Leitsatz (amtlich)

Für die Entscheidung der Frage, ob Gewinnausschüttungen einer GmbH auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluß beruhen, sind die handelsrechtlichen Vorschriften maßgebend. Ist für eine nachträgliche Änderung eines Gewinnverteilungsbeschlusses eine Änderung der Handelsbilanz Voraussetzung, so muß eine Änderung der Handelsbilanz durch die GmbH vorliegen.

 

Normenkette

KStG § 19 Abs. 3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob und in welcher Höhe im Rahmen der auf Grund der Ergebnisse einer Betriebsprüfung durchgeführten Berichtigungsveranlagungen nachträgliche Gewinnausschüttungen steuerlich zu berücksichtigen sind.

Der Revisionsbeklagte (FA) hatte die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), eine GmbH, auf Grund der von ihr eingereichten Steuererklärungen für die Streitjahre 1961 und 1962 zur Körperschaftsteuer bestandskräftig herangezogen. Während für den Veranlagungszeitraum 1961 keinerlei Gewinnausschüttungen vorgenommen waren, war für den Veranlagungszeitraum 1962 ein Betrag von 49 740 DM ausgeschüttet worden, der mit 15 v. H. versteuert worden war.

Eine im Jahr 1964 durchgeführte Betriebsprüfung führte bei der Steuerpflichtigen zu folgenden Mehrergebnissen:

steuerpflichtiges

Einkommen

Ein-

Handelsbilanz-Gewinn kommens -

Jahr Mehrung mehrung Mehrung

1961 812 DM 7 974 DM 10 007 DM

3 546 DM (neu ent-

standener

Gewinn-

vortrag)

1962 14 083 DM 30 214 DM 30 214 DM

Der Betriebsprüfer hatte in seinem Betriebsprüfungsbericht vermerkt, daß die Steuerpflichtige beabsichtige, die Mehrgewinne auszuschütten. Trotz Übersendung des Betriebsprüfungsberichtes gab jedoch die Steuerpflichtige zunächst keine Stellungnahme ab. Das FA erließ daher berichtigte Körperschaftsteuerbescheide für 1961 und 1962 gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO.

Mit dem gegen die beiden Steuerbescheide eingelegten Einspruch teilte die Steuerpflichtige mit, daß sie entsprechend der Ankündigung im Prüfungsbericht nunmehr am 14. Juli 1965 beschlossen habe, für 1961 und 1962 anderweitige Ausschüttungen vorzunehmen und zwar für 1961 9 510 DM und für 1962 29 710 DM. Berichtigte Handelsbilanzen wurden für die Jahre 1961 und 1962 nicht aufgestellt, die Anpassung an die Prüferbilanz erfolgte in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 1963.

Das FA ging davon aus, daß eine nachträgliche Änderung der bereits beschlossenen Gewinnausschüttung nur noch in bezug auf die durch die Betriebsprüfung eingetretene Gewinnmehrung in Betracht komme. Im übrigen müsse es bei den früheren Ausschüttungsbeschlüssen verbleiben.

Mit der Berufung begehrte die Steuerpflichtige die volle Anerkennung der im Gesellschafterbeschluß vom 14. Juli 1965 beschlossenen Gewinnausschüttung. Sie bestritt, daß nachträgliche Ausschüttungen sich nur auf Mehrgewinne erstrecken könnten, die nach Abzug aller Mehrsteuern verblieben. Auf Grund der durchgeführten Betriebsprüfung sei ihr steuerpflichtiges Einkommen für 1961 um rd. 33 % und für 1962 um rd. 48 % gestiegen. Hieraus habe sich für sie die Notwendigkeit ergeben, einen neuen Gewinnverteilungsbeschluß zu fassen. Da gemäß § 222 AO eine Betriebsprüfung eine Wiederaufrollung des gesamten Verfahrens ergebe, habe die Steuerpflichtige die Möglichkeit, die Ausschüttungen mit der Wirkung vorzunehmen, daß sie als steuerlich begünstigte berücksichtigungsfähige Ausschüttung nach § 19 Abs. 1 Nr. 3 KStG anerkannt werden müßten. Die einzige Begrenzung für die Anerkennung als steuerbegünstigte Ausschüttung liege in der Vorschrift des § 234 AO a. F., daß nämlich die ursprünglich festgesetzte Steuer nicht unterschritten werden dürfe. Gefaßte Beschlüsse könnten in der gleichen Weise geändert werden, wie sie gefaßt sind. Beschlüsse, die ein Gläubigerrecht begründeten (z. B. Gewinnverteilungsbeschlüsse), könnten nur mit Zustimmung der Betroffenen geändert werden. Im vorliegenden Fall würden zwar durch die Beschlüsse Gläubigerrechte berührt, nämlich die Rechte der Gesellschafter auf Dividende, aber diese Beschlüsse seien von den Betroffenen selbst gefaßt worden.

