Entscheidungsstichwort (Thema)

Verlustausgleich nach §15 a Abs. 1 EStG nur in Höhe der tatsächlich geleisteten Einlage

 

Leitsatz (NV)

Die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Verpflichtung des atypisch stillen Gesellschafters, künftige Verluste der stillen Gesellschaft bis zu einer bestimmten Höhe auszugleichen, berührt die Beschränkung des Verlustausgleichs nach §15 a Abs. 1 Satz 1 EStG auf den Betrag der tatsächlich geleisteten Einlage nicht.

 

Normenkette

EStG § 15a

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 (Klägerin zu 1), eine GmbH, und der Kläger und Revisionskläger zu 2 (Kläger zu 2) schlossen am 15. Januar 1988 einen Vertrag über die Gründung einer atypischen stillen Gesellschaft. Aufgrund dieses Vertrages beteiligte sich der Kläger zu 2 als stiller Gesellschafter am Unternehmen der Klägerin zu 1; am Verlust oder Gewinn der Klägerin zu 1 war er zu 100 v. H. beteiligt. Er verpflichtete sich, Verluste der Klägerin zu 1 bis zu einem Betrag von 500 000 DM auszugleichen, solange und soweit er nicht einen entsprechenden Betrag als Einlage geleistet hatte.

Da der Kläger zu 2 bis zum Bilanzstichtag des Streitjahres keine Verlustausgleichszahlungen geleistet hatte, wurde in der Bilanz der Klägerin zu 1 auf den 31. Dezember 1988 unter dem Posten "sonstige Vermögensgegenstände" eine Forderung gegen den Kläger zu 2 in Höhe von 500 000 DM aktiviert. Das sich danach ergebende, von der Klägerin zu 1 erzielte Jahresergebnis 1988 betrug 0 DM. Das Eigenkapital des Klägers zu 2 wurde mit ./. 229 926,80 DM (laufender Verlust ./. 729 926,80 DM + 500 000 DM Ausgleichsforderung) ausgewiesen.

In der Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der atypischen stillen Gesellschaft für das Streitjahr wurden für den Kläger zu 2 die bei der Veranlagung anzusetzenden Einkünfte mit ./. 500 000 DM und der gemäß §15 a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) festzustellende verrechenbare Verlust mit 229 929 DM angegeben.

Bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns der atypischen stillen Gesellschaft stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) den Verlust des Streitjahrs und den Verlustanteil des Klägers zu 2 entsprechend den Angaben in der Erklärung mit 729 929 DM fest. Den verrechenbaren Verlust stellte er für den Kläger zu 2 im Feststellungsbescheid vom 17. Januar 1990 in voller Höhe dieses Verlustanteils fest.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) vertrat im angefochtenen Urteil die Auffassung, das FA habe zu Recht den von der atypischen stillen Gesellschaft erzielten Verlust von 729 929 DM in voller Höhe als verrechenbaren Verlust des Klägers zu 2 festgestellt.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Das angefochtene Urteil verletze §15 a Abs. 1 i. V. m. §5 EStG. Das FG habe zu Unrecht den vom FA festgestellten Verlust in voller Höhe als nur verrechenbaren Verlustanteil des Klägers zu 2 beurteilt.

Für den einkommensteuerrechtlichen Verlustausgleich des atypisch stillen Gesellschafters müsse es als ausreichend angesehen werden, daß er im Innenverhältnis gegenüber dem Inhaber des Handelsgeschäfts zum Ausgleich eines Verlusts verpflichtet sei, da er insoweit einem Kommanditisten gleichstehe, dessen Haftung im Handelsregister eingetragen sei. Diese Auffassung entspreche dem Grundkonzept des §15 a EStG, bei der Einkommensteuerveranlagung nur solche Verluste vom Ausgleich mit positiven Einkünften des Gesellschafters auszuschließen, für die er nur mit künftigen Gewinnen aus seiner Beteiligung hafte.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Feststellungsbescheid 1988 dahingehend zu ändern, daß für die Kläger zu 2 der bei der Einkommensteuerveranlagung anzusetzende Verlust 1988 auf 500 000 DM und der verrechenbare Verlust auf 229 929 DM festgestellt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Das angefochtene Urteil ist in dem Rechtsstreit "wegen Gewinnfeststellung 1988 der atypischen stillen Gesellschaft ... ergangen.

