Entscheidungsstichwort (Thema)

Abtretung: Verwendung eines überholten Anzeigevordrucks

 

Leitsatz (NV)

1. Die Abtretung eines Steuererstattungsanspruchs ist i.d.R. auch dann wirksam, wenn sie dem FA auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck angezeigt worden ist, der wegen der Neufassung des Anzeigevordrucks nach Anweisung des BMF nicht mehr verwendet werden soll.

2. Zur Auslegung der Abtretungsanzeige hinsichtlich der nicht bezifferten Höhe des abgetretenen Anspruchs.

 

Normenkette

AO 1977 § 46 Abs. 1-3

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes (E), der als Steuerberater tätig war. E hatte sich im Juli ... auf Abtretungsanzeigen die zu erwartenden Guthaben aus den Einkommensteuerveranlagungen ... seines Mandanten (M) abtreten lassen. Die Abtretungen wurden dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) am 8. Juli ... auf dem im BStBl I 1975, 1070 amtlich vorgeschriebenen Vordruck angezeigt. Als Art des jeweils abgetretenen Anspruchs waren in den Abtretungsanzeigen die Einkommensteuerveranlagungen ... angegeben; über die Höhe der Ansprüche wurden keine Angaben gemacht.

Mit Schreiben vom 10. August ... wies das FA den E darauf hin, die Abtretung hinsichtlich des Erstattungsanspruchs aus der Einkommensteuerveranlagung ... sei nichtig, da dieser erst mit Ablauf des Jahres entstehe und daher nicht vorher abgetreten werden könne. Die anderen Abtretungsanzeigen wurden in dem Schreiben nicht erwähnt.

Mit Schreiben vom 5. Dezember ... teilte das FA sowohl dem E als auch dem M mit, die Abtretungsanzeige bezüglich der Einkommensteuerveranlagung ... des M sei unwirksam, da die Höhe des Anspruchs nicht bezeichnet und die Abtretung auf einem ungültigen Vordruck angezeigt worden sei. Das FA erklärte gegenüber M die Aufrechnung gegen dessen Einkommensteuerguthaben ... mit rückständigen Umsatzsteuern aus einem Haftungsbescheid.

Den Rechtsbehelf des E wies das FA durch Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück. Es führte u.a. aus, nach dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 7. Dezember 1982 (BStBl I 1982, 900) sei der neugefaßte amtliche Vordruck für die Anzeige der Abtretung oder Verpfändung eines Erstattungs- oder Vergütungsanspruchs (BStBl I 1982, 690) für alle nach dem 30. September 1983 bei den Finanzbehörden eingehenden Anzeigen zu verwenden. Werde eine Abtretung - wie im Streitfall - nach diesem Zeitpunkt auf dem früher geltenden Vordruck (BStBl I 1975, 1070) angezeigt, so sei sie als unwirksam zu behandeln.

Auf die Klage der Klägerin hob das Finanzgericht (FG) die Verfügung des FA vom 5. Dezember ... (Abrechnungsbescheid) sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung auf und verpflichtete das FA, den Betrag von ... DM an die Klägerin auszuzahlen. Es führte aus:

Die Unwirksamkeit der Abtretung (§ 46 Abs. 3 der Abgabenordnung - AO 1977 -) ergebe sich - entgegen der Auffassung des FA - nicht schon daraus, daß die Abtretungsanzeige keine Angaben über die Höhe der abgetretenen Forderung enthalte. Es genüge, wenn der Anspruch bestimmbar sei; das sei hier der Fall. Die Angabe eines bestimmten Betrages sei nur dann erforderlich, wenn ein Teil der Forderung abgetreten werden solle. Enthalte die Anzeige - wie im Streitfall - keine Zahlenangabe, so sei sie dahin auszulegen, daß die Forderung in ihrer gesamten Höhe abgetreten werde.

Das vom FA zitierte BMF-Schreiben, wonach die Abtretungsanzeige auf einem außer Kraft getretenen Vordruck unwirksam sein solle, finde im Gesetz keine Rechtsgrundlage. Nach Auffassung des FG könne die Verwendung eines alten Vordrucks nur schädlich sein, wenn sich daraus der nach dem Gesetz erforderliche Inhalt der Abtretungsanzeige nicht ermitteln lasse, die Warnfunktion nicht erfüllt oder der Bearbeitungszweck vereitelt werde. Dies sei hier aber nicht der Fall und werde vom FA auch nicht behauptet.