Die Auffassung des FA würde eine gesetzwidrige Beschränkung der freien Verfügungsmacht der Gesellschafter über ihr Vermögen bedeuten. Es gebe keine gesetzliche Stütze für die Ansicht, daß Gesellschafter nur noch über den Mehrgewinn verfügen dürften, der sich bei einer Betriebsprüfung zusätzlich ergebe und über diesen wiederum nur insoweit, als er um die dadurch zusätzlich anfallenden Steuern gekürzt sei. Zu einer solchen Denkkonstruktion könne man nur gelangen, wenn man ergründe, welcher Ausschüttungsbeschluß im "fiskalisch ungünstigsten Fall" unbedingt zugelassen werden müsse.

Das FG hat mit der in EFG 1967, 422 veröffentlichten Entscheidung die Klage als unbegründet zurückgewiesen. Es hat unter anderem ausgeführt, es sei der Steuerpflichtigen darin beizupflichten, daß die Gesellschafter grundsätzlich berechtigt seien, einen Gewinnverteilungsbeschluß nachträglich zu ändern, soweit dadurch nicht Gläubigerrechte verletzt würden. Das Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) enthalte keine zeitliche Begrenzung für eine derartige Beschlußfassung. Das Gericht sei jedoch in Übereinstimmung mit dem Urteil des BFH I 5/63 U vom 1. Juli 1964 BFH 80, 162, BStBl III 1964, 533) der Auffassung, daß weder ein erstmaliger noch ein nachträglich ändernder Gewinnverteilungsbeschluß eine unbegrenzt lange Zeit nach Abschluß des Wirtschaftsjahres erfolgen könne, weil dies dem handelsrechtlichen Erfordernis nach einem zutreffenden Vermögensausweis widersprechen würde. Es könne dahingestellt bleiben, ob das erwähnte Wahlrecht der Gesellschafter grundsätzlich mit der Einreichung der Steuererklärung verwirkt sei oder ob diese Verwirkung erst nach Ergehen des Steuerbescheides eintrete. Mit Recht weise das FA darauf hin, daß jedenfalls eine Gewinnausschüttung für das Jahr 1961 nach Feststellung des Jahresabschlusses 1962 nicht mehr möglich sei. Denn der in der Bilanz 1961 ausgewiesene, nicht ausgeschüttete Gewinn sei in der Bilanz 1962 als Gewinnvortrag enthalten und bilde so die Grundlage für die Gewinnverteilung 1962. Der Senat stimme dem FA auch darin zu, daß im Falle der Berichtigung einer Veranlagung gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO auf Grund einer Betriebsprüfung nachträgliche Gewinnausschüttungen nur insoweit beschlossen werden könnten, als durch die Betriebsprüfung mehr Gewinne aufgedeckt worden seien. Das Gericht könne auch darin keine fehlerhafte Rechtsanwendung erkennen, daß das FA die nachträgliche Ausschüttung auf die Mehrgewinne beschränke, die nach Abzug aller Mehrsteuern verblieben, die sich durch die Betriebsprüfung ergeben hätten. Es bedürfe keiner weiteren Erörterung, daß nur in dieser Höhe wirkliche, einer nachträglichen Ausschüttung zugängliche Mehrgewinne vorhanden seien. Der nach einer Betriebsprüfung gefaßte Zusatzbeschluß könne nicht auf vorher bewußt gebildete stille Reserven, auf neue Rechnung vorgetragene Gewinne oder auf in der ursprünglichen Handelsbilanz ausgewiesene Gewinnvorträge ausgedehnt werden. Insoweit müsse an dem ursprünglichen Gewinnverwendungsbeschluß festgehalten werden. Das Ausschüttungsrecht für diese Beträge sei verwirkt.

