Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Offensichtliche Berechnungsfehler des Veranlagungsbeamten im Rahmen des Berechnungsbogens für die einheitliche Gewinnfeststellung können offenbare Unrichtigkeiten im Sinne des § 92 Abs. 3 AO sein.

 

Normenkette

AO § 92 Abs. 3, § 92/2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das Finanzamt den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für 1956 mit Recht auf Grund des § 92 Abs. 3 AO geändert hat. Aus Anlaß der einheitlichen Gewinnfeststellung 1956 füllte der Sachbearbeiter beim Finanzamt im Berechnungsbogen den Abschnitt Land- und Forstwirtschaft wie folgt aus:

Gewinn: Wirtschaftsjahr 1955/56 ./. 6.448 DM; ----------------------- Wirtschaftsjahr 1956/57 ./. 18.967 DM (auf die Kalenderjahre 1956 und 1957) aufzu- teilender Gewinn: ----- ./. 6.448 DM --------- ./. 18.967 DM ------------ Gewinnanteil 1956/57 der auf das Kalender= ------------ jahr 1957 entfällt = ------------- ./. 9.483 DM Gewinnanteil Wirtschaftsjahr 1955/56 ./. 6.448 DM Gewinnanteil Wirtschaftsjahr 1956/57 ./. 18.967 DM Veräußerungsgewinne 1956 ./. DM = ------------- ./. 25.415 DM.Der Verlust 1955/56 von 6.448 DM entfiel zeitanteilig nur auf das Kalenderjahr 1956, nämlich für das Rumpfwirtschaftsjahr 1. April bis 30. Juni 1956, und war daher nicht aufzuteilen, § 2 Abs. 6 Ziff. 1 EStG 1955. Unrichtig jedoch rechnete der Veranlagungsbeamte dem Kalenderjahr 1956 den gesamten Verlust des Wirtschaftsjahrs 1956/57 in Höhe von 18.967 DM zu.

Als das Finanzamt dies erkannte, bat es den Bf. und seine mitbeteiligte Schwester, der änderung des Feststellungsbescheids gemäß § 94 Abs. 1 Ziff. 2 AO zuzustimmen. Diese erteilte die Zustimmung, der Bf. verweigerte sie. Hierauf berichtigte das Finanzamt den Bescheid in der Weise, daß es den für das Kalenderjahr 1956 festgestellten Verlust um den auf das Kalenderjahr 1957 entfallenden Verlustanteil (9.483 DM) des Wirtschaftsjahrs 1956/57 kürzte und den Verlust 1956 auf 15.932 DM feststellte.

 

Entscheidungsgründe

Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg. Auch die Rb. ist erfolglos.

Nach § 92 Abs. 3 AO können in einer Verfügung enthaltene Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten auch nach der Bekanntgabe berichtigt werden. Eine "ähnliche offenbare Unrichtigkeit" liegt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteile II 113/53 U vom 10. Juni 1953, BStBl 1953 III S. 214, Slg. Bd. 57 S. 558; IV 486/53 U vom 18. November 1954, BStBl 1955 III S. 19, Slg. Bd. 60 S. 52; II 137/55 U vom 14. März 1956, BStBl 1956 III S. 137, Slg. Bd. 62 S. 372) nicht vor, wenn die Möglichkeit besteht, daß der Fehler auf unrichtiger Rechtsanwendung (einschließlich Tatsachenfeststellung) beruht. Nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs IV 320/53 U vom 18. Februar 1954 und IV 444/53 U vom 1. Juli 1954 (BStBl 1954 III S. 133 und S. 265, Slg. Bd. 58 S. 585 und Slg. Bd. 59 S. 146) ist die Vorschrift nur anwendbar, wenn es sich um Fehler handelt, die bei der Erklärung des Entscheidungswillens, nicht aber um solche, die bei der Bildung des Entscheidungswillens unterlaufen sind. Auch diese Abgrenzung führt jedoch nicht immer zu eindeutigen Ergebnissen (vgl. auch Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, § 92 Anm. 8 S. 11).

Im Streitfall hat der Veranlagungsbeamte die Rechtslage erkannt und ist entsprechend dem für das Wirtschaftsjahr 1956/57 geltenden § 2 Abs. 6 Ziff. 1 EStG in der Fassung des Art. 1 Ziff 1 b in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (BGBl 1957 I S. 848, BStBl 1957 I S. 352) davon ausgegangen, der auf dieses Wirtschaftsjahr entfallende Verlust sei je zur Hälfte in den Kalenderjahren 1956 und 1957 bei der Veranlagung zu erfassen. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Vermerk "Gewinnanteil 1956/57, der auf das Kalenderjahr 1957 entfällt - 9.483 DM". Die Eintragung dieses Betrages wäre sinnlos, wenn der Beamte, wie der Bf. meint, übersehen hätte, daß der Gewinn des Wirtschaftsjahres 1956/57 auf die beiden Kalenderjahre aufzuteilen sei. Es liegt somit kein Rechtsirrtum des Veranlagungsbeamten vor. Es handelt sich um ein offensichtliches Versehen beim Einsetzen der Zahlen in dem Berechnungsbogen (Aufteilung des Verlustes des Wirtschaftsjahrs 1956/57), der zu dem Berechnungsfehler geführt hat. Ein derartiger offensichtlicher Berechnungsfehler innerhalb des Berechnungsbogens fällt nach Ansicht des Senats auch im Rahmen der oben dargestellten Rechtsprechung unter die offenbaren Unrichtigkeiten im Sinne des § 92 Abs. 3 AO.

Die Rb. ist somit unbegründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409939

BStBl III 1961, 144

BFHE 1961, 392

BFHE 72, 392

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