Die Frage könne jedoch letztlich dahingestellt bleiben, da sich das FA auf eine mögliche Unwirksamkeit der Abtretungsanzeige im Streitfall nicht berufen könne. Aus den §§ 89, 91 AO 1977 in Verbindung mit dem auch im Steuerrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben ergebe sich eine Verpflichtung der Finanzbehörde, bei offensichtlicher Unwirksamkeit der Abtretung die Beteiligten unverzüglich darauf hinzuweisen. Die im Juli ... erklärten Abtretungen zu den Einkommensteuerveranlagungen ... des M seien alle auf einem - angeblich - ungültigen Vordruck angezeigt worden. Da das FA mit Schreiben vom 10. August ... nur die Abtretungsanzeige betreffend die Einkommensteuer ... - wenn auch aus einem anderen Grund - für nichtig erklärt hätte, habe es bei E den Eindruck erweckt, die übrigen Abtretungsanzeigen seien in Ordnung und würden - jedenfalls aus formalen Gründen - nicht beanstandet. Das FA wäre aber verpflichtet gewesen, hinsichtlich aller Abtretungsanzeigen darauf hinzuweisen, daß sie auch wegen Verwendung eines alten Vordrucks unwirksam seien. Da es dies unterlassen habe, habe es dem E die Möglichkeit genommen, durch Nachreichung einer formwirksamen Abtretungsanzeige der Aufrechnungserklärung des FA zuvorzukommen. Es könne sich deshalb jetzt auf die Unwirksamkeit der Abtretung nicht mehr berufen.

Mit der Revision macht das FA geltend, eine Abtretungsanzeige, die auf einem außer Kraft getretenen Vordruck erklärt werde, sei deshalb unwirksam, weil durch die Einführung eines neuen Vordrucks i.S. des § 46 Abs. 3 AO 1977 der alte Vordruck das Merkmal der Amtlichkeit verliere. Aus der Ermächtigung der Verwaltung zur Bestimmung des Vordrucks folge auch das Recht vorzuschreiben, welcher Vordruck nicht mehr verwendet werden dürfe. Entgegen der Auffassung des FG erfülle der hier vorgeschriebene neue Vordruck eine höhere Warnfunktion als der Vordruck, der im Streitfall verwendet worden sei. Der auf der Vorderseite aufgebrachte warnende Hinweis auf den Text auf der Rückseite des Vordrucks sei nunmehr fettgedruckt, während der alte Vordruck an dieser Stelle nur einen kleingedruckten Hinweis enthalten habe, der sich von seiner Umgebung nicht abgehoben habe. Zudem sei der neue Vordruck auch übersichtlicher, da die einzelnen Abschnitte mit fettgedruckten Überschriften versehen seien.

Die Unwirksamkeit der Abtretung ergebe sich im Streitfall auch daraus, daß die Abtretungsanzeige keine Angaben über die Höhe der abgetretenen Forderung enthalte. Das FA habe nicht erkennen können, ob nur ein Teil der Erstattungsforderung abgetreten werden sollte oder der gesamte Anspruch. Die Auslegung, daß bei fehlenden Zahlenangaben die Forderung in ihrer gesamten Höhe abgetreten sei, sei im Streitfall nicht möglich gewesen. Denn die Angaben zum Abtretungsgrund - Sicherungsabtretung, Honorarforderungen - ließen die Möglichkeit offen, daß die Ansprüche des Abtretungsempfängers die Höhe des Erstattungsbetrages nicht erreichten.

