Leitsatz (amtlich)

Auch nicht bewertbare, weil ungesicherte Rechtspositionen (hier: Gestattung der Ausbeute von Bodenschätzen) können zum Betriebsvermögen gehören. Gegenstände, die der Betriebsinhaber auf Grund solcher Rechtspositionen erwirbt, werden mit dem Erwerb Betriebsvermögen.

 

Normenkette

EStG §§ 4-5, 6 Abs. 1 Nr. 5

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine OHG - betreibt ein Kieswerk. Gesellschafter sind die Brüder A und J R. Deren Schwager P ist als atypischer stiller Gesellschafter beteiligt.

Die Mutter der Gesellschafter der Klägerin, Frau R., gestattete diesen in den Streitjahren 1967 bis 1969 ohne besondere Vereinbarung, die zu ihrem landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden kiesführenden Grundstücke Flurstücke Nr. 209 und 210 in K im Rahmen des Kieswerkbetriebs auszubeuten. Mit notariellem Vertrag vom 4. November 1969 überließ sie das bis zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig ausgebeutete Grundstück Flurstück Nr. 209 den beiden Söhnen. Nach Ziff. IV des Vertrages gingen die Nutzungen und Lasten vom 4. November 1969 an auf die Erwerber über.

Über die steuerrechtliche Beurteilung dieses Hergangs besteht Streit. Die Klägerin behandelte die abgebauten Kiesmengen als Einlagen der Gesellschafter und machte in gleicher Höhe Absetzungen für Substanzverringerung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ bei der für das Jahr 1967 endgültigen und für die Jahre 1968 und 1969 nach § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufigen einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns die geltend gemachten Absetzungen für Substanzverringerung zu. Bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1971 kam der Prüfer jedoch zu der Auffassung, die Absetzungen für Substanzverringerung konnten nicht gewährt werden. Das FA folgte dem Prüfer und stellte durch einen nach § 222 Abs. 1 AO berichtigenden (1967) und nach § 225 AO endgültigen (1968 und 1969) Sammelbescheid vom 2. Januar 1973 die Gewinne dementsprechend erhöht fest.

Die Sprungklage der OHG blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) begründete sein Urteil damit, daß nur der zivilrechtliche oder wirtschaftliche Eigentümer zur Vornahme der Absetzungen für Substanzverringerung berechtigt sei. Weder die OHG noch deren Gesellschafter hätten eine solche Rechtsposition innegehabt. In den Streitjahren sei - bis zur vollständigen Ausbeute der Grundstücke - die Mutter der Gesellschafter Eigentümerin der Grundstücke gewesen. Diese habe lediglich ihr Recht zur Ausbeutung der Bodenschätze unentgeltlich den Gesellschaftern zur Nutzung überlassen. Die im Rahmen des Kieswerkbetriebes abgebauten Kiesmengen seien zwar mit der Trennung in das Eigentum der Gesellschafter bzw. der Klägerin (§ 954 BGB) gelangt, dieser Eigentumserwerb sei jedoch bereits in der betrieblichen Sphäre und nicht im Privatbereich der Gesellschafter erfolgt. Eine Einlage des Kiesvorkommens sei auch insoweit begrifflich ausgeschlossen. Die Annahme einer Einlage des Ausbeuterechts oder des wirtschaftlichen Eigentums an dem Ausbeuterecht scheitere schließlich daran, daß das Recht nur zur Nutzung überlassen worden sei. Eine Übertragung des Ausbeuterechts sei wegen der Untrennbarkeit vom Eigentum am Grundstück nicht möglich. Wirtschaftliches Eigentum an dem Recht sei ebenso abzulehnen wie das wirtschaftliche Eigentum an den Bodenschätzen.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, das FG-Urteil aufzuheben und die Gewinne herabzusetzen. Gerügt wird die Verletzung des § 6 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das FG habe als Tatsacheninstanz festgestellt, daß Frau R den Gesellschaftern der Klägerin, also ihren beiden Söhnen und dem Schwiegersohn, ihr Recht zur Ausbeutung der Bodenschätze zur Nutzung überlassen habe. Diese Nutzung sei als ein Wirtschaftsgut zu betrachten, das einer Einlage fähig und somit auch bewertungsfähig sei. Liege aber eine bewertungsfähige Einlage vor, so seien in entsprechender Höhe Betriebsausgaben anzusetzen, gleichgültig, ob diese als Absetzungen für Substanzverringerung oder als Absetzung von einem eingelegten Nutzungsrecht zu bezeichnen seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Ohne Rechtsverstoß hat das FG aus dem festgestellten Sachverhalt gefolgert, daß die Gesellschafter der OHG jedenfalls bis zum 4. November 1969 weder bürgerlich-rechtliche noch wirtschaftliche Eigentümer der den Kies enthaltenden Grundstücke bzw. des Kiesvorkommens waren.

Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen indes nicht aus, um die zwischen den Gesellschaftern der Klägerin und Frau R zustande gekommenen Rechtsbeziehungen im übrigen eindeutig zu würdigen. Die Feststellung, "die Mutter ... gestattete" den Gesellschaftern, "in den Streitjahren ohne besondere Vereinbarungen die zu ihrem landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden kiesführenden Grundstücke ... im Rahmen des Kieswerkbetriebs auszubeuten", ist in mehrfacher Beziehung aufklärungsbedürftig. Denkbar ist, daß Frau R durch eine einmalige Erklärung in unwiderruflicher Weise den Abbau des gesamten Vorkommens genehmigte. Für diese Deutung würde das Wort "ausbeuten" sprechen. Die Formulierung "ohne besondere Vereinbarung" könnte bei dieser Interpretation dahin verstanden werden, daß über die Besonderheiten der Art und Zeit des Abbaues nichts vereinbart wurde. Zu prüfen wäre bei dieser Vertragsauslegung allerdings, ob eine mögliche Rechtseinräumung von Frau R und den Gesellschaftern als Schenkung verstanden wurde; gegebenenfalls, ob diese Schenkung im Hinblick auf das in § 518 Abs. 1 BGB vorgeschriebene Formerfordernis rechtswirksam erfolgte. Möglich ist aber auch - wovon offenbar das FG ausging -, daß Frau R, ohne eine Übertragung des gesamten Ausbeuterechts zu wollen, den Abbau des Kieses lediglich in jederzeit widerruflicher Weise billigte und dies "in den Streitjahren" mehrfach ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck brachte. Nicht ausgeschlossen ist auch, daß Frau R jeweils nur von Fall zu Fall die einzelnen Kiesentnahmen aus ihren Grundstücken bis zum völligen Verbrauch der gesamten Kiesmenge gestattete.

2. Aus diesen drei als möglich in Betracht kommenden Rechtsgestaltungen ergeben sich unterschiedliche steuerrechtliche Folgen:

a) Räumte Frau R den Gesellschaftern ein Ausbeuterecht derart ein, daß diese eine rechtlich gesicherte Position erlangten, die ihnen gegen ihren Willen nicht mehr entzogen werden konnte und einen meßbaren wirtschaftlichen Wert darstellte, so wäre davon auszugehen, daß dieses Nutzungsrecht einlagefähig war und von den Gesellschaftern in das Betriebsvermögen der OHG eingelegt wurde.

Die Frage, ob obligatorische Nutzungsrechte handelsrechtlich Gegenstand einer Sacheinlage sein können, ist nicht unumstritten. Sie wird für Kapitalgesellschaften im Schrifttum überwiegend bejaht (Kraft in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 27 Tz. 18; Barz in Großkommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., § 27 Anm. 11; v. Godin-Wilhelmi, Aktiengesetz, 4. Aufl., § 27 Anm. 11; Düringer-Hachenburg, Das Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., III. Band, 1. Teil, § 186 Anm. 25; a. A. Brodmann, Aktienrecht, § 186 AktG Anm. 5 a; einschränkend Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG, S. 232).

Der Senat folgt dieser Rechtsauffassung. Gründe, die dafür sprechen könnten, bei Personengesellschaften obligatorische Nutzungsrechte nicht als einlagefähig anzusehen, sind nicht ersichtlich.

Der steuerrechtliche Einlagebegriff steht der Bilanzierungsfähigkeit obligatorischer Nutzungsrechte nicht entgegen. Der Grund für den Abzug der gesellschaftsrechtlichen Einlagen bei der Gewinnermittlung liegt handelsrechtlich wie steuerrechtlich darin, daß Einlagen nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung nicht den Handelsbilanzgewinn erhöhen, sondern sogleich dem Kapitalkonto gutgeschrieben werden. Diese Parallelität zwischen Handels- und Steuerrecht kann bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 EStG nicht außer Betracht bleiben. Die Frage, ob die in der Begriffsbestimmung für Entnahmen ausdrücklich genannten "Nutzungen und Leistungen" auch unter die Begriffsbestimmung für Einlagen fallen, kann damit nach § 4 Abs. 1 EStG unter der Voraussetzung bejaht werden, daß es sich um ein Wirtschaftsgut handelt, das auch nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung in der Bilanz angesetzt werden darf. Obligatorische Nutzungsrechte sind danach als Einlagen geeignet, wenn sie einen feststellbaren wirtschaftlichen Wert haben. Ob das auch für verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften gilt, braucht der Senat nicht zu prüfen.

