Entscheidungsstichwort (Thema)

Negative Einkünfte aus Kapitalvermögen bei Unterbeteiligung; voreheliche Lebensgemeinschaft rechtfertigt keine besondere Vertragsbeurteilung; Unzulässigkeit globaler Bezugnahmen

 

Leitsatz (NV)

1. Vereinbarungen über eine Unterbeteiligung können einer typischen stillen Gesellschaft gleichstehen und zu Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG führen. Solche Einkünfte können bis zur Höhe der erbrachten Einlage auch negativ sein.

2. Die persönlichen Beziehungen zwischen Mann und Frau vor der Eheschließung erlauben keine sinngemäße Anwendung der Rechtsprechung zu Verträgen unter Ehegatten (vgl. BFH/NV 1986, 148 und BFH/NV 1986, 452).

3. Eine globale Bezugnahme auf Gerichts- und Steuerakten kann die durch das Finanzgericht zu treffenden tatsächlichen Feststellungen nicht ersetzen.

 

Normenkette

EStG 1975 § 20 Abs. 1 Nr. 2; EStG 1977 § 20 Abs. 1 Nr. 4; HGB § 335 Abs. 1; FGO § 118 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb im Streitjahr eine Arztpraxis. Ihr späterer Ehemann M beteiligte sich 1972/73 mit Anteilen von je 40 v. H. als geschäftsführender Gesellschafter an zwei verschiedenen Gesellschaften des bürgerlichen Rechts A und B (GdbR). Für das Streitjahr 1976 ergaben sich für beide Gesellschaften Verlustanteile.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob und inwieweit zwischen der Klägerin und M ab 1. Januar 1974 bezüglich der obengenannten Beteiligungen eine typische stille Unterbeteiligung vereinbart und auch vereinbarungsgemäß durchgeführt worden war.

Die Klägerin ist mit M am 1. Januar 1974 in gleichlautenden ,,Verträgen über eine Unterbeteiligung", ,,beginnend am 1. 1. 1974" übereingekommen, daß sie sich als ,,stille Gesellschafterin" mit 30 v. H. am 40 v. H.-Anteil von M an den beiden Gesellschaften, und zwar am Gewinn und Verlust des Hauptbeteiligten, nicht jedoch an den stillen Reserven, beteiligt. Ab 1. Januar 1975 wurde die Beteiligung der Klägerin auf 40 v. H. erhöht. In § 3 des Unterbeteiligungsvertrages heißt es, daß die Klägerin vertragsgemäß dem Hauptbeteiligten die vereinbarten Zahlungen zu erbringen hat. In der Folge wurde zu Beginn eines jeden Jahres festgelegt, welche Beträge die Klägerin als Einlage auf die stille Gesellschaft zu leisten hat. Die Zahlungen konnten in bar, mit Scheck oder durch Überweisung erfolgen.

Laut § 7 der Verträge vom 1. Januar 1974 gelten - soweit nichts anderes bestimmt ist - die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und des Handelsgesetzbuches (HGB).

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin negative Einkünfte aus Kapitalvermögen aus ,,Unterbeteiligung an Gesellschaften M" geltend. Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1976 berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den geltend gemachten Verlust. Im Anschluß an eine bei der Unterbeteiligungsgesellschaft Klägerin-M im Sommer 1981 durchgeführten Außenprüfung war der Prüfer zu dem Ergebnis gelangt, eine Unterbeteiligung könne mangels Unterlagen steuerrechtlich nicht anerkannt werden. Die Zahlungen der Klägerin stellten private Zuwendungen an M dar.

