament vom Jahre 1959 ausgesetzte Vermächtnis durch die weitere Ausübung des Nießbrauchsrechts aus dem Übergabevertrag von 1962 "erfüllt" werden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Vertrag über die vorweggenommene Erbfolge hinsichtlich des Betriebes in A zeitlich der Testamentserrichtung nachfolgte und die Erben sich 1968 über alle erbrechtlichen Ansprüche einigten und die Klägerin in § 4 dieses Vertrages auf weitere Ansprüche verzichtete, folgt nach Auffassung des Senats aus dieser Formulierung, daß das Nießbrauchsrecht an die Stelle etwaiger Versorgungsansprüche treten sollte. Dafür sprechen auch folgende Überlegungen:

2. Unstreitig haben die Beteiligten bei Abschluß des Übergabevertrages von 1962, der nur einen Teilbetrieb der unternehmerischen Tätigkeit des Ehemanns der Klägerin betraf, das Nießbrauchsrecht ernstlich gewollt. Ein Nießbrauchsberechtigter kann die Nutzungen des Grundstücks nicht nur dadurch ziehen, daß er das Grundstück selbst nutzt; er kann es auch vermieten oder verpachten (vgl. Soergel-Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Aufl., 4. Bd., § 1030 Anm. 14). Gegen das Nießbrauchsverhältnis spricht auch nicht die Tatsache, daß die Söhne als nunmehrige Eigentümer das Gebäude instandhalten und unterhalten sollten. Diese nach § 1041 BGB dem Nießbraucher obliegende Verpflichtung kann durch Vereinbarung einem Dritten, insbesondere dem Pächter des Grundstücks, übertragen werden. Diese Grundsätze gelten auch, wenn ein Vater im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein Grundstück auf den Erben übereignet, sich aber den Nießbrauch am Grundstück vorbehält und das Grundstück auf Grund des Nießbrauchsrechts an den Erben vermietet oder verpachtet (vgl. Entscheidung des BFH vom 8. August 1969 VI R 299/67, BFHE 96, 473, BStBl II 1969, 683). Der BFH hat in diesem Urteil die bürgerlich-rechtlich gewählte Form des Mietvertrages nur unter dem Gesichtspunkt untersucht, ob auf Grund des ungewöhnlich hohen Mietzinses nicht der Versorgungscharakter in der Weise zutage trete, daß der Mietvertrag beiseitegeschoben werden könnte. Die Vorinstanz hat hierzu in rechtlich einwandfreier Weise festgestellt, daß der Versorgungscharakter nicht entscheidend war. Das ergibt sich daraus, daß der Pachtzins schon bei der vereinbarten Mindesthöhe des Kapitalkontos der Steuerbilanz einer üblichen Verzinsung von nur 7,5 v. H. entsprach. Die Höhe dieses Betrages entspricht aber der üblichen Verzinsung einer erststelligen Hypothek. Sie kann daher nicht als übersetzt angesehen werden.

3. Die Klägerin hat, wie bereits ausgeführt, gemäß § 4 des Erbauseinandersetzungsvertrages von 1968 freiwillig auf Versorgungsansprüche verzichtet. Dies konnte sie, weil sie durch die Vereinbarung des Nießbrauchsrechts und des auf Grund dieses Rechts vereinbarten Pachtverhältnisses ausreichend gesichert war. Entgegen der Meinung des FA kann diese bürgerlich-rechtlich zulässigerweise getroffene Vereinbarung über das Nießbrauchsrecht und das Pachtverhältnis nunmehr nicht beiseitegeschoben und nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 1 Abs. 3 StAnpG) ein Versorgungsanspruch der Klägerin angenommen werden. Insbesondere spricht die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel für sich allein nicht gegen die Anerkennung des Pachtverhältnisses und für den Versorgungscharakter des Pachtzinses (vgl. BFH-Entscheidung vom 30. November 1967 IV 39/65, BFHE 91, 86, BStBl II 1968, 265). Die übrigen Sachverhaltsmerkmale, auf Grund deren im Urteil IV 39/65 nach dem Gesamtbild eine Versorgungsrente angenommen wurde, liegen im Streitfall nicht vor. Das FG hat daher zu Recht die Wirksamkeit des Nießbrauchsrechts und des Pachtvertrages der vermögensteuerlichen Beurteilung zugrunde gelegt. Eine ausdrückliche Regelung über den Verzicht auf weitere Unterhaltsansprüche wäre auch nicht verständlich, wenn die Ausübung des Nießbrauchsrechts von den Beteiligten schon als Vereinbarung eines Versorgungsanspruches angesehen worden wäre.

Nach alledem ist die Revision des FA unbegründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71334

BStBl II 1975, 402

BFHE 1975, 573

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