Leitsatz (amtlich)

Der Annahme einer stillen Gesellschaft steht nicht notwendig entgegen, daß die Vertragschließenden die Pflicht des Unternehmers zur unveränderten Fortführung des Betriebs im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen haben.

 

Normenkette

GewStG § 8 Nr. 3; BGB § 705; HGB § 335f

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Zahlungen der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer KG, an mehrere ihrer leitenden Angestellten nach § 8 Nr. 3 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) dem Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sind.

An der Klägerin waren im Streitjahr 1969 neben zwei persönlich haftenden Gesellschaftern zehn Kommanditisten beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag der KG sieht vor, daß an der KG außerdem stille Gesellschafter beteiligt sind. Die Beteiligungen sollten durch Abschluß eines gesonderten Vertrags zwischen der KG und dem stillen Gesellschafter begründet werden. Der nach Befriedigung der persönlich haftenden Gesellschafter und nach Verzinsung sämtlicher Einlagen verbleibende Restgewinn soll in Höhe von 8,75 v. H. auf (damals) 19 stille Gesellschafter verteilt werden. Der Gesellschaftsvertrag sieht bereits vor, daß auch die stillen Gesellschafter nach dem Verhältnis ihrer Einlagen am Verlust der KG teilnehmen sollen.

Die Beteiligungen der leitenden Angestellten sind in einem Vertrag vom 1. Januar 1949 und zahlreichen Nachträgen geregelt. Nach dem Vertrag betragen die Einlagen der "stillen Gesellschafter" 10 000 DM oder 5 000 DM. Hinsichtlich der Gewinnverteilung regelt § 4 des Vertrags:

"1. Die Gehälter der stillen Gesellschafter gelten nicht als vorweggenommener Gewinnanteil, sondern als Arbeitsentgelt des Angestellten. Die Gehälter der stillen Gesellschafter mindern den verteilungsfähigen Gewinn.

2. Der unter Berücksichtigung . . . des Kommanditgesellschafts-Vertrags nach Verzinsung sämtlicher Einlagen mit 4 % verbleibende Reingewinn wird in der Weise verteilt, daß auf die stillen Gesellschafter mit 10 000 DM Einlage 0,5 v. H. und auf die stillen Gesellschafter mit 5 000 DM Einlage 0,25 v. H. entfallen."

Die einzelnen stillen Gesellschafter sind am Verlust im Verhältnis ihrer Einlagen beteiligt. Im übrigen gilt § 337 Abs. 2 HGB (§ 5 des Vertrags vom 1. Januar 1949). Über die Gewinnentnahmen und die Verzinsung nicht entnommener Gewinnanteile bestimmt § 6 des Vertrags:

"1. Die stillen Gesellschafter sind zur Entnahme der ihnen gutgeschriebenen Gewinnanteile berechtigt. Jedoch kann die Entnahme davon abhängig gemacht werden, daß die Auszahlungen dem Unternehmen nicht zum Schaden gereichen. Längstens neun Monate nach erfolgter Gutschrift kann der stille Gesellschafter frei über den gutgeschriebenen Gewinnanteil verfügen.

2. Läßt sich der stille Gesellschafter seinen Gewinnanteil nicht ausbezahlen, entsteht damit keine weitere Beteiligung. Die Gutschrift des Gewinnanteils erfolgt auf einem Kontokorrentkonto. Die Guthaben dieser Konten werden mit jährlich 4 v. H. verzinst."

Über das Innenverhältnis der stillen Gesellschafter zur KG bestimmt § 7 des Vertrags:

"Die stillen Gesellschafter haben das Recht, die Bilanz-, Verlust- und Gewinnrechnung einzusehen, doch sind sie von jeder Einwirkung auf die Geschäftsführung und auf die Aufstellung der Bilanz ausgeschlossen. Sie können keinen Handlungen der persönlich haftenden Gesellschafter widersprechen, auch nicht der Umwandlung, dem Verkauf oder der Auflösung der Gesellschaft."

Eine Kündigung der stillen Gesellschaften soll grundsätzlich weder durch die KG noch durch die stillen Gesellschafter möglich sein. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz regelt § 8 Abs. 3 des Vertrags:

"Sowohl seitens der Kommanditgesellschaft oder ihrer Rechtsnachfolger als auch seitens der stillen Gesellschafter gilt eine Kündigungsfrist von sechs Monaten, wenn einer der stillen Gesellschafter aus dem Angestelltenverhältnis der Kommanditgesellschaft oder ihrer Rechtsnachfolger zwecks Aufnahme einer anderen Tätigkeit ausscheidet oder wenn das Dienstverhältnis der Angestellten gekündigt wurde..."