Die Einsprüche blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klagen ab. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, Verluste aus einem stillen Gesellschaftsverhältnis und einem Unterbeteiligungsverhältnis seien im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen. Notwendige Voraussetzungen hierfür seien das Vorliegen eines Gesellschaftsvertrages und die tatsächliche Leistung einer Vermögenseinlage. Dies gelte allgemein und nicht nur, wenn es sich um nahestehende Personen handele, was im Streitfall allerdings anzunehmen sei. Die genannten Voraussetzungen müßten nachgewiesen sein. Sei dieser Nachweis nicht erbracht, könnten die behaupteten Verluste nicht berücksichtigt werden. Der fehlende Nachweis gehe zu Lasten des die Verluste geltend machenden Steuerpflichtigen. Der Klägerin sei der Nachweis einer stillen Unterbeteiligung nicht gelungen. Zweifel bestünden an Inhalt und Umfang der gesellschaftsvertraglichen Verpflichtungen der Klägerin sowie an deren vertragsgemäßer Erfüllung. Es sei offen, wie sich die in den Unterbeteiligungsverträgen vorgesehene Beteiligung der Klägerin von 30 v. H. am 40 v. H.-Anteil des M bei dessen zu diesem Zeitpunkt bestehenden negativen Kapitalkonten mit den in den Zusatzverträgen für beide Gesellschaften verabredeten Leistungen vereinbare. Ungewöhnlich sei, daß die Einlage der Klägerin nicht von vornherein festgelegt, sondern gesonderten Vereinbarungen überlassen worden sei. Die Klägerin habe bisher nicht den notwendigen Nachweis geführt, daß sie Einlagen in entsprechender Höhe in das (betriebliche) Vermögen des Hauptgesellschafters geleistet habe, wie dies § 335 Abs. 1 HGB voraussetze. Der schriftsätzliche Vortrag der Klägerin und das Vorbringen ihres Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung des Verfahrens 1 K 82/83 (Einkommensteuer 1974) sprächen vielmehr für die Annahme, daß Zuwendungen an M, soweit sie erfolgt seien, schenkweise erbracht worden seien (§ 516 BGB). Die Behauptung der Klägerin, sie habe im Streitjahr die laufend von ihrem Girokonto abgehobenen Geldbeträge von überwiegend jeweils 500 DM an M ausgehändigt, werde weder durch die in Urschrift vorgelegten Kontoauszüge noch durch die in Ablichtung eingereichten Jahreszusammenstellungen der Bank belegt, zumal die Klägerin nicht im einzelnen habe darlegen können, mit welchen Mitteln sie ihren Lebensunterhalt bestritten habe. Die Darstellung der Klägerin werde auch nicht durch etwaige Buchführungsunterlagen der beiden Gesellschaften bestätigt, da M nach dem nunmehrigen Vorbringen der Klägerin Zahlungen für Rechnung der Gesellschaften im wesentlichen außerhalb der Buchführung der Unternehmen geleistet habe.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 180 der Abgabenordnung (AO 1977) sowie die nach ihrer Meinung unzutreffende Verneinung einer Unterbeteiligungsgesellschaft.

§ 180 AO 1977 sehe vor, daß einkommensteuerpflichtige Einkünfte - ungeachtet der Einkunftsqualifikation - gesondert festgestellt werden müßten, wenn sie mehreren Personen steuerrechtlich zuzurechnen seien. Dies sei hier der Fall. Dementsprechend habe die Unterbeteiligungsgesellschaft auch bei der Finanzverwaltung eine eigene Steuernummer erhalten.

Im übrigen habe sie - die Klägerin - die nach dem Unterbeteiligungsvertrag vereinbarten Gelder tatsächlich durch Hingabe an M eingezahlt. Soweit das FA und auch das FG die vorliegenden Verträge als wirksam erachteten, würden ihr - der Klägerin - Auflagen erteilt, die unter normalen Umständen ein fremder Unterbeteiligter niemals erfüllen könne. Der stille Unterbeteiligte habe im Normalfall keine Möglichkeit, auf die Geschicke und die Lenkung der Unterbeteiligungsgesellschaft Einfluß zu nehmen und könne auch keinesfalls die Verwendung der von ihm eingezahlten Gelder überwachen. Es könne von ihm deshalb auch kein Nachweis gefordert werden, daß der Geschäftsherr die ihm gegebenen oder überwiesenen Beträge tatsächlich für das Geschäft verwendet habe.

Schließlich habe das FG seine Aufklärungspflicht verletzt. Für die Unterbeteiligungsgesellschaft bestehe eine Buchführung, aus welcher ersichtlich sei, wie die Gelder der Unterbeteiligten in die Unterbeteiligungsgesellschaft geflossen seien und wie die Gelder aus der Unterbeteiligungsgesellschaft für Zwecke der Aufbaugesellschaft weitergeleitet worden seien. Diese Buchführung sei seitens der Verwaltung nicht zur Einsichtnahme angefordert worden. Die Unterlagen hätten aber jederzeit vorgelegt werden können, wenn das FG dies für nötig gehalten hätte.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß), das FG-Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

Es nimmt im wesentlichen auf die Gründe der Vorentscheidung Bezug und weist ergänzend darauf hin, daß im vorliegenden Falle die Grundsätze über Verträge zwischen nahen Angehörigen heranzuziehen seien, weil sich aus der mittlerweile zwischen der Klägerin und M geschlossenen Ehe ergäbe, daß zwischen beiden schon im Streitjahr besondere persönliche Beziehungen bestanden hätten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen nicht aus, um die Frage einer evtl. Unterbeteiligung der Klägerin an den Gesellschaftsanteilen des M abschließend zu beurteilen.