Streitig ist jedoch nicht die Höhe des im Streitjahr erzielten Verlusts und seine Zurechnung beim Kläger zu 2, sondern nur, inwieweit der auf den Kläger zu 2 entfallende Verlustanteil in einen ausgleichsfähigen und einen nicht ausgleichsfähigen (verrechenbaren) Verlust aufzuteilen ist. Darüber ist nicht im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung gemäß §180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977), sondern in dem Verfahren zur Feststellung des verrechenbaren Verlusts des beschränkt haftenden Gesellschafters nach §15 a Abs. 4 EStG zu entscheiden. Die Feststellung des verrechenbaren Verlusts kann gesondert und unabhängig von der Feststellung des Gewinns angefochten werden (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH --vom 14. Dezember 1995 IV R 106/94, BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226, m. w. N.). Im Streitfall geht der Senat davon aus, daß Gegenstand des Verfahrens die Feststellung des verrechenbaren Verlustanteils des Klägers zu 2 im Verfahren nach §15 a Abs. 4 EStG ist.

2. Das FG hat zutreffend entschieden, daß der Kläger zu 2 als atypisch stiller Gesellschafter den Beschränkungen des Verlustausgleichs nach §15 a EStG unterlag.

Nach §15 a Abs. 5 Nr. 1 EStG gelten die Regelungen in Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 Sätze 1, 2 und 4 sowie Abs. 4 der Vorschrift sinngemäß für den stillen Gesellschafter, der Mitunternehmer des Handelsgewerbes ist, an dem die stille Beteiligung besteht. Im Streitfall geht der Senat in Übereinstimmung mit dem FG und den Beteiligten davon aus, daß zwischen den Klägern im Streitjahr eine atypische stille Gesellschaft bestanden hat und der Kläger zu 2 Mitunternehmer des Betriebs der Klägerin zu 1 i. S. von §15 Abs. 1 Nr. 2 EStG war. Die sinngemäße Anwendung des §15 a Abs. 1 Satz 1 EStG hat zur Folge, daß der stille Gesellschafter einen Anteil am Verlust, der nach dem Gesellschaftsvertrag auf ihn entfällt, nicht mit positiven anderen Einkünften ausgleichen und auch nicht nach §10 d EStG abziehen kann, soweit durch den Verlustanteil ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Das ist, wie sich aus §15 a Abs. 1 Satz 2 EStG ergibt, der Fall, wenn der Verlustanteil die "geleistete Einlage" übersteigt; denn diese Einlage bestimmt das positive Kapitalkonto des Kommanditisten und des ihm gleichgestellten stillen Gesellschafters (zur Begrenzung des Einlagebegriffs auf Einlagen in das Gesellschaftsvermögen vgl. BFH-Urteile vom 14. Mai 1991 VIII R 31/88, BFHE 164, 516, BStBl II 1992, 167; vom 30. März 1993 VIII R 63/91, BFHE 171, 213, BStBl II 1993, 706). Die Voraussetzungen für einen erweiterten Verlustausgleich über den Betrag der geleisteten Einlage hinaus gemäß §15 a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG können bei einer stillen Gesellschaft nicht erfüllt sein, weil der stille Gesellschafter nicht mit einer Hafteinlage im Handelsregister eingetragen ist. Eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den erweiterten Verlustausgleich auf den stillen Gesellschafter hat der Gesetzgeber in §15 a Abs. 5 Nr. 1 EStG auch ausdrücklich ausgeschlossen.