Die stillen Gesellschaften enden u. a. automatisch mit dem Tod des stillen Gesellschafters. Beim Ausscheiden eines stillen Gesellschafters wird der Stand des Einlagenkontos und das Kontokorrentkonto im Zeitpunkt des Ausscheidens in ein Darlehen umgewandelt und verzinst. In § 10 des Vertrags heißt es:

"Soweit dieser Vertrag nichts anderes bestimmt, gelten die §§ 335 bis 342 HGB."

Im Streitjahr waren 23 aktive oder bereits ausgeschiedene leitende Angestellte an der Klägerin beteiligt. Sie hatten z. T. Zusagen auf Lebenszeit.

Die Klägerin hatte zwar die Zinsen auf die Einlagen als Dauerschuldzinsen gemäß § 8 Nr. 1 GewStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags des Streitjahres hinzugerechnet, nicht aber die Gewinnanteile. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung erfaßte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) auch die Gewinnanteile und erließ auf dieser Grundlage einen geänderten, für endgültig erklärten Gewerbesteuermeßbescheid.

Die Sprungklage, mit der die Klägerin geltend machte, Zweck der Verträge sei es gewesen, die Vermögensbildung bei Arbeitnehmern zu ermöglichen, eine stille Gesellschaft i. S. des § 8 Nr. 3 GewStG liege nicht vor, hatte Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1976 S. 303 (EFG 1976, 303) veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von Bundesrecht (§§ 335 ff. HGB, § 8 Nr. 3 GewStG).

Das FA beantragt (sinngemäß), das Urteil des FG aufzuheben und die Klage gegen den Gewerbesteuermeßbescheid 1969 vom 12. September 1973 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

1. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrages sind dem Gewinn (§ 7 GewStG) die Gewinnanteile der stillen Gesellschafter hinzuzurechnen (§ 8 Nr. 3 GewStG). Die Hinzurechnung setzt das Bestehen einer stillen Gesellschaft i. S. der §§ 335 f. HGB voraus (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. November 1965 IV 82/62 U. BFHE 84, 260, BStBl III 1966, 95). Erforderlich ist danach, daß sich jemand als Gesellschafter (§ 705 BGB) mit einer Vermögenseinlage an dem (Handels-) Gewerbe eines anderen gegen einen Anteil am Gewinn beteiligt (vgl. BFH-Urteil vom 27. Februar 1975 I R 11/72, BFHE 115, 518, BStBl II 1975, 611).

2. Den strittigen Gewinnanteilen der leitenden Angestellten der Klägerin liegen stille Gesellschaften zugrunde.

a) Nach den zwischen der Klägerin und einem Teil ihrer Arbeitnehmer getroffenen und hinsichtlich ihres Wortlauts klaren Vereinbarungen beruhen die Gewinnbeteiligungen der (leitenden) Arbeitnehmer auf Geldeinlagen, nicht dagegen auf ihren Dienstleistungen. Dem steht es nicht entgegen, daß Anlaß zur Begründung der stillen Beteiligungen die Arbeitsverhältnisse der stillen Gesellschafter waren und daß das Interesse der KG, diese Arbeitnehmer an ihr Unternehmen zu binden, in einer verhältnismäßig hohen Gewinnbeteiligung ihren Niederschlag gefunden haben mag.

b) Wird aber eine Vermögenseinlage nicht in Form einer Dienstleistung, sondern durch eine Geldeinlage erbracht, so scheidet die Annahme eines partiarischen Arbeitsverhältnisses von vornherein aus. In den vom BFH bisher entschiedenen Fällen, in denen die Frage der Abgrenzung der stillen Beteiligung zum partiarischen Arbeitsverhältnis aufgeworfen wurde, ging es durchweg um Gestaltungen, für die in Betracht zu ziehen war, ob die Vermögenseinlage des stillen Gesellschafters nicht in Form einer Dienstleistung erbracht worden sei (vgl. BFH-Urteile vom 27. Februar 1963 I 236/59 U. BFHE 77, 145, BStBl III 1963, 370; vom 5. Juni 1964 IV 108/63 U, BFHE 81, 143, BStBl III 1965, 51; vom 8. Juli 1965 IV 30/63 U, BFHE 83, 158, BStBl III 1965, 558; vom 5. August 1965 IV 138/65 U, BFHE 83, 163, BStBl III 1965, 560; vom 7. Februar 1968 I 223/64, BFHE 91, 373, BStBl II 1968, 356, und vom 28. Juli 1971 I R 78/68, BFHE 103, 204, BStBl II 1971, 815).

c) Auch die Möglichkeit, daß im Streitfalle keine stillen Beteiligungen, sondern partiarische Darlehen vereinbart worden sind, braucht nicht erwogen zu werden. Die Klägerin behauptet selbst nicht, daß partiarische Darlehen vorlägen. Im übrigen spräche dagegen auch die Beteiligung der Arbeitnehmer am Verlust der KG.