Da das Kiesausbeuterecht - falls ein solches eingeräumt worden sein sollte - im Verlauf der Streitjahre durch den Abbau der Kiessubstanz bis auf null DM entwertet wurde, sind entsprechende Absetzungen geboten.

b) Gewährte Frau R den Gesellschaftern keine gesicherte Rechtsposition, sondern eröffnete sie ihnen nur aus Gefälligkeit die jederzeit widerrufliche Befugnis zum Kiesabbau, so erlangten die Gesellschafter kein bewertbares Wirtschaftsgut "Ausbeuterecht", dessen Einlage sich buchmäßig hätte niederschlagen können. Gleichwohl war der obligatorische Rahmen, innerhalb dessen eine solche Abrede zwischen Frau R und den Gesellschaftern lag, durch eine Rechtsbeziehung von gewisser Dauer gekennzeichnet, die den Gesellschaftern immerhin die greifbare Chance gab, bis auf weiteres Kies unentgeltlich abbauen zu dürfen. Diese Rechtsposition ist dem notwendigen Betriebsvermögen der Gesellschafter zuzurechnen, denn sie wurde ausschließlich betrieblich genutzt. Daß sie, da es sich nicht um eine gesicherte Rechtsposition handelte, nicht bewertbar war und mithin keinen Aktivposten in der Bilanz der Klägerin darstellen konnte, steht dem nicht entgegen. Denn das gewerbliche Betriebsvermögen kann neben den bewertbaren aktivierungsfähigen Wirtschaftsgütern auch Gegenstände (z. B. Chancen) umfassen, die sich ihrer Natur nach einer Bewertung entziehen und die deshalb nicht bilanzierungsfähig sind. Die im Zuge der Ausübung dieser Rechtsposition von den Gesellschaftern abgebauten Kiesmengen wären in diesem Falle als Erzeugnis eines betriebszugehörigen "Stammrechts" unmittelbar Betriebsvermögen der Klägerin geworden. Eine Einlage der jeweils abgebauten Kiesmengen in das Betriebsvermögen könnte bei dieser Gestaltung schon begrifflich nicht in Betracht gezogen werden.

c) Sollte eine allgemeine Zustimmung der Frau R zum Kiesabbau möglicherweise mangels der erforderlichen Form (§ 518 Abs. 1 BGB) entweder überhaupt nicht vorliegen oder nur als Zukunftsprogramm ohne jede Rechtsverbindlichkeit gedacht gewesen sein, die bei den Gesellschaftern allenfalls eine auf die private Beziehung zu Frau R begründete Hoffnung erwecken konnte, sollte mithin der Abbau der einzelnen Kiesmengen nur von Fall zu Fall gestattet worden sein, so muß davon ausgegangen werden, daß die Gesellschafter, ohne vorher irgendeine Rechtsposition eingeräumt erhalten zu haben, jeweils eine bestimmte Kiesmenge übereignet erhielten, und zwar im Falle der Schenkung unter Heilung des Formmangels gemäß § 518 Abs. 2 BGB.

Ebenso wie bei der Einräumung eines gesicherten Ausbeuterechts (oben a) müßte davon ausgegangen werden, daß sich diese Rechtsübertragung im privaten Bereich vollzogen hat, die Gesellschafter mithin die Kiessubstanz zunächst in ihrem Privatvermögen erworben und erst danach mit dem Teilwert in das Betriebsvermögen eingelegt haben. Denn der Anlaß der Zuführung des Wirtschaftsguts zum Betrieb (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 4 EStG, Anm. 41 a, 45 c) lag im privaten Bereich (vgl. für den Fall des Erlasses einer betrieblichen Schuld aus privaten Gründen Urteil des Reichsfinanzhofs vom 8. Januar 1936 VI A 908/35, RFHE 39, 34, RStBl 1936, 416; Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12. März 1970 IV R 39/69, BFHE 99, 27, BStBl II 1970, 518). Die bisherige Eigentümerin der Kiessubstanz billigte den Gesellschaftern den unentgeltlichen Abbau nur aus familiären Gründen zu. Geschäftsbeziehungen zwischen ihr und dem Betrieb der Klägerin hat das FG nicht festgestellt. Der Geschehensablauf könnte deshalb nur als Schenkung der jeweils abgebauten Kiessubstanz an die Gesellschafter angesehen werden, die dann ihrerseits im Zeitpunkt der Schenkung das Material dem Betrieb der Klägerin zugeführt hätten. Daß sich Schenkung und Zuführung zum Betrieb durch ein und denselben Vorgang, nämlich den Abbau, vollzogen, rechtfertigt es nicht, die Zuführung der abgebauten Kiesmengen zum Betrieb als Betriebseinnahmen anzusehen.

4. Da der Sachverhalt unter Berücksichtigung der aufgezeigten Rechtslage einer weiteren Aufklärung bedarf, geht die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung).

 

Fundstellen

Haufe-Index 72756

BStBl II 1978, 386

BFHE 1978, 501

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