1. Die zwischen der Klägerin und M geschlossenen Vereinbarungen über eine Unterbeteiligung können - ihre Vollständigkeit und ordnungsgemäße Durchführung unterstellt - bei der Klägerin zu Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1977 geführt haben. Denn ausweislich § 2 des Vertrages vom 1. Januar 1974 beteiligte sich die Klägerin ,,als stille Gesellschafterin" an den Anteilen des M. An den stillen Reserven war sie nicht beteiligt. Die Einkünfte aus einer so gestalteten Unterbeteiligung stehen den Einkünften aus einer typischen stillen Gesellschaft gleich (vgl. u. a. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 20 EStG Tz. 28, 29, 190). Diese Einkünfte können bis zur Höhe der von der Klägerin erbrachten Einlage auch negativ gewesen sein (vgl. u. a. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 5. Aufl., § 20 Anm. 35, m. w. N.).

2. Nach den im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen liegen Verträge vom 1. Januar 1974 und vom 1. Januar 1975 über die Begründung der stillen Beteiligungen vor, deren Höhen durch Angabe bestimmter Vomhundertsätze bezogen auf die Anteile des M an den beiden Gesellschaften festgelegt waren. Diese Verträge wurden - so ebenfalls die tatsächlichen Feststellungen des FG - ergänzt durch Zusatzvereinbarungen über die (offenbar in absoluten Größen benannten?!) Beträge, die die Klägerin ,,als Einlage auf die stille Gesellschaft zu leisten hat". Den Inhalt dieser zusätzlichen Vereinbarungen hat das FG nicht festgestellt. Der Senat sieht sich dadurch an der Überprüfung der Frage gehindert, ob - was das FG offenbar verneint - die Grundsatzverträge vom 1. Januar 1974 und vom 1. Januar 1975 und die Zusatzvereinbarungen ein in sich geschlossenes Vertragswerk über die stille Beteiligung darstellen.

3. Die Untersuchung der Frage, ob, in welcher Höhe und zu welchem Zweck die Klägerin Zahlungen an M geleistet hat, durfte das FG angesichts des erreichten Ermittlungsstandes nicht ohne weitere Nachprüfungen abbrechen. Ausweislich der im FG-Urteil in Bezug genommenen Blätter 52/61 der Prozeßakte 1 K 82/83 wurden zum Teil nicht unbedeutende Beträge vom Konto der Klägerin abgebucht. Ob es sich dabei um Barabhebungen oder um Überweisungen (an wen?) handelte, hat das FG nicht im einzelnen festgestellt. Bei dieser Sachlage sieht sich der Senat nicht in der Lage nachzuvollziehen, aus welchen Gründen das FG zu dem Ergebnis gelangte, eventuelle Zuwendungen an M seien schenkweise erbracht worden. Der Hinweis auf das Vorbringen des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung im Verfahren 1 K 82/83 reicht hierfür schon deshalb nicht aus, weil die Sitzungsniederschrift über diese mündliche Verhandlung im FG-Urteil nicht in Bezug genommen ist und diese Niederschrift offenbar auch nicht Gegenstand des vorliegenden Ausgangsverfahrens vor dem FG war. Auch die in der Vorentscheidung enthaltene globale Bezugnahme auf Gerichts- und Steuerakten vermag die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nicht zu ersetzen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. März 1968 II R 36/67, BFHE 92, 416, BStBl II 1968, 610).

4. Das FG hat die Frage offengelassen, ob die persönlichen Beziehungen zwischen der Klägerin und M bei sinngemäßer Anwendung der Rechtsprechung zu Verträgen unter Ehegatten eine besondere Beurteilung der geschlossenen Vereinbarung und deren Durchführung gebietet. Im Hinblick auf das diesbezügliche Vorbringen des FA im Revisionsverfahren verweist der Senat vorsorglich auf die Urteile des BFH vom 17. Januar 1985 IV R 149/84 (BFH/NV 1986, 148) sowie vom 5. Dezember 1985 IV R 182/84 (BFH/NV 1986, 452).

5. Für den Fall, daß nach ergänzender Sachverhaltsfeststellung von einer typischen stillen Beteiligung der Klägerin ab 1. Januar 1974 auszugehen sein sollte, wird die Frage des Zeitpunkts des Entstehens negativer Einkünfte durch den Abfluß von Werbungskosten zu prüfen sein. Hierzu wird auf die Ausführungen im Vorbescheid des Senats vom heutigen Tag VIII R 53/84 Bezug genommen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414920

BFH/NV 1987, 715

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