Ein weiterer formaler Mangel der Anzeige bestehe darin, daß nicht erkennbar sei, ob es sich um eine Abtretungsanzeige oder um eine Verpfändungsanzeige handele, da die für eine der beiden Alternativen notwendigen Streichungen im Vordruck nicht vorgenommen worden seien. Der erkennende Senat habe bereits entschieden, daß selbst bei Unschädlichkeit einzelner fehlender Merkmale die Häufung fehlender Angaben in der Abtretungs-/Verpfändungsanzeige zur Unwirksamkeit führe (Urteil vom 25. September 1990 VII R 114/89, BFHE 162, 202, BStBl II 1991, 201).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat das FA zu Recht unter Aufhebung des Abrechnungsbescheids (Verfügung vom 5. Dezember 1986 über die Mitteilung der Unwirksamkeit der Abtretungsanzeige) und der Einspruchsentscheidung zur Auszahlung des Guthabens aus der Einkommensteuerveranlagung ... des M an die Klägerin verurteilt. Die Aufrechnung des FA gegenüber dem Erstattungsanspruch des M (vom 5. Dezember 1986) war unwirksam, weil der Anspruch des M zuvor wirksam an E, den Rechtsvorgänger der Klägerin, abgetreten worden war. Die am 8. Juli ... beim FA eingegangene Abtretungsanzeige über das Einkommensteuerguthaben ... ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.

1. Nach § 46 Abs. 1 AO 1977 können Ansprüche auf Erstattung von Steuern abgetreten und verpfändet werden. Die Abtretung wird jedoch steuerrechtlich erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der in § 46 Abs. 3 AO 1977 vorgeschriebenen Form der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehung des Anspruchs anzeigt (§ 46 Abs. 2 AO 1977). Nach § 46 Abs. 3 AO 1977 ist die Abtretung der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen. Die Anzeige ist vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger zu unterschreiben. Die Vorschriften des § 46 Abs. 2 und 3 AO 1977 sind auf die Verpfändung sinngemäß anzuwenden (§ 46 Abs. 6 Satz 3 AO 1977).

Die in § 46 Abs. 3 AO 1977 vorgeschriebene formalisierte Abtretungsanzeige soll die Abtretenden - insbesondere Lohnsteuerpflichtige - davor schützen, ihre Erstattungsansprüche unüberlegt, zu unangemessenen Bedingungen oder an unseriöse Zessionare abzutreten. Darüber hinaus soll die einheitliche Gestaltung des amtlichen Vordrucks dem FA die Bearbeitung der Erstattungsanträge erleichtern (Begründung der Bundesregierung, BTDrucks 7/2852, Seite 47, und Urteil des Senats vom 25. Juni 1985 VII R 195/82, BFHE 144, 2, 5, BStBl II 1985, 572 m.w.N.). Abtretungsanzeigen, die nicht in allen Einzelheiten der amtlich vorgeschriebenen Form entsprechen oder bei denen der amtliche Vordruck unvollständig oder fehlerhaft ausgefüllt worden ist, machen die Abtretung nicht von vornherein unwirksam. Sie sind vielmehr als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen der Auslegung zugänglich, die sich an den vorstehend dargestellten Schutz- und Bearbeitungszwecken der Anzeige auszurichten hat, deren Erfüllung auch die formelle Wirksamkeit der Abtretungsanzeige bestimmt (vgl. Urteil des Senats in BFHE 144, 2, BStBl II 1985, 572, und BFHE 162, 202, BStBl II 1991, 201; ferner Urteil des Bundesfinanzhofs vom 26. November 1982 VI R 205/81, BFHE 137, 150, BStBl II 1983,123; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 46 AO 1977 Rz. 18 und 20). Im Streitfall werden durch die Verwendung eines nach der Anweisung des BMF nicht mehr anwendbaren Anzeigevordrucks und der fehlenden Angabe zur Höhe des abgetretenen Anspruchs weder die Warn- und Schutzfunktion zugunsten des Abtretenden noch der Zweck der Abtretungsanzeige, dem FA die Bearbeitung zu erleichtern, beeinträchtigt, so daß die angezeigte Abtretung des Einkommensteuererstattungsanspruchs 1984 des M dem FA gegenüber wirksam ist.