3. Im Streitfall ist der im Betrieb der Klägerin zu 1 entstandene Verlust des Streitjahres entsprechend der Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag in vollem Umfang dem Kläger zu 2 zugerechnet worden. Dadurch ergab sich zum Bilanzstichtag des Streitjahres für diesen ein negatives Einlagekonto in voller Höhe des erzielten Verlusts. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die von der Revision nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und deshalb für den Senat bindend sind (§118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), hat der Kläger zu 2 keine Einlage in das Vermögen der Klägerin zu 1 geleistet. Er hatte sich im Gesellschaftsvertrag lediglich verpflichtet, die im Betrieb der Klägerin zu 1 entstehenden Verluste bis zum Betrag von 500 000 DM auszugleichen oder eine Einlage in Höhe dieses Betrages zu erbringen. Eine im Innenverhältnis zwischen der Gesellschaft und einem Kommanditisten bestehende Verpflichtung des Kommanditisten zur Leistung einer Einlage berührt die Beschränkung des Verlustausgleichs nach §15 a EStG jedoch grundsätzlich nicht. Denn der ausgleichsfähige Verlust ist durch §15 a Abs. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich auf den Betrag der tatsächlich bereits geleisteten Einlage beschränkt (BFH-Beschluß vom 19. Mai 1987 VIII B 104/85, BFHE 150, 514, BStBl II 1988, 5; BFH-Urteile vom 11. Dezember 1990 VIII R 8/87, BFHE 165, 27, BStBl II 1992, 232; in BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226).

Ob eine Einlage "tatsächlich erbracht" ist, bestimmt sich nach handelsrechtlichen Grundsätzen. §15 a EStG knüpft insoweit an die in §171 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) getroffene Regelung an. Der steuerrechtliche Anspruch des Kommanditisten auf Verlustausgleich soll seiner gesellschaftsrechtlichen Haftung angeglichen werden (Senatsbeschluß vom 28. Mai 1993 VIII B 11/92, BFHE 171, 300, BStBl II 1993, 665). Eine Einlage ist i. S. von §171 Abs. 1 HGB dann haftungsbefreiend, wenn der Kommanditist der Gesellschaft einen der Einlage entsprechenden Betrag zur Verfügung gestellt hat. Der Gegenwert muß in das Vermögen der Gesellschaft fließen (Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 29. Aufl., §171 Rdnr. 6, m. w. N.). Dementsprechend ist auch eine Einlage i. S. von §15 a EStG erst dann geleistet, wenn dem Gesellschaftsvermögen von außen etwas zugeflossen ist, was das Vermögen und damit die Deckungsunterlage für die Gläubiger erhöht (BFH in BFHE 165, 27, BStBl II 1992, 232, m. w. N.). Dies gilt sinngemäß auch bei der Beteiligung als stiller Gesellschafter (BFH in BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226).

4. Die vertragliche Verpflichtung des Klägers zu 2, Verluste der Klägerin zu 1 bis zur Höhe von 500 000 DM abzudecken, kann auch nicht in der Weise zu einem (erweiterten) Verlustausgleich führen, daß diese Verpflichtung durch Passivierung einer Rückstellung in der Sonderbilanz des Klägers zu 2 erfaßt wird, für die die Beschränkungen des Verlustausgleichs nach §15 a EStG nicht gelten. Der Senat folgt auch insoweit den Ausführungen im Urteil des IV. Senats in BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226 unter III. 4. der Gründe, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt.

5. Die Beschränkung des Verlustausgleichs nach §15 a Abs. 1 EStG auf den Betrag der bis zum Bilanzstichtag tatsächlich geleisteten Einlage ist verfassungsgemäß. Die Vorschrift verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Die Regelung des §15 a Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 EStG stellt den atypisch stillen Gesellschafter, der sich im Innenverhältnis gegenüber dem tätigen Gesellschafter zur Leistung einer Einlage verpflichtet hat, nicht sachwidrig schlechter als den Kommanditisten, der am Bilanzstichtag seine im Handelsregister eingetragene Einlage noch nicht oder nicht in vollem Umfang geleistet hat. Der Gesetzgeber konnte ohne Verstoß gegen das Verbot willkürlicher Ungleichbehandlung den erweiterten Verlustausgleich des §15 a Abs. 1 Satz 2 EStG auf den Fall der (leicht nachprüfbaren) Außenhaftung des Kommanditisten nach §171 Abs. 1 HGB begrenzen. Denn eine nur schuldrechtliche Leistungsverpflichtung des beschränkt haftenden Gesellschafters begründet keine dem §171 Abs. 1 HGB vergleichbare Außenhaftung für die Schulden der Gesellschaft.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66819

BFH/NV 1998, 576

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