Da diese Überlegungen in erster Linie nicht auf Steuerrecht, sondern auf dem Recht der GmbH beruhten, könne auch die durch die Berichtigung gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO eintretende Wiederaufrollung des ganzen Falles an der getroffenen Entscheidung nichts ändern. Auch § 19 KStG schreibe vor, daß bei der Berichtigung der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen von den Gewinnausschüttungen ausgegangen werden müsse, die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluß beruhten. Nach diesen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften sei jedoch die nachträgliche Änderung eines Gewinnverwendungsbeschlusses nur unter den genannten Einschränkungen zulässig. Von einer gesetzwidrigen Einschränkung der freien Verfügungsmacht der Gesellschafter hinsichtlich ihres Vermögens könne nicht die Rede sein.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Steuerpflichtigen, mit der sie zusätzlich vorträgt, es sei vom FG nicht dargetan, daß hier ein Gewinnverteilungsbeschluß "unbegrenzt lange Zeit" nach Abschluß des Wirtschaftsjahres erfolgt sei, denn für alle betroffenen Jahre lägen bereits Gewinnverteilungsbeschlüsse vor. Diese gingen jedoch von falschen Voraussetzungen aus, so daß sie überprüft und unter Umständen geändert werden müßten. Die Bilanzen für die Jahre, in denen sich Mehrgewinne ergäben und für die zusätzliche Ausschüttungen beschlossen worden seien, seien entsprechend geändert worden, und diese veränderte Vermögenslage sei auch den folgenden Jahren zugrunde gelegt worden. Damit sei dem handelsrechtlichen Erfordernis nach einem zutreffenden Vermögensausweis ebenso Rechnung getragen wie dem Gläubigerschutzprinzip.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2, § 121 FGO).

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Nach § 19 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 KStG ermäßigt sich die Körperschaftsteuer für berücksichtigungsfähige Ausschüttungen. Das sind die auf Grund eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses vorgenommenen Gewinnausschüttungen für Wirtschaftsjahre, deren Ergebnisse bei der Veranlagung berücksichtigt sind (§ 19 Abs. 3 Satz 1 KStG). Dieser maßgebliche Gewinnverteilungsbeschluß kann sich nur auf den in der Handelsbilanz ausgewiesenen Gewinn beziehen. Zu den Ausschüttungen, "deren Ergebnisse bei der Veranlagung berücksichtigt sind", gehören auch Gewinnausschüttungen aus Gewinnvorträgen und aus der Auflösung bereits versteuerter Reserven (BFH-Urteil I 86/61 U vom 26. April 1963, BFH 76, 834, BStBl III 1963, 303). Für die Entscheidung der Frage, ob die Gewinnausschüttungen auf einem "den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden" Gewinnverteilungsbeschluß beruhen, sind die handelsrechtlichen Vorschriften, hier die des GmbHG, maßgebend.

Nach § 46 Nr. 1 GmbHG beschließt die Gesellschafterversammlung über die Verteilung des Gewinns. Im Urteil I 5/63 U, a. a. O., hat der Senat darauf hingewiesen, daß § 46 GmbHG eine zeitliche Begrenzung für die Beschlußfassung nicht vorsieht, daß der Beschluß zwar nicht unbegrenzt lange Zeit nach Abschluß des Wirtschaftsjahres erfolgen dürfe, daß er aber jedenfalls dann steuerrechtlich zu berücksichtigen ist, wenn er vor der Durchführung der Veranlagung beim FA vorliegt. Darum geht es aber im vorliegenden Falle nicht, denn die Steuerpflichtige trägt zutreffend vor, daß für alle Jahre über die Ausschüttung des Gewinns vor der Veranlagung beschlossen worden ist. Es kommt hier vielmehr darauf an, ob der Gewinnverteilungsbeschluß geändert werden kann.