2. Die Abtretung ist dem FA auf dem durch Erlaß des BMF vom 20. Okober 1975 (BStBl I 1975, 1070) amtlich vorgeschriebenen Vordruck angezeigt worden. Dieser war indes im Zeitpunkt der Anzeige (8. Juli ...) durch den mit dem BMF-Schreiben in BStBl I 1982, 690 neu gefaßten amtlichen Vordruck ersetzt worden. Nach der Anweisung des BMF in BStBl I 1982, 900 sollen Abtretungen, die - wie im Streitfall - nach dem 30. September 1983 auf dem früher geltenden Vordruck angezeigt worden sind, als unwirksam zu behandeln sein. Diese Rechtsauffassung der Finanzverwaltung, auf die sich auch das FA beruft, wird jedenfalls vom Zweck des Gesetzes nicht gedeckt (vgl. Boeker, a.a.O., § 46 AO 1977 Rz. 20).

Die Neufassung des Anzeigevordrucks ändert nichts daran, daß es sich auch bei dem außer Kraft getretenen Anzeigeformular aus BStBl I 1975, 1070 um einen amtlich vorgeschriebenen Vordruck i.S. von § 46 Abs. 3 AO 1977 (früher § 159 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung) gehandelt hat, der die mit dieser Vorschrift verfolgte Warn- und Schutzfunktion sowie den Bearbeitungszweck der Abtretungsanzeige erfüllt (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 46 AO 1977 Tz. 4f). Selbst wenn man mit dem FA davon ausgeht, daß durch die Einführung des neuen amtlichen Vordrucks der alte Vordruck das Merkmal der Amtlichkeit verliert (so FG des Saarlandes, Urteil vom 28. November 1986 II 161/86, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1987, 388, während Tipke/Kruse, a.a.O., § 46 AO 1977 Tz. 4c darauf hinweisen, daß das Gesetz nicht vom amtlichen Vordruck, sondern von einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck spricht), so folgt daraus nicht zwingend, daß bei Verwendung eines von der Finanzverwaltung außer Kraft gesetzten Anzeigeformulars die Abtretung von vornherein unwirksam ist. Denn die Vordrucke haben keinen Selbstzweck; mit ihnen soll lediglich die Warn- und Schutzfunktion zugunsten des Abtretenden und eine Bearbeitungserleichterung zugunsten der Verwaltung sichergestellt werden. Werden diese Zwecke erreicht, so ist auch die Verwendung eines überholten Anzeigevordrucks für die Frage der Wirksamkeit der Abtretung unschädlich (Tipke/Kruse, a.a.O., § 46 AO 1977 Tz. 4, 4b, 4f; Boeker, a.a.O., § 46 AO 1977 Rz. 20).

Dieser Auffassung ist nunmehr offenbar auch die Finanzverwaltung. Denn im Zusammenhang mit späteren Neufassungen des amtlichen Vordrucks über die Anzeige der Abtretung oder Verpfändung wird im Anwendungserlaß zur AO 1977 zu § 46 in Nr. 5 nunmehr angeordnet, daß - ohne zeitliche Begrenzung für die Zukunft - der früher geltende Vordruck aufgebraucht werden kann (vgl. BStBl I 1987, 664, 671, und 1992, 430).

Der im Streitfall verwendete alte Vordruck entspricht ebenso der mit der Regelung des § 46 Abs. 3 AO 1977 verfolgten Warn- und Schutzfunktion sowie dem Bearbeitungszweck wie der Anzeigevordruck, den der BMF für den hier maßgeblichen Zeitpunkt im BStBl I 1982, 690 vorgeschrieben hat. Im Gegensatz zum Vorbringen der Revision enthält das neu gefaßte Anzeigeformular gegenüber dem hier verwendeten alten Vordruck - wie auch im Schrifttum betont wird (Tipke/Kruse, a.a.O., § 46 AO 1977 Tz. 4f; Boeker, a.a.O., § 46 AO 1977 Rz. 20) - nur unwesentliche Änderungen. Die an den Abtretenden gerichteten warnenden Hinweise auf der Rückseite der Vordrucke, die im wesentlichen die Warn- und Schutzfunktion erfüllen sollen, sind - auch drucktechnisch - völlig identisch. Entgegen der Auffassung des FA enthält der auf der Vorderseite (oben rechts) angebrachte Hinweis auf den Text der Rückseite bei dem neueren Vordruck keine höhere Warnfunktion als bei dem im Streitfall verwendeten Anzeigevordruck. Denn bei beiden Formularen stimmen die Hinweise wörtlich überein, sie sind durch schwarze Umrahmungen (Kästchen) optisch hervorgehoben, und der Fettdruck des Textes in beiden Formularen ist nahezu von gleicher Stärke. Es kann deshalb keine Rede davon sein, daß - wie das FA vorträgt - der alte Vordruck hier nur Kleingedrucktes in schlecht leserlicher Form enthält. Auch in ihrer sonstigen Gestaltung weichen die beiden Vordrucke - sowohl hinsichtlich des Inhalts als auch hinsichtlich der Übersichtlichkeit - kaum voneinander ab. Daß die Bearbeitung der Abtretung durch die Finanzbehörden durch die Neufassung des Anzeigeformulars in nennenswertem Umfang erleichtert worden ist, ist vom FA nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich. Es ist deshalb unter Berücksichtigung der Zwecke, die mit der formalisierten Abtretungsanzeige verfolgt werden, nicht gerechtfertigt, der im Streitfall angezeigten Abtretung des Steuererstattungsanspruchs nur deshalb ihre Wirksamkeit zu versagen, weil ein überholtes Anzeigeformular verwendet worden ist.