3. Der Annahme stiller Gesellschaften steht auch nicht entgegen, daß die Verpflichtung der KG, den Betrieb unverändert fortzuführen, in den Verträgen ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Der erkennende Senat hat zwar mehrfach ausgesprochen, daß eine Vereinbarung dieser-Art entscheidend gegen das Vorliegen einer stillen Gesellschaft spreche (BFH-Urteile vom 10. März 1971 I R 73/67, BFHE 102, 242, BStBl II 1971, 589; vom 6. Oktober 1971 I R 215/69, BFHE 103, 572, BStBl II 1972, 187; I R 11/72). Dieser Auffassung hat Meincke (Zivilrechtliche Vorfragen bei der einkommensteuerrechtlichen Übertragung von Einkunftsquellen aus der Sicht des Zivilrechtlers in "Übertragung von Einkunftsquellen im Steuerrecht", herausgegeben von Klaus Tipke, Köln 1978, 69, 76 f.) widersprochen. Er hat ausgeführt, daß der Bundesgerichtshof (BGH), auf den sich der erkennende Senat zum Teil bezogen hatte, im Urteil vom 25. September 1963 V ZR 133/61 (Der Betriebs-Berater 1963 S. 1277 - BB 1963, 1277 -) lediglich betont habe, dem Unternehmer obliege gegenüber dem stillen Gesellschafter eine Verpflichtung zur Fortführung des Unternehmens. Davon, daß diese Verpflichtung nicht ausgeschlossen werden könne, ohne den Charakter des Zusammenschlusses als einer Gesellschaft zu gefährden, sei aber in diesem Urteil nicht die Rede. Dort heiße es nur, daß der Unternehmer verpflichtet sei, den Betrieb nicht gegen den Willen des stillen Gesellschafters aufzugeben. Ein Handeln gegen den Willen des stillen Gesellschafters liege aber nicht vor, wenn dieser schon vorweg seine Zustimmung zur Einstellung des Betriebs gegeben habe.

Auch der erkennende Senat ist der Auffassung, daß die Verpflichtung zur unveränderten Fortführung des Gewerbebetriebs im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen werden kann, ohne daß dadurch stets die stille Gesellschaft in Frage gestellt wird (s. auch Schilling, Großkommentar zum HGB, Band II, 2, 3. Aufl., § 335 Anm. 48). Der Senat stellt seine diesbezüglichen Ausführungen in seinen früheren Entscheidungen dahingehend klar, daß der Ausschluß der Verpflichtung zur Fortführung des Betriebs durch den Unternehmer im Gesellschaftsvertrag lediglich in Zweifelsfällen bei der Abgrenzung zwischen einer stillen Gesellschaft und anderen Rechtsverhältnissen entscheidende Bedeutung erlangen kann. Das gilt insbesondere für die Abgrenzung der stillen Gesellschaft vom partiarischen Arbeitsverhältnis, weil hier der Ausschluß der Verpflichtung, den Betrieb unverändert fortzuführen, ein Indiz für das Abhängigkeitsverhältnis des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber sein kann, wie es gerade das partiarische Arbeitsverhältnis kennzeichnet. Dieses steht im Gegensatz zu einer partnerschaftlichen Verbindung der Beteiligten zur Förderung des gemeinsamen Zwecks i. S. des § 705 BGB (vgl. z. B. BFH-Urteil I R 215/69). Bei einem Rechtsverhältnis dagegen, bei dem - wie im Streitfall - an ein fremdes Unternehmen Geldeinlagen gegen Beteiligung am Gewinn und Verlust geleistet werden, besteht - wenn nicht andere partiarische Rechtsverhältnisse in Betracht kommen können - in der Regel kein Anlaß, den Zusammenschluß der Beteiligten zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks zu bezweifeln. Daß die Kontrollrechte nach § 338 HGB, die dispositives Recht darstellen, im Streitfall eingeschränkt worden sind, schließt das Bestehen stiller Gesellschaften gleichfalls nicht aus (vgl. auch Paulick, Handbuch der stillen Gesellschaft, 2. Aufl. S. 114). Dies gilt um so mehr, als die KG und die leitenden Angestellten selbst in ihren vertraglichen Abmachungen klar zum Ausdruck gebracht haben, daß sie eine stille Gesellschaft begründen wollten, was nicht nur in der Bezeichnung der Vertragsverhältnisse, sondern auch in der ausdrücklichen Verweisung auf die Vorschriften der §§ 335 ff. HGB seinen Ausdruck gefunden hat.

4. Da die Höhe der hinzuzurechnenden Gewinnanteile keinen Anlaß zur Beanstandung gibt, ist die Sache spruchreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Klage gegen den Gewerbesteuermeßbescheid 1969 ist abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72948

BStBl II 1979, 28

BFHE 1979, 51

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