Grundsätzlich können gefaßte Beschlüsse der Gesellschafterversammlung in der gleichen Weise geändert werden, wie sie gefaßt worden sind. Eine Begrenzung für Beschlüsse, die ein Gläubigerrecht begründen, kommt hier nicht zum Zuge, wie schon das FA zutreffend erkannt hat. Es ist der Steuerpflichtigen auch zuzugeben, daß eine nicht unbedeutende Änderung des steuerlichen Gewinns durch eine Betriebsprüfung Anlaß zu einer Änderung eines Gewinnverteilungsbeschlusses sein kann. Man muß weiter mit dem Urteil I 5/63 U, a. a. O., annehmen, daß die nachträgliche Änderung des Gewinnausschüttungsbeschlusses als solche keine Bilanzänderung im Sinne des § 4 Abs. 2 EStG ist, die der Genehmigung des FA bedürfte. In dem dort entschiedenen Fall trat eine Änderung des Bilanzergebnisses nicht ein und das Urteil brauchte sich nur mit dem Ausschüttungsbeschluß zu befassen. Insofern liegt der vorliegende Fall anders: Die Ausschüttungsbeschlüsse sollen hier geändert werden, weil die Betriebsprüfung Steuerbilanzen geändert hat. Für die Ausschüttungsbeschlüsse sind aber nicht die Ergebnisse der Steuerbilanz, sondern die Ergebnisse der Handelsbilanz maßgebend (vgl. BFH-Urteil I 86/61 U, a. a. O.); denn die Ausschüttung ist ein handelsrechtlich geregelter Vorgang, der nur durch § 19 Abs. 3 KStG steuerrechtliche Bedeutung erlangt. Wird die Änderung des Gewinnverteilungsbeschlusses durch einen durch die Betriebsprüfung festgestellten Mehrgewinn veranlaßt, der auf einer Korrektur von Bilanzpositionen beruht, so bedarf die Änderung der Gewinnverteilung zunächst einer Änderung der Handelsbilanz.

Die Vorentscheidung stellt in Übereinstimmung mit der Einspruchsentscheidung und dem Akteninhalt fest, daß berichtigte Handelsbilanzen für die Jahre 1961 und 1962 nicht aufgestellt worden sind. Der jetzige Vortrag der Steuerpflichtigen, die Bilanzen seien entsprechend geändert worden, ist neues, in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigungsfähiges Vorbringen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Die Ansicht des FA in der Einspruchsentscheidung, die Änderung der Handelsbilanz könne "unterstellt werden, wenn auch die Angleichung erst in der Eröffnungsbilanz zum 1.1.1963" erfolgt sei, - und auch der Ausspruch des FG "die Anpassung an die Prüferbilanz erfolgte jedoch in der Eröffnungsbilanz zum 1.1.1963" - können einen Verzicht auf die Änderung der Handelsbilanz nicht rechtfertigen. Wie oben dargestellt, ist die Änderung der Handelsbilanz logische Voraussetzung für die Änderung des Ausschüttungsbeschlusses. Da eine solche Änderung der Handelsbilanz hier nicht vorliegt, kann auch die Änderung des Ausschüttungsbeschlusses steuerrechtlich keine Bedeutung gewinnen.

Zu einer Änderung der Handelsbilanz wäre nach § 4 Abs. 2 EStG die Zustimmung des FA erforderlich gewesen. Ob das FA diese im vorliegenden Falle hätte erteilen müssen, kann dahingestellt bleiben, da eine Änderung der Handelsbilanz nicht erfolgt und ein dahingehender Antrag nicht feststellbar ist.

Da das FA die Ausschüttung dieser Mehrgewinne bereits steuermindernd berücksichtigt hat, besteht kein Anlaß, von der Vorentscheidung abzugehen. Die weitergehenden Anträge der Steuerpflichtigen sind dagegen unbegründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68640

BStBl II 1969, 634

BFHE 1969, 310

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