3. Auch die fehlenden Angaben zur Höhe des abgetretenen Anspruchs machen die Abtretung nicht unwirksam. Wie oben ausgeführt, ist die Abtretungsanzeige wie jede Willenserklärung auslegungsfähig (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Für Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs genügt es, daß er bestimmbar ist. Das gilt insbesondere für die Höhe, die nicht beziffert werden muß (so die herrschende Meinung: Tipke/Kruse, a.a.O., § 46 AO 1977 Tz. 4d; Boeker, a.a.O., § 46 AO 1977 Rz. 31; Schwarz, Abgabenordnung, § 46 Anm. 12a m.w.N.), zumal auch die zahlenmäßige Höhe eines steuerlichen Erstattungsanspruchs dem Abtretenden vor Durchführung der Veranlagung (Lohnsteuer-Jahresausgleich) in der Regel nicht bekannt ist. Ist die Höhe des abgetretenen Anspruchs - wie hier der Erstattungsanspruch, der sich aufgrund der Einkommensteuerveranlagung 1984 ergibt - bestimmbar, so weiß der Abtretende, in welchem Umfang er über seine Rechte verfügt, und das FA ist in der Lage, den Abtretungsvorgang zu bearbeiten.

Allerdings muß erkennbar sein, ob der gesamte Erstattungsbetrag oder nur ein Teilbetrag abgetreten worden ist. Auch hierzu hat der Abtretende in der vorliegenden Abtretungsanzeige keine Angaben gemacht. Das FG hat die Abtretungsanzeige dahin ausgelegt, daß - mangels Erkennbarkeit gegenteiliger Umstände - die Erstattungsforderung in ihrer gesamten Höhe abgetreten werden sollte, weil die Abtretung eines Teils der Forderung zahlenmäßig hätte zum Ausdruck gebracht werden müssen. Bei dieser Würdigung der Willenserklärung des Abtretenden hat das FG die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) beachtet und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen. Die Auslegung des FG entspricht der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung, zu der das FG Baden-Württemberg in einem vergleichbaren Fall gelangt ist (Urteil vom 10. Juni 1988 IX K 358/85, EFG 1988, 607). In seinem Urteil in BFHE 162, 202, BStBl II 1991, 201, 202 hat es auch der erkennende Senat als vertretbar angesehen, daß das FA mangels gegenteiliger Angabe zur Höhe von der Abtretung des Gesamtbetrags der Forderung ausgehen kann. Der Senat ist deshalb im Streitfall an die tatsächliche Würdigung des FG gebunden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 118 Rz. 17).

