Entscheidungsstichwort (Thema)

Klage nur gegen Einspruchsentscheidung

 

Leitsatz (NV)

Eine nur gegen die Einspruchsentscheidung gerichtete Klage ist in der Regel unzulässig.

 

Normenkette

FGO § 44 Abs. 2, § 137 S. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war alleiniger Geschäftsführer der GmbH. Gesellschafter der GmbH waren der Kläger und H zu gleichen Teilen. Am . . . stellte die GmbH, vertreten durch den Kläger, Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen, der jedoch mangels Masse abgewiesen wurde. Am . . . wurde die GmbH von Amts wegen gelöscht.

Die rückständigen Umsatzsteuern konnten von der GmbH nicht beigetrieben werden. Am . . . November 1989 erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) deshalb gegen den Kläger einen Haftungsbescheid über rückständige Umsatzsteuern und steuerliche Nebenleistungen. Die von der GmbH geschuldeten Steuern und Säumniszuschläge stellte es darin mit folgenden Beträgen fest:

. . .

Aufgrund der im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung ermittelten Quote für die Haftungsschuld bezüglich aller Haftungszeiträume, deren Prozentsatz das FA in dem Haftungsbescheid im einzelnen erläuterte, nahm es den Kläger für einen Haftungsbetrag von insgesamt . . . DM in Anspruch.

Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Klage war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) hob den Haftungsbescheid vom November 1989 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom Juli 1990 auf.

Die hiergegen eingelegte Revision des FA ist Gegenstand des Verfahrens . . .

Im Verlauf des Klageverfahrens - am . . . Oktober 1990 - erließ das FA eine Einspruchsentscheidung über die Haftungssumme von . . . DM, die inhaltlich der Einspruchsentscheidung vom Juli 1990 entsprach und lediglich um die Aufgliederung der Haftungssumme nach Voranmeldungszeiträumen und Steuern bzw. Nebenleistungen ergänzt war. In dem Begleitschreiben teilte das FA mit, daß ,,die diesem Schreiben beigefügte Einspruchsentscheidung somit an die Stelle der Einspruchsentscheidung vom . . . Juli 1990 tritt. Ihre Klage vor dem Finanzgericht . . . richtet sich nunmehr gegen die Einspruchsentscheidung vom . . . Oktober 1990, die im übrigen - abgesehen von einer Aufgliederung - die bisher in der Einspruchsentscheidung vom . . . Juli 1990 enthaltenen sachlichen und rechtlichen Ausführungen beinhaltet".

Gegen die Einspruchsentscheidung vom . . . Oktober 1990 erhob der Kläger ebenfalls Klage mit dem Antrag, die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Die Klage ist Gegenstand dieses Verfahrens.

Das FG hielt die Klage für zulässig und begründet und hob die Einspruchsentscheidung vom . . . Oktober 1990 auf. Bei dem Haftungsbescheid vom . . . November 1989 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom . . . Juli 1990 einerseits und der Einspruchsentscheidung vom . . . Oktober 1990 andererseits handele es sich um zwei unterschiedliche Streitgegenstände, weil in beiden Fällen über den Haftungsbescheid mit einem anderen Inhalt und in bezug auf die zweite Einspruchsentscheidung darüber zu entscheiden sei, ob das FA diese überhaupt noch habe erlassen dürfen.

Die Einspruchsentscheidung vom . . . Oktober 1990 habe nicht ergehen dürfen. Denn es sei unzulässig, den rechtshängigen Verwaltungsakt in Gestalt der Einspruchsentscheidung durch eine weitere Einspruchsentscheidung zu ersetzen. Dies sei nur im Rahmen der §§ 130 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) möglich. Bei der Korrektur eines Verwaltungsaktes durch eine ,,Nachbesserung" in dem Sinne, daß eine notwendige Begründung nachgeholt oder ein unvollständiger Verfügungssatz ergänzt werde, handle es sich nicht um einen Fall der §§ 130 ff. AO 1977.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision macht das FA geltend, die Vorinstanz habe über die Klage wegen bereits bestehender Rechtshängigkeit der Streitsache sachlich nicht mehr entscheiden dürfen. Es habe die Vorschriften der §§ 130, 132 AO 1977 unrichtig angewandt. Nach diesen Vorschriften könne nicht nur der ursprüngliche Verwaltungsakt, sondern auch die Einspruchsentscheidung geändert werden. Der Haftungsbescheid sei bestehen geblieben, habe aber durch die Einspruchsentscheidung vom Oktober 1990 einen anderen Inhalt erhalten und sei in dieser Gestalt Gegenstand des bereits anhängig gewesenen Verfahrens geworden, ohne daß es eines Antrags gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bedurft hätte. Beide Klagen beträfen dieselbe Streitsache, nämlich die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom Oktober 1990.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben; die Klage ist abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

1. Die allein gegen die Einspruchsentscheidung vom Oktober 1990 (zweite Einspruchsentscheidung) gerichtete Klage ist unzulässig, weil dem Kläger mangels einer Beschwer durch die Einspruchsentscheidung die Klagebefugnis fehlt.

Wie der Bundesfinanzhof bereits entschieden hat, ist eine nur gegen die Einspruchsentscheidung gerichtete Klage in der Regel unzulässig (Urteil vom 30. Januar 1976 III R 61/74, BFHE 118, 288, BStBl II 1976, 428; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 44 Rz. 35). Denn der Einspruchsentscheidung kommt, von Ausnahmen abgesehen, keine eigene Bedeutung zu; sie entfaltet ihre Wirkung nur im Zusammenhang mit dem angefochtenen Verwaltungsakt, zu dem sie ergeht (§ 44 Abs. 2 FGO).

So liegt der Fall auch hier. Die Beschwer des Klägers liegt in dem mit der Klage angefochtenen Haftungsbescheid, der Gegenstand des Verfahrens . . . ist, nicht aber in der zweiten Einspruchsentscheidung. Denn mit der gleichmäßigen Aufteilung der Haftungssumme auf die einzelnen Voranmeldungszeiträume wird nur etwas verdeutlicht, was in dem Haftungsbescheid ohnehin bereits enthalten war. In der zweiten Einspruchsentscheidung läge auch dann keine eigenständige Beschwer, wenn die Rücknahme unter Ersetzung der Einspruchsentscheidung vom Juli 1990 (erste Einspruchsentscheidung) durch die zweite Einspruchsentscheidung rechtswidrig gewesen wäre. Diese Frage kann nur im Zusammenhang mit der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheides Bedeutung erlangen, auf die es im Streitfall nicht ankommt, da dessen Gegenstand nur die zweite Einspruchsentscheidung ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418611

BFH/NV 1993, 39

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