Wenn die Revision dagegen einwendet, die Angaben in der Abtretungsanzeige zum Abtretungsgrund - Sicherungsabtretung, Honorarforderungen - ließen die Annahme offen, daß die Ansprüche des Abtretungsempfängers die Höhe des Erstattungsanspruchs nicht erreichten, so sind damit keine Umstände vorgetragen, die - entgegen der Auslegung des FG - nur auf eine Teilabtretung des Erstattungsanspruchs hindeuten. Da der Abtretende im Streitfall zur Sicherung der Honorarforderungen des E nicht nur das hier streitbefangene Guthaben aus der Einkommensteuerveranlagung ..., sondern auch seine Erstattungsansprüche hinsichtlich der beiden nachfolgenden Veranlagungszeiträume ... abgetreten hat, bestand für das FA als Erklärungsempfänger der zeitgleich eingegangenen Abtretungsanzeigen keinerlei Veranlassung anzunehmen, daß schon das Guthaben aus der Einkommensteuerveranlagung ... die Honorarforderungen des E übersteigen könnte und deshalb nur ein Teilbetrag dieses Erstattungsanspruchs abgetreten worden sei.

4. Soweit das FA erstmals im Revisionsverfahren vorträgt, ein weiterer formaler Mangel der (Abtretungs-)Anzeige bestehe darin, daß mangels Vornahme der erforderlichen Streichungen im Vordruck nicht erkennbar sei, ob es sich um eine Abtretungsanzeige oder um eine Verpfändungsanzeige handele, kann dies für die Entscheidung nicht berücksichtigt werden. Es handelt sich um neues tatsächliches Vorbringen, da entsprechende Feststellungen im Urteil des FG fehlen und das FG in seiner Entscheidung die Abtretungsanzeige mit ihrem Inhalt im einzelnen nicht in Bezug genommen hat. Das FG spricht vielmehr in seinem Urteil durchgängig von der Abtretung und von Abtretungsanzeigen; es geht also in Auslegung der vorliegenden Anzeige von dem Rechtsgeschäft der Abtretung (§ 398 BGB) aus, deren Vorliegen es gegenüber der ebenfalls denkbaren Verpfändung des steuerlichen Erstattungsanspruchs (§§ 1273, 1279, 1280 BGB) nicht in Zweifel zieht. Auch das FA ist im angefochtenen Abrechnungsbescheid und seiner Einspruchsentscheidung von der Abtretung des Erstattungsanspruchs und ihrer Bekanntmachung durch eine Abtretungsanzeige ausgegangen. Wenn es nunmehr erstmals mit seinem zweiten Revisionsschriftsatz in Frage stellt, daß die ihm vorliegende Anzeige hinsichtlich des ihr zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts hinreichend bestimmt und eine Abtretung gemeint sei, so muß der Senat dieses neue tatsächliche Vorbringen wegen seiner Bindung an die entgegenstehenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO), gegen die zulässige und begründete Verfahrensrügen nicht erhoben worden sind, außer Betracht lassen.

Im Streitfall besteht somit kein Anlaß, auf die im Senats-Urteil in BFHE 162, 202, BStBl II 1991, 201, 202 angesprochene Rechtsfrage einzugehen, ob wegen einer Vielzahl von fehlenden Angaben im Anzeigevordruck (dort: Art und Höhe des Anspruchs sowie Abtretung oder Verpfändung) die Abtretung (Verpfändung) des Erstattungsanspruchs unwirksam sein kann.

5. Da der Senat zu dem Ergebnis gelangt, daß die Abtretungsanzeige im Streitfall nicht mit formalen Mängeln behaftet ist, die der Wirksamkeit der Abtretung entgegenstehen, braucht er nicht - wie das FG - zu prüfen, ob sich das FA nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auf eine (mögliche) Unwirksamkeit der Anzeige berufen könnte. Nachdem der Einkommensteuererstattungsanspruch ... des M gemäß § 46 Abs. 2 und 3 AO 1977 wirksam an den Rechtsvorgänger der Klägerin abgetreten war, konnte das FA mangels Gegenseitigkeit der beiderseitigen Ansprüche dem M gegenüber nicht mehr wirksam aufrechnen (§ 226 Abs. 1 AO 1977, §§ 387, 389 BGB). Der Tatbestand des § 406 BGB - Aufrechnung gegenüber dem neuen Gläubiger - liegt nicht vor. Das FA ist daher zur Auszahlung des Erstattungsbetrages an die Klägerin verpflichtet (§ 45 Abs. 1 AO 1977).

 

Fundstellen

Haufe-Index 419602

BFH/NV 1994, 598

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